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#Aufschrei und Absturz

Wie der Stern mit seinem Kampagnenjournalismus scheitert

Spätestens, seit die damalige Stern-Autorin Laura Himmelreich 2013 enthüllte, der FDP-Politiker Rainer Brüderle habe ihr irgendwann 2012 um Mitternacht an der Bar ein Kompliment zu ihrer Oberweite gemacht, gilt der „Stern“ als Fachblatt für den Kampf gegen Sexismus. Im Zuge der #MeeToo-Kampagne, die anzügliche Bemerkungen, Auf-den-Po-Starren und körperliche Übergriffe zu einem Cocktail zusammenrührt, fühlte sich auch der Stern in seiner Kernkompetenz herausgefordert.

Das Hamburger Blatt produzierte die Titelgeschichte „Sexismus im Job? Kenne ich!“(Heft 46/17) – und verkaufte davon im Zeitschriftenhandel 141 582 Stück. Damit erreichte die Illustrierte den Negativrekord in seiner langen Geschichte: noch nie verkaufte sich ein Stern derartig schlecht. An diesem Fall wurde besonders augenfällig, dass die Themen der Redakteure offenbar andere sind als die der eigenen Leser. Von der generellen Präferenz in der außermedialen Gesellschaft einmal ganz abgesehen. Wo die liegen könnte, darauf gibt die Veröffentlichung eines Gesprächs auf faz.net zwischen der französischen Autorin Elisabeth Badinter und der Emma-Herausgeberin Alice Schwarzer über muslimische Juden- und Frauenverachtung einen Hinweis. Das Stück unter dem Titel „In Cafés sitzen keine Frauen mehr“ setzte sich am 12. Dezember in allen drei Leserkategorien „meistgeteilt“, „meistgelesen“ und „meistempfohlen“ an die Spitze, und hielt sich lange dort.

Die Fachzeitschrift „Deutsche Polizei“ kommt in ihrer Öffentlichkeitswirksamkeit nicht an die FAZ heran. Aber möglicherweise findet der Artikel “Vergewaltigung – Opfer ohne Lobby” zweier Expertinnen in der Dezemberausgabe doch einen Leserkreis, der über das normale Publikum hinausgeht. In dem Text beschäftigen sich die Potsdamer Notärztin Almut Meyer und die Mühlheimer Kriminologin Dorothee Dienstbühl mit der grotesken medialen Aufblähung eines schalen Politikerwitzes oder eines Kompliments – wie im Fall der Berliner Staatssekretärin Sawsan Chebli. Das, so die Autorinnen, trage nichts zur gesellschaftlichen Debatte bei, aber viel zur Hysterisierung. Es verhöhne vor allem die Opfer tatsächlicher sexueller Übergriffe.

„Es ist kein sexueller Übergriff, wenn ein einzelner Mann einer einzelnen Frau ein einfaches Kompliment macht“, schreiben Meyer und Dienstbühl. „Es ist kein Akt eines übergriffigen Sexismus, wenn ein Mann einer Politikerin das Kompliment macht, sie sei hübsch – auch wenn sie danach noch so aufgebracht darüber twittern mag. In solchen Situationen ist jede Frau handlungsfähig. Nichts geschieht gegen ihren Willen und häufig noch nicht einmal in böser Absicht. Es ergeben sich daraus keine Situationen, die angsteinflößend sind.“

Zurück zum Stern: Wer seine Leser mit Kampagnenjournalismus belästigt, muss offenbar mit der Reaktion rechnen: #Mit mir nicht.


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13 Responses
  • Alma Ruth
    12. Dezember, 2017

    Almut Meyer und Dorothee Dienstbühl recht. Ich habe mich auch gewundert, warum die Journalistin und die Politikerin so aufregen. Mag sein, daß beide Bemerkungen in der jeweiligen Situation nicht ganz passend waren, aber sooo schlimm, daß man deswegen so ein Zirkus macht, waren sie auch nicht. Sage ich als Frau.
    lg
    Alma Ruth

    • kdm
      13. Dezember, 2017

      Zumal diese “”junge schöne” Politikerin auf jedem Foto,in jedem Filmchen recht aufgebrezelt daherkommt: das Gesicht voller Schminke. Sowas jeden Tag herzustellen, dauert!
      Wer sie mal in der Bundespressekonferenz erlebt hat, weiß: logisch & vernünftig reden kann die auch nicht.
      Und: an dem Tag, als sie so “beleidigt” wurde, von einem älteren(!) Diplomaten(!), der gerade eine Rede hielt(!), kam sie – die Veranstaltung etwas störend – zu spät (!) und setzte sich auch noch auf einen falschen Platz.
      .
      Ich schieb’ ihre offensichtliche Dummheit und das Jeder-Mode-hinterherrennen-Hauptsache-man-bekommt-Aufmerksamkeit auf die Unerfahrenheit der Jugend.

      • Axel Kilian
        13. Dezember, 2017

        Man kann sich des Verdachts nicht erwehren dass die Position Staatssekretärin für Bürgerschaftliches Engagement und Internationales nur geschaffen wurde um diese Quotenfrau zu alimentieren.

  • Schildkröte
    13. Dezember, 2017

    Das ganze Sexismus-Gedöhns wird ohnehin nur am Laufen gehalten von Redakteuren, die keine wichtigeren Themen finden wollen/können/dürfen – und von Damen, die sonst nichts Eigenes hätten, ein Jodeldiplom z. B.
    Ich (weiblich) bin ganz gut ohne feministische Allüren durch meinen Beruf gekommen. Von ernsthafter Arbeit lenken derlei Überflüssigkeiten nur ab.
    Dieser Artikel hat mich darum sehr gefreut und bestätigt! Danke für die Recherchen, auch für die anderen wunderbaren Artikel.

  • Jochen Röschmann
    13. Dezember, 2017

    Vor einiger Zeit wurde in einer Satire mal etwas über eine Wochenzeitschrift namens ‘lüStern’ geschrieben…

  • Uncle Jack
    13. Dezember, 2017

    Ein Aspekt der selbst in kritischen Kommentaren bzgl. der #metoo-Kampagne eigentlich nie erwähnt wird ist m.E. der folgende:

    Es gibt da einen unausgesprochenen sexistischen Doppelstandard: Frauen dürfen Männern gegenüber sehr wohl tun, was umgekehrt zu einem großen Aufschrei führt. Nur ein Beispiel: Ich arbeite in einer sehr großen Firma in den USA. Im Laufe der Jahre haben zwei verschiedene Kolleginnen nicht nur mich sondern jeweils auch etliche andere männliche Kollegen “inappropriately“ berührt – auf eine Art und Weise, die man normalerweise als “sexual harrassment“ bezeichnet hätte, inzwischen aber wohl (in, wie im Artikel angesprochen, hysterischer Übertreibung) sogar als “sexual assault“ bezeichnen würde – jedenfalls wenn ein Mann so etwas einer Frau antäte. Aber wenn Frauen das tun, ist es eben irgendwie etwas völlig anderes, so scheint es, und in Ordnung. Im Gegensatz zu diesen Erfahrungen und Beobachtungen aus erster Hand, habe ich im Laufe meines gesamten Berufslebens lediglich zwei Gerüchte bzgl. “sexual harrassment“ von Frauen durch Männer gehört; also nichts selbst beobachten können.

    Bitte nicht falsch verstehen: Ich argumentiere keinesfalls, daß Männer sich gewisse Verhaltensweisen herausnehmen können sollten, nur weil diesselben Verhaltensweisen Frauen erlaubt sind. Eher umgekehrt: Frauen und Männer sollten zusammen gegen ‘unschöne‘ Verhaltensweisen vorgehen – ganz gleich, wer sich da ‘danebenbenimmt.‘ Aber die pauschale Dämonisierung von Männern im Allgemeinen aufgrund des Verhaltens von einem doch wohl relativ kleinen Prozentsatz derselben und aufgrund von Verhaltensweisen, die, wenn sie von Frauen gegenüber Männern an den Tag gelegt werden, offenbar vollkommen akzeptabel sind, erscheint mir dann doch als sehr verlogen.

    Es geht ja allerdings wohl auch, so vermute ich, vor allem um “identity politics,“ die die Bevölkerung spalten und unter sich gegeneinander aufbringen und von anderen, viel wichtigeren Ereignissen ablenken soll.

    Im Übrigen … eine sehr gute neue Webseite, wie ich finde. Danke, Herr Wendt! Auch die Links zu anderen, gehaltvollen und informativen Artikeln gefallen mir. Ich hab‘ deshalb jetzt auch mal etwas in die ‘Portokasse‘ getan.

  • Clemens Bernhard Bartholdy
    13. Dezember, 2017

    Eine Anmerkung meinerseits zu dieser Chebli-Nummer:

    Ich kann einfach nicht nachvollziehen, wie Mann [sic!] diese Person, die – das ist meine persönliche Meinung – an eine Kreuzung aus Ochsenfrosch und beleidigtem Monchichi erinnert und auch sonst keinerlei nennenswerte Reize (zumindest auf mich) auszuüben vermag (Intellekt, Kultur, Humor, Warmherzigkeit… alles nicht in für mich bemerkbarem Maße vorhanden bei ihr. Über ihre Kochkünste allerdings kann ich nichts vermuten, das gebe ich zu…), mit hinreichender Ernsthaftigkeit als “hübsch” bezeichnen mag.

    “Hübsch”… die Chebli… gebe JHWH, dass ich nie in diese Form der Bedürftigkeit abrutschen möge.

    • Charlotte
      14. Dezember, 2017

      Wenn der Herr gesagt hätte, sie wäre eine Schreckschraube, dann wär das aber auch wieder nicht recht gewesen.

  • Helene
    13. Dezember, 2017

    Ein Glück, daß es auch noch vernünftige Frauen gibt. Mit diesen in sämtlichen Illustrierten, Netzwerken und sonstwo hysterisch herumkreischenden Frauen möchte ich nicht in einen Topf geworfen werden, genauso wenig wie mit diesen „Aktivistinnen“, die entweder halbnackt in einer russisch-orthodoxen Kirche herumtanzen oder barbusig vor der Dresdner Frauenkirche posieren – die dann aber plärren, wenn man sie als sexuelle Wesen wahrnimmt. Wie paßt das alles zusammen? Ich empfinde es als Tollhaus. Zum Glück bin ich nie vergewaltigt worden; aber wenn es passiert wäre, wüßte ich doch wohl den Unterschied zwischen Komplimenten, anzüglichem Benehmen (dessen ich mich zu erwehren wußte) und einer echten Gewalttat zu unterscheiden.

  • Ernst-Fr. Siebert
    13. Dezember, 2017

    Wenn wohl der Türsteher zu der “Dame”, deren Namen ich vergessen habe, gesagt hätte: “Weisdu, Edablissiment is umi ecke. Du bist hier falsche.”, wäre es zu keinem Aufstand gekommen.

  • Kriemhild Müller
    13. Dezember, 2017

    Dieses ganze Sexismus-Gedöns ist doch einfach nur öde und blöde !!
    Jede normale Frau kann mit einem “Übergriff” umgehen und klärt das sofort und vor Ort…und dann ist gut !!!
    Es geht doch sicher nur darum, von den massenhaften und ECHTEN Übergriffen der neuen Goldstücke abzulenken ! Die “wissen es doch nicht besser”…..nicht mit mir, wenn es nicht gerade ein Rudel ist, dann weiß ich mir zu helfen.
    ….und ein (vielleicht auch missglücktes Kompliment) übergeht man/frau…
    Den “Stern” habe ich als jahrelanger Abonnent abbestellt…..ich bin schon “erzogen” !!

  • Willi
    13. Dezember, 2017

    Auf den punkt gebracht empfinde ich die aufgebauschte unberechtigte sexismusdebatte als moralische vergewaltigung echter opfer der herrschenden politik die mit solchen pseudodebatten zum schweigen verurteilt werden sollen.

  • Regina -Walczyk -Brozinski
    17. Dezember, 2017

    Ich habe das Gefühl, dass bei dieser ganzen Geschichte ” fishing for compliments ” eine nicht unerhebliche Rolle spielt. Sollte doch jeder wissen, wie attraktiv diese Dame ist. Eine normale Reaktion auf ein – vielleicht verunglücktes – aber wohl trotzdem nicht böse gemeintes Kompliment sieht jedenfalls anders aus.

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