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Als wären sie gar nicht mehr da

Die Labour Party unter Jeremy Corbyn wendet sich von jüdischen Wählern ab. Dafür will sie einer anderen Zielgruppe etwas bieten

Von Hansjörg Müller, London

 

Jeremy Corbyn, der Vorsitzende der britischen Labour-Partei, ist kein Freund Israels. Damit ist er in seiner Partei nicht allein: Gegner des jüdischen Staates gibt es auch und gerade unter Linken viele. Doch eines unterscheidet Corbyn von den meisten Israel-Hassern: Anders als diese legt er keinen Wert auf die Feststellung, er habe doch jüdische Freunde.

Letzten September, beim Labour-Parteitag in Brighton, hielt er eine Abschlussrede, in der kaum eine Minderheit von seiner Solidarität verschont blieb: Muslime, Schwarze, Asiaten, Lesben, Schwule und Transsexuelle – sie alle hätten bei Labour eine politische Heimat, erklärte er.

Nur die Juden erwähnte Corbyn nicht.

Das war umso verwunderlicher, als die großen Londoner Zeitungen vor und während des Parteitags ausführlich und erschöpfend darüber diskutierten, ob Labour ein Problem mit Antisemiten in den eigenen Reihen habe. Nur einen Tag vor Corbyns Ansprache hatte ein Redner vom selben Podium herab vom „verabscheuungswürdigen Staat Israel“ geredet; am gleichen Tag stellte eine Labour-Politikerin die Frage, ob es erlaubt sein solle, darüber zu debattieren, ob der Holocaust tatsächlich stattgefunden habe. Im Foyer verteilten pro-palästinensische Aktivisten ein Flugblatt, auf dem der Nazi-Funktionär Reinhard Heydrich als Kronzeuge für die abstruse These herangezogen wurde, Adolf Hitler habe nie die Absicht gehabt, die Juden auszurotten.

Auch jüdische Labour-Mitglieder verteilten in Brighton Flugblätter. Sie stellten die geradezu rührend naive Forderung, Jeremy Corbyn müsse bei der Bekämpfung des Antisemitismus unterstützt werden. Doch der ergriff nicht die Hand, die ihm dargeboten wurde. Wäre es ihm ein Anliegen gewesen, seinen jüdischen Parteikollegen zu versichern, dass auch sie bei Labour weiterhin willkommen sind, er hätte es in seiner Abschlussrede tun können. Doch er tat es nicht. Auf die „Unterdrückung des palästinensischen Volkes“ hinzuweisen versäumte er hingegen nicht – und der Jubel der Delegierten war an dieser Stelle besonders laut. Es schien, als wären Labours jüdische Mitglieder schon gar nicht mehr da.

Warum aber verleugnet Corbyn seine jüdischen Parteikollegen? Womöglich steckt politisches Kalkül dahinter: Knapp 300.000 Juden leben in Großbritannien, aber drei Millionen Muslime. Wo das größere Wählerpotenzial liegt, ist klar.

Welche paternalistische Annahme dieser Strategie zugrunde liegt, ist Corbyn wahrscheinlich nicht einmal bewusst: Muslime behandelt er wie trotzige Kinder, von denen nicht eingefordert werden darf, den Nahost-Konflikt mit so viel Nüchternheit und Distanz zu betrachten, dass ihnen nicht bereits die bloße Anwesenheit von Juden als Provokation erscheint.

Wie die meisten sozialdemokratischen Parteien Europas war Labour traditionell immer auch eine jüdische Partei: Die Emanzipation von Juden, Arbeitern und Frauen ging seit dem 19. Jahrhundert oft Hand in Hand.

Das ist nun vorbei: Labour ist keine aufklärerische Kraft mehr.

Großbritanniens jüdische Gemeinschaft und die Arbeiterpartei haben damit das Ende eines gemeinsamen Weges erreicht.

 


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8 Kommentare
  • Gerd Garstig
    31. Januar, 2018

    Corbyn hat eine lange Geschichte der Freundschaft zu Terrororganisationen, Sinn Fein, Fatah, Hamas, alles seine Freunde und Gesprächspartner. Von dem haben die Juden nichts zu erwarten. Er sorgt mit seiner Person aber auch dafür, das Labour noch unwählbarer als die Tories ist, was sich hoffentlich nicht ändert, Großbritannien hat auch so schon genug Probleme.

  • Sabine Schönfelder
    1. Februar, 2018

    Merken denn die Corbyns, Sanders und Trittins dieser Welt nicht, wie Sie sich ähneln
    in ihren kruden Weltbildern, statisch im Gehirn verankert mit ewigem Weltverbesserungs-
    anspruch?
    Arbeitervertretung ist out. Man konzentriert sich auf die neue Klientel der sich transformierenden Gesellschaft d.h. Appeasementpolitik for the arabian world!
    Da hat der Jude keine Chance. Der Zielkonflikt zwischen Ramadan und Christopher-Street-Day wird vorläufig ausgeblendet.

  • Churchill
    1. Februar, 2018

    Dass der Antisemitismus in Europa noch zu Lebzeiten der Shoa-Überlebenden wieder aufflammt, wird in die Geschichte als eines der schmutzigsten Kapitel unseres Kontinents eingehen.

  • Zuagroaster
    1. Februar, 2018

    Nächster Halt: Opfer-Täter-Umkehr. Glauben Sie nicht? Das gibt es schon.
    https://www.memri.org/tv/egyptian-historian-bassam-shammaa-the-jews-killed-tortured-germans-in-counter-holocaust

    • G.Herbst
      3. Februar, 2018

      Ich selbst bin ein überzeugter Hasser eines jeglichen Antisemitismus. Ich habe mir den Auszug aus dem ägyptischen TV angesehen. Es ist dort von 60.000 bis 80.000 von Juden umgebrachten Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg dir Rede. Es ist gut nachgewiesen, dass bspw. in Polen der ab 1945 herrschende kommunistische polnische Geheimdienst in solchen Lagern wie Lamsdorf, von denen es über 1.200 gab (von ganz kleinen bis großen) Deutsche unterschiedlos eingesperrt wurden. Man sagte, sie seien allesamt Nazis. Dieser Geheimdienst wurde ähnlich der sowjetischen Tscheka/GPU/NKWD zu einem sehr erheblichen Teil auch von Juden geführt, bis in die untersten Ränge. Und diese hatten natürlich einen gewaltigen Haß auf die Deutschen und in einer Reihe von polnischen Lagern wurden Deutsche zu Tausenden niedergemacht, gefoltert oder einfach ermordet. Auch von solchen Leuten. Die genannten Zahlen dürften durchaus stimmen. Das gehört mit zur ganzen schrecklichen Wahrheit, die auch von jüdischen Historikern nicht bestritten, aber natürlich mit Rache. begründet wird. Und das ist natürlich keinerlei Rechtfertigung, den Juden mit diesem unsäglichen Antisemitismus zu begegnen und hier eine Täter-Opfer-Umkehr durchzuführen..

  • Munk
    1. Februar, 2018

    Ich habe den Eindruck, dass die Linke gerade völlig versagt: Was die Unterstützung Israels, des einzigen Rechtsstaates im Nahen Osten angeht, was Antisemitismus in den eignen Reihen angeht, und was den Islamismus angeht.

  • Wolfgang Illauer
    1. Februar, 2018

    „Muslime behandelt er (Corbyn) wie trotzige Kinder, von denen nicht eingefordert werden darf, den Nahost-Konflikt mit so viel Nüchternheit und Distanz zu betrachten, dass ihnen nicht bereits die bloße Anwesenheit von Juden als Provokation erscheint.“
    Corbyn sollte ein bißchen umdenken, eifrig im Koran lesen und all denen, die den Staat Israel hassen und seine Vernichtung wünschen (also vor allem radikalen muslimischen Palästinensern), das Folgende ins Stammbuch schreiben: Das Existenzrecht Israels ist im Heiligen Buch des Islams, dem Koran, klar und unmißverständlich als göttliche Offenbarung verankert!
    So nämlich sprach Moses zu seinem Volk Israel (Sure 5, Vers 21): „O mein Volk, betretet das Heilige Land, das Allah für euch bestimmt hat, und kehret ihm nicht den Rücken …“ (Übersetzung von Abu-r-Rida‘ Muhammad ibn Ahmad Ibn Rassoul).
    Moses ist für den Islam nicht irgendeiner! Er gilt ihm wie Mohammed selber als ein großer, ewige und unveränderliche Wahrheit verkündender Prophet! „Sein Ehrentitel Kalīm Allāh (‚der, zu dem Gott spricht‘) verweist darauf, dass Gott mit ihm im Unterschied zu anderen Propheten nicht über Mittler, sondern direkt gesprochen habe“ (Wikipedia: „Moses im Islam“).
    Warum, so müßte Corbyn die muslimischen Israelhasser fragen, nehmt ihr euer heiliges Buch nicht ernst und verdrängt Sure 5, Vers 21 aus eurem Bewußtsein?

  • Heinz Stiller
    2. Februar, 2018

    Die Kritik an Corbyn zeigt, dass einige das menschenfreundliche Wesen des Multikulturalismus noch nicht ganz verstanden haben. Ich will mal versuchen, diesen zurückgebliebenen, abgehängten Zeitgenossen auf die Sprünge zu helfen.
    Der Multikulturalismus bewertet Kulturen nicht, er sieht alle als im Prinzip gleichwertig an, Muslime, Juden, Christen, Atheisten…. Bösartige Haarspalter meinen zwar, dass auch eine Gleichbewertung eine Bewertung darstelle, aber das kann man ja nicht ernstnehmen – diese Leute können nicht logisch denken.
    Wir weltoffenen Multikultis akzeptieren eben alles – die pazifistische Kultur neben der maskulin-kriegerischen, die säkulare neben der religiösen, die selbstgenügsame neben der imperialistischen, sogar die Kultur, die Sklaverei kennt, neben der, die die Freiheit des Einzelnen hochhält.
    Was ist denn daran so schwer zu verstehen?
    Wir lehnen den Primat alles Nationalen ab – haben aber nichts dagegen, dass fremde Nationalisten einwandern.
    Unsere grenzenlose Toleranz erstreckt sich eben auf ALLE Kulturen, im Prinzip theoretisch wohl auch auf vergangene: wir würden auch karthagische Kinderopfer-Praktiker neben Kulturen dulden, denen Kinder heilig sind – nein, streichen wir dieses Beispiel, ist vielleicht für simple Geister missverständlich.
    – Gänzlich neben der Spur ist auf jeden Fall, dass wir in unserer angeblichen Gleichgültigkeit gegenüber Werten nicht differenzieren würden. Das ist falsch. Natürlich differenzieren wir.
    Die eigene Kultur mögen viele von uns nicht. Ist halt Geschmackssache (und in Geschmackssachen sind wir tolerant). Und die jüdische auch nicht. Die sind doch so böse zu den Palästinensern, obwohl die ihnen gar nichts tun wollen (ausser, sie ein bisschen ins Meer zu treiben).
    Nein, die jüdische Kultur ist nicht gleich wie die anderen. Einige Kulturen sind eben gleicher als andere. Ist mir gänzlich unverständlich, wie man das nicht verstehen kann.

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