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Barbaren, Dichter und ein Bewunderer

In Berlin soll erstmals ein Kunstwerk aus Gründen der politischen Korrektness zerstört werden. Der Fall ist exemplarisch: die Linke verwandelt sich gerade in eine Sekte

Die Chancen stehen gut, dass ein kurzes Gedicht eines 93jährigen Autors zum bekanntesten lyrischen Text Deutschlands wird. Vielleicht ist er es ja schon. An der Südfassade der Alice-Salomon-Hochschule in Berlin-Hellersdorf steht – noch – das Gedicht „Avenidas“ von Eugen Gomringer:

Avenidas/ avenidas y flores/ flores/ flores y mujeres/ avenidas/ avenidas y mujeres/avenidas y flores y mujeres y/ un admirador“

(Alleen/ Alleen und Blumen/ Blumen/ Blumen und Frauen/ Alleen/ Alleen und Frauen/ Alleen und Blumen und Frauen und/ ein Bewunderer).

Gomringer, geboren 1925 im bolivianischen Cachuela Esperanza, begründete die Konkrete Poesie in Deutschland. Sein Gedicht „Avenidas“ entstand 1953, nach einem Gestaltungswettbewerb kamen die Zeilen im Jahr 2011 an das Gebäude der Salomon-Hochschule. Und störten dort niemand, bis eine kleine Gruppe von AStA-Studenten etwas entdeckte, was sonst keinem auffiel, nämlich den sexistischen Subtext des Gedichts. Immerhin geht es dort um ein poetisches Ich, das Frauen bewundert. Mit Philip Roth zu sprechen: um einen menschlichen Makel.

„Es erinnert unangenehm daran, dass wir uns als Frauen* nicht in die Öffentlichkeit begeben können, ohne für unser körperliches ,Frau*-Sein‘ bewundert zu werden. Eine Bewunderung, die häufig unangenehm ist, die zu Angst vor Übergriffen und das konkrete Erleben solcher führt“, dekretierte die AStA.

Und damit nahm das erste politisch korrekte Auslöschungsverfahren für ein Kunstwerk in Deutschland seinen Lauf. In der vergangenen Woche entschied eine Mehrheit der Studenten und auch der Lehrkräfte unter Führung von Rektorin Bettina Völter, Gomringers Gedicht zu übermalen. An seine Stelle soll ein anderes, konformes Gedicht angebracht werden. Die Hochschule gibt das alles als ohnehin nötige Restaurierungsarbeit aus. Verkündet wird das ganze mit der ostblockhaft-orwellschen Sprachregelung: „Alice Salomon Hochschule entscheidet sich für die Kunst auf ihrer Südfassade“.

Was sagt der Autor zu dieser Zerstörungsmaßnahme? An der Stelle sollte noch kurz erwähnt werden, dass Gomringers Gedicht „Der einfache weg/ist einfach der weg“ in der privaten Lyrikanthologie des Autors dieses Textes landete, die er mit 17 anlegte.

Gomringer schreibt selbst keine Mails. Aber als Publico ihn anfragte, antwortete er mit technischer Unterstützung seiner Frau Nortrud Gomringer:

„Ich verfasse meine Stellungnahmen in der Regel von Hand oder per Stimme und meine Frau sorgt mit bestem Verständnis für die Konkrete Poesie für korrekte Wiedergabe.“

Zur Löschaktion der Hochschule schreibt er:

„In mehreren Stellungnahmen gegenüber der Leitung der Hochschule bzw. Frau Professor Völter habe ich zu bedenken gegeben, dass der Ursprung der Agitation aus einem kleinen Kreis stammt, die sich in immer wiederholten und weiterführenden behaupteten demokratischen Vorgehen gefestigt hat zur Stellungnahme der Hochschule. Gegen das demokratische Vorgehen habe ich nur so viel einzuwenden, als der Punkt demokratischer Entscheidungen über Kunstgegenstände bekanntlich seine Schwierigkeiten bereitet. Großzügig behandelt wurde ein großzügig behandelter Kunstentwurf in diesem Fall sicher nicht. Meiner Ansicht nach hatte die Rektorin 2011 eine gute Wahl getroffen, als sie zwar ohne demokratische Befragung aber mit kluger Einsicht dieses Gedicht für die Hauswand wählte.

Es war und ist dies die Art des nach außen gezeigten freundlichen Angebots städtischer Kommunikation.“

Kunst als individueller Ausdruck, städtische Kommunikation: man merkt schon, Gomringer stammt aus dem vorigen Jahrhundert. Der „Berliner Zeitung“ erklärte die Rektorin Bettina Völter, warum öffentliche Kunst heute ganz anders bewertet werden muss:

„’Dieses Gedicht, ausgerechnet an dieser Hochschule’, sagt Bettina Völter. Und meint damit, dass an der ASH Studierende für Berufe ausgebildet werden, in denen sie mit Menschen in Grenzsituationen arbeiten, mit Geflüchteten, Behinderten, auch Opfern sexualisierter Gewalt. Sie legen hier großen Wert auf Antirassismus und Antidiskriminierung. ‚Die Studierenden lernen bei uns auch sehr differenziert mit Geschlechterkonstruktionen umzugehen’, sagt Bettina Völter. ‚Muss dann ein Gedicht an der Fassade stehen, das dieses Thema so bewusst vereinfacht?’ Für sie ist das eine Frage der Glaubwürdigkeit.“

Inwiefern „Avenidas“ gegen Antirassismus und Antidiskriminierung verstößt, legt sie nicht weiter dar. Offenbar hat auch noch niemand Völter darüber aufgeklärt, dass Kunst autokratisch ist, und dass ein Künstler auch gar nicht beabsichtigt, ein gremientaugliches Kommuniqué zu verfassen. Bei allen Gedichten handelt es sich um bewusste Vereinfachungen; „Über allen Gipfeln ist Ruh’“ ist beispielsweise eine pauschale Behauptung, Goethe verschwieg damit viele Widersprüche seiner Zeit, von den Geschlechterkonstruktionen ganz abgesehen.

In ihrer Verlautbarungsrhetorik schmiegt sich die Rektorin sehr eng an die Studentenmehrheit. Die nämlich verfasste einen so genannten offenen Brief, um zu erklären, warum ein Gedicht über Straßen, Blumen und Frauen für sie unerträglich ist:

„Angenommen ihr alle wohnt in einem Mietshaus, und auf der einen Fassade dieses Mietshauses steht ein Gedicht. Ihr wisst nicht genau, wie der Dichter es gemeint hat, aber irgendwie gibt es euch ein komisches Bauchgefühl. Und ein komisches Bauchgefühl im eigenen Haus – das ist doch nicht schön.“

Nein, es ist nicht schön, einer von KiKa und bento intellektuell und rhetorisch geformten Generation zu lauschen, deren Repräsentanten sich anhören wie sehr, sehr durchschnittliche Dreizehnjährige. Andererseits: von ihrer deutlich älteren Rektorin unterscheiden sie sich damit kaum. So, wie Bettina Völter zwar offenbar alles über Geschlechtskonstruktionen zu wissen scheint, aber nicht über Gedichte, so scheitert das Kollektiv der so genannten Studierenden schon an der Unterscheidung zwischen „Mietshaus“ und „eigenes Haus“. Liebe Studierende mit welchen hochspannenden Geschlechtskonstruktionen auch immer: Wem ein Mietshaus aus irgendwelchen Gründen nicht passt, der zieht weg oder besser gar nicht erst ein. Aber er hat kein Recht, dem Eigentümer Änderungen an der Fassade aufzuzwingen. Nur für den Eigentümer ist ein Haus nämlich das eigene Haus.

Genau das hätte Völter den Studentinnen und Studenten nicht nur sagen können, sondern sogar müssen. Mit anderen Worten: Sie hätte sie wie Erwachsene behandeln müssen. Ihnen sagen müssen, dass sie später in ihrem Berufsleben noch das eine oder andere komische Bauchgefühl erleben dürften, das sich nicht einfach überstreichen lässt. Und dass Hochschulen der richtige Ort dafür sind, andere Ansichten – selbst so schockierende wie die von Gomringer – nicht nur kennenzulernen, sondern auch auszuhalten. Jedenfalls galt das bis vor einiger Zeit noch, jedenfalls bis zur Machtübernahme der regressiven Linken im Hochschulbereich.

Ein Ergebnis zeitigt die Barbarei jetzt schon: Google verzeichnet für „Eugen Gomringer Avenidas“ 19 300 Treffer“. Das ist nicht schlecht für ein auf Spanisch verfasstes Gedicht eines Autors, den bis vor kurzem nur sehr wenige kannten.

Noch nie war es so einfach, Linke zu trollen: es genügt jetzt, „Avenidas“ auf kleine Zettel zu drucken und rund um die Alice-Salomon-Hochschule an Mauern und Laternen zu kleben.

Der puritanische Furor in Berlin-Hellersdorf ist keine Provinzanekdote, sondern ein exemplarischer Fall. Er dient als perfekte Illustration für die These des amerikanischen Politikwissenschaftlers und Historikers Mark Lilla, dass die klassische Linke abdankt. Was folgt, ist eine völlig selbstbezügliche Identitätspolitik regredierter Millennials – also der zwischen 1983 und 2000 geborenen Wohlstandskinder – und ihrer Förderer. Die alte Linke, so Lilla, sei persuasiv gewesen, sie habe also gesellschaftliche Ziele verfolgt. Ihre Nachfolgebewegung sei expressiv; ihr ginge es um nichts anderes als den selbstgerührten narzisstischen Eigenausdruck.

Diese Bewegung an den Hochschulen – und eigentlich existiert sie nur dort – ähnele, so Lilla, evangelikalen Sekten, die von anderen fordern: „Knie nieder und bereue deine Sünden.“

Eugen Gomringer bereut nichts. Er steht jetzt schon als turmhoher Sieger der Affäre fest.

 

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Kommentare anzeigen (34)

  • Das Gedicht Gomringers genügt den niedrigsten künstlerischen Ansprüchen. Ich frage mich warum dies nicht thematisiert wird. Ein kitschiges Gedicht ohne künstlerischen Wert, einfallslos und simple, auf der Fassade einer Hochschule, darüber hätte man diskutieren können.

    • Da muss ich Ihnen - spät zwar, aber doch - widersprechen.

      Das Gedicht vermag Menschen zu berühren, die "Studentenschaft" der Alice-Salomon-Hochschule anscheinend negativ, mich - und sicher auch andere - durchgehend positiv. Ich kann "Avenidas" so oft lesen, wie ich will, ich sehe immer beim Lesen sonnendurchflutete Alleen vor mir, habe den Duft blühender Blumenwiesen in der Nase und muss am Ende immer lächeln.

      Das Gedicht mag Ihrem persönlichen Geschmack nicht entsprechen und sich "nicht reimen", aber es genügt definitiv auch höheren Ansprüchen. Es ist ein wunderschöner Angriff auf die Phantasie eines jeden Menschen.

      Vielleicht bin ich aber auch einfach nur simpel oder wenigstens simpler als Sie.

      • Das sind des Kaisers neue Gedichte. Nur weil jemand als Künstler einen Namen hat, kann er doch nicht jeden Mist produzieren. Nun will ich auch mal dichten: Schnee, Tannen und Schnee. Schnee und Tannen. Tannen und Schnee, ein Spaziergänger.

        • Einen "Namen" hat der Dichter bei mir bislang nicht gehabt. Ich gestehe sogar, dass ich ihn bis zu dieser Geschichte (die ich allerdings an anderer Stelle bereits vor einiger Zeit gelesen hatte) gar nicht kannte.

          Und "Mist" ist das Gedicht ja nur in Ihren Augen (in manch anderen auch, das gestehe ich Ihnen zu), aber doch nicht in so objektiver und allgemeingültiger Weise, wie Sie es hier versuchen darzustellen. Es gefällt Ihnen nicht, es sagt Ihnen nichts, alles gut. "Mist" ist das deswegen aber nicht. Und "ohne künstlerischen Wert" auch nicht.
          (Mir gefallen beispielsweise auch die Werke von Picasso nicht. Sie sagen mir nichts, ich finde sie geradezu scheußlich und kindisch, fast wie Bauernmalerei... trotzdem sind sie aber objektiv betrachtet doch nicht ohne künstlerischen Wert.)

          Das war die Aussage, die ich mit meinem Kommentar treffen wollte.

          Und mit Ihrem Gedicht zeigen Sie ja, dass Sie die künstlerische Intention Gomringers, den Leser mit klaren, minimalistischen Worten in eine bestimmte Stimmung zu versetzen, ihm sozusagen ein Bild ins Herz zu malen, in gewisser Weise eben doch erfasst haben. An der Umsetzung hapert es noch ein wenig und letztlich ist es ja nur eine Nachahmung, aber bleiben Sie dran. Aus Ihnen wird noch ein richtiger Poet ;-)

          (Für eine weitere Diskussion über künstlerische Werte und Geschmäcker ist hier aber vielleicht nicht der richtige Rahmen, fürchte ich)

  • Dank für die treffende Einordnung. Wieder eine schöne Episode aus dem Irrenhaus Deutschland.
    Da fehlt jetzt aber eigentlich noch der Straftatbestand der "Bewunderung von Frauen".

  • Ich kann das Gedicht durchlesen, so oft ich will, und ich suche verzweifelt nach dem „Sexismus, Kolonialismus, der Frauenverachtung“ und was da sonst noch zu finden sein soll. Da steht ja noch nicht einmal „Gern hab' ich die Frau'n geküßt“, worüber sich dann die FrauXinnenx* aufregen könnten. A propos Frau: Haben wir nicht unter anderem von „Lann“ Hornscheidt und unzähligen verqueren QueerGenderQuarkExpertX gelernt, daß es eigentlich gar keine Frauen gibt?
    Nun gesetzt den Fall, es gibt doch Frauen (wahrscheinlich schon, denn bisher habe ich nicht an meiner Existenz gezweifelt), wo in diesen Worten ist das Gift versteckt?
    Ich vermute, daß es so ist, wie es Loriot an einer Stelle in seinem Film „Ödipussi“ feststellt: Leute (oder Frauen), die auf lila Sofas sitzen oder solche besitzen, sind selbstmordgefährdet und bringen sich um.
    So ist es auch hier: Männer, die dieses Gedicht lesen, vergewaltigen vor dieser Fassade alle Frauen, deren sie habhaft werden. Dank sei dem AStA, daß er solches verhindert!

      • Doch, genau mit Logik so,lte man denen kommen, bzw. dem Fehlen derselben. Der ganze Intersektionalitäts- und Genderquatsch basiert ja auf einem postmodernen, dekonstruktivistischen Weltbild.

        Beeinflußt von Derrida und anderen, sagt diese Lehre, daß es im Grunde eben keine Lehre gibt (so fängt es schon an). Es gibt für alles so viele Deutungsmöglichkeiten, wie es Menschen gibt, und es geht nur um Deutungshoheit, und damit um Macht.

        Deshalb sind für die Transfrauen echte Frauen, und darauf hinzuweisen daß sie keine Gebärmutter haben ist „Biologismus”. Biologienund andere Wissenschaften sind Instrumente zur Machterhaltung des ominösen Patriarchats.

        Zurück zum Anfang. Wenn es also so viel Deutungen der Welt gibt, warum sehen diese Leute zwar unendlich viele Gender, aber bei Männern nur das Patriarchat und die sog. „Toxische Maskulinität”? Man sollte sie mit ihren eigenen Waffen schlagen.

  • Das ist alles - so irre es ist - ...tatsächlich ernst gemeint, von diesen Spinnern
    Und wird ernst genommen?
    Auch von der Presse? Himmelhilf!
    Die haben wohl in ihrem Leben sehr wenig Gedichte gelesen? Wenn die wüssten, was so manch (eigentlich fast alle!) Dichter im Laufe der Jahrhunderte, von O. von Wolkenstein bis Bukowsky ...
    Offenbar bar jeder Ahnung, diese Jüngelchen und Jüngelcheninnen....
    Aber Spanisch, das können sie offenbar alle !?!
    Unglaublich!
    (Ich lese gerade in diesen Tagen wieder mal bei Rühmkorf)

    • in diesem Zusammenhang kommt man nicht umhin darüber nachzudenken, was wohl Werken von Miller oder Anäis Nin alsbald blüht.

      anschließend an Helene und Loriot sei vermerkt: ein frisches steingrau ist immer eine Option ;)

  • "Linke Adenauer-Ära" nenne ich das.

    Die Post-68er haben immer noch nicht begriffen, daß nun sie der Hort des Spießertums sind.

  • Der kleinen vom „puritanischen Furor“ befallenen AStA-Studenten-Gruppe (sie kämpft, wie es scheint, vor allem gegen Sexismus und Diskriminierung von Frauen) empfehle ich die Lektüre des folgenden Textes (es handelt sich um Sure 3, Vers 14 aus dem heiligen Buch der Muslime, dem Koran):
    „Zum Genuß wird den Menschen die Freude gemacht an ihrem Trieb zu Frauen und Kindern und aufgespeicherten Mengen von Gold und Silber und Rassepferden und Vieh und Saatfeldern. Dies ist der Genuß des irdischen Lebens… “ (Übersetzung: Abu-r-Rida‘ Muhammad ibn Ahmad ibn Rassoul).
    (...)

  • "Die U-Bahn-Station Hellersdorf und der Alice-Salomon-Platz sind vor allem zu späterer Stunde sehr männlich dominierte Orte, an denen Frauen* sich nicht immer wohl fühlen können...
    Eine Entfernung oder Ersetzung des Gedichtes wird an unserem Sicherheitsgefühl nichts ändern. Dennoch wäre es ein Fortschritt...]
    Aus dem offenen Brief des ASTA der Alice Salomon Hochschule vom 12. April 2016 mit der Forderung das Gedicht von Eugen Gomringer zu entfernen. http://www.asta.asfh-berlin.de/de/News/offener-brief-gegen-gedicht-an-der-hochschulfassade.html

    Mit anderen Worten: Ein Gedicht soll entfernt werden, weil es an eine unangenehme Realität erinnern könnte.

    Mit der unangenehmen Realität selbst will man sich dagegen nicht auseinandersetzen. Was ist da los an den "sehr männlich dominierten" Orten in unmittelbarer Nähe der Hochschule? Was für Männer dominieren diese Orte?
    Was tut man, um dieses Problem zu lösen? Was tut man dafür, dass sich Frauen dort auch am Abend frei und ungezwungen bewegen können? Eine offene Analyse des Problems anstelle einer Ersatzhandlung wäre ein erster Schritt.

  • Ich erlaubte mir soeben eine kleine Recherche über die Persönlichkeit, die dieser Hochschule mit ihrem Namen ein Gesicht verleiht: Alice Salomon. Nun, nach allem, was ich über sie und ihre Arbeit erfahren habe, kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass sie, als eine zum Christentum konvertierte Jüdin von großen christlich-humanistischen Ideen getragen, von diesem Akt demokratischer Kunstabschaffung begeistert gewesen wäre; eine um das soziale Gemeinwohl kämpfende Alice Salomon, die 1933 von den Nationalsozialisten aus all ihren öffentlichen Ämtern sozialer Arbeit gedrängt und nach Verhören von der Gestapo zur Emigration gezwungen wurde. Ich kann (und will) mir nicht vorstellen, dass Alice Salomon diese „politisch korrekte“ und „demokratische“ Abschaffung von Gomringers Kunstwerk gutgeheißen hätte – zumindest ein „komisches Bauchgefühl“ hätte sie vermutlich bestimmt verspürt. Und ja, liebe AStA (falls ihr Publico lesen solltet): Also wenn ich mich in die gegenwärtig recht abenteuerliche Öffentlichkeit begebe, würde ich im Zweifelsfalle immer einer „Bewunderung“ für mein körperliches Frau*-Sein den Vorzug gegenüber einer Verachtung für mein Frau*-Sein geben. "Die Angst vor Übergriffen" ist sowieso real existent. Wie sich das „konkrete Erleben“ eines potenziellen Übergriffs dann letztlich gestaltet, obliegt ziemlich willkürlichen Einflüssen und entzieht sich eh der Macht der "Erlebenden".

  • Man muß schon einen ordentlichen seelischen und geistigen Knacks (wohl eher einen gehörigenDachschaden) haben, um bei dem Gedicht eine solche Wirkung zu empfinden!
    Aber wenn DIE (Akif Pirinccis Benennung (beginnt mit: links.....) einfügen) schon bei einem solchen Gedicht so reagieren, dauerts nicht mehr lang bis sie auch das Hohelied Salomos aus der Bibel streichen wollen!
    Als im Deutschunterricht Gedichtinterpretation dran war, haben sie bestimmt gefehlt! (Wahrscheinlich waren sie stattdessen bei einer Veranstaltung der Jungsozialisten, Falken oder solid!)
    Welch erbärmliche Gestalten!

    • Das humanistische Bildungsideal ist schon lange perdu.
      Es wird mehr als ein Jahrzehnt dauern, es wiederzubeleben.
      Aber wir sollten damit beginnen.
      Übrigens existiert ein Video von Nora-Eugenie Gomringer als Gedichtpolizei wo sie das Gedicht ihres Vaters interpretiert.

  • Wie sagte einst Gotthold Ephraim Lessing:
    "Ein einzig böses Weib gibts höchstens in der Welt,
    nur schlimm, daß jeder seins für dieses einzge hält.

    Die Welt hat sich seitdem verändert.

    Ich war gestern allein auf einer Vernissage. Da sah ich ein Bild von einem unbekannten Künstler. Das Motiv: Eine Frau ohne Augen rennt oder joggt oder hetzt durch eine unbeseelte Stadt, mit vielen kahlen und grauen Häusern im Hintergrund. An einer dieser kahlen Häuserwände befand sich jedoch ein großer schwarzer Klecks, der die "Harmonie" dieses Bildes zu stören oder gar zu zerstören schien. Denn der Klecks zerlief mäandernd bis auf die kerzengerade Straße auf diesem Bild. Wie gebannt schaute ich nur noch auf diesen ungeheuren Fleck und grübelte und grübelte.

    Nach einer gefühlten Ewigkeit wanderte mein Blick auf ein kleines weißes Schild, welches sich akkurat angebracht rechts neben dem Bild befand und den Maler als auch den Titel seines Kunstwerkes nannte.

    Der Titel dieses interessanten Kunstwerkes lautete: "Dumm gelaufen".

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