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Wochenrückblick* : Neues aus der Publico-Framingforschung

Mittlerweile stellt sich ja einiges heraus nicht nur über das Framing-Manual der antikapitalistischen Medienheuschrecke ARD, sondern auch über deren Autorin Elisabeth Wehling. Ihr, wie es zuerst hieß, renommiertes Berkeley-Institut hat nicht nur nichts mit dem Berkeley-Campus zu tun, den veredelnden Namen hatte sich die Linguistin offenbar ziemlich heuschreckenhaft angeeignet.

Wer ihre Webseite studiert, kommt auch nicht an dem Schluss vorbei, wenigstens bis zum Beweis des Gegenteils, dass das Institutspersonal exklusiv aus Frau Wehling besteht, von der anscheinend so gut wie keine wissenschaftlichen Publikationen existieren. Für ihr Manual, das samt Deckblatt etcetera 89 Seiten umfasst, kassierte sie vom Mitteldeutschen Rundfunk 90 000 Euro. Ein Schnitt von leicht über tausend Ocken pro Seite nimmt sich nicht ganz schlecht aus für jemanden, der auf diesen Seiten vor allem den Frame empfiehlt, die ARD als antikapitalistischen Gemeinwohlfunk zu definieren. Immerhin war in der Leistung inbegriffen, das Bento-Motto We feel You für den öffentlich-rechtlichen Wohlfunk grob ins Deutsche zu übersetzen: „Wir sind ihr“.

Wehlings Rat, freiwillig finanzierte Medien als privatkapitalistische Medienheuschrecken mit Profitzensur zu brandmarken, kam bei etlichen dieser Häuser nicht gut an. Da bröckelte sogar das ansonsten gute Einvernehmen. Nicht aber bei der „Süddeutschen“, die sowohl der ARD als auch Wehling zur Seite sprang, als hätte für diesen Fall extra ein Framingkatalog in der Schublade gelegen. Zunächst einmal lobt der Süddeutschen-Autor Detlef Esslinger Wehling für deren Erkenntnis:
„’Entgegen dem gängigen Mythos entscheidet der Mensch sich nicht aufgrund objektiver Abwägung von Fakten für oder gegen Dinge’, schreibt Wehling. ‚Objektives, faktenbegründetes Denken gibt es nicht.’ Eine Grunderkenntnis von Hirnforschung und Linguistik ist, dass jeder Begriff – ohne dass der Mensch es beeinflussen könnte – den Rahmen bestimmt, in dem man anschließend denkt. ‚Zimt’? Man denkt an Gerüche. ‚Steuerlast’? wie beschwerlich. ‚Staatsfunk’? Auf Linie bringen. Um in Diskussionen überhaupt eine Chance zu haben, rät Wehling der ARD zu eigenen Begriffen. […] Was soll daran falsch sein?“

Nun muss man nicht Hirnforschung und/oder Linguistik studiert haben und braucht nicht die Termini Signifikant und Signifikat zu bemühen, um zu wissen, dass Begriffe etwas bedeuten, denn das liegt in ihrer durchaus menschenbeeinflussten Natur, zu der es aber nimmermehr gehört, dass ein Begriff schon seinen Bedeutungsrahmen mitliefert. Bei „Zimt“ wird niemand an „Kuhfladen“ oder „Süddeutsche Zeitung“ denken, aber welche Assoziationen sich ihm einstellen, das dürfte davon abhängen, ob jemand Zimtschnecken mag, oder ob er das Gewürz nicht ausstehen kann. Die Steuerlast findet auch niemand wegen des Wortes beschwerlich, sondern deshalb, weil die Steuerlast in Deutschland die zweithöchste in der EU ist, da verschlüge auch die Einführung des Framingbegriffs „Steuerorgasmus“ wenig. Staatsfunk wiederum heißen viele Leute die öffentlich-rechtlichen Wohlanstalten ARD und ZDF, weil ihr Wirken auf Staatsverträgen beruht, die Staatskanzleien der Länder zuständig für Medienpolitik zeichnen und nicht selten Staatsvertreter, etwa Regierungssprecher von Ländern in Rundfunkräten sitzen, im Fall des ZDF-Fernsehrats sogar die Chefs der Staatskanzleien von Sachsen-Anhalt und Niedersachsen, Rainer Robra und Jörg Mielke.

Die Esslingische Linguistik – oder Hirnforschung? – erinnert von fern an den berühmten Gothaer Professor und Konfusionsrat Erster Klasse Johann Georg August Galletti (1750-1828), berühmt für die so genannten Gallettiana, zu denen auch der Satz gehört: „Das Schwein trägt seinen Namen zu Recht, denn es ist ein unreinliches Thier.“  Bei Galletti allerdings rührten diese Wendungen wie viele andere von einer gewissen Schusseligkeit her, einem kleinen Mangel, „bedeckt durch den Adel von Herz und Geist“, wie ein Zeitgenosse schrieb, während der Redakteur der “Süddeutschen” seine Sätze wahrscheinlich mit äußerster Konzentration zustande bringt. Übrigens auf einem Rechner und mit elektrischer Energie, die sich beide dem Umstand verdanken, dass es so etwas wie ein zwar nicht irrtumsfreies, aber faktenbasiertes Denken durchaus gibt, wenn auch nicht in jeder qualitätsmedialen Gemeinschaftszelle.

Sollte jedenfalls Elisabeth Wehling oder Detlef Esslinger einmal ernsthaft erkranken, dann wünschen wir ihnen, dass sie an einen halbwegs objektiven und faktenbasierten Onkologen geraten und nicht an den Chef eines selbstgegründeten Havard-Instituts, der ihnen rät, erst einmal auf den negativ konnotierten Begriff Tumor zu verzichten.
Einigermaßen objektiv und faktenbasiert beweist der Artikel der “Süddeutschen” außerdem, dass nichts so dumm, albern und intellektuell korrupt sein kann, als dass es in diesem Milieu nicht noch Verteidiger finden würde, jedenfalls dann, wenn das Knalldoofe und Korrupte ordnungsgemäß auf links gescheitelt ist.

Um noch etwas bei diesem Thema zu bleiben: In der vergangenen Woche interviewte die „Süddeutsche Zeitung“ den Grünen Anton Hofreiter, unter anderem zum Thema Autoindustrie. „In Deutschland finden mehr als 800 000 Menschen in der Autoindustrie Arbeit. Was soll aus denen werden?“, fragte das Blatt. Worauf Hofreiter antwortete beziehungsweise drohte : „Wir müssen diese Menschen stärker in den Blick nehmen.“ Weshalb und wozu? Hofreiter: „Unser Ziel muss sein, die Transformation so zu gestalten, dass gute Arbeit erhalten bleibt. Wer in einer Branche arbeitet, die sich radikal wandeln wird, muss die Chance auf Berufe mit Zukunft bekommen, durch ein Recht auf Weiterbildung, durch die Umwandlung der Arbeitslosenversicherung in eine Arbeitsversicherung.“


Arme Tröpfe in Ingolstadt und Wolfsburg mögen meinen, sie hätten schon eine gute Arbeit und einen Beruf mit Zukunft in einer weltweit geschätzten Branche, wenn sie in der Autoindustrie schaffen. Aber sie sind in Wirklichkeit eben rückwärtsgewandt und unkreativ; so etwas wie die Umbenennung der ARD in Gemeinwohlfunk oder der Arbeitslosen- in eine Arbeitsversicherung fiele ihnen nie ein. Falls später einmal jemand fragen sollte, wann die Grünen eigentlich nach dem Ausstieg aus der Atom- und Kohleverstromung und dem Nie-Einstieg in die Gentechnik und ins Fracking auch noch den Ausstieg aus der Automobilherstellung verkündet haben, dann sollte  dieses Datum für die Chronik festhalten werden: „Süddeutsche Zeitung“ 19. Februar 2019, Seite 5 unter der Überschrift: „So kann es nur schiefgehen“.

Erst wenn die letzte Technologie aus Deutschland geplättet ist, werden klimastreikende Schüler und Schülerinnen eventuell verstehen, dass sich Framing Manuals und Anton Hofreiter nicht exportieren lassen. Vielleicht arbeiten diese ehemaligen Schüler dann aber auch zufrieden in der Arbeitsversicherung, dem Wohlfunk oder ihrem eigenen Einstein-Institut an der Dekonstruktion des privatkapitalistischen Frames „Wohlstand”.

Um diese Trockenbeerenauslese abzurunden: Wie schon berichtet, wünschte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in der vergangenen Woche dem iranischen Regime alles Gute und Beste zum 40. Jahrestag der Machtergreifung durch Ajatollah Khomeini, und zwar „auch im Namen meiner Landsleute“, um sich dann wieder seiner Kernkompetenz zuzuwenden, der Warnung vor schlimmen Zustanden in Polen und Ungarn.

Senden Sie bitte Ihren Brief an:

Bundespräsidialamt
Spreeweg 1
10557 Berlin,

und schreiben Sie ihm: „Herr Steinmeier“ – das irreführende „sehr geehrter“ und die Amtsbezeichnung können Sie ruhig weglassen – „nicht in meinem Namen“.

Sollten Sie in Berlin sein: Sparen Sie das Porto, indem Sie Ihren Brief an einen alten Schuh binden und beides über den Zaun des Schlosses Bellevue befördern.
Dieser Text ist kein Manual, also keine Bedienungsanleitung, eine Bezahlung findet freiwillig an das Publico-Institut statt, und der Autor dieser Zeilen wird von dem Ertrag Grundlagenforschung zu der Frage betreiben, durch welchen Begriff sich Elisabeth Wehling, Detlef Esslinger, Anton Hofreiter und Frank-Walter Steinmeier bestmöglich einrahmen lassen.

 


* Aus familiären Gründen verspätet

 

 

 


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26 Kommentare
  • Libkon
    26. Februar, 2019

    Lieber Herr Wendt, Sie sind ein echter Schriftsteller, mann oh mann haben Sie Talent und Potential. Das ist ehrlich gemeint. Den traurigen Sachverhalt bezüglich des “Einfrau-Instituts” mit dem Süddeutschen Beobachter zu verbinden, ist aufklärend im besten Sinne. Und dennoch Köstlich und dabei ist sogar immer mehr als eine Prise Wahrheit darin.

    Mögen Sie uns Lesern bitte noch lange erhalten bleiben.

    Der “Steinmeier” (Anrede und Titel ist Schall und Rauch oder so ähnlich), wird entsprechend Ihres unverbindlichen Vorschlages gebeten, auch nicht in meinem Namen zu sprechen, sondern nur für die “echten” Demokraten und die stehn ausschließlich ganz doll und stramm links.

    Beisewäi, um mich mal gewählt Englisch auszudrücken, spricht die Werbeindustrie nicht seit einiger Zeit alle Deutschen mit dem vertraulichen “Du” an? Ich fühle mich dann immer an meine Kindheit und Jugend versetzt. Ob die das damit erreichen wollen?

  • Klaus D. Mueller
    26. Februar, 2019

    Trefflich! Danke.
    .
    (Ich hatte mal die SZ abonniert. Lang ist’s her).

    • schwarzseher
      5. März, 2019

      Die SZ und Co lese ich nicht einmal mehr, wenn sie in Wartezimmern oder Flugzeuden ausliegen.

  • Fantomas
    26. Februar, 2019

    Dass ein so großer Laden wie ein GEZ-Sender für eine solche Studie 120.000 € ausgibt ist eigentlich nicht der Rede wert. Auch kann eine solche Studie durchaus sinnvoll sein. Was hier bitter aufstößt, ist der zutiefst undemokratische bzw. Freund-Feind-Unterton in der Studie: hier die Guten, dort die Bösen, die Kommerzsender! (hat sich ja inzwischen sogar WDR-Chef Tom Burow distanziert!) Der Ton erinnert an die DDR: hier der Aufbau des friedlichen Sozialismus, dort (also in der BRD) die Aufrüstung und Vorbereitung zum Krieg. Aber das erinnert nicht zufällig an die DDR, wenn man die Biographie der Autorin der Studie näher betrachtet, wie von Herrn Wendt dankenswerterweise recherchiert. Und das ist jetzt das Bedenkliche an der Sache: Wieso beauftragt man nicht ein absolut seriöses und völlig unbefangenes Institut mit so einer Studie ? Der Vorgang reiht sich ein in andere Vorfälle, z.B. die Entlassung von Stasi-Aufklärer Hubertus Knabe mit Hilfe der CDU. Irgendwann wird einer hier noch bestraft werden, wenn er die DDR einen Unrechtsstaat nennt.

  • caruso
    26. Februar, 2019

    In D haben viel zu viele Menschen das Denken verlernt, dazu trug die linke Bildungspolitik (von der Schule bis zur Uni) beträchtlich bei. Auch ist in D der Begriff “Anstand” verschwunden (aus welchen Gründen immer) mitsamt seiner Bedeutung und der dazu gehörende inneren Einstellung. Diese beiden Verluste ermöglichen Erscheinungen wie Elisabeth Wehlig und Frank-Walter Steinmeier. Von der SZ und ähnlichen Institutionen nicht zu reden. Ob diese beiden Verluste reichen als Ursache, weiß ich nicht. Aber das sie eine große Rolle spielen, halte ich für sicher. (Eine Bildung muß man doch haben, oder?).
    lg
    caruso

  • Peter Müller
    26. Februar, 2019

    You Made my Day:)
    I’ll be back (auf dieser Seite).

  • Ralf
    26. Februar, 2019

    Früher nannte man das Framing einfach Propaganda. In zwei Diktaturen haben die Deutschen eine Menge Erfahrung damit gesammelt. Möge uns eine 3te erspart bleiben! Herzliche Grüße!

  • Peter Groepper
    26. Februar, 2019

    lieber Herr Wendt, Brief ist abgeschickt. Vielen Dank für Ihren ganz herausragenden Journalismus: recherchiert, klar, knapp, präzise!
    Peter Groepper

  • Martina Bissiger
    27. Februar, 2019

    Herr Wendt, Sie sind einfach phantastisch! Ihr Artikel ist wie immer ein Genuss – klug, bissig und pointiert. Danke!

  • B.Rilling
    27. Februar, 2019

    Sehr geehrter Herr Wendt, zuerst einmal: Ich hoffe, die familiären Gründe waren nur erfreuliche! Den Brief an den schlechtesten Grüßausgust aller Zeiten werde ich noch heute absenden. Denn mich ärgert es ungemein, was er da im Namen von uns allen zustande gebracht hat. Dass er sich gar nicht schämt! Doch überrascht hat er mich nicht. Ihm und seiner Partei ist mittlerweile fast alles zuzutrauen. Ein wirklich großes Dankeschön geht von meiner Seite aus daher an Herr Abdel-Samad! Er hat es diesem Herrn Steinmeier nämlich direkt ins Gesicht gesagt. Aber Herr Steinmeier begrüßt ja mehr Dialog. Darum erwarte ich hoffentlich auch eine Antwort aus dem Schloss Bellevue. Nun wünsche ich Ihnen und allen Mitlesern hier erst mal ein dreifach donnerndes Helau! Fasnacht ist da und wir sollten es nutzen, um uns dieses ganze politische Drama schön zu trinken.

  • Dieter Beise
    27. Februar, 2019

    Respekt.

  • Johanna
    27. Februar, 2019

    …”durch welchen Begriff sich Elisabeth Wehling, Detlef Esslinger, Anton Hofreiter und Frank-Walter Steinmeier bestmöglich einrahmen lassen”. Vielleicht können wir die internationale Gemeinschaft bitten, sie einzeln oder als Gruppe als Fluchtgrund anzuerkennen.

  • Ulrich Mayr
    27. Februar, 2019

    Zum Kommentar von SZ Esslinger muss man wissen, dass die SZ dem BR und damit auch der ARD eng verbunden ist. BR Intendant Wilhelm, der ExSprecher von Merkel, hat die Ehefrau des SZ Chefredakteurs zur Abteilungsleiterin im BR gemacht… zum nicht geringen Erstaunen vieler. Seitdem ist die SZ ganz zahm.

  • hans
    27. Februar, 2019

    ‘an einen alten Schuh binden und beides über den Zaun des Schlosses Bellevue befördern’ … kommt, zwecks Weiterverwendung, in mein Regal. Widerspruch zwecklos.

  • Dreggsagg
    27. Februar, 2019

    Habe bereits vor Wochen in Zeiten der Unfeinen Stinkfischaffäre dem Herrn eine mail geschickt mit den abschließenden Worten “nicht mein Präsident”, weil er sich für gewaltaffine linke Musikblöker ins Zeug geworfen hatte.
    Was diese dubiose Dame Wehling angeht, so war schon vor den Recherchen Alexander Wendts klar, daß da was nicht stimmen konnte.
    Da wurden Zuschauerzwangsgebühren eingesetzt, um linker Propaganda besser zum Durchbruch zu verhelfen, NOCH besser.
    Man sollte auch an die ARD schreiben, Mailanschrift:
    [email protected]

  • Hamurabi
    27. Februar, 2019

    Framing hat nur bedingt etwas mit den Inhalten und Konnotationen einzelner Worte zu tun.
    Das Zimt gut riecht und eventuell eine entsprechende mentale und physische Reaktion des Wohlbefindens auslöst ist nichts Neues und ist auch noch nicht Framing.

    Framing ist eher die Vermittlung von Grundeinstellungen. So vermittelt die Botschaft ein Glas sei halbleer eine andere Bedeutung als die Botschaft ein Glas sei halbvoll.
    Man kann also ein und denselben Sachverhalt durch geschickte Wortwahl unterschiedlich darstellen und gewichten und damit den Empfänger der Botschaft unterschwellig beeinflussen.

    Mit Framing kann auch erreicht werden, dass sich die Bedeutung von Begriffen dauerhaft ändern.
    So hat sich die Bedeutung des Hakenkreuzes als Glückssymbol in Deutschland und in weiten Teilen Europas auf Grund des Framings durch die Nazis dauerhaft verändert.

  • Stephan
    27. Februar, 2019

    Vielen Lesern werden die sprachlichen Darbietungen der Frau Wehling und des SZ-Redakteurs skurril erscheinen. Wer mit Studenten, vor allem der Sozial – und Geisteswissenschaften zu tun hat, weiß, dass der Jargon der „Signifikanten und Signifikaten“ zur unhiterfragten Grundmethodik des heutigen akademischen Mainstreams zählt. Herr Wendt hat mit dem Hinweis auf den „Tumor“ mit notwendiger Ironie darauf geantwortet. Von meiner Seite nur eine kleine Reminiszenz aus dem akademischen Milieu der 80er Jahre in West-Berlin. Damals war der Poststrukturalismus als neue Intellektuellenideologie erst im Entstehen begriffen. Ein hart umstrittenes Thema war seinerzeit Aids. Ich erinnere mich an die „Dekonstruktion“ des „biologistischen Diskurses“, im Klartext: der wahnwitzigen Vorstellung, der Virus sei eine „symbolische Projektion“, die dem repressiven Machtkalkül der Herrschenden entspringt und „keine außersprachliche Referenz“ aufweise. Derartige Theoreme sind damals gern von interessierter Seite aufgegriffen worden, und man mag sich fragen, wieviel Sorglosigkeit dadurch gerechtfertigt wurde. Angstbesetzt war parallel dazu das „Waldsterben“, das bekanntermaßen nur in den Medien stattgefunden hat. Heute ist die postmoderne Sophistik schon ein Stück weiter: nicht nur soziologische Theorien, sondern auch die Theorien der Physik sind „Fiktionen“, d.h. beliebig interpretierbar wie ein Gedicht von Celan. Man kann dagegen im Ernst nicht argumentieren: man endet in einer Endlosschleife zirkulärer Dogmatik. Am Ende bleibt nur die Einsicht von Max Planck, wonach Vertreter falscher Theorien nicht widerlegt werden, sondern aussterben. Ein kleines Gedankenexperiment: ein Vulkanausbruch von der Mächtigkeit des Tambora 1815 oder des Krakataus 1883 würde alle Spekulationen über die Übermacht menschlicher Eingriffe in die Natur zum Verstummen bringen und die Thesen von der Beliebigkeit wissenschaftlicher Theorien ad absurdum führen. Wenn nicht, wie jüngst noch Prof.Dr.Dr.Lauterbach dann auch noch Vulkanausbrüche dem Klimawandel zugeschrieben werden. Für ihre unaufgeregte Sprachkritik bin ich Ihnen, Herr Wendt immer sehr dankbar!

  • Frank Gausmann
    27. Februar, 2019

    Lieber Herr Wendt,

    im Grunde ist es doch überraschend, dass die ARD ein solches Framing-Manual im Hinblick auf ihre Selbstvermarktung überhaupt von einer auswärtigen „Expertin“ hat erstellen lassen. Schließlich gibt es in Sachen Framing haufenweise Sachverstand innerhalb des eigenen ARD-Personals – nur hatte man dort wohl so etwas Profanes wie Eigenwerbung angesichts des scheinbar gesicherten Zwangsgebührentopfes bislang gar nicht auf dem Schirm! Oder haben die ARD-hausinternen Demokratieschützer*innen die eigene Expertise vielleicht gänzlich für die öffentlich-rechtliche Beförderung ihrer links-grünen Ideologeme verpulvert? Wer aus Migranten „Schutzsuchende“ werden lässt, wer Kritiker der CO2-Treibhausthese als „Klimaleugner“ stigmatisiert oder EU-Skeptiker zu Anti-Europäern macht, der versteht sein Framing-Handwerk jedenfalls ausgezeichnet und hätte seinem “Arbeitgebenden” diese 90.000 Euro sicherlich ersparen können. Obwohl, Geld ist ja durch die “Demokratieabgabe” genug da!

  • Albert Schultheis
    27. Februar, 2019

    Sehr geehrter Herr Wendt,
    wir können eigentlich nur hoffen, dass wir durch die tiefe, schwarze Senke möglichst bald gehen, denn dann bestünde die Hoffnung, dass von Deutschland noch etwas übrig ist, das man retten könnte bzw das sich zu retten lohnen würde. Sollte sich der Absturz allerdings weiter verzögern, so werden wohl so viele Fakten geschaffen sein, die eine Heilung unmöglich oder aussichtslos erscheinen lassen.

  • Egbert_S
    27. Februar, 2019

    „Ich weiß, derzeit kursieren viele verrückte Theorien. Aber alle meine Kunden wissen, das Berkeley International Framing Institute ist meine Marke, unter der ich Beratungen anbiete“, erklärte Wehling im Interview. „Ein Institut mit Räumlichkeiten hat es nie gegeben und das wurde auch nie suggeriert.“ Zu der Kritik sagte Wehling: „Es hat mich fassungslos gemacht, als Wissenschaftlerin, Beraterin und Mensch auf einmal solchen Angriffen ausgesetzt zu sein.” https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/medien/wdr-rundunkrat-kritisiert-framing-manual-ist-eine-dummheit/24047120.html

    Also ein Institut, das gar kein Institut ist? Hiermit schlage ich die Gründung des Publico International Deframing Institutes vor. Macht jemand mit? Wir könnten toll klingende Pöstchen vergeben und um die Welt jetten. Räumlichkeiten benötigen wir vorerst keine, zur Not tut es auch meine Stammkneipe. Gibt köstliches Pilsner Urquell dort. Da framt es sich gleich doppelplusgut. Prost!

  • Plutonia
    27. Februar, 2019

    Dieser geniale Wochenrückblick beweist wieder einmal, dass das Volk der Dichter und Denker noch nicht am Ende ist. Das macht Hoffnung. Allerherzlichsten Dank für diesen Hochkaräter, der locker mindestens “tausend Ocken” pro Zeile wert ist. Ich hoffe sehr, dass das “Publico-Institut” auch eine ihm gebührende Summe einfährt, um seine Leserschaft weiterhin mit erstklassigen und unabhängigen Grundlagenforschungen bereichern zu können. Denn nur weil es objektives und faktenbegründetes Denken nicht gibt bzw. geben soll, heißt es doch noch lange nicht, dass es nicht auch zumindest freiwillig bezahlt werden muss. Man zahlt hier im Lande ja sogar auch unfreiwillig für ganz viele Dinge oder Identitäten, die es oft ja auch gar nicht gibt, die aber durchaus ihren stattlichen Preis haben.

  • Wanninger
    28. Februar, 2019

    Ein durch und durch gelungener Rundumschlag mit Schmackes! Alexander Wendt in Bestform! Ich bin enthusiasmiert. Einrahmen und übers Bett hängen!

  • Kantkopf
    28. Februar, 2019

    Zur Causa Steinmeier: Habe damals Donald Trump zu seinem Wahlsieg ausdrücklich “auch im Namen meines Außenministers” gratuliert. Denke, Steini und ich sind jetzt quitt.

  • Ludwig Wauer
    1. März, 2019

    Wenn E. Wehling überzeugt ist, „Framing“ sei eine Wunderwaffe in Kampf um Meinungshoheiten, dann ist es ja auch nicht verwunderlich und eigentlich sogar selbstverständlich, dass sie dieses Werkzeug auch zu ihrem eigenen Nutzen anwendet. Mit dem von ihr frei erfundenen Namen „Berkeley Institut“ täuscht sie vor, dass das Gutachten nicht aus der Feder einer Einzelperson – ihr selbst – stammt, sondern daß hinter dem Gutachten eine hochkarätigen Denkfabrik steht.
    Im Übrigen ist auch das „Framing“ als Mittel der Propaganda ein alter Hut, und nicht etwa eine Idee von E. Wehling. Nur wurde es früher nicht so genannt. Während des kalten Krieges wurden in den USA für die sogenannte „campagne of truth“ der „Stimme Amerikas“ und des „United States Service“ Listen mit sogenannten „positive key word-concepts“ und „negative key word-concepts“ erstellt. Die „propaganda effectivness“ der Wörter wurde in Punkten von 0 – 100 ausgedrückt und war länderabhängig. Für die Punktbewertung wurden die Listen vom State Department an die Propagandabüros der diplomatischen Vertretungen von über 150 über den ganzen Erdball verstreuten Städten geschickt. Verantwortlich dafür war E. W. Barret, ein hoher Beamter im Außenministerium, der 1953 ein Buch mit dem für diese semantische Verhüllungstaktik bezeichnenden Titel „Truth is Our Weapon“ geschrieben hat. (Diese Information habe ich aus dem Buch von Albrecht Neubert „Semantischer Positivismus in den USA – Ein kritischer Beitrag zum Studium der Zusammenhänge zwischen Sprache und Gesellschaft“, VEB Max Niemeyer Verlag Halle/Saale 1962)

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