Prinz Asfa-Wossen Asserate, Sie hatten schon im vergangenen Jahr den jungen äthiopischen Ministerpräsidenten Abiy Ahmed als Figur der Hoffnung für ganz Afrika gelobt und für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen. Was empfinden Sie heute, da Abiy den Preis tatsächlich bekommen hat?
Natürlich Freude und Stolz. Die Preisverleihung ist eine große Ehre für Äthiopien. Er ist der erste Nobelpreisträger des Landes.
Worin liegt das wichtigste Verdienst Abiys?
Er hat Frieden mit Eritrea geschlossen, der bis heute hält. Zum ersten Mal seit Jahrzenten lebt Äthiopien im Frieden mit seinen Nachbarn. Und er ist angetreten, das Land im Inneren zu versöhnen. Er hat politische Gefangene freigelassen und zur Einheit des Landes aufgerufen. Für mich ist er die Personifizierung dessen, was ich mir unter einem befriedeten Äthiopien vorstelle: Er ist Christ, sein Vater Muslim, seine Mutter orthodoxe äthiopische Christin. Damit steht er für das, was das Land ausmachen sollte: Einheit in Verschiedenheit und Verschiedenheit in Einheit.
Wie ist diese innere Versöhnung der Ethnien und Religionen vorangekommen?
Nicht schnell genug. Aber niemand kann die Sünden von 30 Jahren in so kurzer Zeit heilen. Leider gibt es nach wie vor Radikale in allen Lagern, die die ethnischen Spannungen aufrechterhalten wollen. Das Hauptproblem Äthiopiens ist die Verfassung, die das Land als „ethnische Förderation“ definiert. Das ist nur ein anderes Wort für Apartheid. In den Akten der Meldebehörden und in den Ausweisen steht nach wie vor die ethnische Zugehörigkeit jedes Bürgers. Dieses Denken in Rassekategorien ist das größte Problem.
Wie sollte dieses Problem gelöst werden?
Durch eine Änderung in der Verfassung. In der Verfassung des jüngsten Staates Afrikas – Namibia – steht der Satz, dass kein Polizist und kein anderer Vertreter des Staates das Recht hat, einen Bürger nach dessen ethnischer Zugehörigkeit zu fragen. Diese Regelung ist vorbildlich.
Was wird die Preisverleihung an Abiy praktisch bewirken?
Sie ist für ihn eine große Verpflichtung, auf seinem Weg der Versöhnung zu bleiben. Er ist die Person, die den Wandel zum Besseren schaffen kann.
Was kann Deutschland tun, um ihn dabei zu unterstützen?
In Deutschland haben einige Politiker schon erkannt, wie wichtig die von Abiy eingeleitete Politik für Äthiopien und Afrika ist. Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder zum Beispiel hat seine erste große Auslandsreise nach Äthiopien unternommen. Die wirtschaftliche Entwicklung des Landes geht deutlich voran.
Sie gehören allerdings zu den beharrlichen Kritikern der Entwicklungshilfe.
Ich halte die bisherige Entwicklungshilfepolitik der europäischen Länder in der Tat für gescheitert. Die afrikanischen Länder brauchen keine Almosen, sondern Investitionen. Die Zukunft der jungen Generation in Afrika kann auch nicht darin liegen, nach Europa auszuwandern. Die Menschen brauchen eine Perspektive in ihrer Heimat.
Haben Sie Abiy Ahmed schon einmal getroffen?
Persönlich getroffen noch nicht, aber gesehen, und zwar bei seinem Besuch hier in meiner Heimatstadt Frankfurt. Ihm jubelten im vergangenen Jahr 35000 Äthiopier zu, die in der Diaspora leben. Ihre Hoffnungen ruhen auf ihm.
Prinz Asfa-Wossen Asserate, 70, Großneffe des letzten äthiopischen Kaisers Haile Selassie, lebt seit über 30 Jahren in Frankfurt als Unternehmensberater, politischer Analyst und Autor. Berühmt wurde er durch sein Buch „Manieren“ und „Deutsche Tugenden. Von Anmut bis Weltschmerz“.
Seine Geschichte erzählt er in seiner Autobiografie „Ein Prinz aus dem Hause David. Und warum ich in Deutschland blieb“.
Zuletzt erschien von ihm im: „Die neue Völkerwanderung. Wer Europa bewahren will, muss Afrika helfen“ (Propyläen Verlag).
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Leonore
12. Oktober, 2019Ah – die Mutter ist Christin, nicht der Vater, wie es im vorherigen Artikel hieß! (Ich fragte mich schon, ob in Äthiopien die Scharia vielleicht nicht so große Beachtung findet. Eine Muslima darf nach der Scharia keinen Christen heiraten – ein Muslim aber eine Christin.) –
Dann mit umso glühenderem Herzen: Gott segne nicht nur ihn, sondern auch seinen Vater – und alle anderen Muslime, die ihn nicht dafür getötet haben, daß er Christ wurde!
Asfa Wossen-Asserates Buch “Manieren” hatte die FAZ damals, als sie noch “die gute alte FAZ” war, der auch ich (wie ein anderer Leser hier) untröstlich nachtrauere, als Fortsetzungs-“Roman” abgedruckt. Wahrscheinlich im Vorabdruck, es ist lange her. Jedenfalls ein wunderbares Buch. Es hat meine Sicht auf “gute Manieren” vollkommen verändert. Niemals zuvor hätte ich mir träumen lassen, daß man Manieren nicht als einen komplizierten Benimm-Code ansehen kann, der die Zugehörigkeit zu den Happy Few signalisiert und alle anderen demütigt und ausschließt, sondern mit Takt und Zartgefühl den Mitmenschen das Leben leichter machen, ihnen über holprige Situationen hinweghelfen soll. Vielleicht muß man Prinz aus kaiserlichem Geblüt sein, um so souverän der Menschenfreundlichkeit den Vorrang gegenüber starren Regeln geben zu können.