Am 24. Juli 2020 stand Thomas Laschyk auf der Bühne der Kongresshalle am Park Augsburg, um für den von ihm gegründeten Blog „Volksverpetzer“ den Augsburger Medienpreis in der Kategorie „Mut“ entgegenzunehmen, dotiert mit 1000 Euro.
Er kämpfe mit „Volksverpetzer“ gegen Fake News, sagte Laschyk. Falschnachrichten seien vor allem im rechten Spektrum weit verbreitet, das liege an dem dort „ausgeprägten Freund-Feind-Denken“. Es sei „wichtig, sich gegen Lügen zu wehren“.Die Organisatoren des Augsburger Medienpreises stellten den Preisträger auf ihrer Internetseite mit folgendem Kurztext vor:K
„Der Volksverpetzer ist ein größtenteils ehrenamtliches Team, das politische Faktenchecks und Framechecks betreibt, um demokratischen und menschlichen Diskurs zu ermöglichen. Es widmet sich der Entlarvung von Falschmeldungen und hat das Ziel, über Hintergründe politischer und populistischer Narrative aufzuklären.“
In der Laudatio für Laschyk hieß es:
„Das Augsburger Team vom Blog ’Volksverpetzer’ um Thomas Laschyk stellt sich täglich dieser schier unlösbaren Aufgabe, zu einer ausgewogeneren Meinungsbildung beizutragen und die Ausbreitung von Verschwörungstheorien, Fake News und populistischen Mythen einzudämmen. Deshalb hat die Jury den Augsburger Medienpreis 2020 in der Kategorie ’Mut’ an das Team des ’Volksverpetzers’ verliehen.“
Videogrüße von Markus Söder
Bei dem „Augsburger Medienpreis“, verliehen von dem Medienforum Augsburg e. V. , handelt es sich um eine teils öffentlich, teils privat getragene Institution. Zu den Sponsoren gehören die Stadt Augsburg, die Stadtwerke, die örtliche Sparkasse und etliche lokale Unternehmen. In der siebenköpfigen Jury sitzt mit dem Leiter des Pressereferats im bayerischen Wirtschaftsministerium Jürgen Marks auch ein Freistaatvertreter. Zur Preisverleihung schickte Ministerpräsident Markus Söder eine Videobotschaft, in der er nicht einem einzelnen, sondern allen Ausgezeichneten gratulierte, „Volksverpetzer“ also inklusive:
„Medien spielen hier eine ganz entscheidende Rolle. Gerade in Zeiten von Corona hat man gemerkt, wie man die Medien braucht. Sie sind systemrelevant. In der Aufklärung und der Information der Menschen.“
Es handelt sich also um eine Art amtliches Lob, inklusiv, wie es heute heißt. Aufklärung und Information, Verteidigung des menschlichen und demokratischen Diskurses, Widerlegung von Falschnachrichten gerade in Zeiten von Corona, das passt zu der Beschreibung in der Laudatio, die „Volksverpetzer“ seien „stille Helden“. Es passt nur alles zusammen nicht zu dem Inhalt von Laschyks Blog. Zu diesem Text gehört auch der Versuch herauszufinden, ob Markus Söder eigentlich wusste, wen und was er per Video beglückwünschte. Um es vorwegzunehmen: Dazu liefert seine Staatskanzlei trotz mehrfacher Nachfrage weder ein Ja noch ein Nein.
Und um Missverständnissen vorzubeugen: Dieser Beitrag befasst sich mit den „Volksverpetzern“ nicht, weil die Plattform so groß wäre, sondern weil sie exemplarisch für einen Stil stehen, der sich in den Medien ausbreitet und durch Preise honoriert wird, wenn auch weniger von zahlenden Lesern.
„Ausgeprägtes Freund-Feind-Denken“
Die Corona-Pandemie spielt bei den „Volksverpetzern“ eine große Rolle. Seit Jahresbeginn beschäftigen sich viele Beiträge der Seite mit dem Virus und seinen Folgen. Am 27. Januar 2020 veröffentlichte Laschyk einen Text zu dem damals noch neuen Thema, in dem er das durchführte, was er unter Faktencheck beziehungsweise „Framecheck“ versteht, und zwar unter der Überschrift „Rechte und Corona-Virus. Der heimliche Grund, warum dir Rechte Angst vor dem Corona-Virus machen wollen“.
Was war nach Laschyks Ansicht also der „heimliche Grund“ der Angstmache?
„Weil sie davon profitieren!“
Nämlich so:
„Rechte und das Corona-Virus? Die Kommunikation von Rechtsextremisten ist inzwischen eine hohe Kunst geworden. Wer ‚Ausländer raus!’ und ‚Deutschland den Deutschen!’ ruft, der wird heutzutage zum Glück problemlos als Neonazi erkannt – und verliert automatisch jede Glaubwürdigkeit. Moderne Neonazis und Rechtsextremisten müssen deshalb viel subtiler vorgehen, um ernst genommen zu werden und verstecken den Rassismus und ‚Ausländer raus!’ hinter auf den ersten Blick weniger skandalösen Forderungen – wie beispielsweise die Forderungen nach Abschiebungen von Asylbewerber*innen.“
Subtil wirkt hier schon die Terminologie, die sich auch durch andere „Volksverpetzer“-Texte zieht: Rechte, Rechtsextremisten, Neonazis – für Laschyk scheint da kaum ein Unterschied zu bestehen.
Seine Argumentation von der Gefährlichkeit der rechts-rechtsextrem-neonazistischen Coronawarnung und der relativen Ungefährlichkeit von SARS-CoV-2 baut er im Wesentlich darauf, dass zu diesem Zeitpunkt Ende Januar (auch) ein identitärer Aktivist und mehrere AfD-Politiker auf das Virus hinwiesen und Maßnahmen wie Grenzschließungen fordern. Etwa die AfD-Bundestagsabgeordnete Nicole Höchst, die per Twitter zu einem Foto aus Wuhan am 25. Januar fragte: „Was plant die Bundesregierung zum Schutz der hier lebenden Menschen? Einreisestopp? Einreisekontrolle? Quarantäne?“
Bekanntlich kamen diese Maßnahmen dann ab März und bildeten im Wesentlichen die Corona-Politik von Bund und Ländern. Die Beschäftigung bei „Volksverpetzer“ mit dem Thema Coronavirus folgt der Logik, dass das Gegenteil von dem richtig sein muss, was der ideologische Gegner verkündet, sie hält sich also, um Laschyk noch einmal zu zitieren, an ein ausgeprägtes Freund-Feind-Denken.
Für die relative Ungefährlichkeit von Covid-19 präsentierte der Plattform-Gründer damals ähnlich differenzierte Argumente:
„Da in Deutschland bisher niemand infiziert ist, kannst du dich also aktuell auch hier gar nicht damit anstecken. Es ist nicht per se tödlich, es sei denn, dein Immunsystem ist bereits durch eine andere Krankheit sehr geschwächt. Es ist nach bisherigem Kenntnisstand nicht gefährlicher oder tödlicher als SARS oder die ganz normale Grippe (Quelle, Quelle). Rechtsextremisten möchten dir aber trotzdem Angst davor machen.“
Die Quellen, auf die Laschyk so viel Wert legt („bei uns ist alles belegt“), bestehen in diesem Fall aus einem Link zu „Radio Eins“, das wiederum Gesundheitsminister Jens Spahn mit der Einschätzung zitiert, SARS-CoV-2 sei nicht besonders gefährlich, und einem Link zur „Tiroler Landeszeitung“, die damals, Ende Januar, die Infektionsgefahr sehr gering einschätzte.
Heute steht vor dem „Rechte und Corona-Virus“-Beitrag ein Vortext, in dem die Redaktion darauf hinweist, dass sie diese Einschätzung von Covid-19 natürlich nicht aufrechterhält. Auf Anfrage von Publico, worauf er sein Urteil damals gestützt habe, antwortet Thomas Laschyk, dieser Vorspann erkläre, „worauf wir unsere damalige (und ja, falsche) Einschätzung stützten (wir geben stets Quellen an), dass wir es für eine Tugend halten, Fehler einzugestehen und sich von Fakten, Studien und Expert:innen eines besseren belehren zu lassen auch dass wir selbstverständlich längst transparent auf unseren Fehler hingewiesen haben und den veralteten Artikel entsprechend gekennzeichnet.“
Dass Ende Januar alle Experteneinschätzungen für die relative Harmlosigkeit von Covid-19 sprachen, stimmt nicht. An exakt diesem Tag veröffentlichte die Weltgesundheitsorganisation-Sektion für Ostasien eine Mitteilung, in der sie darauf hinwies, dass es mittlerweile auch Covid-19-Fälle außerhalb Chinas gebe, und schätzte das Infektionsrisiko als „hoch“ ein.
In ihrer Erklärung zu ihrer Corona-Berichterstattung im Januar schreibt „Volksverpetzer“ außerdem:
„Die Instrumentalisierung der Gefahr durch Rechtsextreme ist natürlich eine korrekte Einschätzung, zu der wir auch weiterhin stehen, da sie u.a. ja weiter dadurch bewiesen wird, dass Rechtsextreme jetzt dazu umschwenken, das Virus zu verharmlosen.“
Die Instrumentalisierung der Gefahr durch Rechtsextreme wird also dadurch bewiesen, dass sie jetzt die Gefahr herunterspielen. Die Dialektik ist bemerkenswert.
„Volksverpetzer“ vollzog bei Covid-19 genau die Kehrtwende, die ihre Redaktion dem Rechts-Rechtsextremen-Nazi-Cluster vorhält. Überschriften lauteten später: „So lügen Corona-Leugner“. Oder: „Sorry, Pandemie-Leugner: Alle Experten sagen, Masken wirken“.
Was so absolut nicht stimmt: Die Experten beispielsweise der niederländischen wie der Schweizer Gesundheitsbehörde kommen zu dem Schluss, dass Maskentragen im Einzelhandel keine messbare Eindämmung des Virus bewirkt. Deshalb gibt es in diesen Ländern auch keine Maskenpflicht beim Einkaufen. Der Bonner Virologe Hendrik Streeck beurteilt den gesundheitlichen Nutzen der Gesichtstücher im Alltag eher skeptisch.
Eine Metastudie mehrerer Wissenschaftler zum generellen Virenschutz durch Masken – publiziert im Mai 2020 in „Emerging Infectious Diseases“ – sieht im Vergleich zur Handhygiene einen kaum messbaren bis sehr schwachen Nutzen im Alltag.
In der Erkältungssaison mag das anders aussehen, generell gibt es Argumente für und gegen eine so weitgehende Maskenpflicht wie in Deutschland. Vor allem ist es grober Unfug zu suggerieren, alle, die den Nutzen von Masken skeptisch beurteilen, seien „Pandemieleugner“.
In einem nach üblichem Muster aufgebauten „Volksverpetzer“-Text über die AfD und Corona („AfD: Hauptsache dagegen“) heißt es:
„Weidel ist auch gegen die Maskenpflicht (Quelle), gegen das Verbot von Wohnungskündigungen in der Krise (Quelle), gegen Staatshilfen für deutsche Unternehmen (Quelle), gegen eine Verlängerung des Kurzarbeitergeldes (Quelle).“
Das Plattform-Team scheint allerdings nicht damit zu rechnen, dass jeder in ihrem Publikum die Quellen – also in den Text kopierte Links – auch tatsächlich aufklickt und liest. Wer das bei der Behauptung tut, die AfD-Politikerin lehne „Staatshilfen für deutsche Unternehmen“ ab, stößt nämlich auf einen Facebook-Eintrag von Alice Weidel, in dem sie in Wirklichkeit Staatsbeteiligungen an Unternehmen wie der Lufthansa kritisiert (wie im Fall der Lufthansa auch das Management des Unternehmens und etliche Ökonomen).
Die Corona-Artikel auf „Volksverpetzer“ unterscheiden sich also trotz der Kehrtwende in der Richtung nicht im Stil. Ihr Ton ist der einer armfuchtelnden Propaganda, er erinnert stark an die wegen Erfolglosigkeit eingestellte Spiegel-Jugendplattform bento.
Wichtig für die Beurteilung eines Themas ist Laschyks Team offenbar, was die AfD zu irgendetwas sagt. Die Belege erweisen sich als mehr oder weniger wahllos zusammenkopierte Links zu anderen meist deutschsprachigen Medien. Längere wissenschaftliche Untersuchungen finden sich dort kaum. Und unter diesen Umständen auch keine „Aufklärung“ (Söder), erst recht nirgends die „ausgewogenere Meinungsbildung“, die das Augsburger Medienpreisgremium bei „Volksverpetzer“ lobt. Dafür, siehe oben, handfeste Falschbehauptungen.
In einem Interview mit Laschyk fragte die taz kürzlich mit leichter Skepsis:
„Sie laden Ihre aufklärenden Texte oft mit reißerischen Titeln hoch, etwa ‘So lügen Corona-Leugner’, das ist Suchmaschinen-optimiert und schafft Reichweite. Aber erinnert es im Ton nicht auch an genau die Art von Texten, gegen die Sie vorgehen wollen?“
Laschyk: „Wenn wir gehört werden wollen, müssen wir nach den Regeln von Social Media spielen. Dazu gehört eindeutiges Framing, die richtigen Schlagworte oder der Appell an Emotionen.“
Framing, Schlagworte, Emotionen – die Selbsteinschätzung stimmt soweit, sie beschreibt eben nur das glatte Gegenteil der Medienpreis-Lyrik. Und warum es ausgerechnet Mut erfordern soll, das, was Regierungspolitiker und viele andere Medien verkünden, mit viel Hyperventilation zu wiederholen und dabei nie das Anti-Rechts-Framing zu vergessen, bleibt ein Augsburger Geheimnis.
Allerdings: Das allein wäre noch kein Problem des lobenden Markus Söder, dem Richtungswechsel ebenfalls nicht ganz fremd sind. Immerhin wendete sich „Volksverpetzer“ bei Covid-19 argumentativ genau so wie die meisten Politiker. Die Nummer mit der Nazi-Corona-Propaganda fand auch fast identisch beim Bayerischen Rundfunk statt.
Laschyk geht mit seiner Redaktion allerdings bei anderen Themen deutlich über ein bisschen ARD- beziehungsweise woke bento-Aufgeregtheit hinaus. Neben Beiträgen wie „Angebliche ’Gewalt’ gegen Polizisten: Politisch gewollte Opferrolle?“ und „Wer gegen ’Umweltsau’ protestiert, hat das Video nicht verstanden“ zu dem WDR-Couplet von Dezember 2019 gibt es auch härteren Stoff.
Unter der Überschrift „Die Antifaschistische Auktion: 10.000 € Staatsgelder für die Antifa“ berichtet Laschyk am 14. August begeistert über die Ausstellung des „Kollektiv PENG“, dessen Aktionen auch mit Steuergeld gefördert werden, beispielsweise von der Bundeskulturstiftung. In der Kunsthalle Chemnitz stellt PENG unter dem Titel „Antifa – Mythos und Wahrheit“ mehrere Objekte aus, die der Verein nach eigenen Angaben mit 10 000 der insgesamt 20 000 Euro staatlicher Fördermittel kaufte, die er für die Ausstellung erhielt – um damit die 10 000 Euro an linksradikale Projekte weiterzuleiten.
In Laschyks Text findet sich eine alte und längst widerlegte Fake News. Die PENG-Kollektivisten stellten unter anderem ein „Kantholz“ aus, das nach ihren Angaben an die angebliche Lüge des AfD-Politikers Frank Magnitz erinnern soll, der im Januar 2019 von zwei Tätern niedergeschlagen und schwer verletzt worden war. Auf „Volksverpetzer“ heißt es:
„So wird zum Beispiel ein Kantholz ausgestellt – eine Erfindung des AfD-Politikers Frank Magnitz, das für viele Rechte zum Symbol von linker Gewalt wurde. Den Schlag auf den AfD-Politiker durch Unbekannte im Januar 2019 nutzte die AfD, um gleich gegen ihre politische Konkurrenz, die Antifa und Linksextreme zu hetzen. Die 1.000 € für das Fake-Kantholz spendet PENG! an die Initiative in Gedenken an Laye-Alama Condé.“
Die Behauptung, Magnitz beziehungsweise die AfD hätten ein Kantholz als Angriffswaffe erfunden, brachten mehrere Twitterer und Journalisten schon kurz nach der Attacke in Umlauf, um den Überfall auf Magnitz ins Lächerliche zu ziehen. Die Erwähnung eines Kantholzes stammte allerdings nachweislich aus der ersten Pressemeldung der Polizei; die AfD übernahm die Formulierung nur. Auf dem Video einer Überwachungskamera von der Tat scheint es auch so zu sein, dass ein Täter unmittelbar nach dem Angriff dem anderen einen kurzen Gegenstand übergibt. Publico hatte damals den Sprecher der Staatsanwaltschaft Frank Passade dazu befragt; Passade sagte seinerzeit, dazu gebe es keine Erkenntnisse – es stehe also auch nicht fest, dass kein Gegenstand zum Schlagen benutzt worden sei.
Mehrere Monate später stellte die Behörde die Ermittlungen ein, der Fall wurde nicht aufgeklärt. „Volksverpetzer“ verbreitet nicht nur eine eindeutige Falschinformation. Die Plattform lobt mit PENG auch eine Organisation, die im Zuge der Black-Lives-Matter-Bewegung offen zu Sachbeschädigung und Vandalismus aufruft. Unter dem Motto „tear down this shit“ (reiß den Scheiß nieder) veröffentlichte die linksradikale Gruppe eine Liste von „kolonialrassistischen“ Denkmalen und Straßennamen.
Dazu, was mit den Denkmälern geschehen soll, gibt PENG einen Hinweis, der sich sehr, sehr nahe an dem Paragraf 111 des Strafgesetzbuchs bewegt (Öffentliche Aufforderung zu Straftaten):
„Wer wird da eigentlich wofür geehrt? Verbrecher für Verbrechen, das geht nicht! Kopf ab, Runter vom Sockel, Farbe drauf, Schild drüber – die Möglichkeiten sind vielfältig.“
Zu dem Vandalismus-Tipp kommt bei PENG auch eine bemerkenswerte Schlampigkeit; eine lange Reihe angeblicher Verbrecher-Ehrungen bezieht sich auf Personen und Orte, die mit Kolonialismus nicht das Geringste zu tun hatten. Die Sammlung ist ungefähr so penibel zusammengestellt wie die Quellen in „Volksverpetzer“-Beiträgen.
Fördergelder für Vandalismus-Aufruf,
Lob für Falschnachrichten
In Deutschland haben sich mehrere Maßstäbe und Üblichkeiten verschoben. Es ist möglich, dass eine Organisation, die völlig willkürlich zu Vandalismus aufruft, staatliche Fördergelder erhält, und eine agitatorische, Falschbehauptungen verbreitende Plattform, die eine Gruppe wie PENG lobt, für ihren demokratischen und menschlichen Diskurs und ihre Ausgewogenheit einen halböffentlichen Medienpreis und ein inklusives Lob des bayerischen Ministerpräsidenten erhält.
Die Geschichte führt noch ein wenig weiter – nämlich zu den Schmähangriffen auf den Hamburger Ankerherz-Verlag, einer Aktion, bei dem sich „Volksverpetzer“ besonders hervortat. Die Attacke gegen den Verlag und seinen Chef Stefan Kruecken steht beispielhaft für die Praxis linksradikaler Aktivisten, selbst Personen des liberalen Milieus an den Pranger zu stellen, wenn sie von der orthodoxen Linie abweichen. Kruecken, Verleger und ehemaliger Polizeireporter, beschreibt seine Position so: „Wir sind für Maß und Mitte, Fans des Grundgesetzes und mögen unser Land. Es geht uns nicht um eine parteipolitische Haltung.“
Der Verleger sprach sich auch wiederholt gegen die AfD aus, bei ihm erschien unter anderem das Anti-AfD-Buch von Jürgen Schwandt „Sturmwarnung“. Trotzdem kursiert zu Kruecken im linksradikalen und linksextremistischen Milieu eine Deliktliste, die aus drei Punkten besteht: Der Verleger hatte ein Foto von seinen und anderen Kindern in sozialen Netzwerken verbreitet, die an der holländischen Küste im Dezember 2019 Geschenke von „Zwarte Piet“ entgegennehmen, dem traditionellen, oft dunkelhäutigen, manchmal dunkel geschminkten Helfer des Sinterklaas. Der Brauch gilt eifernden Aktivisten seit Jahren als rassistisch.
Zweitens bekannte Kruecken öffentlich, er lehne die politischen Auffassungen des früheren AfD-Politikers Bernd Lucke zwar ab, verurteile aber die Angriffe auf ihn an der Universität Hamburg und den Versuch, seine Vorlesungen zu verhindern. Und drittens meinte er nach dem Beginn der Black-Lives-Matter-Demonstrationen, es gebe vielleicht rassistische Einzelfälle in der deutschen Polizei, die übergroße Mehrheit der 300 000 Polizisten in Deutschland sei aber nicht rassistisch.
Das genügte der Antifa in Hamburg, um Kruecken und seinen Verlag als Ziel zu markieren. Und es genügte dem Autor und Aktivisten Stephan Anpalagan, die Stimmung gegen den Verleger auf „Volksverpetzer“ noch kräftig anzuheizen. Am 15. Juni – also kurz vor der Preisverleihung in Augsburg – schrieb Anpalagan einen „offenen Brief“ an das „liebe Ankerherz-Team, lieber Stefan“, eine wirre Suada aus persönlichen Angriffen und Falschbehauptungen (unter anderem die Behauptung, der von Lucke benutzte Begriff „Altparteien“ sei ein „Goebbels-Begriff“ – in Wirklichkeit findet sich die Wendung in keiner einzigen Goebbels-Rede; dafür wurde sie von den Grünen in deren Frühzeit ausgiebig verwendet).
Anpalagan fordert von Kruecken, als Linker müsse er Kritik an ihm beherzigen. In drohendem Ton heißt es:
„Wenn Ihr bei Ankerherz den AfD-Gründer verteidigt und die Proteste gegen ihn diffamiert, wenn Ihr ein rassistisches Kulturmerkmal der Niederlande als ‚schöne Tradition’ adelt und wenn Ihr nicht einmal in der Lage seid, grundlegende Prinzipien des strukturellen Rassismus in diesem Land zu verstehen und anzuerkennen, dann solltet Ihr mit Eurem Kampf gegen die AfD keine allzu große Welle machen. Als Literaturverlag, als Radiosender, als Social Media Profis solltet Ihr wissen, wovon Ihr schreibt, wenn Ihr schreibt. Und mindestens solltet Ihr auf Kritik eingehen und sie anerkennen, wenn sie, wie in vielen Fällen, freundlich und konstruktiv formuliert wird.“
Das wurde sie allerdings in vielen Fällen nicht. Gegen Kruecken und seinen Verlag gab es massive Drohungen; in drei Fällen ermittelt die Polizei nach seinen Angaben gegen die Urheber wegen Bedrohung, Beleidigung und Nötigung. Anpalagan, der ihn mit „lieber Stefan“ ansprach, habe er nicht gekannt: „Der Angriff kam völlig unvermittelt für uns.“ Natürlich könne ihn jemand in einem Medium öffentlich kritisieren. „Aber das, was ‚Volksverpetzer’ betreibt, ist als Journalismus getarnter Aktivismus.“ Nach dem „Volksverpetzer“-Beitrag, sagt er, hätten sich die Drohungen gegen ihn noch einmal intensiviert.
Publico fragte auch Thomas Laschyk nach der Polemik gegen Kruecken auf „Volksverpetzer“ und den Drohungen gegen Ankerherz.
Laschyk antwortet, den „offenen Brief“ von Stephan Anpalagan habe er „lediglich zweitveröffentlicht, der Text erschien zwei Tage zuvor privat auf der Facebook-Seite von Herrn Anpalagan. Herr Anpalagan hat als unabhängiger Autor, dessen Texte wir gelegentlich bei uns veröffentlichen, völlig unabhängig gehandelt und ist alleinig für seine Inhalte auf seiner privaten Seite verantwortlich.“
In dem Beitrag zu PENG und Antifa ist allerdings von dem „Volksverpetzer-Autor Stephan Anpalagan“ die Rede. Abgesehen davon macht sich ein Medium auch bei einer Zweitveröffentlichung einen Text zu Eigen. Trotzdem behauptet Laschyk, bei dem Text handele es sich um einen „offenen Brief und um keinen redaktionellen Beitrag“. Und: „Dass es sich um ‘persönliche Angriffe’ gegen Herrn Kruecken handelt, weisen wir als Falschdarstellung zurück. Der Text ist freundlich formuliert und übt ausschließlich sachliche Kritik […] Im Gegenteil, Herr Kruecken und Herr Anpalagan hatten meines Wissens anschließend einen freundlichen Austausch und sich zu einem persönlichen Treffen verabredet. Ob das passiert ist, dazu müssen Sie die beiden befragen.“
Auch das machte Publico. Nach Krueckens Angaben kam es zu keinem Treffen. Anpalagan antwortete nicht auf die Publico-Anfrage.
Es gab noch eine dritte Anfrage: an Markus Söder. Gewiss, Söder hatte alle drei Preisträger für ihre vorbildliche Aufklärung, Information und Systemrelevanz gelobt – was Pressereferenten ihrem Ministerpräsidenten eben so aufschreiben. Publico wollte wissen, ob Söder eigentlich die Inhalte von „Volksverpetzer“ kannte, oder ob er sich zumindest nachträglich damit befasste, und wie er sie mit dem Begriff „Aufklärung“ in Verbindung bringt. Die Frage kann man für kleinlich halten. Aber immerhin ist Söder der Politiker, der die Bürger kürzlich im ARD-Sommerinterview mit Blick auf die Corona-Demonstration in Berlin mahnte:
„Mein dringender Appell: Nicht nur körperlichen Abstand halten, sondern auch geistigen Abstand.“
Noch bis vor einiger Zeit achtete die CSU tatsächlich auf eine gewisse Distanz zu einem publizistisch-aktivistischen Milieu, das bis in den organisierten Linksradikalismus reicht und sich an Treibjagden gegen linke Abweichler beteiligt. Ihr Parteichef lobte es jedenfalls nicht, und halböffentliche Medienpreise gab es auch nicht für jede Krawallplattform. Den Begriff „Aufklärung“ benutzten frühere bayerische Ministerpräsidenten selten und mit einem gewissen Skrupel.
Die Geschichte von „Volksverpetzer“ ist also auch eine Geschichte des talentierten Markus Söder, der wie der talentierte Mr. Ripley offenbar Identitäten wechseln kann, der nicht nur Bäume vor der Staatskanzlei umarmt, sondern auch journalistische Aktivisten am politischen Rand, um dann wieder in die Mitte zurückzueilen, wo er bürgerliche Wähler um Stimmen bittet. Nach einer Woche und mehreren Telefonaten antwortete ein Sprecher Söders:
„Sehr geehrter Herr Wendt,
vielen Dank für Ihre Mail. Es wurde eine Videobotschaft anlässlich des Augsburger Medienpreises beigesteuert. Die Auswahl und Bewertung der Preisträger wurde von der zuständigen Jury übernommen. Mit einer weitergehenden Einschätzung kann ich Ihnen leider nicht weiterhelfen.“
Das sollte er auch gar nicht – sondern nur die an Söder gerichtete Frage beantworten. Dass eine Videobotschaft beigesteuert wurde, stand schon in der Anfrage.
Möglicherweise wird er dadurch irgendwann einmal Kanzler, denn ohne eine gewisse Geschmeidigkeit scheint es heute nicht mehr zu gehen. Möglicherweise geht sein Geschmeidigkeitsexperiment auch schief.
Und möglicherweise wird Thomas Laschyk irgendwann Pressesprecher oder Intendant, oder beides hintereinander.
Dieser Text erscheint auch auf Tichys Einblick.
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Kommentare anzeigen (16)
Aufmacherbild ist Pressefoto des Jahres.
Ich liebe diese Art von Artikeln. Zeigen sie doch, was Journalismus tun soll:
Neutral berichten und hinter die Fassaden schauen. Und natürlich den Beteiligten die Gelegenheit geben sich zu äußern.
Danke, Herr Wendt
Nein, lieber Joseph, die Beteiligten werden den Teufel tun und sich äußern. Die sind bereits wieder dabei, die nächste "wohlausgewogene" Sau(*Eber?) durch das Dorf nach rechts zu treiben.
Das ist ja die Masche: Etwas Fake(alien) in die Welt zu setzen und weiter zu eilen, irgendetwas davon wird schon bei dieser Masse an den Sohlen des deutschen Michel und des Lieschen Müller kleben bleiben; ehe er*sie sichs versieht, ist man*fra(u) schon in den nächsten Shit getreten. Und so verdichtet sich das immer mehr, bis Michel*Lieschen eines Tages darauf möglicherweise ausrutschen...
Es graust den halbwegs intelligenten, politisch diskussionswilligen Leser ob all dieser meinungsmachenwollenden Zwerge und es graust noch mehr, wenn man*fra(u) daran denkt, wieviele Follower*Innen diese Fake(alien)-Produzent*Innen immer wieder haben. Danke an Herrn Wendt, der diese Zwerge ins rechte Licht rückt!
Sehr erhellend, gewohnt gut - danke!!
Sehr geehrter Herr Wendt ! Mit der Einschätzung von Herrn Söder liegen Sie absolut richtig. Herr Söder ist ein wertebefreiter Opportunist, der geschmeidig auf den Wellen des Zeitgeistes surft. Dabei geht es ihm um Macht und Pfründe für sich und seine ihn umgebenden Speichellecker. Mit der CSU eines Franz-Josef-Strauß hat dieser Mann rein gar nichts am Hut. Das sind meine schmerzlichen Wahrnehmungen als 80-jähriger "alter weißer Mann", der als ehemaliges CSU-Mitglied Franz-Josef Strauß noch persönlich kennen gelernt hat und für das damalige konservative "Werte-"Parteiprogramm der CSU im privaten Bereich und im Beruf eingetreten ist.
Nach meiner Meinung sind Correktiv und Volksverpetzer aus dem gleichen krummen Holz geschnitzt. Mit Fakten und Logik nehmen es solche Leute nicht so genau. Eventuell ist Karl Eduard von Schnitzler deren Vorbild.
Heinrich Heine schrieb einmal:
"Denk ich an Deutschland in der Nacht,
Dann bin ich um den Schlaf gebracht..."
Mit diesem Teilzitat verbinden viele Leute den Gedanken, dass es um Deutschland schon damals politisch schlecht gestanden haben muss. Doch weit gefehlt, es ging Heine nicht um Deutschland als Land, sondern um seine in Deutschland/Düsseldorf lebende sehr geliebte Mutter, die er vermisste, denn er kränkelte (u.a. vor Sehnsucht) im fernen Paris.
Wenn ich an Deutschland in der Nacht und auch am Tage denke, dann denke ich: Schwarz, schwärzer, Finsternis. Eine demokratische Partei wie die CSU sollte nicht - zumal ohne inneren Bezug zum Radikalismus - "einfach so" einer radikalen (hier: linken) Extremisten-Gruppierung seinen Glückwunsch zu einem dubiosen Preis aussprechen, ohne einen "Stain", also Makel, zu hinterlassen. Wie gesagt: Deutschland: Schwarz, schwärzer, Finsternis.
In den letzten 25 Jahren bin ich vom überzeugten Taz-Leser über die SZ, die FAZ jetzt zum NZZ-Leser geworden. In der gleichen Zeit haben sich die Taz-Redakteure in den Redaktionen von SZ, Zeit, Spiegel, Welt, ARD, DLF usw. ausgebreitet. Man kommt an ihren moralistischen Wirklichkeits-Verzerrungen kaum vorbei. Und da ich mich nicht in die Schweiz flüchten kann, bin ich dankbar für Samisdat-Veröffentlichungen wie Publico. Besten Dank, Herr Wendt!
Äußerst faszinierende Dokumentation, gerade weil auch die Reaktionen des Blogbetreibers enthalten sind. Das Verfahren solcher Leute scheint wirklich äußerst simpel gestrickt zu sein, wie die zu ihren Beurteilungen kommen:
1. gucken was der Feind macht
2. Negation bilden und sich diese als Weltsicht zu eigen machen
3. selektiv sich alles zusammensuchen, was zu dieser Weltsicht passt.
Und alles unter der Prämisse, daß der Feind nienich in keinem Punkt Recht haben kann und seine Argumente per definition nur Scheinargumente sein können. Gruselig. Das ist das Denken von Parteisoldaten.
Wo andere nur biegen, märcheln und schwafeln...HIER steht das, was IST. Zu den "Volksverpetzern" fällt mir nur der akustische Gleichklang zu "Volksverhetzern" auf. Dem Herrn Söder wünsche ich, dass sein Rückgrat nach der nächsten Wahl wieder einigermaßen abheilt - dauernden Kriechgang wünsche ich ihm nicht.
Was linksradikale Medien wie der 'Volksverhetzer' betreiben sollte man PO-lemik und ANAL-yse nennen. Denn solche Inhalte sind keine Kopfgeburten. Sondern haben ihren Ursprung sonstwo. Aber das gab es schon immer. Was neu ist, ist die breite institutionelle Akzeptanz solchen Schunds. Das zeigt, wie weit wir schon auf dem Weg vorangekommen sind, die 30er Jahre zu replizieren. Diesmal wieder unter anderen Vorzeichen. Es ist auffällig, dass der linke Geifer-Journalismus nach der deutschen Einigung erst richtig ins Kraut schoss. Die deutsche Einheit und der Zusammenbruch des sozialistischen Ostens müssen für diese Leute so etwas wie der Supergau ihres Lebens gewesen sein. Was viele wohl mit politischer Tollwut infiziert hat.