Ein Gespenst geht um in Europa – das Gespenst der Cancel Culture von rechts. Alle Mächte des progressiven Europa formieren sich zum Schutzwall, denn jetzt geht es um das, was Progressisten seit jeher am Herzen liegt – die Freiheit des ungehinderten Meinungsaustauschs.
So kann ein Text über eine unterhaltsame Gesellschaftsfarce anfangen. Aber nur, wenn er chronologisch sofort zurückspringt. Also:
Es war einmal ein Narrativ, von dem sich heute nicht mehr genau feststellen lässt, wann es in die Welt kam. Es handelte sich jedenfalls um eine etwas zwielichtige Existenz. Das Narrativ lautete: Es gibt keinen Meinungskorridor in diesem Land. Jeder ist frei, alles zu sagen. Er muss nur mit Widerspruch zurechtkommen.
In einem Interview mit Spiegel online meinte Angela Merkel 2019:
„Aber die Debatte läuft ja so, dass ein sogenannter Mainstream definiert wird, der angeblich der Meinungsfreiheit Grenzen setzt. Doch das stimmt einfach nicht. Man muss damit rechnen, Gegenwind und gepfefferte Gegenargumente zu bekommen. Meinungsfreiheit schließt Widerspruchsfreiheit ein. Ich ermuntere jeden, seine oder ihre Meinung zu sagen, Nachfragen muss man dann aber auch aushalten. Und gegebenenfalls sogar einen sogenannten Shitstorm.“
Einmal abgesehen davon, dass ein Regierungschef der englischsprachigen Welt die Wendung ’Shitstorm’ nicht verwenden würde, stellte die Kanzlerin das Narrativ schon ziemlich korrekt dar. Wenig später verwendete sie in einer Bundestagsdebatte noch die Kurzform: „Meinungsfreiheit gibt es nicht zum Nulltarif.“
Es handelte sich um keinen exklusiven Gedanken Merkels, sondern, wie es auf Publico schon einmal hieß, um eine Copy-and-Paste-Diskursstanze mit hoher Seriennummer. Kai Unzicker beispielsweise, Leiter des Projekts „Vielfalt leben- Gesellschaft gestalten“ der Bertelsmann-Stiftung sah die Notwenigkeit, andere über den richtigen Gebrauch der Meinungsfreiheit zu informieren:
„Aber vielleicht liegt bei denen, die sich sorgen, ihre Meinung nicht mehr sagen zu dürfen, auch nur ein Missverständnis vor. Meinungsfreiheit heißt lediglich, frei zu sein die eigene Meinung sagen zu dürfen. Sie bedeutet nicht, dass diese ohne Kritik und ohne Widerspruch stehen bleiben muss.”
Claus Kleber vom ZDF ließ in einem Interview mit der Süddeutschen wissen:
“Man darf nicht behaupten, dass die Meinungsfreiheit eingeschränkt sei, nur weil man keinen Widerspruch erträgt.“
Marina Münkler, Literaturprofessorin in Dresden, meinte im Deutschlandfunk in einem Interview, in dem es um den Schriftsteller Uwe Tellkamp ging:
„Das ist so ein klassisches rechtes Narrativ zu sagen, die Meinungsfreiheit werde gefährdet, wenn es irgendjemanden gibt, der der eigenen Meinung widerspricht.“
Daran habe sich auch Tellkamp beteiligt.
Wann genau Tellkamp gesagt haben sollte, seine Meinungsfreiheit werde durch Widerspruch gefährdet, verriet Münkler nicht. Es findet sich auch kein entsprechendes Zitat von ihm. Merkels, Klebers und Münklers sachundienliche Hinweise, es herrsche uneingeschränkte Meinungsfreiheit, es müsse nur jeder mit „gepfefferten Gegenargumenten“ rechnen, kamen auf, nachdem Uwe Tellkamp von einer Einschränkung des Meinungskorridors gesprochen hatte, ein Befund, den andere teilten, etwa die Schriftstellerin Monika Maron und der Autor und Jurist Bernhard Schlink.
Tellkamp kam zu seiner Diagnose, als linke Gruppen 2017 auf der Frankfurter Buchmesse an Ständen rechter Verlage Bücher stahlen und beschmierten, und versuchten, Veranstaltungen niederzubrüllen.
Bekanntlich breitet sich das Phänomen der Cancel Culture seit einigen Jahren in westlichen Ländern aus. Zu der Praxis gehört es, Druck auf Veranstalter auszuüben, wenn aus Sicht der Tugendhaften eine falsche Person auf dem Podium sitzt, Druck auf Arbeitgeber, Personen zu entlassen, auf Universitäten, bestimmten Personen das Wort und sogar das Lehramt zu entziehen, auf Verlage, bestimmte Autoren nicht publizieren und auf Medien – dazu kommen wir später ausführlich – Journalisten zu feuern, die nicht das Richtige schreiben. Das Zauberwort der vereinigten Abkanzler aller Länder lautet Deplatforming.
Sie wollen also grade nicht widersprechen und argumentieren, weder gepfeffert noch überhaupt, sondern die Äußerungen, die ihnen nicht passen, stummschalten. Für diesen Zweck halten es etliche Cancel-Culture-Vertreter für angemessen oder zumindest nicht für falsch, wenn beim Hobeln Späne fallen. Gegen die britische Autorin Joanne K. Rowling etwa gibt es an die hundert Todes- beziehungsweise Gewaltdrohungen, weil die Harry-Potter-Erfinderin in mehreren Tweets auf ihre Ansicht bestand, es gebe so etwas wie ein biologisches Geschlecht, das niemand durch einen Willensakt wechseln könne („sex is real“).
Merkel, Kleber, Münkler und andere wissen, dass sie ein klassisches Strohmannargument vortragen. Kein Uwe Tellkamp, keine Monika Maron, kein Bernd Lucke, keine Joanne Rowling verlangte zu irgendeiner Zeit, von Widerspruch verschont zu bleiben. Sie behaupteten nirgends, ein gegen sie gerichtetes Argument bedrohe die Meinungsfreiheit. Angesichts der Drohungen etwa gegen Rowling oder den Berliner Journalisten Gunnar Schupelius, dem Linksextremisten ankündigten, demnächst noch einmal das Auto anzuzünden oder ein bisschen mehr, sollte er weiter kritisch über Linksextremisten schreiben, angesichts der mit entsprechenden Gewaltphantasien herumgeschickten Fahndungsbilder nach dem Welt-Autor Don Alphonso bekommt die Aussage der Kanzlerin etwas Würziges, Freiheit sei eben nicht zum Nulltarif zu haben.
Es war immerhin ein Mitarbeiter ihres Außenministers, Robin Mesarosch mit Namen, der seinerzeit getwittert hatte, die Entfernung eines Bernd Lucke aus dem Hörsaal in Hamburg sei eine Frage der „gesellschaftlichen Ehre“ – ohne dass sie daran Anstoß nahm.
Noch vor wenigen Tagen erklärte der Autor Robin Detje in der Zeit, so etwas wie Cancel Culture – wie es 153 eher liberale Intellektuelle in einem Aufruf beschrieben hatten – gebe es gar nicht. Druck ausüben auf Institutionen und Unternehmen, Personen mit Falschdenk zu entlassen, das sei gar nicht nötig: die Unternehmen wüssten nämlich schon selbst, was zu tun sei:
„Das Problem der 153 Intellektuellen aber ist die ‚illiberale Linke’, die offenbar Unternehmen zur Entlassung verdienter Mitarbeiter zwingt, nur weil sie ihre Meinung äußern. Wie zwingt sie diese Unternehmen genau? Mit Gewalt? Mit Chemtrails? Haben diese Unternehmen keinen eigenen Willen, kein eigenes Herz?“
Aber jetzt, so sieht es aus, nimmt das Narrativ von den Rechten, die nur keine Kritik vertragen, Abschied beziehungsweise seine seit eh und je kurzen Beine in die Hand. Und ein neues betritt die Bühne: Das des Angst- und Einschüchterungsklimas. Auf einmal gibt es nun doch eine ungute Verengung des Meinungsklimas. Denn es sind – in einem sehr bescheidenen Umfang, aber immerhin – plötzlich Linke betroffen.
Ende Juli schickten mehrere linke Wissenschaftler, Publizisten und Aktivisten einen Brief an Angela Merkel, in dem sie ihrer Sorge um die gefährdete Meinungsfreiheit in Deutschland Ausdruck verleihen.
Ihrer Ansicht nach verbreitet der Antisemitismus-Beauftragte der Bundesregierung Felix Klein eine „Stimmung der Brandmarkung, Einschüchterung und Angst“. Das ist eine erstaunliche Leistung für den faktisch machtlosen Beamten. Jedenfalls, so verlangen es die Unterzeichner, soll die Kanzlerin diesen Zustand abstellen. Die Brandmarkung und Drohung besteht zum einen, so die Briefschreiber, in dem „inflationären, sachlich unbegründeten und gesetzlich unfundierten Gebrauch des Antisemitismus-Begriffs, der auf die Unterdrückung legitimer Kritik an der israelischen Regierungspolitik zielt.“
Wo genau und bei wem in Deutschland die Kritik an Israels Regierungspolitik unterdrückt wird, teilen sie nicht mit. Bei Jakob Augstein, der nicht nur den Gaza-Streifen mit einem KZ vergleicht, sondern auch 2018, als ein syrischer Asylbewerber in Berlin mit seinem Gürtel auf einen Kippaträger aus Israel einschlug, den Kippaträger als Provokateur verurteilte?
Bei Spiegel Online, wo die Redaktion Ende Juni zu dieser Ramm-Attacke eines Palästinensers gegen einen Polizeiposten in Abu Dis titelte: „Israelische Soldaten erschießen Palästinenser an Grenzübergang?“
Eben hätte man noch gemeint, Israel- beziehungsweise Judenkritik würde zu den besseren Kreisen Deutschlands gehören wie der Betonpflanzkübel zur Fußgängerzone. Aber diese Meinungen werden nun offenbar unterdrückt, und die Autoren des offenen Briefs wissen auch, wer dafür die Fäden zieht:
„Unsere Sorge ist besonders groß da, wo diese Tendenz mit politischer und finanzieller Unterstützung des Antisemitismusbeauftragten gefördert wird. Ein Beispiel, welches menschenverachtende Ausmaß solche Aktivitäten annehmen können, ist die Förderung der Publikation »Der neu-deutsche Antisemit« von Arye Sharuz Shalicar, laut Angaben des Verlags seit 2017 Direktor für Auswärtige Angelegenheiten im Ministerium für Nachrichtendienste im Büro des israelischen Ministerpräsidenten, und dessen anschließende Vortragsreise durch deutsche Städte.“
Arye Sharuz Shalicars Lebensgeschichte ist interessant: Er wuchs in Berlin-Wedding auf, erlebte dort, als seine muslimischen Mitschüler erfuhren, dass er Jude ist, massives Mobbing, wanderte 2001 nach Israel aus, wurde dort einer von vier Pressesprechern der Armee und arbeitet heute als Berater des israelischen Ministerpräsidenten. In seinem Buch „Der neu-deutsche Antisemit“ , erschienen 2018 bei dem Verlag Hentrich und Hentrich, setzt er sich mit den verschiedenen Spielarten der sogenannten Israelkritik und des Antisemitismus auseinander. Unter anderem polemisiert er auch gegen den Historiker Reiner Bernstein, der zusammen mit seiner Frau seit Jahren für einen palästinensischen Staat eintritt. Judith Bernstein wirft Israel als Ganzes – nicht nur der Regierung – „moralische Korruption“ vor. Warum sie Shalicars Polemik dagegen für „menschenverachtend“ halten, erklären die Absender des Schreibens nicht. Was hat nun der Angst und Unterdrückung verbreitende Antisemitismusbeauftragte mit dem Buch zu tun?
Nichts.
Der Verlag weist die Behauptung zurück, staatliche Mittel für das Buch bekommen zu haben. Auf Anfrage von Publico sagt Arye Shalicar, es gebe ein Sponsoring seiner Lesereise – allerdings nicht durch Klein, sondern die Deutsch-Israelische Gesellschaft (DIG). Das heißt: Das, was die Briefschreiber vortragen, ist faktisch falsch.
Gegen die Kritik in dem Buch versuchte Bernstein juristisch vorzugehen. Das Berliner Kammergericht wies seine Klage ab. Für die Briefschreiber ist das nicht etwa der Beleg, dass Shalicar nichts Justiziables geschrieben hatte. Sondern dafür, wie weit die Einschüchterung schon geht:
„In dieser Atmosphäre wundert es nicht, dass das Berliner Kammergericht Bernsteins Klage gegen seine Verleumdung zurückgewiesen hat. Mit der Unterstützung rechtspopulistischer israelischer Stimmen lenkt der Beauftragte der Bundesregierung gegen Antisemitismus die Aufmerksamkeit von realen antisemitischen Gesinnungen und Ausschreitungen ab, die jüdisches Leben in Deutschland tatsächlich gefährden.“
Jüdisches Leben in Deutschland halten die Unterzeichner offenbar für so wichtig, dass sie es nicht den Juden in Deutschland und dem Antisemitismusbeauftragten überlassen wollen zu beurteilen, was dieses Leben im Alltag gefährden könnte.
Kurzum: Ein Kollektiv linker Druckmacher wirft dem Antisemitismusbeauftragten vor, sich gegen alle Spielarten des Antisemitismus zu wenden, auch gegen den von Linken und Muslimen. Es wirft ihm also vor, sein Amt einigermaßen neutral auszuüben. Der Tagesspiegel berichtete über ihre Klage wegen Einschüchterung und Meinungsunterdrückung unter der Überschrift: „Schwere Vorwürfe gegen den Antisemitismusbeauftragten Klein“.Wer die Zeile liest, könnte fast meinen, Klein hätte bei seiner Dissertation gemogelt wie die Bundesfamilienministerin oder ihm nicht zustehendes Geld eingesteckt wie die zurückgetretene Berliner Bausenatorin; er kommt eher nicht auf die Idee, dass er sein Amt nicht so ausübt, wie es 60 besorgte linke Briefschreiber verlangen. Wenn es um die passende Haltung geht, unterscheidet der Tagesspiegel übrigens nicht näher zwischen ’schwere Vorwürfe’ und ’haltlose Beschuldigungen’.
Als weiterer Beleg für die Unterdrückung richtigguter Meinungen Deutschlands dient die Tatsache, dass Klein sich gegen den Auftritt des aus Kamerun stammenden Postcolonial-Ideologen Achille Mbembe als Eröffnungsredner der Ruhrtriennale ausgesprochen hatte. Meinungsunterdrückung!, hieß es umgehend von Besorgten. Rechte Cancel Culture! Auch dazu gibt es einen herzzerreißenden offenen wie auch besorgten Brief an die Bundesregierung.
Der Vorwurf, Mbembe sei ausgeladen worden, geht ohnehin ins Leere, da die Ruhrtriennale 2020 wegen Corona ausfällt.
Mbembe wirft Israel eine „fanatische Politik der Zerstörung“ vor, die darauf gerichtet sei, „das Leben der Palästinenser in einen Haufen Ruinen zu verwandeln oder einen Haufen Abfall, dazu bestimmt, gesäubert zu werden“ („and its fanatical policy of destruction aimed at transforming the life of Palestinians into a heap of ruins or a pile of garbage destined for cleansing“).
Palästinensische Selbstmordattentäter arbeiten für ihn dagegen „im Zeichen der Zukunft“, Mbembe psalmodiert über deren „Selbstopfer“, während er über ihre Opfer kein Wort verliert. Westler, die auf die Unterdrückung von Frauen in arabischen und afrikanischen Ländern hinweisen, fertigt er mit dem Hinweis ab, sie würden Geschlechterfragen nur „für rassistische Zwecke instrumentalisieren“, um die eigene Phallokratie zu verschleiern („the instrumentalization of questions of gender for racist ends, highlighting the Other’s tendency towards modes of masculine domination, is almost always aimed at obscuring the existence of phallocracy at home“).
Das alles – vielleicht vom allzu deutlichen Lob der Selbstmordattentäter abgesehen – ist von der Meinungsfreiheit in Deutschland gedeckt. Niemand hindert Mbembe daran, in Deutschland seinen akademisch bedampften Hass auf Israel und den Westen vorzutragen, zumal er sich damit in etlichen Redaktionen zu Hause fühlen kann. Schon gar nicht hätte Felix Klein die Macht, ihm grundsätzlich das Wort abzuschneiden. Klein vertrat nur die exotische Ansicht, dass Mbembe nicht als Starredner eine steuergeldfinanzierte Veranstaltung eröffnen sollte. Aber genau diese Konstellation – Antisemitismusbeauftragter wendet sich dagegen, dass ein linker Theoretiker mit massiven antisemitischen Versatzstücken auch noch ein öffentlich finanziertes Megafon bekommen soll – reicht aus, damit Aktivisten eine schlimme Meinungsunterdrückung beklagen.
Die Zeit veröffentlichte eine Polemik der Autoren Irit Dekel und Esra Özyürek gegen Klein und für Mbembe unter dem Titel „Perfides Ablenkungsmanöver“, die auch unter dem Titel ‘Mehr Antisemitismus wagen’ hätte stehen können.
„Wir gehen davon aus, dass in Deutschland der Vorwurf des Antisemitismus zu einem Instrument geworden ist, um linke und marginalisierte Positionen, gerade wenn sie von People of Color, Juden, Afrikanern, Muslimen, Nichtdeutschen und gerade auch Frauen vertreten werden, zum Schweigen zu bringen“, behauptet das Autorenduo. Selbstredend ohne die Frage zu beantworten, wer denn tatsächlich „zum Schweigen“ gebracht wurde, und was sich eigentlich an antisemitischen und aufklärungsfeindlichen Positionen ändert, sobald sie von ’People of Colour’ geäußert werden.
Für Achille Mbembe wirft sich die linke Literaturwissenschaftlerin Aleida Assmann in Zusammenarbeit mit dem NDR besonders in die Bresche:
„Mbembe kann uns dabei helfen, den Blick auf den Holocaust und die deutsche Identität zu erweitern.“
Assmanns Name steht auch unter dem Brief der Besorgten an Merkel, die von der Kanzlerin fordern, endlich ihren Antisemitismusbeauftragten bei der richtungsneutralen Antisemitismusbekämpfung zu stoppen. Und er kommt in der öffentlichen Debatte um Meinungsfreiheit ein weiteres Mal vor. Aleida Assmann war vor nicht allzu langer Zeit – im Februar 2020 – auch die Kronzeugin der Welt am Sonntag in der von der WamS exklusiv gestellten Frage, ob der neue Roman Uwe Tellkamps bei Suhrkamp erscheinen darf.
Von dem Buch, das 2021 auf den Markt kommen soll, ist außerhalb von Tellkamps Schreibstube und dem Lektorat von Suhrkamp bisher nur der Titel „Lava“ bekannt. Das hinderte Assmann nicht daran, eine Art politisches Literaturgutachten zu verfassen:
„Uwe Tellkamps Lebensthema ist der Widerstand. Er ist 1968 in der DDR geboren, einem Staat, der keine 68er brauchte, weil er sich selbst den Widerstand gegen den Nationalsozialismus auf die Fahnen geschrieben ha. Inzwischen hat Tellkamp die Seiten gewechselt. Aus dem Aufrechten ist ein Rechter geworden. Mit seinem neuen Roman wird der Autor selbst zum Widerstandsaktivisten und mobilisiert gegen den demokratischen Rechtsstaat des wiedervereinigten Deutschlands. Wenn er tut, was der Titel des neuen Romans verspricht, nämlich glühende Lava über das Land zu gießen, dann wird man ihn daran nicht hindern können. […] Man muss sich allerdings fragen, durch welchen Vulkan, sprich Verlag, diese Lava sich ergießen soll. Es sollte nicht der Suhrkamp-Verlag sein, denn auch Verlage haben ihre Identität und ein Gesicht zu verlieren. Zu einem Zeitpunkt, wo sich in der Gesellschaft Hass, Antisemitismus und Gewalt mit der Geschwindigkeit des Coronavirus ausbreiten, muss der Suhrkamp-Verlag keinen Brandbeschleuniger auf den Markt werfen.“
Nun besteht der Witz der Sache darin, dass es von Tellkamp kein Fitzelchen gibt, in dem jemand Antisemitismus entdecken könnte. Selbstredend auch keine Aufrufe zur Gewalt. Assmann bringt es fertig, innerhalb weniger Monate einem Autor, von dessen neuen Roman sie keine Zeile kennt, beides anzudichten und seinem Verlag zu empfehlen, ihn fallen zu lassen – und gleichzeitig die „Blickerweiterung auf den Holocaust“ durch einen Ideologen zu preisen, der Israel mit dem NS-Regime vergleicht und palästinensischen Selbstmordattentätern Sprachgirlanden windet.
Sie fordert, ein privatwirtschaftlicher Verlag sollte einen Autor feuern – weil rechts – , während sie es für sehr angemessen hält, wenn ein linker Israelhasser und antiwestlicher Stichwortgeber eine mit öffentlichem Geld finanzierte Bühne bekäme. In Figuren wie Aleida Assmann verknotet sich die linke Heuchelei so sinnfällig, dass ein Chronist sie notfalls erfinden müsste. Wobei ein Lektor sie wegen Multiklischeehaftigkeit in einem Roman wieder streichen würde.
Die vorerst letzte Umdrehung in Sachen vorgeblicher Meinungsunterdrückung durch Nichtlinke vollzog sich mit der NDR-Panorama-Affäre.
Zur Erinnerung: Das ARD-Magazin versuchte, den Bundeswehroffizier Marcel Bohnert mit dem Nachweis von drei Likes auf Instagram für nicht spezifisch rechtsradikale Inhalte zu einem Sympathisanten von Rechtsextremen zu erklären. Bekanntlich recherchierte der Welt-Kolumnist Don Alphonso dazu.
Er wies zum einen nach, dass die Panorama-Redaktion mit ihrer Behauptung, ihre Mitarbeiter hätten Bohnerts vollen Namen erst nach der Sendung genannt, schlicht gelogen hatte. Und zum anderen, dass es sich bei Panoramas Zeugin der Anklage Natascha Strobl um eine in linksradikalen Kreisen bestens vernetzte Aktivistin handelte. Seitdem gibt es erhellenderweise beides parallel: die Klage über ein rechtes Mobbing gegen Panorama und seine Expertin – und ein Mobbing gegen die Welt mit der vielstimmig vorgetragenen Forderung an den Chefredakteur, Don Alphonso zu feuern.
In einem mehr oder weniger therapeutischen Interview beklagte sich Natascha Strobl in der Frankfurter Rundschau, Don Alphonso habe ein Problem mit starken Frauen wie ihr, das sowieso, aber auch ein „sehr großes Problem mit eher links stehenden Menschen. Da geht es nicht um Meinungsaustausch, er will sie einfach persönlich zerstören. Das ist alles ganz offensichtlich durch persönliche Motivation getrieben, aber es ist auch ein Geschäftsmodell. All diese Sachen, diese Texte, bringen Klicks für die ‚Welt’ und Klicks sind alles. Hier muss man sich fragen, ob eine Zeitung wie die ‚Welt’ so ein Geschäftsmodell haben will.“
Doch, das will sie. Gar nicht so wenige Inhaber eines Welt-Online-Abos zahlen das Geld, weil sie Don Alphonso lesen möchten, also jemand, der den Mitarbeitern und Vertrauensleuten eines öffentlich-rechtlichen Senders hinterherrecherchiert. Strobl erregt sich also ernsthaft darüber, dass Don Alphonso offenbar viele Leser anzieht, und ihre, Strobls, Hintergründe etwas ausleuchtet.
Leute, die es für ihr Gewohnheitsrecht halten, faulige Flüssigkeiten zu verspritzen, bekommen einen Selbstmitleidsanfall, wenn sie dabei ausnahmsweise einen Ventilator erwischen, der direkt vor ihnen steht.
Seit den Recherchen über ihr Geschäftsmodell, so Strobl, bekomme sie viele Hassmails. Mehrfache Brandstiftungen – wie der Berliner Redakteur Gunnar Schupelius – musste sie noch nicht aushalten.
Offenbar auch nicht das, was gerade über Don Alphonso hinwegrollt. Dass die Vorsitzende einer Regierungspartei mit Wohlwollen zur Kenntnis nimmt, wie andere vom Welt-Chef den Kopf des Autors fordern, kommt nicht so häufig vor.
Auch nicht direkte Gewaltaufrufe.
Nicht nur gegen ihn, sondern das ganze Medium.
Sinnstifter auf der linken Seite müssen in diesen Tagen die Flexibilität der legendären Comic-Figur Rubber Man beweisen: Eben noch Cancel Culture als rechtes Hirngespinst hinstellen, dann rechte Cancel Culture beklagen, und als nächstes wahrscheinlich ein Narrativ herbeizaubern – ein Narrativ, ein Narrativ, ein sozialistisches Paradies für ein Narrativ! – das begründet, warum und wie man mit Totschläger und Benzinkanister die Meinungsfreiheit verteidigt.
Was folgt daraus? Viele Linke – die Linksliberalen, die allerdings zunehmend selbst Opfer werden, einmal ausgenommen – können mit einem symmetrisch angewandten Freiheitsbegriff offenbar nichts anfangen.
Etwas kürzer: Sie können mit Freiheit nichts anfangen.
Ihr Verhältnis dazu ist rein instrumentell.
Zur den Anhängern der asymmetrischen Freiheit gehören übrigens auch Politiker, die Black Lives Matter-Aufzüge mit wenig Abstand lobten, um nach der Demonstration am 1. August in Berlin nach einer Einschränkung des grundgesetzlichen Demonstrationsrechts zu rufen. Ihr Argument lautet üblicherweise: ‘Haben Sie gesehen, wer da alles mitgelaufen ist?’
Ja. Bei den BLM-Demos allerdings auch.
Danach fragt das Grundgesetz aber nicht.
Wahrscheinlich wäre das einzige, was die verdorbene Kommunikation wieder halbwegs verträglich machen könnte, eine kurze, heftige Phase der Cancel Culture für alles orthodox Linke – und sei es nur aus Gründen der Symmetrie. Warum nicht die feste Wendung ‘die Antisemitismus-Relativiererin Aleida Assmann’ etablieren? Warum nicht jeden ihrer öffentlichen Vorträge mit ihren Zitaten aufmischen?
Warum nicht als rechtstreuer Bürger, er die Rundfunkgebühr natürlich nicht dauerhaft schuldig bleiben will, die Zahlung für eine Weile unterbrechen? Und stattdessen die Kopie des Rundfunkstaatsvertrags an den Gebührenservice schicken?
Gegen Leute, die auf Twitter fordern, einem Journalisten die Visage einzuschlagen, und die mit Brandanschlägen auf eine Redaktion drohen, helfen Strafanzeigen. Mit einer entsprechenden Vorstrafe kommt man schlechter an öffentlich finanzierte Jobs und Aufträge. Jedenfalls dann, wenn wiederum jemand vor dem Verwaltungsgericht dagegen klagt und Dienstaufsichtsbeschwerden schreibt.
Es gibt durchaus Möglichkeiten, bestimmten Leuten die Räume enger zu machen.
Man muss es ja nicht gleich Cancel Culture nennen.
Dieser Text erscheint auch auf Tichys Einblick.
Liebe Leser von Publico: Medien erhalten derzeit reichliche Zuwendungen – aus dem Bundesetat demnächst 220 Millionen Euro an sogenannten Förderungen. Außerdem 43,5 Millionen Euro in Form von Anzeigen der Bundesregierung im Jahr 2019, wobei es 2020 mehr sein dürfte. Der Organisation „Neue Deutsche Medienmacher“ zahlte das Bundeskanzleramt 2019 für deren Projekte mehr als eine Million Euro.
Dazu kommen noch großzügige Hilfen von Stiftungen diverser Milliardäre für etliche Medien.
Publico erhält nichts davon, und würde auch weder Staats- noch Stiftungsgeld annehmen. Unser Unternehmen finanziert diese Subventionen durch seine Steuern vielmehr mit (was sich nicht ohne weiteres ändern lässt).
Publico erhält keine Zuwendungen von Organisationen. Nur von einer informellen Organisation: seinen Lesern. Mit Ihren Beiträgen ermöglichen Sie die Beiträge auf Publico – auch umfangreichere Recherchen und Dossiers. Jeder Beitrag hilft, auch wenn Sie weder Regierungsbeamter noch Milliardär sind. Mit Ihrer freiwilligen Zahlung bewirken Sie viel. Unabhängig von dem Betrag.
Danke.
Unterstützen Sie Publico
Publico ist werbe- und kostenfrei. Es kostet allerdings Geld und Arbeit, unabhängigen Journalismus anzubieten. Mit Ihrem Beitrag können Sie helfen, die Existenz von Publico zu sichern und seine Reichweite stetig auszubauen. Danke!
Sie können auch gern einen Betrag Ihrer Wahl auf ein Konto überweisen. Weitere Informationen über Publico und eine Bankverbindung finden Sie unter dem Punkt Über.
Chris Lock
4. August, 2020Fakten Fakten Fakten – die bekommt man heutzutage auf Publico! Diese Art von Journalismus ist leider so selten geworden.
Die Argumente sind nachvollziehbar. Und diese Form des Journalismus zeigt Wirkung, siehe Don Alphonso vs. N. Strobl! Es ist an der Zeit, dem linken Haltungsjournalismus den Spiegel vorzuhalten. Erhellend Ihre Folgerung, Freiheit sei für Linke ein Instrument, nicht das Ziel. Das hat noch jedes linke Experiment gezeigt, von Lenin bis Venezuela, neuerdings auch China/Honkong.
Daher zahle ich gerne einen Beitrag für Ihre Arbeit! Machen Sie weiter!
Eddie Graf
4. August, 2020Angst- und Einschüchterungsklima
Hier ein Beispiel.
https://www.facebook.com/watch/?v=303651817421028
Alexander Peter
4. August, 2020Sehr informativer Artikel.
Dem genannten Personenkreis von Journalisten, Redakteuren bis hinauf zu regierungsnahen Kreisen dürfte es weniger um Meinungsvielfalt oder gar “die Freiheit des Diskurses” gehen, sondern vielmehr darum, die veröffentlichte Meinung zu steuern, wenn nicht diese zu beherrschen.
Hat die letzten Jahre doch gut geklappt.
Wer sich heute trauen würde, dezidiert konservative Positionen als Journalist im öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu äußern,oder auch nur kritische Nachfragen zu “Narrativen” wie “Geflüchtete”, “Klimawandel” etc. zu stellen, käme vermutlich aus dem Shitstorm gar nicht mehr heraus.
Oder er wäre schnell aus der Anstalt entfernt.
Frau Merkels Einlassungen hierzu sind in ihrer Doppeldeutigkeit durchaus bemerkenswert.
Allerdings tönt Vox Populi bisweilen doch unangenehm laut auf der Straße oder in diesem Internetz.
Da muss was geschehen.
Katzenjammer über “Zensur”, “rechte Stimmungsmache”, “Bedrohung” usw. sind im Übrigen Teil einer Strategie, die über “Antifa ist Handarbeit”, “Polizisten sind Müll” etc. mit dem Gestus verständnisvollen Wohlwollens hinweggeht und nicht-genehme Ereignisse einfach mit Schweigen bedenkt.
Libkon
4. August, 2020Danke für den sehr komplexen und dennoch verständlichen Bericht aus der geschilderten Szene. Es wird oft von Links und Rechts geschrieben, wenn vom Sozialismus, bzw., Konservativismus die Rede ist. Ich bezeichne mich als Liberal-Konservativ, weil ich Bewährtes erhalten und zugleich Neues fördern will. Zum Thema Meinungsfreiheit verhalte ich mich gesittet, stets unter Wahrung des Anstandes und Achtung des Gegenübers.
Kürzlich erläuterte ein bekannter US Kommentator (Tim Pool) eine allgemeine Umfrage, in der die Befragten selbst angeben sollten, wo sie sich darin sehen. Aufgeteilt wurden die Fragen auf „Liberale“ und „Konservative“. Die Antworten waren überraschend. So haben u.a. mehr als 40% der Liberalen auf die Frage mit Ja geantwortet, ob sie schon einmal psychische Probleme hatten, oder in psychologischer Behandlung waren/sind. Konservative lagen bei 25%. Auf eine weitere Frage, ob sie bei einer „gerechtfertigten“ Antwort gegenüber Konservativen auch ggf. Gewalt ausüben würden, ca 45 % mit Ja. Konservative erneut weitaus weniger, so um 20 %.
Was sagt uns das, auch und gerade im Zusammenhang mit dem analytischen Artikel von Herrn Wendt?
Andreas Rochow
5. August, 2020Nun gut, man kann überall den Psychologen, sie meinen vermutlich den Psychiater oder den Psychotherapeuten einschalten. Für die weltanschaulichen Koordinaten sollte das völlig gleichgültig sein. Außerdem etikettiert das Gesinnung und Krankheit in unzulässiger Weise. Vielleicht meinen Sie, dass die meisten Diktatoren über strotzende Gesundheit verfügen bis man ihnen den Teppich der Macht unter den Füßen wegzieht. Aber das hat nur entfernt oder gar nichts mit dem verengten Meinungskorridor zu tun, der uns hier heute beschäftigt. Ich meine wir erleben keine “Vorstufe”, der Demokratie und der Meinungsfreiheit geht es generalstabsmäßig an den Kragen und wir sind die stummen/dummen Zeugen dieses Propagandakrieges, weil wir es nicht gelernt haben, uns dieser linken Aktivisten zu erwehren.
Peter Groepper
4. August, 2020“Hat Ihnen dieser Artikel gefallen?”
Ja! Und deshalb vielen Dank für diesen und für die anderen gut recherchierten. Und nicht nur Gottes Lohn 🙂
Joseph
4. August, 2020Dieses Jahr kein Sommerloch? Soviel Unterhaltung gab es selten zu dieser Jahreszeit.
– überall schlimmster Rassismus
– Partypeople feiern ausgiebig im Freien mit der Polizei
– PANORAMA deckt rechte Verschwörung eines nie für möglich gehaltenen Ausmaßes auf
– Corona Virus unterscheidet zwischen rechten und linken Demonstranten
Apropos verschwundenes Sommerloch: Der Klimawandel hat diesen Sommer auch irgendwie auf sich warten lassen. Zum Glück wird es in den nächsten Tagen wärmer.
Dr. rer. nat. Konrad Klein
4. August, 2020Sie haben vollkommen recht, Herr Wendt, aber wenn Sie sich noch kürzer fassen, hätte ich auch die Zeit, Ihre Artikel vollständig zu lesen. Bitte haben Sie Verständnis.
Alexander Wendt
5. August, 2020Noch kürzer? Ich bin schon unterwegs zum Aphorismus. AW
Dr. rer. nat. Konrad Klein
7. August, 2020Touché, aber davon wird meine Zeit auch nicht mehr 🙂
Opa Schnabel
5. August, 2020Herr Wendt, bitte servieren Sie weiterhin Menüs statt Häppchen!
Ich mache es meistens so: Zitate von Kommentaren bei Twitter oder anderen (a)sozialen Netzwerken überspringe ich, weil sie mehrheitlich derart aggressiv und fanatisch sind, dass mir schlecht davon wird. So viel Einfluss auf meine Befindlichkeit will ich diesen Wichtigtuern, Hassern & Hetzern nicht einräumen. Twitter & Co, nein danke!
Bleiben Sie weiterhin stark und lassen Sie sich von dem ganzen Mist, mit dem Sie sich ständig beschäftigen (müssen), nicht vergiften!
Albert Schultheis
28. August, 2020Lieber Opa Schnabel,
unterschätzen Sie twitter nicht! Auf dieser Plattform genießen gerade die Medien von taz bis FAZ, Spiegel, ZEIT und Süddeutsche, Ard bis Zdf ihre unangefochtende Deutungshoheit im kurzatmigen Luftraum – mit all ihren dumpfbackigen, super-trendigen, infantilisierenden fast-food Minihäppchen. Ich habe mir es gerade deswegen einmal zur Fingerübung gemacht, die twitter-Mischpoke etwas konterkarierend aufzumischen und dabei ganz interessante Erfahrungen gemacht, also sprich: Etwas luftraumverengend einzuwirken. Eine durchaus positive Erfahrung dabei ist, dass man sich in der lakonischen Kunst des minimalistischen Abservierens übt! Versuchen Sie’s mal! Bringt Spaß, spart Zeit und umgeht den Mainstream-Blockwart und -Zensor bzw. so bringen sie den auf die Palme!
S. J.
5. August, 2020Verehrter Herr Doktor, wie schön, dass Ihre privaten Lesegewohnheiten hier nicht das Maß der Dinge sind. Komplexes Denken erfordert komplexe Texte.
Dr. rer. nat. Konrad Klein
7. August, 2020Danke für Ihre gönnerhafte Belehrung.
Nikedew
5. August, 2020Eine kluge, differenzierte und wahre Betrachtung der Welt ist notgedrungen komplexer als eine dumme. Das ist gewissermaßen ein Naturgesetz. Da kann auch Herr Wendt nicht dran rütteln.
Peter Ackermann
4. August, 2020„ dass ein Chronist sie notfalls erfinden müsste. Wobei ein Lektor sie wegen Multiklischeehaftigkeit in einem Roman wieder streichen würde.“
Was stringent zu dem eigentlichen Adressat weist: Einem Psychologen!
Etwas schwierig zu lesen (obwohl ich recht viel lese), ungeachtet dessen sehr schöner und schlüssiger Text, danke!
Hans Krüger
5. August, 2020Wieder ein herausragender Artikel ,der einen tiefen Blick in den Zeitgeist dieser deutschen Gutmenschen Gesellschaft zulässt. Danke Herr Wendt
Andreas Rochow
5. August, 2020Von kindlichen Sandkastenkonflikten her kennt man die Frage: Wer hat angefangen? “Cancel Culture” ist ein verräterisches Framing, das mit Kultur absolut nichts zu tun hat. Es ist der propagandistische Versuch, die Praxis der stalinistischen Säuberungen in neuer Form wiederzubeleben. “Säuberungen” haben eine kulturzerstörende Wirkung; darin besteht ihr Zweck. Einschüchterung, Denunziation, Hetze und Hass sind kulturlose Ausgrenzungsstrategien, die öffentliche Debatten überflüssig machen sollen. Ihr Boden ist die Unkultur, dass Propagandamedien der einen Seite, nämlich der globalistischen, auf die linke UN-Weltregierung Zustrebenden, den Weg ebnet, indem sie kulturbewusste nichtlinke Kritik verunglimpft und zum Schweigen bringt. Das Internet gibt nun auch dieser Seite eine Stimme, so dass es die schweigende Mehrheit – der Traum linker Diktatoren! – nicht mehr gibt. Unfasslich, mit welchem personellen und materiellen und dekonstruktiven Aufwand staatliche Propaganda-Institutionen dagegen den Neo-Bolschewismus als Leitkultur betreiben und in Kauf nehmen, dass die Mitte der Gesellschaft gespalten und aus der öffentlichen Debatte verdrängt wird. Wenn aufbegehrende “Konservative” als Nazis, Fremdenfeinde, Rassisten, Antisemiten, XYZ-Leugner abgeschreiben werden, zeigt das die Not der Neo-Bolschewisten des 21. Jahrhunderts! Eben dachten sie noch, mit Hilfe der UN-Globalisten und deren NGO-Milliarden die westlichen Demokratien endgültig wegräumen zu können, da meldet sich hör- und sichtbar der widerständige Souverän. Die Propagandakrieger Spiegel und Zeit werden erst untergehen, wenn ihre widerrechtliche staatliche Finanzierung beendet ist. Das wäre folgerichtig und böte die Chance für neue Debattenkultur. Aber deutsche Neo-Bolschewisten müssen die Demokratie als Hindernis empfinden; das ist daran erkennbar, wie sie “guten” Verfassungsbruch, “gute” Zensur, “gute” Lüge und “gute” Gewalt tolerieren. In öffentlichen Debatten ohne verzerrende Staatspropaganda wären sie chancenlos! Sorgen muss man sich allerdings um die rapide untergehende akademische Kultur machen: Zwei bis drei Generationen linker Salonkommunistinnen haben mit ihren ideologischen (In-)Kompetenzclustern einen Schaden in den Universitäten angerichtet, der Merkels Dichter-und-Denker-Staat hohn spricht. “Cancel Culture” steht exklusiv für die linke Kulturrevolution. Es ist lachhaft wie deren Leitideologen jetzt den Begriff auf die zartesten Ansätze von Kritk und Widerstand projizieren. Haben sie etwa ihr Pulver schon verschossen? Glaubt wirklich nur einer der ideologischen Groß- und Lautmeiner im staatlichen Propagandarummel daran, dass sich stalinistische Säuberungen, Zensur und Ächtung noch als “Kultur” verkaufen lassen? Wer will schon Gesinnungsdiktatur.
Robert Georg
5. August, 2020Don Alphonso gehört bei der Welt eher zu den letzten Streitern für eine offene Gesellschaft. Dafür muss man ihn bewundern und ihm danken.
Publicomag.com steht allerdings im Streit gegen linken Obscurantismus ganz vorne. Danke !
Andreas Rochow
5. August, 2020Ich glaube nicht, dass der Begriff der “offenen Gesellschaft” noch in irgendeiner Weise als positiv zu werten ist, nachdem im Namen der Open Society Foundations (Plural!) des globalistischen Oligarchen György Soros gut geschmierte NGOs den Demokratien des Westens den Garaus machen. Ihre Ziele entsprechen unverhüllt einer linken Kulturrevolution und sind – wie sollte es anders sein – mit Versatzstücken der antirechten, antirassistischen, der Klima-, Gender-, Feminismuspropaganda geschmückt. Die Investitionen reichen bis in die Universitäten. Parlamente und demokratische Prozeduren werden gezielt umgangen. Merkeldeutschland hat für diese Antidemokraten die Türen besonders weit aufgemacht. Die Folgen werden in diesem Artikel von Alexander Wendt klarsichtig aufgeschrieben. Die Intention ist eine neue linke Diktatur, die der umtriebige Oligarch “Open Society” nennen wird. Mit einer offenen Gesellschaft hat das freilich nichts zu tun.
Berger
5. August, 2020Wieder mal ein Glanzstück aus dem Hause Wendt. Dennoch ein paar Anmerkungen von mir:
Was das Thema “Meinungsfreiheit ohne Widerspruch” angeht, hielte ich mal eine Zusammenstellung derjenigen für sinnvoll, die durch diese Art von “Widerspruch” zumindest einen Teil ihrer Existenz verloren haben, da müsste es etliche geben, z. B. Hans Joachim Mendig, Leiter der hessischen Filmförderung, der sich mit Meuthen in einem Restaurant traf.
Und mir fällt auf, dass ein grosser Teil der Diversitäts-Aktivisten einen Migrationsvordergrund haben (Hasnain Kazim, Hengameh Yaghoobifarah, Hayali und und und).
Und zu Felix Klein habe ich eine abweichende Meinung, hat er doch in der WELT erklärt, „das Judentum ist letztlich auch eine Wurzel des Islams, insofern ist Antisemitismus unislamisch“. Dazu passend hat er die Entstehung des „aggressiven Antisemitismus unter Muslimen“ ins 19. und 20. Jahrhundert verlegt. Da ist Klein zwar politisch korrekt, aber neben der Spur, finde ich.
Albert Schultheis
5. August, 2020Die Zeit der gepolsterten Boxhandschuhe ist vorbei – time to take off the gloves! Freiheit zum Nulltarif – wie zu Zeiten der alten Bonner Republik – gibt’s nicht mehr in der Merkelrepublik! Wir müssen lernen, zurückzuschlagen, dahin wo’ s sehr weh tut. Also raus in den deutsche Wald, wie damals Joschka und die AntiFa! Unsere Enkel werden uns ansonsten eines bunten Tages vorhalten: Ihr wart die Wenigen, die damals erkannt hatten, wohin das alles führt, aber ihr wart zu feige etwas für uns und den Erhalt unserer Heimat zu tun!
Materonow
7. August, 2020Die “gepfefferten” Gegenargumente sehen dann SO aus:
-Missliebige Meinungen werden niedergebrüllt
-Missliebige Veranstaltungen mit mißliebigen Vortragenden werden mit Gewalt verhindert
– Nicht genehme Meinungen werden denunziert beim Arbeitgeber mit dem Ziel der Existenzvernichtung
-Bücher, die nicht erschienen sind, werden als “antisemitisch” verunglimpft
-Bücher, die eine Bundeskanzlerin nicht gelesen hat, werden von ihr als “nicht hilfreich” abqualifiziert
-Hetzjagden, die nicht stattgefunden haben (“Hase du bleibst”) werden als Fakten hingestellt
-Vor Existenzvernichtung, Gewaltandrohung gegen die Familie wird nicht zurückgeschreckt…
… und das alles im Zeichen des wunderbaren Kartenhauses “Marxismus”!
–
Gastino
7. August, 2020Diesmal trifft der Artikel nicht ganz den Kern: Die Linken sorgen sich nicht um (ihre) Freiheit – sie verwenden die Cancel Culture bzw. den Vorwurf dazu, um ihr bestens bekanntes Spiel des “Deplatforming” nur etwas geschickter zu verstecken.
Wenn Sie genauer hinschauen, können Sie gut sehen, dass das Entziehen der Platform für “Leute mit falschen Meinungen” weiterhin festes Ziel ist, nur eben dergestalt, dass man sie nun als “Unterdrücker” darstellt.
Der Artikel enthält aber auch eine ganz wichtige Aussage: Die Freiheit ist für Linke nur ein Instrument. Mehr nicht. Daher sage ich auch immer, dass der Begriff “linksliberal” ein Oxymoron ist.
Werner Bläser
7. August, 2020Ich verstehen den Artikel nicht ganz. Merkel und die Linken haben doch recht. Alles, was sie normalerweise tun, ist, uns Rechten gepfefferte Argumente entgegenzuhalten.
Als da sind: “Faschist!”, “Nazi!”, “Ewig Gestriger!”, “Anti-Demokrat!”, “Rassist!”, “Anti-Semit!” (nein, streichen wir das – das benutzen sie selten), “Spalter!”, “Pack!” …
Wer müsste solche hochrationalen, schlagenden Argumente nicht bewundern? Wir sollten als Rechte demütig in uns gehen und uns bei den Linken für diese aufklärenden Darlegungen bedanken.
Theophil
8. August, 2020Auch ich habe damals die “Rezension” von Aleida Assman über Tellkamps noch unveröffentlichten Roman gelesen. Dabei kam mir eine historische Parallele in den Sinn. Als Pasternaks “Doktor Schiwago” in der Sowjetunion nicht erschien, gab es Dutzende Leserbriefe von “Arbeitern” des Inhalts: “Ich habe das Buch nicht gelesen, aber ich verurteile es auf das Schärfste”. Die meisten bedauerten wohl die armen Proletarier, die von ihren Gewerkschaftsfunktionären wohl gedrängt worden waren, sich damit als Dummköpfe zu outen. Wenn heute eine Literaturwissenschaftlerin mit etwas gedrechselteren Worten das Gleiche von sich gibt, wird sie nicht als Dummschwätzerin bezeichnet, sondern sogar mit einem Lehrauftrag an Hochschulen bedacht. Das gibt zu denken.
Andreas Rochow
15. August, 2020Auf die Veröffentlichung des Kommentars eines “alten Freundes” möchte ich kurz reagieren. Die Vorwürfe und Missverständnisse des Eingebers kommen mir größtenteils sehr vertraut vor. Sie sind definitiv verzweifelt, defensiv und zeigen eine Tendenz zur bissigen Boshaftigkeit. Rhetorische Souveränität sieht anders aus. – Aber Sie, verehrter Alexander Wendt, haben erwartungsgemäß pariert und – ich habe das Verb noch nie gebraucht – vereindeutigt. Es ist alles gesagt. Danke! – Die Klassifizierung als “Linksliberaler” – ein Wieselwort! – sollte hier einmal genauer unter die Lupe genommen werden. Mir fällt ein Bedeutungswandel dieses Begriffes auf. Das Mäntelchen Liberalismus oder Linksliberalismus dient vielen genuinen Marxisten-Leninisten mit Hoffnung auf die linke globalistische Weltrevolution dazu, ihren erbärmlichen Salon-Kommunismus zu kamouflieren.