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Publico DossierGeschichte einer Filmabsetzung: der Sondervorgang im Funkhaus Berlin

Kaum eine Affäre stand so sehr für das politische Reizklima in Deutschland wie die Entlassung von Hubertus Knabe als Chef der Stasi-Gedenkstätte Hohenschönhausen. Jetzt kippte der RBB in letzter Minute eine kritische Dokumentation über den Skandal. Damit eröffnet er ungewollt eine Debatte über den inneren Zustand des öffentlich-rechtlichen Rundfunks

Ein Minister in einer regierenden Partei kandidiert als Spitzenkandidat für das höchste Regierungsamt. Kurz vor der Wahl sollte im Fernsehen eine Dokumentation ausgestrahlt werden – an einem Wochentag und spät, aber immerhin – in der es um eine Intrige gegen einen Intimfeind des Ministers geht.

In dieser Angelegenheit tagt auch gerade ein Untersuchungsausschuss des Parlaments; der Minister musste dort schon einräumen, falsch ausgesagt zu haben. Kurz vor dem Ausstrahlungstermin geht eine Mail mit Anschuldigungen gegen den Filmautor bei dem staatlich getragenen Sender ein. Die Verantwortlichen der Anstalt tagen. Und verschieben die Ausstrahlung mit einer bizarren Ausrede weit hinter den Wahltermin. Selbst der Autor des Films erfährt erst am Tag vor der eigentlich geplanten Sendung davon.

So ungefähr könnten die Dinge in einer früheren Sowjetrepublik Mittelasiens laufen, in einem der Länder, in denen sich die Regierenden sagen: Es muss demokratisch aussehen, aber wir müssen alles in der Hand haben. Allerdings schrumpft die Welt. Um das zu erleben, was früher noch exotisch mittelasiatisch oder unter Max Streibl oberbayrisch gewirkt hätte, muss niemand mehr die deutsche Hauptstadt verlassen. Die Geschichte spielt genau dort, wo auch schon einmal der Erfinder des Satzes regierte, dass alles ruhig demokratisch aussehen kann, solange die Richtigen bestimmen, wo es lang geht, also in Berlin.

Am 1. September sollte im Rundfunk Berlin Brandenburg um 22.15 die Dokumentation „Sondervorgang MeeToo“ laufen, in der Maurice Philip Remy rekonstruiert, wie der Leiter der Berliner Stasi-Gedenkstätte Hohenschönhausen Hubertus Knabe mit dem fingierten Vorwurf des so genannten strukturellen Sexismus aus dem Amt geräumt wurde.

Knabes Entlassung 2018 trieben zwei Politiker gut orchestriert und flankiert durch ausgewählte Journalisten voran: der Berliner Kultursenator Klaus Lederer und Angela Merkels Kulturstaatsministerin Monika Grütters. Lederer tritt für die Linkspartei zur Berliner Abgeordnetenhauswahl als Spitzenkandidat an. Er will Regierender Bürgermeistermeister werden. Die Abstimmung findet am gleichen Tag wie die Bundestagswahl statt, am 26. September. In der Pressemittelung des RBB heißt es, die Ausstrahlung der Dokumentation über Knabes Sturz und Lederers Beitrag „verschiebt sich auf den 27. Oktober“. ‘Verschiebt sich’ – das klingt, als würde es sich um ein Naturereignis handeln, für das niemand verantwortlich gemacht werden kann.

Kurz vor der schon angekündigten Ausstrahlung am 1. September ging beim RBB eine Mail ein, in der ein Hinweisgeber – nennen wir ihn I. S. – die Kopien von drei alten Facebook-Einträgen Remys an den RBB schickt. Bei einem aus dem Jahr 2018 handelt es sich um einen von Remy geteilten Spendenaufruf für die Prozesskosten Knabes, der sich damals gegen die Anschuldigungen zu wehren versuchte. Der Spendenaufruf wurde damals von jemand anderem initiiert, weil er meinte, dass Knabe die finanzielle Last nicht allein tragen sollte, als er sich juristisch gegen seine Entlassung wehrte. Sichtbar war dieser geteilte Aufruf nicht für die Öffentlichkeit, sondern nur die Facebook-Freunde Remys. Trotzdem dient genau dieser Post nach Angaben von RBB-Sprecher Justus Demmer als Begründung dafür, den Film zu verschieben:

„Aus Sicht des RBB muss die aktive Rolle von Remy in der Diskussion um den Fall Knabe im Film transparent werden. Deshalb verschiebt sich die für Mittwoch geplante Ausstrahlung im RBB Fernsehen auf den 27. Oktober.“ Zwar sei dem Sender klar gewesen, „dass Remy der Entlassung Knabes eher kritisch gegenübersteht.“ Aber: „Für den RBB war allerdings zunächst nicht ersichtlich, dass er sich vor allem vor der Auftragsvergabe aktiv bei Facebook an der Diskussion beteiligt hat, etwa indem er einen Spendenaufruf für die Gerichtskosten von Knabe geteilt hat. Nachdem uns der Autor dies bestätigt hat, halten wir es für unabdingbar, dass auch dieses Engagement im Film transparent wird.“

Wie beteiligt man sich eigentlich passiv an einer Diskussion? Und: Überprüft ein ARD-Sender regelmäßig, wie sich ein Dokumentarfilmer, der sich im Senderauftrag mit einem kontroversen Thema befasst, Jahre vorher dazu im privaten Facebook-Kreis oder auf einer Party geäußert hat? Recherchiert die ARD, mit welchen Motiven und Verbindungen beispielsweise beim Magazin „Panorama“ eine Redakteurin jemanden als „Rechtsextremismusexpertin“ vor die Kamera bittet, die sich nicht nur an Diskussionen beteiligt, sondern seit Jahren zur linksextremen Szene gehört?

Auf Nachfrage von Publico schreibt Demmer: „Für uns macht es einen Unterschied, ob ein Journalist einen Sachverhalt kritisch beobachtet oder ob er selbst aktiv wird. Der Spendenaufruf ist solch eine aktive Beteiligung. Der RBB verurteilt das Engagement nicht, er will es aber im Film transparent dargestellt wissen.“

Ganz abgesehen von dem Punkt, wie ein Spendenaufruf für Hubertus Knabes Gerichtskosten nach dessen Sturz irgendeinen Einfluss auf den Verlauf der Affäre hätte nehmen können: Um den Zuschauern mitzuteilen, dass Remy vor Jahren eben diesen Aufruf unter seinen Facebook-Freunden verbreitet hatte, würde ein Hinweis auf der RBB-Website, eine Bemerkung in der Anmoderation vor Filmbeginn oder beides genügen, wenn es wirklich nur um Transparenz ginge. Dazu müsste die Dokumentation nicht bis Ende Oktober verschoben werden.

Sender-Sprecher Demmer nennt auf Publico-Nachfrage allerdings noch zwei weitere Gründe, warum der Streifen erst am 27. Oktober laufen soll. Erstens, weil der neue Termin vorher in den Programmzeitschriften angekündigt werden soll, und zweitens mit einem politischen Datum: „Es geht um die Vorlage des Abschlussberichts des Untersuchungsausschusses.“ Gemeint ist der fast zeitgleich mit dem ursprünglichen Ausstrahlungstermin vorgelegte Abschlussbericht zum Untersuchungsausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses, der die Geschichte von Knabes Entlassung und auch die Rolle Lederers und dessen Winkelzüge ausgeleuchtet hatte.

Wie zu erwarten, sahen die Berliner Koalitionsparteien das Vorgehen von Kultursenator Klaus Lederer gegen Knabe gerechtfertigt. CDU und FDP sehen in ihrem Sondervotum den Ablauf der Ereignisse dagegen als „Geschichte einer Absetzung“. In ihrem Votum heißt es: „Die chronologische Zusammenfassung zeigt deutlich auf, dass der Senator für Kultur und Europa Dr. Klaus Lederer in seiner Doppelrolle auch als Vorsitzender des Stiftungsrates der Stiftung Gedenkstätte Hohenschönhausen die Absetzung des damaligen Direktors und Vorstandes der Stiftung Dr. Hubertus Knabe über Jahre hinweg gezielt betrieben hat.“

In den dreieinhalb Jahren des Untersuchungsausschusses ergaben sich etliche Merkwürdigkeiten, jedenfalls für außerberliner Verhältnisse: Lederer hatte dem Ausschuss eine ganze Reihe von Akten zunächst vorenthalten und musste sie nachliefern; die belegten, dass er schon kurz nach seinem Amtsantritt Überlegung anstellte, Knabe loszuwerden. Eine zentrale Aussage Lederers stellte sich als falsch heraus – unter dem Druck von Vermerken seines Hauses musste er einräumen, von den Vorwürfen gegen Knabe deutlich früher erfahren zu haben, als er ursprünglich zu Protokoll gegeben hatte. Lederers persönliche Referentin konnte der Ausschuss nicht wie geplant vernehmen, sie legte ein ärztliches Attest über ihre Vernehmungsunfähigkeit vor. Ihr Zustand besserte sich bis zum Abschluss der Untersuchungen nicht.

Unbeantwortet blieb eine zentrale Frage: Die Vorwürfe von mehreren Mitarbeiterinnen der Gedenkstätte hatte Lederers Staatssekretär Torsten Wöhler in den Akten als „sexuelle Belästigung“ gewertet, also als Straftatbestand. Trotz dieser Einschätzung, und obwohl Lederers Senatsverwaltung viel früher über die Details der Vorwürfe Bescheid wusste als Knabe, erstatteten Wöhler und Lederer keine Strafanzeige. Warum? Wöhler sagte vor dem Ausschuss, seine Einschätzung „sexuelle Belästigung“ sei nicht juristisch konnotiert“ gewesen. Straftatbestand, aber nicht „juristisch konnotiert“?

Eine Strafanzeige hatte dagegen Knabe erstattet, der 2018 mit der Begründung entlassen worden war, er sei gegen die Belästigungsvorwürfe in seinem Verantwortungsbereich nicht vorgegangen. Die Staatsanwaltschaft kam nach Knabes Anzeige zu dem Schluss, dass die geschilderten Vorwürfe keinen Straftatverdacht rechtfertigten.
Über die Auffälligkeiten bei Knabes Absetzung hatte Publico schon 2018 berichtet.

 

Im Sender gibt es offenbar zwei Fraktionen. Sonst wäre eine kritische Dokumentation gar nicht erst entstanden

Im RBB gibt es offensichtlich unterschiedliche Ansichten, wie der Sender mit dem Lederer-Knabe-Komplex umgehen sollte. Anderenfalls wäre Maurice Philip Remy gar nicht mit einer Dokumentation beauftragt worden, die den gesamten Komplex noch einmal durchleuchten sollte. Denn in der Entlassungsaffäre hatte der RBB eine wesentliche Rolle gespielt. Genauer: RBB-„Investigativreporter“ Olaf Sundermeyer und sein Kollege Torsten Mandelka. Sie nehmen nicht zu Unrecht für sich in Anspruch, Knabe zu Fall gebracht zu haben.

Allerdings nicht durch eine beeindruckende Investigativleistung, sondern dadurch, dass sie diverse Beschuldigungen gegen Knabes Vize Helmuth Frauendorfer, die bei der Frauenbeauftragten des Senats eingegangen waren, übernahmen, und das Material mit der Behauptung einer indirekten, um mehrere Ecken herum konstruierten Mitschuld Knabes kombinierten. Der Sender hätte sich die Frage stellen können, ob es angemessen ist, einen Reporter wie Sundermeyer auf einen Fall anzusetzen, in dem die in Berlin mitregierende Linke Konfliktpartei ist. Denn Sundermeyer steht politisch weit links, sein Ausbildungsgang ist eher ungewöhnlich: Er studierte Kommunikationswissenschaften in Havanna. Andererseits wäre nichts gegen Sundermeyers Einsatz einzuwenden, solange er journalistische Standards einhält, und eigene Kontakte zu Konfliktbeteiligten offenlegt.

Möglicherweise meinten einige Verantwortliche im RBB, die ARD-Anstalt sollte, wenn auch spät, noch einen zweiten Blick auf die Affäre um Hubertus Knabe werfen. Remys eher kritische Sicht war dem Sender, siehe oben, bekannt. Dieses Dossier plädiert also ausdrücklich nicht dafür, die Auftragsvergabe und die kurzfristige Absetzung und Verschiebung des Films unter „alle stecken unter einer Decke“ abzubuchen.

Der bisher nur einem kleinen Kreis bekannte Film Remys, so ist aus dem Senderumkreis zu hören, dokumentiert die Vorgänge, die Beteiligten kommen umfangreich zu Wort, Knabe selbstverständlich, aber über noch etwas längere Strecken Klaus Lederer. Die ebenfalls als Beteiligte an der Affäre angefragte Kulturstaatsministerin Monika Grütters wollte sich für den Film nicht äußern. Remys „Sondervorgang MeeToo“, so das Urteil von Leuten, die den Film kennen, kommentiere und werte nicht. Die offenen Fragen, die im Untersuchungsausschuss blieben, würden allerdings sichtbar. Alles in allem, heißt es bei Befürwortern der Dokumentation, könne Lederer mit dem Film auch im Wahlkampf gut leben. Es heißt, sollte der Film später ausgestrahlt werden, würden sich die meisten Zuschauer angesichts der dramatischen Vorgeschichte wahrscheinlich am meisten über seine Ausgewogenheit wundern. Es spricht viel dafür, dass der Linkspartei-Politiker gar nicht eingriff, sondern die Entscheidung, die Ausstrahlung im letzten Moment abzusagen, in dem ARD-Sender selbst fiel.

Dieser Text soll vor allem die Frage beantworten: Legte der Sender, der bei Remy so viel Wert auf Transparenz und peinliche Unterscheidung zwischen Beobachten und Eingreifen legt, auch die gleichen Maßstäbe bei seinem eigenen Redakteur Olaf Sundermeyer an, dem RBB-„Investigativreporter“?

Bei Unternehmenssprecher Demmer heißt es: “Der Fall Hubertus Knabe wird von Beginn an hart diskutiert, der rbb hat daran mit seinen Recherchen erheblichen Anteil. Wir fanden es richtig, eine weitere Stimme zu Wort kommen zu lassen und haben deshalb ein entsprechendes Dokumentarfilmprojekt von Maurice Philip Remy realisiert. Dabei war klar, dass Remy der Entlassung Knabes eher kritisch gegenübersteht.“

Maurice Philip Remy arbeitete in den Neunzigern für „Stern“ und „Zeit“, machte sich einen Namen mit einer dokumentarischen Fernsehserie über den Holocaust, und schrieb 2008 das Drehbuch für „Mogadischu“, den Fernsehfilm über die Entführung der „Landshut“. Auch als Buchautor zeigte er sich als hartnäckiger Rechercheur: In seinem Buch „Der Fall Gurlitt“ von 2017 demontierte er penibel den eigentlichen Skandal in dem angeblichen Raubkunstskandal um den Münchner Kunstsammler und Pensionär Cornelius Gurlitt, dessen Muster der Lederer-Knabe-Affäre erstaunlich ähnelt.
Damals, 2012, beschlagnahmte die Staatsanwaltschaft Gurlitts gesamte Kunstsammlung; in den mit ausgewählten Details gefütterten Medien hieß es, in der Schwabinger Wohnung sei ein gewaltiger Nazi-Raubkunstschatz im Wert von einer Milliarde Euro gefunden worden. Die Staatsministerin für Kultur und Medien Monika Grütters inszenierte sich mit einer von ihr gegründeten „Task Force“ als Aufklärerin in einer Raubkunstaffäre. Am Ende erwiesen sich fast alle der 1280 Kunstwerke als legaler Besitz Gurlitts und die Beschlagnahmung als rechtswidrig, nur in fünf Fällen hatte dessen Vater sich Arbeiten unrechtmäßig oder im Graubereich angeeignet. Vier Fälle lagen schon kurz nach dem Kunstfund offen. Grütters mit riesigem medialem und finanziellem Aufwand inszenierte „Task Force“ identifizierte nur eine einzige weitere Arbeit – eine kleine Zeichnung von Adolph Menzel.

Für einen geschärften Blick und wohlgemerkt nachträglichen auf die Affäre um Knabes Sturz war der Rechercheur Remy also ein geeigneter Autor, gerade, wenn es auch um den distanzierten Blick auf Politiker gehen sollte.

Für das Verständnis des Figurenaufbaus soll hier auch kurz skizziert werden, warum mehrere einflussreiche Personen Knabe als Leiter der Stasi-Gedenkstätte von seinem Posten vertreiben wollten. Bei der Gedenkstättenstiftung handelt es sich um eine Institution, die je zur Hälfte das Land Berlin und der Bund tragen. Die 1994 eröffnete Gedenkstätte in der früheren Stasi-Haftanstalt dient zum einen als Erinnerungsort, zum anderen führt die Stiftung Veranstaltungen durch und gibt Publikationen heraus. Unter dem Historiker Hubertus Knabe prägte sie das Bild der DDR-Diktatur wesentlich. Und zwar in einer Weise, die einem wachsenden und einflussreichen Kreis nicht passte.

Mit seinem Buch „Der diskrete Charme der DDR. Stasi und Westmedien“ hatte Knabe bei vielen einen empfindlichen Punkt getroffen, und vor allem ein Thema gesetzt, auf das er auch an der Spitze der Gedenkstätte immer wieder zurückkam: Der Einfluss der SED und ihrer Staatsicherheit auf den Westen, wo beide teils willige, teils naive Helfer bis weit in bürgerliche Parteien fanden. Zum zweiten wies er auch immer wieder darauf hin, dass es sich bei der Staatssicherheit um ein Herrschaftsinstrument der SED handelte, die sich anders als der Geheimdienst nie aufgelöst, sondern nur mehrfach umkostümiert hatte, um heute unter dem Namen „Die Linke“ wieder als respektabler Regierungspartner aufzutreten.

Statt also die Stasi als DDR-Fossil darzustellen, nahm er ihre gesamtdeutsche Wirkung in den Blick, und wies auch immer wieder darauf hin, wer ihre Auftraggeberin war. Damit verärgerte er naheliegenderweise Kader der Linken, die ihre Partei gern als neu gegründete Kraft darstellen – aber auch Politiker anderer Parteien, die mit der Linkspartei koalieren.

Dazu kam noch eine ganz spezielle Auseinandersetzung mit einer Person aus dem MfS- und SED-Milieu, die zu einer der mächtigsten Frauen in der Bundesrepublik aufgestiegen war: Anetta Kahane, Gründerin und Chefin der Amadeu-Antonio-Stiftung (AAS). Die 1998 gegründete Organisation Kahanes, die zu DDR-Zeiten als Inoffizielle Mitarbeiterin unter dem Decknamen „Victoria“ für die Stasi arbeitete, blieb unter der rot-grünen Regierung von Gerhard Schröder eine kleine linke Stiftung unter vielen. Erst in der Regierungszeit Merkels wuchs sie zu einem Meinungslenkungskonzern mit eigenem Forschungsinstitut, eigenem Medium (der Webseite „Belltower“), und staatlichen Zuwendungen von gut einer Million Euro pro Jahr. Der damalige Justizminister Heiko Maas holte Stiftungsvertreter in eine Arbeitsgruppe, die ihn bei der Ausarbeitung des „Netzwerkdurchsetzungsgesetzes“ beriet, einem Beschränkungs- und Löschungsgesetz, das heute beispielsweise in Weißrussland als vorbildlich gilt. Vertreter der Stiftung rühmten sich, das Gesetz und die Kriterien ganz wesentlich mitdefiniert zu haben, nach denen Facebook und Twitter in Deutschland heute löschen und sperren. Der frühere AAS-Projektmanager Johannes Baldauf


gehört heute als „Public Policy Manager“ zu den wichtigsten Führungsfiguren von Facebook Deutschland. Auf seinem eigenen Facebook-Konto hilft er schon mal, wenn sein alter Arbeitgeber neue Kräfte rekrutiert, um das Netz nach Rechten zu durchforsten:

Diesen unheimlichen Machtzuwachs einer früheren Stasi-Zuträgerin sahen einige kritisch. Der Focus* bat Knabe 2016, die MfS-Vergangenheit Kahanes zu untersuchen, vor allem unter dem Gesichtspunkt, ob eine solche Frau heute über die Netzöffentlichkeit mitbestimmen dürfe. Am 2. Dezember 2016 erschien der heute online nicht mehr auffindbare Text unter der Überschrift „Stasi-IM als Netz-Spionin“. Dass Kahane als IM „Victoria“ aktiv war, wusste die Öffentlichkeit zu diesem Zeitpunkt – aber eben nicht, was sie genau getan hatte. Kahane selbst hatte dem Politikwissenschaftler und damaligen Mitarbeiter der Stasi-Unterlagenbehörde Helmut Müller-Enbergs den Auftrag für ein Privatgutachten über ihre IM-Tätigkeit erteilt, allerdings mit einem beliebten Taschenspielertrick: Sie übergab ihm nur die Akten zur Auswertung, deren Kopien sie selbst von der Stasi-Unterlagenbehörde bekommen hatte. Nach dem Stasi-Unterlagengesetz erhalten frühere Stasi-Täter nur den so genannten Teil 1 der Unterlagen, eine Art Personalakte, aber nicht die von ihnen damals verfassten Berichte. Müller-Enbergs gutachtete sinngemäß, er könne keine Spitzeltätigkeit Kahanes erkennen. Das war in der Tat schlecht möglich, weil er die Akten dazu gar nicht untersuchte. Das tat Knabe 2016 – als erster Historiker überhaupt.

„Darf ein ehemaliger Stasi-Mitarbeiter für den Staat das Internet kontrollieren?“, heißt es in dem heute nicht mehr zugänglichen “Focus”-Beitrag Knabes:

„Die Frage stellen sich viele, seit Bundesjustizminister Heiko Maas die Vorsitzende der Amadeu Antonio Stiftung, Anetta Kahane, an einer Taskforce beteiligte, die fremdenfeindliche und rassistische Äußerungen aufspüren soll. Wie immer bei einer früheren Stasi-Tätigkeit geht es um Dreierlei: Wie gravierend war die Spitzeltätigkeit? Wie geht eine Person mit ihrer Vergangenheit um? Und wie sensibel ist die Position, die sie ausüben soll?“

Knabe fasste seine Aktensichtung so zusammen:
„Unter dem Decknamen ‚Victoria’ lieferte sie Berichte über Freunde und Gesprächspartner. Kahane belastete auch Personen, die 1968 gegen die Niederschlagung des Prager Frühlings protestiert hatten oder die mit dem Liedermacher Wolf Biermann sympathisierten. Sie beurteilte eine Studentin ‚als politisch ungefestigt und unklar’ (…) Von Feiern übermittelte sie akribisch Namen und Tätigkeiten aller Teilnehmer. Kahane erhielt als Belohnung nicht nur Kaffee, Schnaps, Zigaretten und Kuchen. Dass MfS schenkte ihr auch einen goldenen Füllfederhalter und eine Prämie von 200 Mark. Wiederholt hob Kahanes Führungsoffizier hervor: ‚Die K. besitzt eine ausgeprägte positive Haltung zu den Sicherheitsorganen. (…) Sie belastete Personen und sprach über persönliche Verbindungen’.“

Insgesamt stufte er ihre Stasi-Tätigkeit als „mittelschwer“ ein, auch, weil sie die Zusammenarbeit mit dem MfS 1982 beendete. Am Schluss seines Beitrags heißt es: „Unverständlich ist allerdings, wieso das Bundesjustizministerium ausgerechnet Anetta Kahanes Stiftung für eine sensible Aufgabe wie die Kontrolle des Internets heranzog. Es wäre gut beraten, die Zusammenarbeit mit ihr zu beenden.“

 

Als die Belästigungsvorwürfe noch kaum eine Rolle spielten, ging es schon um den Rauswurf Knabes

Mittelschwer, allerdings goldener Federhalter und Geld als Belohnung für Denunziation – damit brach Kahanes Legende zusammen, sie habe als Stasi-IM eigentlich kaum etwas getan und sich bemüht, wie sie behauptete, „nicht schlecht über Leute zu reden“. Der Knabe-Text traf sie nicht am Anfang ihrer Stiftungskarriere, sondern zu einem Zeitpunkt, als ihre Organisation zu einer Art Regierungsberaterin und zur privilegierten staatlich finanzierten Kraft im Kampf gegen Rechts aufgestiegen war. Knabes Text verstanden die Verantwortlichen der AAS offenbar als Casus belli. Am 13. Dezember 2016 schickte das Mitglied des AAS-Stiftungsrats Christian Petry eine Mail an den damaligen Kultur-Staatssekretär Tim Renner:

„Sehr geehrter Herr Staatssekretär, beiliegend schicke ich Ihnen einen Brief an Herrn Dr. Hubertus Knabe, in dem ich Stellung nehme zu dessen Artikel im Focus vom 2.12.2016: ‚Stasi-IM als Netz-Spionin’. Mein Eindruck ist, dass er seine Stellung als Leiter der Gedenkstätte Hohenschönhausen missbraucht. Ich wäre dankbar, wenn Sie das in Ihrem Kreise überprüfen könnten.“

An Knabe selbst schrieb Petry: „Sollte die Wahrnehmung Ihrer Aufgabe als Leiter der Gedenkstätte Hohenschönhausen nicht bestimmt sein durch eine hohe pädagogische Verantwortung, historische Professionalität und durch eine sorgfältige Deutung der Quellen? Nichts davon bemerke ich in Ihrem Focus-Artikel.“

Das zuständige Fachreferat Lederers kommt damals allerdings zu dem Schluss, dass Knabes Text vom Zweck der Stasigedenkstätten-Stiftung abgedeckt sein könnte.
Kahanes AAS geht mit Hilfe des Anwalts Johannes Eisenberg presserechtlich gegen Knabes Text vor, in Teilen auch erfolgreich. Es gab darin beispielsweise einen marginalen Fehler; bei Knabe heißt es, Kahane sei später aus der DDR ausgereist, tatsächlich hatte sie nur einen Ausreiseantrag gestellt, war aber geblieben. Bei einer der Verhandlungen erspähte Eisenberg einen Mitarbeiter der Gedenkstättenstiftung, der Knabe zum Prozess begleitet hatte. Am 4. April 2017 schreibt er direkt an den erst seit kurzem amtierenden neuen Kultursenator Klaus Lederer:

„Ich gehe davon aus, dass es sich um einen privaten Rechtsstreit von Herrn Dr. Knabe handelt. Ich nehme an, dass Dr. Knabe das Honorar für den Beitrag privat vereinnahmt hat. In der mündlichen Verhandlung erschien (…) neben Herrn Dr. Knabe ein (…), ‚Leiter Forschung der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen’ und nahm vor dem Richtertisch Platz (…) Die Verhandlung dauerte gut 2 Stunden (…) während der Arbeitszeit des (…). Dass dieser Rechtsstreit irgendwas mit Forschung der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen zu tun gehabt haben könnte, erschließt sich mir nicht. Ich bitte daher ggf. um Prüfung, ob hier öffentliche Mittel und Ressourcen für private Zwecke vergeudet werden.“

Das passte erstaunlich gut zu den nach Publico-Informationen schon 2015 begonnenen Recherchen des RBB zu angeblicher Mittelverschwendung bei Baumaßnahmen in der Stasi-Gedenkstätte.
Spätestens zu diesem Zeitpunkt wurde klar, dass Kahanes unmittelbares Umfeld und auch andere Gegner Knabes nach irgendeiner Handhabe suchten, um den Historiker von seinem Posten zu entfernen. Um „strukturellen Sexismus“ ging es damals, 2015, 2016 in offiziellen Vorgängen nicht beziehungsweise nur ganz am Rand. Nur das Ziel stand offenbar schon fest.

Knabe, auch das gehört zu dem Vorgang, nahm die Versuche, ihn aus dem Amt zu drängen, lange nicht ernst. Selbst die Senatsverwaltung für Kultur betrachtete das Eisenberg-Schreiben damals als ziemlich abstrus. Auch bei dem Versuch, Knabe Geldverschwendung bei Baumaßnahmen anzuhängen, kam nichts Belastendes heraus.
Es gab schon 2014 eine erste Beschwerde einer Gedenkstätten-Mitarbeiterin, die Knabes Vize Helmuth Frauendorfer als übergriffig erlebte, wobei die Beschwerde nicht an Knabe ging, sondern an die Frauenbeauftragte des Senats. Sie bildete den Nukleus der Affäre, die dann, 2018, zu Knabes Entlassung führte. Zu der einen Beschwerde kamen später andere. Irgendwelche Vorwürfe gegen Hubertus Knabe selbst wegen unziemlicher Nähe oder Übergriffen erhob niemand. Die Knabe-Entlassung stellt den bisher bundesweit ersten Fall dar, in dem jemand seine Arbeit wegen Sexismus-Vorwürfen verliert, die nicht ihn selbst betreffen, sondern einen Mitarbeiter.

Anfang 2017 erweitert sich der Kreis der Knabe-Feinde deutlich. Wieder geht es um den Versuch, eine Stasi-Vergangenheit zu verharmlosen. Und wieder stört der Stasi-Gedenkstättenleiter die Inszenierung. Andrej Holm wird Staatssekretär für die Linke in der neuen Berliner Regierung. In seiner Biografie schreibt er, er habe 1989 im Stasi-Wachregiment „Feliks Dzierzynski“ gedient, als Wehrdienstleistender. Damit gehe er ganz offen um. Er verschweigt, dass er danach eine Ausbildung zum Stasi-Unteroffizier begonnen hatte und hauptamtlicher MfS-Mitarbeiter wurde. Knabe leitet die von einem Rechercheur ausgegrabene Stasiakte Holms an mehrere Medien weiter. Holms Verharmlosungslegende, gestrickt nach dem gleichen Muster wie die von Kahane, fällt in sich zusammen. Er muss zurücktreten.

Linken-Politiker werfen Knabe vor, er habe seine Kompetenzen überschritten und gegen das Stasi-Aktengesetz verstoßen. Auf einen ziemlich naheliegenden Gedanken kommen sie nicht: Wenn frühere Stasi-Zuträger wie Kahane und Holm nicht mit Tricks und Tarnung arbeiten würden, um ihre Vergangenheit karrieretauglich zu retuschieren, dann hätte Knabe in beiden Fällen nichts zu enthüllen gehabt.
Während Knabe für immer mehr Leute im Politikbetrieb zum Ärgernis wird, nimmt Olaf Sundermeyer vom RBB die Recherche zu den Belästigungsvorwürfen auf. Nach seiner eigenen Darstellung aus dem Jahr 2020 trägt er drei Jahre vor Knabes Sturz Material zusammen.

„Die Aufdeckung der Affäre beginnt an einem lauen Abend im Frühsommer 2015“, so Sundermeyer: „Drei Wissenschaftler sitzen in einem Berliner Biergarten und berichten uns von den Zuständen an ihrem Arbeitsplatz, der Gedenkstätte im ehemaligen Stasi-Gefängnis Hohenschönhausen, dem wichtigsten Erinnerungsort für den DDR-Totalitarismus. Das Gespräch ist vertraulich. Hier erfahren wir zum ersten Mal von dem Belästigungsvorwurf einer jungen Wissenschaftlerin gegen den damals 56-jährigen stellvertretenden Direktor der Gedenkstätte Hohenschönhausen, Helmuth Frauendorfer. Seine zeitweilige Mitarbeiterin hatte sich ihren drei Kollegen anvertraut. Ihnen geht es um das ‚System Knabe’ insgesamt, wie sie es nach dem Direktor der Gedenkstätte, Hubertus Knabe, benennen.“

Es fällt auf, wie schnell bei Sundermeyer aus Vorwürfen, die nur Knabes Vize betreffen, im Handumdrehen ein „System Knabe“ wird. Und „Aufdeckung der Affäre“ – das klingt wirklich nicht nach voraussetzungsloser Recherche. Mit dem vorgeblichen Opfer spricht Sundermeyer nach eigenen Angaben nicht: „Die erwähnte Wissenschaftlerin, die sich belästigt fühlt, will aber nicht mit Journalisten reden, auch aus Angst vor Knabes Medienkontakten.“ In Sundermeyers Text finden sich außerdem zwei merkwürdige Sätze: „Obwohl die Gerüchteküche noch lange weiter brodelt, lassen sich die Vorwürfe gegen den stellvertretenden Gedenkstättenleiter und seinen Direktor für uns nicht erhärten. Wir lassen das Thema liegen: bis zum Sommer 2018.“

Ein „Investigativreporter“, der meint, einer heißen Affäre auf der Spur zu sein, lässt das Thema dann wieder fallen – warum eigentlich? Erhärten lassen sich die Anschuldigungen gegen Knabe ja bis zum Schluss nicht, sie bleiben immer auf der Ebene von „Struktur“ und „System“, dem Vorwurf, Knabe würde seinen Vize Frauendorfer decken – obwohl er ihn in Wirklichkeit abmahnt und schließlich beurlaubt. Könnte die merkwürdige Recherchepause damit zusammenhängen, dass erst die nötige Unterstützung für Knabes Sturz organisiert werden musste? Ohne oder gar gegen Staatsministerin Monika Grütters vom Bund, der die Gedenkstätte zur Hälfte trägt, hätte Klaus Lederer die Entlassung Knabes nicht durchsetzen können. Die CDU-Politikerin entwickelt sich erst zur Verbündeten und sogar zur treibenden Kraft, als im Herbst 2017 in den USA der Skandal um den Hollywood-Produzenten Harvey Weinstein öffentlich wird, und weltweit die MeeToo-Bewegung entsteht.
Grütters, der die Beschuldigungen der Gedenkstätten-Mitarbeiterinnen zugeleitet werden, kommt zu der Überzeugung, sie habe es nun in ihrem Bereich mit einem MeeToo-Skandal zu tun, natürlich nicht mit einem Einzeltäter, sondern einem „System“. Sie sieht die Angelegenheit als Chance, sich als Aufräumerin in Szene zu setzen, ganz ähnlich wie ein paar Jahre vorher als Aufklärerin in Sachen Raubkunst.

Außerdem blühen 2018 erste Überlegungen in der CDU auf – ventiliert durch den schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Daniel Günther und den brandenburgischen CDU-Generalsekretär Ingo Senftleben – die Distanz zur Linkspartei zu verringern. Zumindest als Tolerierungspartner zum Machterhalten in Ost-Ländern, so das Planspiel, könnte die umfirmierte SED durchaus dienen. Auch diese Atmosphäre begünstigt zumindest das Vorgehen der CDU-Staatsministerin gegen Knabe. Objektiv betrachtet handelt es sich bei der Entlassungsaktion um das erste informelle CDU-Linkspartei-Projekt in Deutschland.

 

 

Der RBB müsste jetzt eine Aufarbeitung seines eigenen Verhaltens in Auftrag geben. Material dazu gibt es genug

Über Motive und Beweggründe der Knabe-Gegner findet sich in den Berichten Olaf Sundermeyers für den RBB wenig bis nichts. Er konzentriert sich ganz auf die Person Knabe. In Sundermeyers zusammenfassendem Text auf der RBB-Webseite über seine Rolle an Knabes Sturz unterschlägt er einen ganz wesentlichen Punkt zu seiner eigenen Person: Er pflegte über lange Zeit Kontakte zur Amadeu-Antonio-Stiftung und Anetta Kahane – derjenigen, die schon seit 2016 eine unerledigte Rechnung mit Knabe hatte.
In der Einleitung einer Broschüre der AAS von 2015 zum Thema Fußball und Rechtsextremismus heißt es:

„Außerdem danken wir Olaf Sundermeyer und Patrick Gensing für die jahrelange Berichterstattung über Rechtsextremismus und Fußball, durch die auch einige Artikel in der vorliegenden Broschüre inspiriert worden sind.“

Im Jahr 2017 schreibt Sundermeyer einen Beitrag für das AAS-Medium „Belltower“.
Bei einer Veranstaltung der Kasseler Initiative „Offen für Vielfalt“ im Mai 2020 sitzen Sundermeyer und Kahane zusammen auf dem Diskussionspodium.

Wenn ein von Remy geteilter Spendenaufruf für Knabe aus dem Jahr 2018– also nach Knabes Sturz – für den RBB schon ausreicht, um Remys Film zu verschieben, weil der Facebook-Post „transparent“ gemacht werden soll, dann hätte der Sender es seinen Zuschauern erst Recht mitteilen müssen, dass sein federführender Reporter im Fall Knabe schon während der Affäre Kontakte zu einer Institution unterhielt, die in der Auseinandersetzung schon sehr früh zur Partei gegen Knabe gehörte.

Die langjährige führende RBB-Journalistin Petra Lidschreiber, ehemals Leiterin der Redaktion Mittel- und Osteuropa gehört außerdem seit 2016 zum Vorstand der Amadeu-Antonio-Stiftung. Das mag ein Detail sein, das gar keine Rolle bei der Knabe-Berichterstattung spielte. Aber nach den Maßstäben, die der Sender plötzlich für Remy hervorholt, hätten die Zuschauer auch davon unterrichtet werden müssen. Auf die Frage von Publico, ob der RBB frühere Äußerungen und Kontakte bei Sundermeyer genau skrupulös betrachtet hatte wie bei Remy, antwortet Unternehmenssprecher Demmer ausweichend, ihm seien keine „Grenzüberschreitungen“ Sundermeyers bekannt.

Sollte Remys Dokumentation „Sondervorgang MeeToo“ am 27. Oktober mit der vom Sender gewünschten Ergänzung ausgestrahlt werden, dann kann das Publikum diesen Film mit den früheren Beiträgen des RBB über die Affäre um die Gedenkstätte, die Linkspartei und Kahanes Stiftung vergleichen. Egal, wie sich die Sache nun in den Führungsetagen des Senders weiterentwickelt: Eine Art Streisand-Effekt hat die ARD-Anstalt jetzt schon ausgelöst, indem sie Remys Dokumentation zum Sondervorgang machte.
Eigentlich wäre jetzt auch eine TV-Dokumentation über die Rolle des Senders selbst angebracht. Gut möglich, dass Maurice Philip Remy ein Buch über Knabes Entlassung und die Folgen schreibt. Falls es nicht der RBB ist – irgendjemand wird sich schon die Filmrechte daran sichern.

 


* Offenlegung: Der Autor dieses Textes gehörte damals als Focus-Redakteur zu denjenigen, die die Veröffentlichung des Textes von Hubertus Knabe redaktionsintern unterstützten.


 

 

 


Dieser Text erscheint auch auf Tichys Einblick.


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Alexander Wendt: Weitere Profile:

Kommentare anzeigen (16)

  • Bravo, Herr Wendt - vielen Dank für Ihre unermüdliche Arbeit an wichtigen Themen, die fast überall sonst verschwiegen und manipuliert werden!

  • Eine enorm wichtige Veröffentlichung zum Thema, die das ganze Ausmaß von Doppelstandards und politischer Einflussnahme in öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten beispielhaft offenbart. Es hat sie immer gegeben - etwa zu Zeiten von Franz-Josef Strauß in Bayern - aber die deutlich erkennbare Absicht, Gehilfen und Verharmloser des totalitären DDR-Staates bei ihrem "Marsch durch die Instanzen" medial zu unterstützen, hat eine andere Qualität: nachzulesen in Programmen und Reden von Funktionären der Linkspartei aka SED, in den Propagandaschriften ihrer Hilfstruppen. Zum Zweck der Meinungskontrolle, zum Aufweichen des Grundgesetzes werden sie von Politbürokraten jeglicher Couleur inzwischen gerne adaptiert. Ohne Opposition ist leicht herrschen - das ist die Erfahrung von 16 Jahren Merkelscher "Alternativlosigkeit". Und für die Demokratie sieht es eben nicht gut aus, wenn Sozialisten "alles in der Hand behalten".

  • Zunächst dachte ich, bei dem (vorzüglichen) Text von Herrn Wendt handelt es sich um den Anfang seines neuen Buches, aber nein, es ist „nur“ ein umfassender Text zum Thema: Wie mobbe ich einen hohen Mitarbeiter raus, ohne, dass es auffällt. Als gelernter ehem. West-Berliner war mir neben dem RIAS auch der SFB sehr nahe. Genauso fern jedoch ist mir der rbb geworden. Man kann kaum übersehen, dass der ehem. ÖRR Rundfunk klammheimlich und dennoch in aller Öffentlichkeit von links unterwandert wurde. In Berlin kein Kunststück. Dass Herr Knabe die nahende Gefahr nicht bemerkt haben mag, kostete ihn den Posten. Er ist ein guter Historiker, ich selbst besitze ein Buch von ihm: „Die unterwanderte Republik“. Sehr erhellend. Dass er dabei auch ehemalige SED und nunmehr „neulackiert“ - Die Linke - Mitglieder streifte, hat ihm nicht zum Vorteil gereicht, den Lesern hingegen schon. Vielleicht war er schlicht zu ehrlich - und das in Berlin, der Hauptstadt der Sozialisten. Dagegen hat ehemals West-Berlin dank der Amerikaner standgehalten, aber die untergegangen geglaubte SED tauchte aus den Fluten auf als „Linke“ und überrollte alles. „Nu sind se mal da“, würde Frau M. sagen.

  • Die SED und ihre Lederer-Sundermann-Kahane-Gensing-Stasi leben - nicht schlecht und in voller Aktion! Dafür sorgen Grütters, Merkel und der Staatsfunk. Frage: Der rbb-Unternehmenssprecher Demmer ist nicht zufällig namensgleich mit der tristen Sprecherin aus der Bundespressekonferenz? Remy ist der nächste zur Stasi-Zersetzung freigegebene Kandidat ("Objekt"). Von einem Staat, der Figuren wie Stasi-Kahane, SED-Lederer und den Berufs-Linksextremisten Sundermeyer nicht vom Verfassungsschutz (zumindest) beobachten lässt - wer weiß? - ist nichts anderes zu erwarten. Typen vom rbb, die das Engagement für einen fairen Gerichtsprozess übelnehmen, hassen den demokratischen Rechtsstaat, Herr Demmer, Frau Kahane, Frau Grütters, Herr Gensing, Frau Merkel!

  • Es ist notwendig, die permanent im politisch korrekten Empörungsmodus befindlichen Bolschewisten und Bolschewistinnen beim Namen zu nennen. Wir sollten diese Antidemokraten nicht aus den Augen verlieren. Nur so ist eine neue kommunistische Diktatur abzuwenden. Hubertus Knabe, übernehmen Sie! Bitte!

  • Der Kardinalfehler in der Wiedervereinigung war die SED nicht so zu behandeln, wie es ihr gebührt hätte, nämlich wie die NSDAP 1945. So wie es ausschaut bricht das jetzt der BRD das Genick.

    • Das ist genau der Punkt!
      Man hätte den Verein verbieten sollen und hätte damit all die Nachfolge-Enkel nicht am Hals!
      Ein Hoch auf diesen Artikel, Herr Wendt.

  • Von Interesse ist ebenso ein Text von Hubertus Knabe, der am 13. Oktober 2019 bei „Tichys Einblick“ erschien: „Feindbild Israel“, in dem geschildert wird, wie ungeniert die Stasi u. a. auch mit Rechtsterroristen zusammenarbeitete. Einem davon wurde 2006 sogar ein Film namens „Der Rebell“ gewidmet – Odfried Hepp bzw. „IM Friedrich“ zu seiner DDR-Dienstzeit. Davor hielt sich Hepp u.a. auch im Dunstkreis der Wehrsportgruppe Hoffmann im Libanon auf. Solcherart Verflechtungen, und seien sie nur über Umwege vorhanden, machen sich natürlich schlecht bei staatlichen Alimentisten wie Victorietta Kahane, die anderen mit nacktem Finger Hakenkreuze auf die Hemdsärmel kritzeln wollen. Sundermeyer ist hier aktuell ein gutes Beispiel – ein Mann, der die braunen Ränder an den Neo-Purpurroten vor lauter „anderen“ Nazis nicht mehr zu sehen scheint. Oder gar nicht will. Ende August befand er sich in Berlin auf Nazi-Jagd bei einer Anti-Corona-Demo, wo er sich irgendwann von einem der anderen Teilnehmer und dessen Kamera und Fragen so „eingeschüchtert“ fühlte, dass er den nächstbesten Polizeiposten um Hilfe anbettelte. Ich muss wieder einmal an Bärbel Bohley denken, die ihre große Sorge äußerte, dass die Stasi-Unterlagen in falsche Hände geraten könnten. Da wundert es nicht, dass man die richtigen Hände, wie die von Hubertus Knabe, fesseln möchte, der sich nicht scheut, die Hässlichkeit solchen Regimes zu entblößen. Die aktuelle Situation in Deutschland mit dem unheilvollen Wiederausdampfen des alten DDR-Gifts erinnert beinahe an den „Herrn der Ringe“ – an die Schlacht am Übergang vom zweiten ins dritte Zeitalter, als Sauron zwar niedergeworfen wird, aber später wieder neue Gestalt annehmen kann, weil sein Ring nicht zerstört wurde…

  • Einfach brillant und sehr verdienstvoll! Ich hoffe, es wird mehr und mehr klar, um wen es sich bei Herrn Sundermeyer handelt. Ein Haltungsjournalist allererster Güte!

    • Eine mehr als zwielichtige Person, dieser Olaf Sundermeyer.
      Seine "Ausbildung" auf Kuba spricht für sich; ansonsten hat der alles andere abgebrochen lt. Wiki.

    • Sundermeyer hat sowenig etwas mit Haltung zu tun wie ein Gauner mit seiner Masche. Der Ausdruck ist zwar ironisch gefärbt, aber er suggeriert doch soetwas wie Gutwilligkeit, was einfach selten zutrifft, denn hinter dieser Haltung steckt meist bösartige Ideologie, wie im Falle von Kahane u. Sundermeyer eine kommunistische. Im schwächsten Fall steckt hinter Haltung nur Pose, also eigentlich Haltungsverrat, denn Moral als Pose ist nicht einfach abgeschwächte Moral, sondern eben Moralverrat.

  • "Lederers persönliche Referentin konnte der Ausschuss nicht wie geplant vernehmen, sie legte ein ärztliches Attest über ihre Vernehmungsunfähigkeit vor. Ihr Zustand besserte sich bis zum Abschluss der Untersuchungen nicht."
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    Ich denke mir den fehlenden Teil dazu.

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