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Zusammen wirken wir weniger blass

Ein wiederauferstandenes Gespenst geht um in Deutschland: das Gespenst der freiwilligen Gruppenexistenz. Junge Akademiker entdecken das “Kollektiv” als vermeintlich hierarchiefreies, egalitäres Lebensfundament. Alles schon mal dagewesen – und auch diesmal gefährliche Illusion

von Oliver Driesen

 

“Hey, wir sind das zickzack-Kollektiv”, grüßt eine Gruppe junger “Kulturschaffender” sprudelnd frisch von ihrer Website und erklärt ihr Geschäftsmodell: “Unsere Kunst besteht darin, Brausen zu brauen und der guten Sache eine Bühne zu bieten. Eine Bühne ist das Brause-Etikett. Es wird schon seit Jahren von verschiedenen Künstler*innen mit Foto und Grafik aufs schönste und politischste motiviert.”

Was Individualisten und Konservativen möglicherweise einige Verständnisprobleme sprachlicher und inhaltlicher Art verursacht, liegt voll im Trend des Zeitgeists: Das Kollektiv feiert in Deutschland fröhliche Urstände. Im Mai demonstrierte ein “Klimakollektiv Oldenburg” auf dem Schlossplatz der niedersächsischen Stadt gegen die Klimapolitik der Grünen, die den Aktivisten zu wirtschaftsfreundlich erschien. Am Düsseldorfer Schauspielhaus lädt die Bürgerbühne “Stadt:Kollektiv” das Publikum unter dem Spielzeitmotto “radikal sozial” zum “Mitreden, Mitmachen, Mitspielen” ein. In Würzburg existiert an der Universität gar eine Forschungsstelle für “Kollektivwissenschaft”.

Die Medienauftritte und Audienzen von Luisa Neubauer im Kanzleramt führten in der Friday-for-Future-Bewegung zu bitteren Vorwürfen gegen die Aktivistin: Dort verstehen sich nämlich die Unprominenten, also die meisten, als egalitäres Kollektiv, aus dem niemand ausscheren sollte.
Auch nicht modemäßig übrigens. Um dieses Bedürfnis zu befriedigen, bieten Bekleidungsfirmen neuerdings die perfekte Ware an: Unisexkleidung, die auf auffällige Farben und Designs verzichtet und ein wenig an Uniformen erinnert. Das Motto der neuen Bewegung scheint zu sein: Auffallen? Um keinen Preis.

Bemerkenswert stark vertreten sind die Kollektive in Architektur und Stadtplanung. Viele der sich meist als progressiv und avantgardistisch verstehenden Akteure tragen das retro-sozialistische Buzzword offensiv im Firmennamen. In München etwa gibt es das Architekturbüro “Kollektiv A”, den Schwerpunkt Stadtplanung bearbeitet in Cottbus das “Kollektiv Stadtsucht”. Ohne Ortsangabe präsentiert sich im Netz das “CHCC Kollektiv”, dessen Auffassung von Stadtentwicklung ideologisch gefestigt ist: “Wir stellen infrage, warum sich die Gesellschaft auf die aktuellen Normen und Gesetze geeinigt hat”, postulieren die beiden weiblichen “Architekturschaffenden” – und deuten die Antwort gleich im nächsten Satz an: Unter anderem die “patriarchalischen Strukturen” seien Schuld am Elend des städtischen und sonstigen Zusammenlebens.

Ob in Kunst und Kultur, in Architektur und Städtebau oder in politischen und sozialwissenschaftlichen Diskursen: Der jahrzehntelang gelobte Individualismus westlicher Gesellschaften verliert – je mehr die Rituale und Begrifflichkeiten nach links verschoben werden – seinen Zauber. Die Sehnsucht der von Michel Houellebecq beschriebenen “Elementarteilchen” nach dem Aufgehen in einem größeren, sinnstiftenden Ganzen ist erwacht. Es scheint, als ob eine Generation herangewachsen ist, die mit dem Klang des Wortes Kollektiv ganz arglos nicht länger das verbindet, was etwa gestandene DDR-Bürger und erst recht die Dissidenten des SED-Staates damit assoziieren: Einverleibung, Entdifferenzierung und Entmündigung, Ineffizienz und Vetternwirtschaft, Gängelung und Gleichschaltung. Die Frage ist, wie das Wort im demonstrativ anti-totalitären Deutschland seine vermeintlich fest etablierte Warnwirkung einbüßen und zu einem positiv aufgeladenen Sehnsuchtswort mutieren konnte.

Denn als Insel des seligen Lebens und Arbeitens hat das “Kollektiv” in einer atomisierten Industriegesellschaft in Wahrheit kaum Chancen. Zu groß sind die sozialen Fliehkräfte, die an den Mitgliedern zerren, zu destruktiv die Machtproben im Hintergrund, zu kurzlebig die Bindungskraft der Gemeinsamkeiten. Heike Delitz, Professorin für vergleichende Gesellschaftsforschung und Soziologie an der Universität Bremen sowie Autorin des Buches “Kollektive Identitäten”, analysierte bei einem Vortrag im Jahr 2018 Angela Merkels sprichwörtlich gewordene Phrase “Wir schaffen das” (nämlich die Aufnahme von Millionen Migranten im Land): Das politische Motiv sei es gewesen, an die “unmögliche” Identität eines riesigen Kollektivs zu appellieren. Identitätsstiftende Gemeinsamkeiten seien dort aber in der Realität gar nicht vorhanden oder jedenfalls nicht belastbar. “Genau deshalb, weil sie unmöglich sind, muss eine Einheit vorgestellt werden.” Mit anderen Worten: Merkels Satz war das zweckdienliche Vorgaukeln einer imaginären Einheit der Vielen, in diesem Fall aller Deutschen.

Auch wenn dieses “Wir schaffen das” der Kanzlerin ohne nachhaltige Mobilisierungswirkung blieb und stattdessen zur ironischen Spottfloskel wurde: Es spricht Bände über die von ihr gehegte und gepflege Identitätspolitik, die nach Bedarf ständig neue “Wir”-Kollektive aus dem Hut zaubert und ebenso opportunistisch gegeneinander in Stellung bringt. Teile und herrsche, lautet dieses uralte und immer wieder bewährte Machtprinzip: Wenn sich die “Kollektive” gegenseitig bekämpfen, hat derjenige freie Bahn, der sie zur Ablenkung aufeinanderhetzt. Aktuelles Beispiel: Geimpfte gegen Ungeimpfte.

An dieser Stelle kommt die neu geweckte Lust am Kollektiv – mit Anklängen an die egalitäre Commune – auch einer anderen mächtigen Politikströmung der Gegenwart sehr gelegen. Unter Vorschützen falscher Gemeindienlichkeit zielt sie in Wahrheit auf Kontrolle und ungezügeltes Abkassieren. Ihre Vertreter sind die Vordenker eines globalen Korporatismus und beschwören die “Sharing Economy“, wie sie vor allem das World Economic Forum (WEF) mit seinem “Great Reset” propagiert. Ein durch die großen Krisen der Gegenwart geläuterter Kapitalismus, so das Narrativ, bewirkt nun selbst die Überwindung dieser Krisen und schafft eine nachhaltige Weltordnung, in der es angeblich keinen Bedarf mehr an Privateigentum oder Privatheit überhaupt gibt („you will own nothing, and you will be happy“) – jedenfalls für die breite Masse, die im Schoß der allsorgenden Konzerne viel besser aufgehoben ist.

Jeder wesentliche Lebensbedarf nämlich wird, statt ihn zu besitzen, über Online-Kanäle geliehen, gemietet, abonniert oder zeitbefristet zugeteilt – von der Computersoftware bis zum Elektromobil. Alles für alle: die Illusion einer schönen neuen Welt der von schnödem Besitz und Bargeldscheinen befreiten Kollektivmenschen. Hinter den Kulissen können derweil die Profiteure ihre ökonomischen Überwachungs- und Strangulierungsfesseln umso fester zurren. Für WEF-Gründer Klaus Schwab muss das digital überwachte und in die völlige Abhängigkeit gezwungene Konsumentenkollektiv eine ähnlich attraktive gesellschaftliche Manövriermasse sein wie ehemals für die Kader der SED-Diktatur.

Im deutschen Arbeiter- und Bauernparadies war das Kollektiv die kleinste gesellschaftlich organisierte Personengruppe. Hier zeigte sich, ob die Mitglieder ideologisch auf Linie oder als Wackelkandidaten verdächtig waren. Das nie völlig trennscharf abgegrenzte Kollektiv sollte “reaktionäre” Zusammenhänge wie die Familie oder den Verein ersetzen. Im Pädagogischen Wörterbuch, Ostberlin 1987, wurde es als “typische soziale Lebensform der sozialistischen und kommunistischen Gesellschaft” definiert, “in der sich sozialistische Persönlichkeiten durch aktive Tätigkeit in der Gemeinschaft und zum Wohle der Gesellschaft umfassend und allseitig entwickeln können”. Das Kollektiv sei “ein wichtiges Glied der sozialen Organisation der von Ausbeutung befreiten Gesellschaft”; sozialistische Erziehung diene der “Erziehung der Persönlichkeit im Kollektiv und durch das Kollektiv”. Das Urteil „Er/sie fügt sich gut ins Kollektiv ein“ (oder eben nicht) begleitetete den Staatsbürger von der Schulzeit an auf dem ganzen Lebensweg.

Wie schon in der totalitären Vorgängergesellschaft der DDR, dem Nationalsozialismus kam der kleinsten Gesellschaftszelle also die wesentliche soziale Selbstkontrollfunktion zu – aber auch eine sozialistische Wettbewerbsfunktion: Das Graswurzel-Kollektiv von Werktätigen war die Brigade, die im globalistischen Konzern von heute etwa dem Team entsprechen würde. Plan-Übererfüllung durch eine Brigade in der Produktion, aber auch “besondere Erfolge in der sozialistischen Gemeinschaftsarbeit” wurde durch die Betriebsleitung ab 1962 mit dem Ehrentitel “Kollektiv der sozialistischen Arbeit” ausgezeichnet – wobei es offenbar fast schwieriger war, diese Ehrung im Lauf eines sozialistischen Lebens nicht zu erfahren: Zum Zeitpunkt des ökonomischen Zusammenbruchs der DDR 1989 hatten bereits 270.000 Kollektive mit 4,8 Millionen Mitgliedern die Auszeichnung erhalten. Planmäßig hätte das Land also in voller Blüte stehen müssen.

Ehrentitel fürs DDR-Kollektiv: im Dutzend billiger (BrThomas, Wikipedia)

Kein Wunder, dass auch die Linksextremisten und -terroristen in der Bundesrepublik, bis 1989 mehr oder weniger aus Ost-Berlin gesteuert, den Kollektiv-Begriff in Beschlag nahmen. So griffen nach Untersuchungen des “Zentrums für digitale Lexikographie der deutschen Sprache” (ZDL) etwa Horst Mahler, Klaus Eschen, Hans-Christian Ströbele und Ulrich K. Preuß 1969 bei der Gründung des Sozialistischen Anwaltskollektivs in West-Berlin darauf zurück. Und auch die terroristische RAF habe sich des Wortes bedient – zwar nicht deckungsgleich mit seiner DDR-Bedeutung, aber im Kontext ihrer eigenen Definition sozialistischer Ideen.

All das scheint dem Kollektiv in den Ohren der von historischem Wissen unbelasteten Generationen “Y” und “Z” höchstens eine zusätzlich attraktive, abenteuerliche Aura von Rebellentum und Durchschlagskraft zu verleihen, und gleichzeitig, auch wenn es im ersten Augenblick paradox klingt, das Gefühl von Nestwärme, scheinbar ganz ohne hierarchische Zwänge und Verpflichtungen. Denn erstens wissen die jungen Erwachsenen im Westen eben doch, dass sie den geschmähten „Boomern“ zahlenmäßig unterlegen sind, in den Großstädten aber auch den in festen Verbänden organisierten Migranten derselben Altersklasse.

Und zweitens lässt sich im Verein auch besser der millennialtypische Mangel an Individualität ertragen, der sich – für den, der die Mühe auf sich nimmt – am besten in den Romanen der Irin Sally Rooney studieren lässt. Deren platte Figuren wälzen endlos ihre immergleichen Sexualitäts- und Identitätsprobleme, sprechen wie im Proseminar, sind nie glücklich, aber auch fast durchweg nicht mit echten materiellen Sorgen beschwert. Rooney, nach Ansicht ihrer wohlmeinenden Kritiker die „Salinger für die Snapchat-Generation“, liest sich eher so, als hätte jemand ein Textprogramm mit Barbara Cartland-Romanen und neomarxistischen Besinnungsaufsätzen im Verhältnis 50/50 gefüttert. Rooneys Figuren lassen sich kaum auseinanderhalten – weshalb sich die kollektivbegeisterten zwanzig- bis dreißigjährigen Leser auch so gut in das Personal der Irin einfühlen können.

Nicht zufällig bringen Architektur und Stadtplanung – siehe oben – besonders viele Kollektive hervor. Die beiden Berufsfelder konnten den Versuchungen des Utopismus und des planvollen Umbaus ganzer Gesellschaften (“Social Engineering”) selten widerstehen. Historisch riecht das K-Wort auch hier nach Sozialismus und Planwirtschaft. So war der “Kollektivplan” eine Initiative zur Wiedererrichtung Gesamt-Berlins unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg. Die sowjetische Militäradministration hatte noch im Mai 1945 einen “antifaschistischen Magistrat” für die von der Roten Armee eroberte Reichshauptstadt installiert, als dessen Stadtbaurat sie den Architekten Hans Scharoun einsetzte. Um Scharoun herum wurde ein achtköpfiges “Kollektiv” gruppiert, das den einheitlichen Wiederaufbau Berlins planerisch vorbereiten sollte. Unter anderem machte es sich an die Parzellierung des Stadtgebiets in “Wohnzellen” für jeweils bis zu 5000 Einwohner. Durch die Aufteilung der Stadt in Sektoren der vier alliierten Mächte und den Rückzug der Sowjets aus dem Westteil im Sommer 1945 zerschlug sich dieses Unterfangen.

Dennoch scheint der Begriff Kollektiv in der Planerszene einen guten Klang behalten zu haben, der heute von den Theoretikern der Zunft euphorisch wiederentdeckt wird. Manifeste, Thesenpapiere und Konzepte sind nie fern, wo Kollektive sich präsentieren. Häufig verliert sich die Programmatik indes in einem Begriffsbrei aus “Urbanismus”, “Multidisziplinarität”, “Nachhaltigkeit”, “Ganzheitlichkeit” – oder gleich Begriffswolkentürmen wie “Klimagerechtigkeit” oder “feministische Perspektiven”. Dauerhafte bauliche Manifestationen als konkrete Referenzpunkte rücken demgegenüber oft in den Hintergrund.

“Was machen eigentlich Kollektive?”, fragte das Fachmagazin BAUWELT im Jahr 2018 junge Hochschul-Absolventen aus Berlin und Darmstadt, die sich in fluiden Zusammenhängen rund um die Architketur zusammentun.
Die kurze Antwort: Vielfach geht es um soziale Utopien zwischen fliegenden Bauten, kollaborativem Design, frei flottierender Kreativität, politischer Propaganda und allgemeiner Gesellschaftsbeglückung. Aktivismus und Aktionismus bestimmen die oft kurzlebigen Produktionen.
So schildert in der BAUWELT etwa die Kollektivistin Annika Neubauer: “Beim ‘Great Escape’, der sich mit der Flüchtlingsdebatte in Europa auseinandersetzt, mussten wir eine Struktur entwickeln, die kompakt transportiert werden und sich gleichzeitig großzügig entfalten kann. Was am deutlichsten in Erinnerung bleibt, sind die Tage zwischen den Aktionen. Für eine Nacht wurden wir von einer syrischen Flüchtlingsfamilie aufgenommen. An einem anderen Tag hat uns ein Landwirt seinen Generator geschenkt, da unserer kaputt gegangen ist. Genau diese Erfahrungen treiben uns an.”

Menschliche Wärme statt Vereinzelung, Hierarchiefreiheit statt Ausgeliefertsein an einen immer gnadenloseren Arbeitsmarkt – darin liegt gerade für junge Menschen die Verlockung des Kollektivs. Häufig aber nur bis zu einem gewissen Punkt im Berufsleben – etwa, wenn eigentlich eine Familiengründung anstünde. Tragfähige Existenzgrundlagen bringt der real existierende Kollektivismus nämlich eher selten hervor.
“Wie bestreitet ihr mit der Arbeit im Kollektiv euren Lebensunterhalt?”, fragt die BAUWELT abschließend, worauf Neubauer retourniert: “Gegenfrage: Kann man von Architekturjournalismus leben?”
Ein Glück, dass sich diese Notwendigkeit in der kommenden Zeit der kollektiven Fürsorge durch Staat und globale Großunternehmen gar nicht mehr ergeben wird. Das bedingungslose Grundgehalt steht schon bereit.

 


Oliver Driesen ist Journalist und Buchautor in Hamburg. Er schreibt über gesellschaftliche und wirtschaftliche Themen. www.oliverdriesen.de

 

 

 


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Redaktion:

Kommentare anzeigen (10)

  • Jugendliche stehen eher dem politisch Linken nahe. Mit samt seinen Auswüchsen wie Enteignungen, einem fürsorglichen Sozialstaat, Kollektiven, seiner Radikalität usw. Das kenne ich von mir. Und ich finde das auch nicht schlimm oder merkwürdig.

    Wenn allerdings Erwachsene solchen Ideen nahestehen, kann ich mich nur wundern. Üblicherweise endet die jugendliche Naivität mit dem Empfang der ersten eigenen Gehaltsabrechnung und der Verwunderung darüber, welche Abzüge man hinnehmen muss.

    Oder wie bei mir, als ich auf dem Weg zur Hochschule täglich mit der S-Bahn gegen 6:30 Uhr den Bahnhof Hermannstrasse passiert habe. Und zu sehen wer dort morgens am Bahnhof still und müde steht und welche Klientel dort um 16 Uhr lachend und tanzend steht.

    Der Gerechtigkeitsgedanke ist ein Mächtiger und lässt so manche Narretei in einem anderen Licht erscheinen.

  • Der Linke kennt nur das Kollektiv; den Einzelnen nur als Mitglied eines solchen, nicht aber als einen frei geborenen, selbstverantwortlichen Menschen.

  • Das Schweifen in der Ferne,

    das Klimaretten, Coronaretten und die Gerechtigkeit für Alle. Was zählen da verspätete oder ausgefallene Züge oder Busse. Impfzwang der ddr-demokratischen Sorte. Es zählt das WIR für alle. Zusammen gegen die Blässe; und zusammen mit Marx, Stalin, Mao, Architektur, Wissenschaft, Lenin, im Kollektiv des „Great Reset“, mit Ärzten und Hosen, mit der SED und der RAF zusammen ist das Ganze ja nun wirklich alles andere als „blass“. Es ist sogar ausgesprochen bunt.

    Zählt denn noch Schmerz und Beschwerde, wenn ihnen das Gute gelingt; wenn man den Ärmsten der Erde, Freiheit und Frieden erzwingt. Es hört sich in Hochglanz gut an, allerdings hat so manche Frau und so mancher Mann in den dunklen Ecken der Republik längst auf die harte Tour erfahren müssen, was “Sharing Economy“ so alles mit sich bringt.

    In diesem Text steht alles drin, was reingehört. Grandios. Gratuliere!

    • *Menschliche Wärme statt Vereinzelung, Hierarchiefreiheit statt Ausgeliefertsein an einen immer gnadenloseren Arbeitsmarkt – darin liegt gerade für junge Menschen die Verlockung des Kollektivs. Häufig aber nur bis zu einem gewissen Punkt im Berufsleben – etwa, wenn eigentlich eine Familiengründung anstünde. Tragfähige Existenzgrundlagen bringt der real existierende Kollektivismus nämlich eher selten hervor.*

    Das stimmt. Auch da hat er empfindlich getroffen, der Herr Driesen.

    Leider werden auch diesen Text wieder viel zu wenige Leute lesen, da Kollektive der (real existierenden) sozialistischen Arbeit darüber wachen, was die Leute lesen und in den Supermärkten kaufen dürfen. Beispielsweise Kollektive aus dem Dunstkreis der so genannten „Gewerkschaften“.
    https://zako.verdi.de/themen/++co++4ed3a26c-2178-11e3-be27-525400438ccf
    Von anderen paritätischen Sozialverbänden und –kollektiven mal ganz zu schweigen - oder vom Infotainment im neuen, besten Deutschland ever. Da gehen heute die Geißler, Bilderstürmer und Gleichstellungstaliban um. Im Kreise der "demokratischen Parteien", naürlich.

    Wer die Menschheit verteidigt, der hat eben immer Recht; so, aus Leninschem Geist, wächst, von Stalin geschweißt, die Partei - die Partei - die Partei.

    Nun, liebe BRD-Demokraten in den Institutionen des Landes, bei CDU/CSU, SPD und FDP: Leider habt ihr euch von DDR-Demokraten „gegen Rechts“ (also gegen die BRD) umprogrammieren lassen, und zusammen habt ihr das Land umprogrammiert; und das ist der tiefere Grund, weswegen ihr heute noch mit den „WIR“ zusammen am Tisch sitzen dürft. Das heutige „weltoffen“ heißt nämlich übersetzt im Grunde: sturmreif. Die Leute der AfDDR haben leider den Laden übernommen - und die Mutter der Massen schützt sie.

    Guten Morgen also, CDU/CSU, FDP und SPD
    (tja, und übrigens gehört diesen „Wir“-Leuten längst auch euer Laden).

    Mir ist das Ganze längst zu bunt: „Bevor du die Welt verbessern willst, geh dreimal um dein Haus“ (aus China). Der Rest ist schreiben. Und wählen.

  • Sie schreiben: "Es scheint, als ob eine Generation herangewachsen ist, die mit dem Klang des Wortes Kollektiv ganz arglos nicht länger das verbindet, was etwa gestandene DDR-Bürger und erst recht die Dissidenten des SED-Staates damit assoziieren: Einverleibung, Entdifferenzierung und Entmündigung, Ineffizienz und Vetternwirtschaft, Gängelung und Gleichschaltung. Die Frage ist, wie das Wort im demonstrativ anti-totalitären Deutschland seine vermeintlich fest etablierte Warnwirkung einbüßen und zu einem positiv aufgeladenen Sehnsuchtswort mutieren konnte." Das zeigt, wie ernst es links-grün globalistischen Konstruktivisten mit der Zerstörung der evolutionären Errungenschaften einer Nationalkultur und einer nationalen Zivilisation ist: Das manipulier- und kontrollierbare Kollektiv als Gegenstück und Ersatz der Familie, dem zu verdammenden Schutzraum der Identität und des Konservativen. Der provokatorische Flirt von "Kulturschaffenden" und Architekten mit dieser kommunistisch konnotierten und missbrauchten Vokabel zeigt, dass die kritischen Geister des Antikommunismus erfolgreich ausgetrieben wurden. Links- globalistische Propaganda hat es vermocht, Antikommunismus semantisch mit Demokratiefeindlichkeit zu verschweißen. Die Illusion, der Drang der Marx-Lenin-Stalin-Jünger "aller Länder" sei durch die katastrophalen und blutigen Folgen sozialistischer "Revolutionen" endlich zur Ruhe gekommen, ist fatal. Das sieht man, um bei den Architurkollektiven zu bleiben, auf den ersten Blick: Wo sie sich bei der Gestaltung und Planung im Städtebau entfalten dürfen, spürt man den eiskalten Hauch der Diktatur und der Menschenfeindlichkeit. Der für demokratische Gesellschaften wichtige öffentliche Raum ist der Raum, in dem sich Bürger wohlfühlen. Sozialistisch-konstruktivistisch veranlagte Architektenkollektive verfassen Bewerbungs-und Deutungslegenden für ihre Von-oben-Projekte und bringen ihren Kulturfrevel notfalls für die Klimarettung, gegen Rassismus und für den Schuldkult in Stellung. Das wird dann als "Zeichen" gegen das rar gewordene Kulturerbe gestellt und als das Ergebnis zu Beton gewordener "kollektiver" Bemühungen gefeiert. Der Palast der Republik ist ein Jahr zu früh abgerissen worden. Das Humboldt-Forum ist ein perfides Gewächs des Klitter-Konstruktivismus. Ein Propaganda-Hohlkörper, eine kalte Simulation von öffentlichem Raum, das Abbild der Hybris einer hochverschuldeten europäischen Hauptstadt, die ihr Versagen vertuschen will, während ein sozialistischer Bundespräsident in einem echten Schloss und der SPD-Kanzlerkandidat sein Leben in einem schlossähnlichen Anwesen in Potsdam fristen muss. Immer wenn wieder einmal eine Diktatur des Proletariats und des "demokratische Zentralismus" (Lenin) - beides contradictiones in adjecto! - wieder einmal scheitert, sind ihre Hinterlassenschaften auch in Form von größenwahnsinnigen Bauwerken zu bewundern. Es wäre ein Segen, wenn die Geschichte sie gar nicht erst zum Zuge kommen ließe.

  • Ausgezeichneter Beitrag über ein beunruhigendes Thema. Wer sich dem Kollektivismus mit satirischer Begleitung nähern möchte, versuche es mit dem Roman "Das hündische Herz: Eine fürchterliche Geschichte" von Michail Bulgakow. Geschrieben 1925, erschien das Buch erstmals 1987 in Russland.

  • Linkssein ist von einer Ideologie beseelt, die dem Individuum feindlich gesonnen ist. Und weil es sich um eine Ideologie handelt, werden Linke nie aufhören mit dem Kollektivieren, Gleichmachen und Uniformieren. Der linke Weg führt ins Lager, weil das Kollektiv nirgendwo so rein gelebt wird wie im Lager. Auf einem Schild in einem der Gulags, die Lenin geschaffen hatte, stand: "Der Weg nach Hause führt durch die Arbeit." Das sollte uns zu denken geben. Die groteske Wendung, dass nun verantwortungsscheue, egoistische, gezierte und verwöhnte Kinder (jeden Alters) ins Kollektiv flüchten wollen, lässt mich hoffen, dass der Spuk schnell vorbei ist. Möglich ist aber auch, dass gerade dieser Typus in seiner Bedürftigkeit den Weg bis zum bitteren Ende geht. Ich danke Ihnen für diesen wertvollen Artikel, Herr Driesen.

  • I lese mir das hier durch, ich schaue mir einen intelligenten Kommentar von Farage zu Energiepreisen und Inflation an, und eigentlich weiß ich es alles, eigentlich ist es mir alles längst klar: We are fucked. Alles wird totalitärer werden, unten werden die Menschen enteigenet und entrechtet, oben lebt eine sattgefressene, oligarchische Oberschicht, jenseits aller Demokratie und aller Regeln. Äußere Emigration gibt es nicht mehr, so bleibt nur noch die innere, das Aufgeben, das Ignorieren, das Selbstbelügen. Isch over.

  • Sie bringen mich immer wieder zum Überdenken sicher geglaubter Wahrheiten und erworbener Lebenserfahrung, sehr geehrter Herr Wendt. Ich bin nicht ganz sicher, ob ich Ihnen dafür dankbar sein sollte.

  • Sehr geehrter Herr Driesen, wieder eine sehr interessante Abhandlung mit geschichtspolitischem Hintergrund, vielen Dank dafür. Ich lese Ihre Artikel immer sehr gerne. Aber an dieser Stelle möchte ich noch etwas hinzufügen.
    Die Sehnsucht unserer Jugend nach dem Aufgehen des Individuum im Kollektiv hat meiner Meinung nach andere Ursachen. Hier handelt es sich symptomatisch um die Abkehr vom Leistungsprinzip, das Kollektiv als quasi-Schutzraum für Versager. Das beginnt so schon in der Schule, glauben Sie mir ich habe Kinder! In der Gruppe können Kompetenzlosigkeit und Versagensängste sehr schön verborgen werden.

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