Zu Weihnachten und über den Jahreswechsel gibt es für die meisten mehr Zeit und Ruhe als sonst. Die Regierung hilft dabei noch ein bisschen nach. Aber auch ohne verordnete Kontaktbeschränkungen gehören die Tage am Jahresende dem Rückzug nach innen. Dafür empfehlen die Publico-Autoren und die Redakteurin Geschenke – für andere und Sie selbst. Allen Lesern viel Vergnügen und ein frohes Fest!
Bernd Zeller, Cartoonist von Publico:
Tierfarm
Absolut empfehlenswerte Lektüre, zum Verschenken oder sich wünschen, die beiden George-Orwell-Klassiker im Original. Schul-Englisch genügt. Viele wollten sowieso schon länger eine Booster-Lesung vornehmen, da passt es ganz gut, die Süßigkeiten von Weihnachten danebenliegen zu haben, um weiterzulesen.
Vieles lässt sich eben nicht im Deutschen so präzise treffen und schon gar nicht mit einer zeitgemäßen Übersetzung. Orwells Sprache ist zeitgemäßer. „He had won the victory over himself. He loved Big Brother“ ist schärfer und härter als „Er hatte den Sieg über sich errungen. Er liebte den Großen Bruder.“
Gerade was die Beziehungen des Individuums zur Macht angeht, verschlägt zuweilen den Atem. Verblüffend, dass es Doublethink schon vor den Grünen gab.
Dass „Animal“ Farm mit Body-Shaming endet, erkennen wir auch nur dank jahrelanger Beschallung mit Newspeak.
Jürgen Schmid, Wörterbuch-Autor:
Jürgen Schmid ist Historiker und freier Autor. Er lebt in München.
Traumzeit
Wer der pseudo-objektiven Zahlenkolonnen müde ist, mit denen Allwissende im Namen „der Wissenschaft“ uns die Welt erklären, wem die epochale Erkenntnis der Physiker, des Menschen Kern ließe sich in den Atomen finden, Zweifel verursacht, wen es mit dem Theologen Hermann Timm anficht, wie „die Welt zur mathematisch reinen, sinn- und gefühllosen Räson gebrachtwerden soll“, wen der menschgemachte Zaun beengt, welcher den Segen berechnender Zivilisation vor „irrationalen“ Mythen zu schützen hat, der möge den Ethnologen Hans Peter Duerr auf seiner Reise in die „Traumzeit“ begleiten – vorausgesetzt, er ist bereit, sein Auto „stehen zu lassen und zu Fuß weiterzugehen, wo der Urwald beginnt“.
Hans Peter Duerr, Traumzeit. Über die Grenzen zwischen Wildnis und Zivilisation (1978)
Oder man wärme sich an der „Ergriffenheit“, die Leo Frobenius – ein Urgestein der Ethnologie – einem weit verbreiteten mechanistischen Menschenbild entgegensetzt.
Bernhard Streck, Leo Frobenius. Afrikaforscher, Ethnologe, Abenteurer (2014)
Freunden literarischer Reiseberichte schließlich sei das Eintauchen in fremde Welten gerne auch in Romanform empfohlen …
Bruce Chatwin, The Songlines (1987), deutsch: Traumpfade (1990)
Oliver Driesen, Autor:
Oliver Driesen ist Journalist und Buchautor in Hamburg. Er schreibt über gesellschaftliche und wirtschaftliche Themen. www.oliverdriesen.de
Notbetrieb
Machen Sie das Beste aus Diesel-Fahrverboten und Energiekrise: Mit einem kompakten Diesel-Notstromaggregat Diesel-Notstromgenerator Güde GSE 5501 DSG können Sie (vorerst) weiter Ihren Lieblingstreibstoff tanken und Ihr von Sonne und Wind verlassenes Zuhause trotz aller Widrigkeiten in weihnachtlichem Lichterglanz erstrahlen lassen. So schlagen Sie im Winter zwei Fliegen mit einer Klappe! Wenn es vergleichsweise günstig in der Anschaffung, aber auch sparsam im Verbrauch sein soll, kommt etwa das Kleinkraftwerk Güde GSE 5501 DSG in Frage. Der 14,5-Liter-Tank reicht für gut sieben Stunden Betrieb aus, die Abgabe von 3.300 / 5000 Watt an die beiden integrierten 230 V-Steckdosen (ebenfalls vorhanden ist eine zu 400 V) genügt für das Wochenendhäuschen oder, bei sparsamem Betrieb, für ein kleines Eigenheim. Allerdings sollte es einen Keller besitzen, denn das Güde ist mit 96 dB(A) ziemlich laut. Der kleine blaue Hausfreund kommt auf vier Rollen, was ihn leicht transportabel macht. Unverbindliche Preisempfehlung des Herstellers: ca. 1.700 Euro. Das einzige Problem: Ein Anruf bei Güde ergab, dass Bestellungen im Fachhandel aufgrund der „angespannten Lage auf dem Weltmarkt“ derzeit drei bis sechs Monate Wartezeit mit sich bringen. Aber daran gewöhnen wir uns ja derzeit ohnehin. Sehen Sie es positiv: jetzt den Gutschein schenken, einsatzbereit dann zum Fest 2022 – doppelte Weihnachtsfreude!
Die Publico-Redakteurin in Berlin:
Wunderwerk
Wem fällt in der nächsten Stunde ein wissenschaftliches Sachbuch von fünfzehnhundert Seiten ein, das als Hardcover bei C. H. BECK, dem Erstverlag, seit 90 Jahren (-12) am Markt ist und heute in neu € 25 kostet? Es muss sich hier um einen Autor handeln, der nicht das Kauderwelsch des akademischen Betriebs sondern in kristallklarem, elegantem, amüsantem Deutsch schreibt, einen Bildungshorizont von 1348 aufwärts überblickt, nein, nicht überblickt sondern erlebt und – nicht genug der Verrücktheit – auch noch der Fachwelt als immergrüner locus classicus gilt. Dies unwiederholbare Exemplar eines Wiener Privatgelehrten sprang am 13. März 1938 aus dem dritten Stock, als die SA den “Jud’ Friedell” verhaften wollte. Man kann dies Wunderwerk von Buch an jeder beliebigen Stelle aufklappen, für den Rest des Abends sich festlesen, und bekommt kulturelles Erbe nicht als Pflicht beschert. Sondern als Glück.
Alexander Wendt:
Stille
Was empfiehlt der Autor dem Publikum, das ja schon alle Empfehlungen – Lektüre und nötige Stromversorgung – bekommen hat? Er empfiehlt neben dem oben genannten Leserstoff noch zwei Klassiker: zum einen Henry James „Die Gesandten“, der Paris-Roman schlechthin, wahlweise oder zusätzlich Guiseppe Tomasi di Lampedusas „Gattopardo“, zwei Romane, die eigentlich das gleiche Thema behandeln: Die Zeit, genauer: ihr Verstreichen, ihr Ablauf, und die Erneuerung, die sie mit sich bringt. Beide sollen allerdings nur Zutat zu dem angekündigten garantiert kostenlosen Geschenk an sich selbst sein: Wenn Sie sich mit Lewis Lambert Strether in das Paris oder in das Fürstenhaus der Salina auf Sizilien und hier wie da in die 1860er Jahre begeben (oder mit einem anderen Buch woandershin), dann dimmen Sie am besten in dieser Zeit Ihren Medienkonsum auf das Allernötigste, also (bis auf gut begründete Ausnahmen) ebenfalls auf den Stand von 1860. Was bedeutet: kein Fernsehen, kein Netflix, keine Nachrichtenseiten im Internet (außer ein, zwei Lieblingsportalen vielleicht). Es braucht ein paar Tage, bis Sie die Erregungswellen wirklich nicht mehr spüren.
Sie verpassen nichts. Auch die Stille hat ihr Geräusch: ein leichtes Rauschen in den Ohren.
Wer fürchtet, der Tipp und vor allem die Praxis wäre zu esoterisch: Auch diese Ruhe geht schnell wieder vorbei, und der Lärm von Draußen schon früh genug wieder los.
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Ein kleiner Hinweis zum sehr lesenswerten '1984" von Orwell: Es gibt, kein Scherz, eine Neuübersetzung mit einem Vorwort ausgerechnet vom Obergrünen Robert Habeck. Dort, so erlebe ich es, hetzt er in unerträglich intoleranter und selbstüberhöhender Weise gegen Andersdenkende und macht sich somit unfreiwillig zu genau so einer dieser absurden doppelmoralischen Figuren, wie sie im Roman beschrieben werden.
Was zeigt, dass Habeck, der Buchautor, den Sinn des Orwell'schen Werks gar nicht verstanden hat. Was uns wieder wertvolle Bestätigungs-Information über den Intellekt dieses deutschen Spitzenpolitikers liefert.
Da hier jetzt schon "1984" und "Animal Farm" empfohlen wurden, auch meinen Tipp zu Orwell: das relativ unbekannte "On the Road to Wigan Pier", von Orwell 1937 veröffentlicht.
Keine grosse Literatur, aber in weiten Teilen ein sehr amüsantes Buch über linke Salonbolschewiken, "cranks", "freaks", "loonie lefts" und andere durchgeknallte Clowns. Durchpolitisierte Theorie-Menschen, denen ein Wesen aus der normalen arbeitenden Bevölkerung so fremd ist wie ein Alien aus fernen Galaxien.
Wenn man diese Darstellungen liest, glaubt man, das Buch wäre gerade erst geschrieben worden und Orwell würde unser linksgrünes "juste milieu" kennen.
Und wenn ich zu den Büchern von Orwell noch etwas anmerken dürfte: Man bekommt sie alle kostenlos und legal als Ebooks im Format Epub, Mobi und PDF, da das Copyright lange abgelaufen ist. Für Übersetzungen mag dieses nicht gelten.
Die guten Willens sind
*Auch die Stille hat ihr Geräusch: ein leichtes Rauschen in den Ohren.*
So ist es.
Die Menschen brauchen keine Führung, sie brauchen Begleitung.
Danke.