Die öffentliche Kommunikation in Deutschland über Wirtschaft funktioniert im Prinzip sehr einfach. Auf der einen Seite – oder vielmehr auf der einen Ebene – versammeln sich Inhaber von Posten in Politik, Medien und Organisationen. Darunter erstreckt sich die Ebene der Unternehmer, Selbständigen und Arbeitnehmer, also derjenigen, die ihr Gehalt in irgendeiner Weise erarbeiten müssen. Wobei, was heißt: erstreckt? Dieser Teil der Gesellschaft schrumpft gerade beträchtlich.
Wie schon Kurt Tucholsky so ähnlich sagte: Das spätbundesdeutsche Ideal besteht darin, in einem Ministeriumsbüro, einer Sendeanstalt oder am besten vor der Kamera in einer Talkshow zu sitzen. Und das spätbundesdeutsche Schicksal darin, vor dem Fernseher beziehungsweise am Katzentisch in einem Studio zu hocken und erläutern zu müssen, warum die seit soundsoviel Generationen in Familienbesitz befindliche Bäckerei leider nicht mehr gut läuft. Angehörige der letzteren Gruppe haben sich durch ihre Berufsentscheidung selbst in Schwierigkeiten gebracht. Und erstere bei ihrer Professionswahl darauf geachtet, dass dadurch nur andere leiden. Wer von beiden steht wohl besser da, gerade in der Krise?
Unternehmer, die angesichts der Energiekosten hin und her rechnen, wie und ob sie ihr Geschäft fortsetzen sollen, erhalten von der Ebene Eins trotz ihres Leichtsinns nützliche Ratschläge und Handreichungen. Beim öffentlichen Reden über Wirtschaft handelt es sich also um einen dieser berühmten Top-Down-Prozesse. In der Sendung von Frank Plasberg durfte kürzlich die Inhaberin einer Hannoveraner Bäckereikette ihre Lage schildern. Das Unternehmen existiert seit 90 Jahren, es beschäftigt – noch – mehrere Dutzend Angestellte. Da die Energierechnung im September 2022 aber fast zehnmal so hoch ausfällt wie vor einem Jahr, die Preise für Brot und Kuchen sich aber nicht beliebig steigern lassen, muss die Firma möglicherweise bald schließen. Das Thema der Plasberg-Sendung lautete: „Atomkraftwerke weiterlaufen lassen?“ Zumindest die Redaktion schien also einen Zusammenhang zwischen dem Weiterbetrieb der drei verbliebenen Kernkraftwerke, dem Strompreis und der Weiterexistenz von Bäckereien und anderen klein- und mittelständischen Unternehmen zu erkennen.
Das gilt nicht unbedingt für die anderen Teilnehmer der Sendung, die ausschließlich aus der oben beschriebenen politisch-medial-institutionellen Sphäre stammten.
„Wir brauchen die AKW nicht“, erklärte Hermann-Josef Tenhagen, einer der Talkshowgäste und Chefredakteur der Plattform „Finanztipp“. Der Noch-Bäckereikettenbesitzerin erläutert Tenhagen im Detail: „Sie erhalten hohe Angebote für Strom bereits jetzt, obwohl es die AKW noch gibt“, wobei er mit „Angebote für Strom“ den Strompreis meint, den die Bäckerei zahlen muss.
Die Strompreise in Deutschland befinden sich derzeit auf einem historischen Hoch, so hoch, dass es die Existenz von hunderten Firmen bedroht, von dem Stahlhersteller AcelorMittal bis zu vielen kleineren Betrieben. Wenn ein Gut sowieso schon knapp und teuer ist, dann führt eine weitere Verknappung zu noch höheren Preisen. Für diese Schlussfolgerung muss eigentlich niemand einen größeren intellektuellen Aufwand betreiben. Tenhagen argumentiert dagegen so: Wenn der Strompreis jetzt schon hoch ist, können problemlos noch einmal 4,2 Gigawatt gesicherte Grundlast abgeschaltet werden, ohne dass der Preis dann noch weiter steigen und Unternehmen reihenweise unter Wasser drückt. Denn: Die Preise haben ihre Steigerung ja schon hinter sich.
Aus Gründen, die er nicht weiter ausführt, scheint Tenhagen also entweder zu glauben, dass Strom
1) ab irgendeinem Punkt zwar knapper, aber nicht mehr teurer werden kann.
Oder 2), dass privatwirtschaftende Leute wie die Bäckereikettenbesitzerin mit ihren Klagen übertreiben und am Ende doch noch irgendein Schlupfloch finden. Möglicherweise kalkuliert er auch ganz ähnlich wie das Bundeswirtschaftsministerium
3) die energiepreisdämpfende Wirkung von Betriebsstillegungen und Insolvenzen stillschweigend ein. Wer nichts mehr produziert, verbraucht schließlich auch keine Energie.
Bei Tenhagen handelt es sich um einen Journalisten mit Politikwissenschaftsdiplom, einen Ex- Wirtschaftsredakteur der taz und um ein aktives Aufsichtsratsmitglied von Greenpeace. In der Fernsehrunde übernimmt er die Rolle des Wirtschaftssachverständigen, außerdem auch die des Atomkraftexperten, der erklärt, dass die deutschen Atomkraftwerke auch deshalb nicht weiterlaufen dürften und könnten, weil die Frage der Endlagerung von Abfällen seiner Meinung nach nicht gelöst sei. Wie es kommt, dass weltweit Regierungen ganz unterschiedlicher Ausrichtungen – darunter sogar die moderat-links-grüne in Finnland – diese Lagerung durchaus für machbar halten, vertieft der Moderator nicht.
Mit seiner Ansicht, eine abermalige politisch gewollte Angebotsverknappung von Energie könnte sich gar nicht auf die Preise auswirken, denn die wären ja jetzt schon hoch, steht Tenhagen im Milieu der deutschen Sonderwirtschaftsexperten nicht allein. Im Gegenteil, es handelt sich dort um die Einheitsmeinung. Auch der grüne Bundestagsabgeordnete und wirtschaftspolitische Sprecher der Fraktion Dieter Janecek, ebenfalls Absolvent eines Politikwissenschaftsstudiums und anschließend durchgehend für die Partei tätig, vertritt die Ansicht, wenn es einen nennenswerten Effekt der Atomkraftwerke auf den Strompreis gäbe, dann müsste man ihn ja jetzt sehen.
Da er ihn nicht sieht, kommt er zu dem Schluss, dass die Anlagen abgeschaltet werden können, ohne dass dieser Schritt den Strompreis noch einmal nennenswert nach oben treibt. Das ist logisch etwa so zwingend, als würde ein Trinker nach einer halben Flasche Schnaps sagen, eine weitere Flasche Wodka oder auch zwei könnten seinen Alkoholspiegel im Blut gar nicht mehr erhöhen, denn besoffen sei er schon jetzt.
In der Psychologie heißt dieses Phänomen ‘formale Denkstörung‘. Möglich ist sie mit und ohne Alkohol.
Auch der hessische Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir macht der Bäckereiketteninhaberin bei Plasberg deutlich, dass allerhöchstens zwei der drei Kernkraftwerke allerlängstens bis zum Frühjahr 2023 laufen dürften. Da sie nur fünf Prozent des Strombedarfs decken könnten, seien sie nicht wichtig. Die Bäckereiunternehmerin und andere Firmeninhaber in ihrer Lage werde der Staat mit Hilfsprogrammen unterstützen. Also mit Zahlungen aus Steuergeldern, die unter anderem die Bäckereikette und andere Betriebe erwirtschaften, zumindest dann, wenn sie noch arbeiten.
Grundsätzlich, so Al-Wazir, müsste der Betrieb von Kernkraftwerken in Deutschland aber enden. Das sei erstens so beschlossen und zweitens zentraler Grundsatz seiner Partei:
“Wenn ich das mal so sagen darf: Dafür haben wir uns gegründet.“ Ihr zweiter Daseinszweck besteht darin, die größte Volkswirtschaft Europas in eine Zukunft zu führen, in der Wind und Sonne die Energieversorgung sicherstellen.
Auch die Backwarenkette in Hannover wurde einmal für einen Zweck gegründet. Aber erstens zu ganz anderen Zeiten, nämlich vor 90 Jahren. Und zweitens nicht für gesellschaftsverändernde Zwecke, sondern im weitesten Sinn für gesellschaftserhaltende.
Wirtschaftsminister Al-Wazir studierte genauso wie Wirtschaftsexperte Tenhagen und der wirtschaftspolitische Sprecher Janecek Politikwissenschaften. Wie bei Janecek und vielen anderen Kollegen, die gerade die viertgrößte Volkswirtschaft der Welt ein bisschen mitsteuern, findet sich in seiner Erwachsenenbiographie so gut wie keine Station außerhalb der Berufspolitik.
Zur Frage, ob die Energie im sehr bald kommenden Winter überhaupt ausreicht, von den Preisen einmal abgesehen, meinte der hessische Wirtschaftsminister in der Plasberg-Sendung, die Versorgung sei gesichert. Seine Erklärung zur Stromversorgung, die Aussage, mindestens eins der drei Atomkraftwerke auf jeden Fall abschalten zu wollen, die Vorbereitungen der Berliner Polizei auf einen Blackout mit Unruhen und Plünderungen und die Aussage der Grünen-Parteichefin Ricarda Lang, es gebe ja auch das Mittel des Lastabwurfs, also der gezielten Abschaltung von Unternehmern oder einer ganzen Großstadt – das alles steht in Deutschland gerade gleichzeitig nebeneinander. Und fast zeitgleich mit der Atomkraft-brauchen-wir nicht-Auskunft eines Wirtschaftsministers warnt der Netzbetreiber Amprion vor einer Lastunterdeckung, wie Strommangel vornehm heißt.
Lassen die Energiepreise wider Expertenerwartung den kleinen und mittleren Unternehmen, die nicht ins Ausland fliehen können, doch keinen Spielraum mehr, und helfen auch keine steuerfinanzierten Programme beim Überleben vieler kleiner steuerabführender Firmen, dann wissen die Inhaber spätestens seit dem Auftritt von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck bei Maischberger, was sie zu tun haben. Sie sollten vorübergehend die Produktion einstellen, um sie später gegebenenfalls wieder aufzunehmen. Eine größere Zahl von Politikern, Journalisten und auf Twitter tätigen Wirtschaftsberatern bekräftigten anschließend, der Minister habe völlig Recht mit seiner Aussage, eine Betriebseinstellung sei auch ohne Insolvenz möglich.
Das stimmt ja auch. Nur dürfte die Wiederaufnahme der Wirtschaftstätigkeit nach einigen einnahmelosen Monaten für die meisten kleinen Unternehmer ein Problem darstellen, etwa für Bäcker. Volkswirtschaftlich wirkt sie sich erst einmal genauso schädlich aus wie eine Insolvenz. Wertschöpfung und Arbeitsplätze gehen verloren. Und wer Bankkredite zu bedienen, Ladenmieten und Versicherungen zu zahlen hat, wer Lieferverträge eingegangen ist, kommt meist um eine Insolvenz nicht herum, wenn ihn die laufenden Kosten nicht erschlagen sollen. Das wissen die Bäcker. Robert Habeck wusste es entweder nicht, oder er entschied sich bei Maischberger dafür, die Lebenswirklichkeit von Leuten nicht zur Kenntnis zu nehmen, die überwiegend nicht zu seinem Milieu gehören. Darauf reagierten diese Leute mit Kritik beziehungsweise mit der haltlosen Unterstellung, ein Kinderbuchautor und Wirtschaftsminister wäre irgendwie auch für ihre Belange zuständig.
Der Chef vom Dienst bei der Plattform T-Online Carsten Werner weist diese Art von Regierungskritik souverän zurück und verdeutlicht Bäckern und anderen Unternehmergestalten, wie wenig Ahnung sie haben, und wie richtig Habeck liegt. Denn:
Natürlich können Unternehmer auch ohne Insolvenzantrag ihren Geschäftsbetrieb einstellen. Es trifft auch zu, dass so etwas jeden Tag in Deutschland passiert. Möglicherweise sogar irgendwann bei T-Online. Ungefähr so wie Werner hätte auch jemand Kritik an der unterbliebenen Warnung vor der Flut im Ahrtal und dem folgenden Desaster mit dem Argument zurückweisen können: Ja, es ist möglich, dass Menschen ertrinken, sogar dann, wenn sie keine Nichtschwimmer sind. So etwas kommt immer wieder vor.
Weder der körperliche noch der geschäftliche Untergang sind an formale Voraussetzungen gebunden. Sondern nur an die konkrete Bedingung, dass den einen die Luft und den anderen das Geld ausgeht.
Auch Jürgen Döschner vom WDR kennt die beiden journalistischen Kernaufgaben: Regierungsverteidigung und Kritik am Bürger. Er empfiehlt den jammernden Bäckern und anderen Unternehmern, sich einfach ein Beispiel an Amazon, Google und Apple zu nehmen. Die seien auch jahrelang ohne Gewinn ausgekommen und trotzdem groß geworden.
Dass die genannten Firmen in ihrer gewinnlosen Zeit allerdings nicht ihre wirtschaftliche Tätigkeit eingestellt hatten, vertieft der WDR-Redakteur ebenso wenig wie den Umstand, dass sich Bäcker ihr Kapital in der Regel nicht an der Börse und bei risikobewussten institutionellen Anlegern besorgen.
Jürgen Döschner studierte ausnahmsweise nicht Politikwissenschaften, sondern Journalismus und Geschichte. Er verbrachte – gerade fiel das Stichwort Risikobewusstsein – fast sein gesamtes Berufsleben im öffentlich-rechtlichen Rundfunk, gehörte der Wirtschaftsredaktion des WDR-Hörfunks an und übt heute das Amt des ARD-Klimaexperten aus. Döschner ist Träger des „Deutschen Solarpreises“, verliehen von der Lobbyorganisation Eurosolar. Im Jahr 2017 machte er sich außerdem durch einen Tweet bekannt, in dem er der „Automafia“ die „Vergasung zehntausender Unschuldiger“ vorwarf. Damals kritisierten ihn einige für seine Instrumentalisierung des Holocaust. Bemerkenswerterweise störte sich aber kaum jemand daran, dass es sich schon bei seiner Grundaussage über die angeblich zehntausend Dieseltoten in Deutschland um eine freie Erfindung handelte.
Die öffentliche Vorstellung von Wirtschaft prägen in Deutschland seit Jahren Wirtschaftsminister, wirtschaftspolitische Sprecher und Wirtschaftsjournalisten, deren Lebensläufe einander so ähneln wie die Videos koreanischer Popbands. Ein Wirtschaftsstudium und/oder praktische Erfahrung als Unternehmer oder Selbständiger findet sich in ihrer Biografie so gut wie nie.
Das Zusammenspiel zwischen Wirtschaftspolitikern, Wirtschaftsjournalisten und überhaupt Journalisten dieser Art funktioniert nicht nur in dieser Deindustrialisierungskrise reibungslos. Es folgt schon seit Jahren dem gleichen Muster. Immer steht ein großes gemeinschaftliches Projekt im Mittelpunkt, etwa die Energiewende zur Erlangung von unbegrenzt günstigem Strom zum Eiskugelpreis, die Zero-Covid-Strategie zur Austrocknung des Virus durch lange gründliche Lockdowns, oder eben neuerdings das Sparen von plötzlich sehr kostbarer und knapper Energie durch Verzicht und Herunterfahren der Wirtschaft. Immer erfordert das Projekt eine kollektive Anstrengung unter Führung von Staat und regierenden Parteien, die über einen Plan zur Umsetzung und unantastbare Prognosen verfügen. Mitarbeiter von Medien und begleitentende Akademiker sehen es nicht als ihre Aufgabe, diese Pläne auf Plausibilität zu prüfen, sondern vielmehr, die Vorhaben zu rechtfertigen, sie den Bürgern zu erklären und all diejenigen aufzuspüren und ins kritische Scheinwerferlicht zu stellen, die dem großen Schritt nach vorn im Weg stehen, entweder aus mangender Einsicht, oder – deutlich schlimmer – aus Bösartigkeit. Die Energiewendeberichterstattung der meisten Medien bestand und besteht immer noch aus Erfolgsmeldungen über den Kapazitätszubau bei Windkraft- und Solaranlagen, ohne je nach der tatsächlichen Erzeugung und der Speicherbarkeit zu fragen.
Im Weg stehen nicht etwa Physik und Betriebswirtschaft, sondern aus Sicht der Wohlmeinenden beispielsweise Bürgerinitiativen, die unter Berufung auf den Naturschutz gegen Windparks klagen.
In der Corona- Zeit konzentrierten sich die gleichen Medien auf die Erläuterung der Regierungsmaßnahmen und die Fahndung nach Bürgern, die illegale Kindergeburtstage feierten, verbotenerweise rodelten oder vor der Bundestagswahl behaupteten, es sei eine Impfpflicht geplant. Jetzt verbreiten die Narrativarbeiter Tipps zum kürzeren Duschen und energiesparenden Kochen. Immer gibt es einen guten Plan, den einzelne mit ihrem Unverstand gefährden. Alle Probleme gehen vom Bürger aus, alle Lösungen vom Staat.
Als der Bäckermeister Tobias Plaz aus Eutingen in Baden-Württemberg vor kurzem auf Facebook seine neue Energierechnung öffentlich machte, die ab Oktober eine Steigerung des monatlichen Abschlags für Gas von 721 von 2588 Euro vorsieht, hielt ihm einer der entsprechend geschulten Mitbürger vor, er habe sich eben schlecht vorbereitet. Mit erneuerbarer Energie und einem staatlich geförderten Blockheizkraftwerk würde das alles in Ordnung kommen. Plaz erwiderte, er habe schon eine Solaranlage auf dem Dach. Und ein Blockheizkraftwerk ergebe bei einer Bäckerei keinen Sinn, die erzeuge nämlich schon reichlich Abwärme. Die ließe sich zwar verwerten, aber eben nicht für den Betrieb von Backöfen.
In einer Diskussionsatmosphäre, in der Leute wie Al-Wazir, Janecek, Tenhagen oder die Transformationsökonomin Maja Göpel den Blick auf die Wirtschaft formen, kann ein Bäckermeister allerdings reden, was er will. Auf einen Kleinunternehmer, der nicht mehr weiterweiß, kommen in Talkrunden, Narrativmedien und sozialen Netzwerken mindestens zwei Experten mit Politikwissenschaftshintergrund, die ihm erklären, was er falsch macht, wenn es ihm schlecht geht.
Die Verachtung für Wirtschaft und Grundrechenarten wurzelt in Deutschland sehr tief. Der Unternehmer stellt nur den Spezialfall des problematischen Bürgers dar, das unternehmerische Handeln nur einen Spezialfall der problematischen Individualität.
Wie das Gesellschaftsbild im goldenen Dreieck von Berufspolitik, Medien und Nebenregierungsorganisationen (NGO) aussieht, verdeutlich eine schon jahrealte Comic-Serie der Bundeszentrale für politische Bildung, die Kindern, aber auch Lehrern politisches Grundlagenwissen vermitteln soll. Der Name der Serie lautet „Hanisauland“, denn in dem fiktiven Reich bauen Hasen, Nilpferde und Säue „gemeinsam eine Demokratie auf“, wie die Bundeszentrale sie sich vorstellt. Hanisauland, das sieht der Leser ziemlich schnell, entstand in der Ära Merkel, weshalb hier ein paar historische Ausschnitte vorgestellt werden sollen. Darin regiert eine stets bescheidene und vernünftige Nilpferdkanzlerin namens Bärbel das Gemeinwesen zum allgemeinen Nutzen, assistiert von einem Walross als Kanzleramtschef, das Züge von Peter Altmaier trägt.
Es regiert ferner eine Koalition von Parteien, die sich praktisch nicht voneinander unterscheiden. Opposition kommt nicht vor, allerdings gibt es die „Hasshasen“ mit Seitenscheiteln, die nicht im eigentlichen Sinn Politik betreiben, sondern unentwegt hassen und sabotieren.
Und es gibt noch „die Alten“, nämlich die Unternehmer. Ständig hecken sie krumme Geschäfte und Betrügereien aus, ihre Tätigkeit siedelt in unmittelbarer Nachbarschaft zur organisierten Kriminalität. Sie folgt also im wesentlich der Unternehmerdarstellung in „Tatort“-Produktionen.
In Hanisauland existiert auch eine Presse, vertreten durch Journalistinnen, bei denen es sich – kein Scherz – um die Nichten der Nilpferdkanzlerin handelt. Mal decken sie eine gemeine Fakenews über das Kanzleramtswalross auf, mal eine schmierige Machenschaft der Unternehmer. Was in Hanisauland überhaupt keine Rolle spielt, ist ein Parlament. Es gibt auch keine legitimen Interessengegensätze unterschiedlicher Milieus, die debattiert werden müssten. Auch keine sozialen Fragen. Sondern nur den vernünftigen Plan der Regierung einerseits, Saboteure andererseits und die Pressenichten, die das Schlimmste verhindern.
Als die Bundeszentrale für politische Bildung den Erziehungscomic vor Jahren begann, besaß er zumindest in Teilen noch normativen Charakter. Heute beschreibt er die Gesellschaft schon ziemlich wirklichkeitsgetreu. Zwar regiert jetzt nicht mehr Bärbel, aber ein Nachfolger, der auf ihr Erbe bauen kann.
Es ist eine Gesellschaft, in der Unternehmer höchstens als exotische Gestalten ihre Probleme ganz kurz beschreiben dürfen, um dann für das große Ganze mit ihren Interessen zurückzutreten. Energie gibt es im echten Hanisauland genügend, nebenbei laufen schon die Planungen für den Blackout. Geld kommt von der Regierung, deshalb nimmt der Staat mehr als 50 Cent von jedem Euro. Unternehmer sind nicht mehr diejenigen, die Werte schöpfen, sondern bestenfalls Empfänger von Hilfspaketen, die sie vorher bezahlt haben, im schlechtesten Fall Nichtproduzenten, die helfen, Strom und Gas zu sparen.
Alles in allem: Deutschland ist das Land, in dem Kleinunternehmer verzweifeln, und Politikwissenschaftler Zuversicht ausstrahlen.
Zumindest, was ihre Versorgung mit Gehältern und Sendezeit angeht.
Dieser Text erscheint auch auf Tichys Einblick.
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Johannes Goldmann
16. September, 2022Ich habe die beschriebene Bäckerdemonstration in Hannover aus Solidarität mit den Bäckern besucht. Während der Demonstration schwand aber meine Solidarität: zwar schimpften die auf der Bühne stehenden Bäckervertreter über hohe Energiepreise, Bürokratie (Kassenbonzwang) und die Coronaauflagen der letzten Jahre. Aber letztlich forderten sie von der Politik Almosen. Eine sichere, preiswerte Energieversorgung wurde nicht gefordert, die gescheiterte Energiewende, der Weiterbetrieb der Kernkraftwerke oder die Öffnung der Nordstream 2 wurden nicht thematisiert. Stattdessen durften Ministerpräsident Weil, Wirtschaftsminister Althusmann, der Vorsitzende der FDP-Fraktion und die grüne Spitzenkandidatin für die Landtagswahl auf der Bühne sprechen und Finanzhilfen ankündigen. Die Grüne wurde ausgebuht, die amtierenden Amtsträger beklatscht. Von der AfD, der fünften Landtagspartei war kein Vertreter geladen. Die Bäcker fügen sich leider ins Bild der späten Bundesrepublik ein: sie rufen nach dem Staat und wagen es nicht, die heißen Eisen anzusprechen.
Albert Schultheis
17. September, 2022Die Bäcker und Konditoren, heiße Eisen anpacken? Nein, das wagt keiner! Selbst die, denen der A**** längst auf Grundeis sitzt, glauben weiter an den Weihnachtsmann. Soll man mit denen Mitleid haben? Sie wurden und werden übelst betrogen und vera****t von denen, die sie sich gewählt haben, sie werden belogen und verschaukelt von den Medien, von den ÖRR, denen sie brav den monatlichen Zwangsobolus entrichten, und die sich an die Politiker anwanzen. Sie stehen früh auf, malochen weiter und wählen dieselben Metzger wieder, die ihnen das Fell abziehen. Auf die Idee, dass es eine Opposition gibt im Lande, die man wählen kann und die deshalb als Nazis und Rechtsterroristen diffamiert und unterdrückt wird – gerade weil sie Opposition sind (und nicht Kriecher wie der Merzel!) – auf die Idee kommen die nicht! Nein, Deutschland ist noch lange nicht fertig für die Kurswende.
E. Berger
18. September, 2022@Johannes Goldmann: Es ist – glaube – nicht fair, hier von DEN Bäckern zu sprechen. Es handelt sich vermutlich in erster Linie um deren Standesvertreter, denen es wichtiger ist, bei Politik und Medien Liebkind zu machen, als die Vertretung ihrer Basis. Habe ich jedenfalls so bei den vielen Organisationen (beginnend beim BDI) bemerken können.
Einzige mir bekannte Ausnahme: Die Kreishandwerkerschaft Anhalt Dessau – Roßlau mit ihrer Petition “Nordstream 2 statt Gasumlage”. Hat es aber Stand heute nicht einmal auf 10000 Unterstützer gebracht, weitere Unterschriften werden bestimmt noch angenommen.
NB: NGO = Nebenregierungsorganisationen, ein Treffer ins Schwarze!
Johannes Goldmann
18. September, 2022Die Demonstration in Hannover wurde tatsächlich von den Betreibern zweier Bäckereien organisiert (Bäckerei Künne und Calenberger Backstube). Der regionale Bäckerverband hat das nicht auf die Beine stellen können.
Oskar Krempl
16. September, 2022Eine wahrlich treffende Satire, wenn es nicht die reale Lage im Land des Untergangs (=Deutschland) beschreiben würde. Wenn ihr erlaubt, daß man alles mit Euch machen darf, wird man auch alles mit Euch machen.
Es ist allerhöchste Zeit, daß diese Ansammlung von idiotischen, parasitär lebenden akademischen Sesselfurzern nichts mehr zu sagen hat, andernfalls geht dieses Land endgültig und unwiderruflich den Bach runter.
In diesem Fall wird Euch allerdings niemand eine Träne nachweinen. Lediglich ein paar Seiten in den Geschichtsbüchern werden als warnendes Beispiel übrig bleiben.
Materonow
17. September, 2022Wie gut, daß wir diese naturkatastrophische Flut von Politikwissenschaftlern haben, die allen schwallwortig erklären können, was sie alles falsch machen. Der Blender Habeck sollte bei seinen Kinderbuchgeschichten bleiben, die ach so erbauend daherkommen. Als Wirtschaftsminister ist er eine Null wie alle seine Vorgänger, außer Ludwig Erhard, die in die überbezahlte Politikerpension gegangen sind.
I am Ei
17. September, 2022…da hat sich ja mit diesem Tenhagen, “Hermann-Josef” & Co. die richtige Mischpoke versammelt um uns für dera polit. Artverwandte einen einzuschenken. Und nein, die geben keinen aus !!!… Im Winter dann wenig Grundlast, die AKWs laufen ja bestenfalls leer, und dann im Frühjahr? Die Gasspeicher leer, wat, nu…. sindse da ja alle auf den Malediven und Kanaria, stört also nich. Die dümmliche Arroganz dieser Fressen ist dünkelhaft bis kriminell. Mal schauen ob die sich überhaupt noch trauen im Frühjahr dann aus dem Flieger zu steigen, da könnten Leute an der Bahnsteigkante stehen, …die schmeissen nicht mit Teddybären…
A. Iehsenhain
17. September, 2022Dieter Janecek stellte bereits 2018 bei der damaligen Bundesregierung eine wichtige Anfrage – allerdings nicht, ob Deutschland auf einen Blackout vorbereitet ist, sondern auf einen Kontakt mit Außerirdischen. Das war natürlich reine Ablenkung, denn er und die anderen grünen Männchen und Weibchen und Dings hatten die Parlamente schon längst infiltriert, um ihre Laien-Investitur durchzuziehen. Aus der Alien-Schule des Heiligen Klaus von Davos („penneträting de gawermentz“) schaffen es nur die besten Versager auf die Regierungsbanken. Das “Ministerium für Überschuss“ (unter Leitung von Ricarda Lang) fängt nunmehr an, zu rationieren. In der Zwischenzeit kann man sich beim Frieren mit „Hanisauland“ das trübe Gemüt wieder erhellen – mit der Schwester von Antje, die jahrelang beim Norddeutschen Rundfunk ihr Unwesen trieb, oder man erhält Einblicke in die Arbeit des Hasenzüchtervereins Braunau am Inn. Waren Bugs Bunny und Roger Rabbit eigentlich auch Nazis? Nur eine Idee haben das sprechende Deuserband aus Hessen und der Schafhirt von Greenpeace nicht in den Ring geworfen – ob die Bäcker vielleicht ihre Energierechnungen in Kuchen bezahlen könnten…
pantau
18. September, 2022Die gesammelten Zitate machen mich fassungslos. Sind die wirklich so blöd, bösartig und blasiert oder handelt es sich nicht doch um eine gut konzertierte Aktion, um den normalen Bürger zur Weißglut zu bringen, damit man dann Notstand und Kriegsrecht ausrufen kann? Ich fürchte, die sind so und wir haben ein Kotzbrockenfördersystem, das das Unterste in die Spitzen aus Politik, Medien und Justiz drückt.
Majestyk
22. September, 2022Alles schön und gut, dennoch begann das Bäckereisterben lange vorher. Die Marktentwicklung wurde vor allem dort noch verschärft, wo die größeren Betriebe Filialen in den Supermärkten und Discountern eröffneten, so daß die kleineren Betrieben in den Ortskernen kaum noch eine Chance hatten. Gleichzeitig wurde das Angebot dank BÄKO-Sortiment immer austauschbarer. Wäre die Innung sich selber etwas wert gewesen, man hätte hier auch intern gegensteueren können. Wollen auch die Bäcker nicht, die sind aber auch bei den Preiserhöhungen immer ganz vorne mit dabei.
So bedauerlich ich die Entwicklung empfinde, wenn nicht gar gefährlich, der Einzelhandel ist im Ganzen nicht zu bedauern, ein Großteil hat bei dem was gerade abläuft mitgemacht, man spricht nicht umsonst von Krämerseelen.