Selten kommt es vor, dass Verfassungsrichter über Urteile und Beschlüsse reden, die noch nicht lange zurückliegen. Noch dazu, wenn es sich um hochpolitische Verfahren handelt.
In Karlsruhe gab es lange den Satz: „Wir sprechen durch unsere Urteile.“ Aber vieles, was früher einmal galt, stellt sich heute ein bisschen anders dar. Das muss nicht immer etwas Schlechtes bedeuten. Im Gegenteil, das lange Interview in der Zeit vom 2. März mit der Verfassungsrichterin Susanne Baer zum Ende ihrer zwölfjährigen Amtsperiode stellt einen Glücksfall dar. So bekommt der Leser einen kostbaren Einblick in die Gedankenwelt einer Richterin und in das fast noch frische Wirken eines Verfassungsorgans, das Kabinett und Parlament kontrollieren und vor allem die Grundrechte der Bürger schützen sollte, ausdrücklich auch gegen die Regierung. So jedenfalls lautete einmal der Auftrag der Institution. Das Gespräch mit Baer stellte die Zeit unter die Überschrift „Erschütternd, dramatisch und langweilig“. Das fasst den Inhalt des Gesprächs tatsächlich brillant zusammen.Für die Langeweile sorgen Fragesteller Heinrich Wefing und die Interviewte vor allem zu Anfang und Ende. Dazwischen kommen durchaus interessante Passagen vor. Schließlich geht es um Sachverhalte wie den Klimabeschluss des Verfassungsgerichts („eine der eindrücklichsten Entscheidungen, auch für mich als Richterin“), die Corona-Beschlüsse und das Gerichtsdinner im Kanzleramt.
Um mit dem abgedimmten Teil zu beginnen: Dort geht es um die Erinnerung der von den Grünen als Nachfolgerin von Brun-Otto Bryde nominierten Juristin an ihren ersten Arbeitstag („traditionell ein kleines Essen im Kreis der Kolleginnen und Kollegen“). Der Zeit-Redakteur fragt außerdem nach eventuellen Diskriminierungen Frau Baers in Karlsruhe. „Es gab in der Vergangenheit durchaus persönliche Angriffe gegen Personen, die im Amt von manchen nicht gewollt waren“, erklärt die Ex-Richterin. Aber gegen sie selbst: nein. Wefing versucht es noch einmal mit hypothetischer Vergangenheitsbetrachtung: „Hätte das Gericht noch vor 20, 30 Jahren ganz anders auf eine offen homosexuelle Richterin reagiert?“ Worauf Baer meint: „Das kann durchaus sein.“ Damit endet der zähe Was-macht-das-mit-Ihnen-Block, der mittlerweile offenbar in jedes Interview gehört, sofern der Journalist nicht gerade Alice Weidel gegenübersitzt.
Für das Privatleben von Mitgliedern des Bundesverfassungsgerichts interessiert sich die Öffentlichkeit ähnlich intensiv wie für die Hobbys der Karlsruher Amtsmeister und Pförtner. Der Amtsantritt des ersten offen schwulen Politikers in Deutschland – Klaus Wowereit – liegt mittlerweile mehr als zwei Jahrzehnte zurück, und auch die Tatsache, dass die AfD-Chefin mit einer Frau zusammenlebt, führt heute zu keinen Erregungswellen mehr. Das ist auch gut so. Trotzdem hält sich die Routinefrage nach der Diskriminierung offenbar hartnäckiger als die Diskriminierung selbst.
Etwas aufschlussreicher, wenn auch nicht überraschend wirkt Baers Schilderung, wie die damalige Chefin der Grünen, Renate Künast ihr 2010 erklärte, es stünde die Nachfolge des ebenfalls auf grünem Ticket gewählten Bryde an: „Wir haben an Sie gedacht.“ Das wirft ein Licht darauf, dass nicht, wie es das Gesetz eigentlich will, Bundestag und Bundesrat die Bundesverfassungsrichter bestimmen, also zumindest zur Hälfte das Parlament, sondern die jeweiligen Parteiführungen die Positionen faktisch ohne öffentliche Beteiligung besetzen. Konsequent sagt Baer etwas weiter unten: „Die Richterinnen und Richter müssen von unterschiedlichen politischen Parteien vorgeschlagen werden.“ Anders als in den USA gibt es auch keine öffentliche Anhörung der Kandidaten. Nach Karlsruhe kommen fast immer Juristen, die außerhalb von Fachkreisen niemand kennt.
Bei Baer handelt es sich um eine Wissenschaftlerin mit einer besonderen Vita. Sie definiert ihr Gebiet als „feministische Rechtswissenschaft“. Im Jahr 2002 übernahm sie den Lehrstuhl für öffentliches Recht und Geschlechterstudien an der Humboldt-Universität Berlin. Ein Jahr später richtete sie an diesem Lehrstuhl das „GenderKompetenzZentrum“ der Universität ein, vielmehr, die Bundesregierung organisierte dieses Zentrum, das unmittelbar aus den Mitteln des Familienministeriums erst unter Ulla Schmidt und dann Ursula von der Leyen finanziert wurde, bis der Geldfluss einige Monate nach Amtsantritt der eher konservativen Nachfolgerin Kristina Schröder 2010 versiegte. Das Zentrum diente nach Baers eigenen Worten der Politikberatung. In einem Interview mit der Zeitschrift des Deutschen Juristenbundes, geführt 2015, erklärte sie:
„Das war so lange spannend und interessant, wie es eine gewisse Rückendeckung
innerhalb der Bundesregierung gab, die wir beraten sollten und beraten haben.“
Wenn Wissenschaftler ergebnisoffen forschen und dann ihre Erkenntnisse der Politik anbieten, lässt sich nichts dagegen sagen. Bei einem von der Regierung durchfinanzierten Institut zur Auftragsberatung auf dem Feld Gender-Mainstreaming sieht das schon anders aus. Im Archiv des Genderkompetenzzentrums, das ab 2010 von einem Verein weitergeführt wurde, finden sich kaum Hinweise auf Forschung und nur wenige Publikationen.
Wie sah das Verfassungs- und vor allem Grundrechteverständnis Baers aus, als sie Verfassungsrichterin wurde? Darauf gibt es zwei Hinweise, die beide erst einmal für eine halbwegs liberale Auffassung sprechen. Sie habilitierte sich 2006 zum Thema „Der Bürger im Verwaltungsrecht zwischen Obrigkeit und aktivierendem Staat“ – kein schlechtes Thema für eine Juristin, die in den Ersten Senat, also den Grundrechtesenat des Verfassungsgerichts einzieht. Zumal sie durchaus wohlwollend einen alten Leitsatz des Bundesverfassungsgerichts zu diesem Thema zitiert: „Der Einzelne ist zwar der öffentlichen Gewalt unterworfen, aber nicht Untertan, sondern Bürger.“
In einem Vortrag vor der grünen Bundestagsfraktion kurz vor ihrem Amtsantritt als Bundesverfassungsrichterin skizzierte sie zweitens die Grundrechte zutreffend als Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat. Die Verfassung kenne zwar auch aktive Schutzpflichten, gerade bei Umweltschutz. „Ich persönlich“, erklärt Baer damals, „bin bei Schutzpflichten etwas vorsichtig. Denn allzu schnell wird aus Schutz Bevormundung.“ Als sie antrat, stand sie also für ein sehr linkes und identitätspolitisch aufgeladenes Rechtsverständnis, in dem aber auch – zumindest konnte man diesen Eindruck gewinnen – ein paar liberale Inseln existierten.
Wer sich die zentralen Urteile ansieht, an denen sie in ihren 12 Jahren mitwirkte, der kann ihren Satz von 2011 nur als Prophetie verstehen, allerdings mit umgekehrtem Vorzeichen. Denn der Umschlag von behaupteter Schutzpflicht des Staates in autoritäre Bevormundung vollzog sich geradezu mustergültig sowohl in dem so genannten Klima-Urteil als auch den Entscheidungen zu den Corona-Maßnahmen. Sie tragen allesamt Baers Unterschrift.
Es lohnt sich, beides –Klimabeschluss und Corona-Entscheidungen – miteinander zu vergleichen. Beides passt zusammen wie Yin und Yang.
In seinem Beschluss vom 24. März 2021, in der Berichterstattung oft „Klimaurteil“ genannt, entschied das Bundesverfassungsgericht formal nur wenig. Es erklärte den Klimaschutzplan der damaligen Bundesregierung für unzureichend und damit verfassungswidrig. Konkret gibt das Gericht der Regierung und den nachfolgenden Kabinetten auf, konkrete CO2-Minderungsvorgaben auch über das Jahr 2030 hinaus fortzuschreiben. Wichtig und geradezu revolutionär wirkt nicht, was das Gericht damals formal entschieden hatte – sondern das, was es in dem Beschluss sagte.
Der Senat unter Vorsitz von Stephan Harbarth stellte ganz am Anfang fest, der Vertrag von Paris mache keinem Land Vorgaben zur Reduzierung des CO2-Ausstoßes, also auch Deutschland nicht. Anschließend bezieht er sich auf die entsprechenden Pläne der EU, die für alle Wirtschaftssektoren bis weit in die Zukunft so genannte Klimaziele festschreibt. Daraus wiederum, so das Gericht, ergäben sich sehr eng gezogene Linien für die deutsche Politik – und damit auch für die Bürger.
Zu den Leitsätzen des Klimabeschlusses gehört die apodiktische Feststellung: „ Artikel 20a des Grundgesetzes verpflichtet den Staat zum Klimaschutz. Dies zielt auch auf die Herstellung von Klimaneutralität.“ Artikel 20a verpflichtet den Staat, so der tatsächliche Wortlaut des Artikels, „auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung“ zu schützen. Daraus umstandslos die Verpflichtung eines einzelnen mittelgroßen Landes zur Klimaneutralität abzuleiten, also dazu, nur noch so viel CO2 auszustoßen, wie wieder gespeichert werden kann, stellt zumindest einen logischen Sprung dar, der irgendwie hätte hergeleitet werden müssen. Diese Herleitung sparte sich das Gericht. Und auch jede Abwägung zwischen den unterschiedlichen Prognosen und Szenarien zur Klimaentwicklung. Eine Unsicherheit innerhalb der Wissenschaft erkennt der Senat zwar an, folgert aber daraus, gerade deshalb müssten „bereits belastbare Hinweise auf die Möglichkeit gravierender oder irreversibler Beeinträchtigungen“ die politischen Entscheidungen leiten: „Besteht wissenschaftliche Ungewissheit über umweltrelevante Ursachenzusammenhänge, schließt die durch Art. 20a GG dem Gesetzgeber auch zugunsten künftiger Generationen aufgegebene besondere Sorgfaltspflicht ein, bereits belastbare Hinweise auf die Möglichkeit gravierender oder irreversibler Beeinträchtigungen zu berücksichtigen.“
Die unbestreitbare Tatsache, dass Deutschland mit seinem Anteil von 2,2 Prozent am weltweit menschengemachten CO2-Ausstoß selbst beim besten Willen das globale Klima nicht ernsthaft beeinflussen kann, wischt das Verfassungsgericht als unbeachtlich zur Seite. „Als Klimaschutzgebot hat Art. 20a GG eine internationale Dimension“, heißt es in dem Beschluss: „Der nationalen Klimaschutzverpflichtung steht nicht entgegen, dass der globale Charakter von Klima und Erderwärmung eine Lösung der Probleme des Klimawandels durch einen Staat allein ausschließt. Das Klimaschutzgebot verlangt vom Staat international ausgerichtetes Handeln zum globalen Schutz des Klimas und verpflichtet, im Rahmen internationaler Abstimmung auf Klimaschutz hinzuwirken. Der Staat kann sich seiner Verantwortung nicht durch den Hinweis auf die Treibhausgasemissionen in anderen Staaten entziehen.“ Mit anderen Worten: Deutschland muss so handeln, als hinge von ihm tatsächlich die globale Durchschnittstemperatur im Jahr 2100 ab.
Der wirklich zentrale Gedanke des Urteils besteht allerdings darin, die Rechte künftiger Generationen als Argument für mehr Staatslenkung und Einschränkung in der Gegenwart anzuführen. In dem Gespräch mit der Zeit erklärt Baer: „Und diese Kinder und Jugendlichen sagen doch: Wenn ihr Erwachsenen unsere Emissionen heute verpulvert, werden wir in 20 Jahren nicht mehr frei, nicht mehr selbstbestimmt agieren können. Die Selbstbestimmung auch in der Zukunft ist deshalb der Gedanke, der die Entscheidung trägt.“
Bekanntlich nutzen die Transformationsverfechter in Berlin sowohl das Paris-Abkommen (in dem wie gesagt überhaupt keine konkreten Minderungsziele stehen) und den Klimabeschluss des Verfassungsgerichts als argumentative Brechstange, um schon in der praktischen Gegenwartspolitik die Selbstbestimmung der Bürger zu beschneiden.
Für seine Entscheidung stützte sich das Gericht nur auf bestimmte Wissenschaftler, diejenigen nämlich, die Worst-Case-Prognosen vertreten. Es befasste sich auch nicht mit der Möglichkeit, auf Klimaveränderungen mit Anpassung zu reagieren, sondern folgte strikt der reinen CO2-Reduktionslogik als einziger Rettungsstrategie. Vor allem aber – und hier liegt der entscheidende Punkt – wägt der Beschluss Rechte zwischen heutigen und zukünftigen Bürgern ab, aber überhaupt nicht mehr zwischen den Abwehrrechten der gegenwärtigen Bürger und dem Staat. Er hebt damit das gesamte Institut des Bürgerrechts, das sich aus der vom Verfassungsursprung zum Hier und Jetzt reichenden Bürger-Staat-Beziehung ergibt, aus den Angeln und ersetzt es durch eine Fiktion, in der die Bürger schon jetzt einer hochgerechneten Zukunft Rechte abzutreten haben. Die konkreten Entscheidungen legt das Gericht in die Hand eines vormundschaftlichen Parteienstaates, der gern den Weg dorthin weist.
Dass sich zentrale Passagen des Beschlusses schon vor seiner Verkündung auf dem Rechner des Ehemanns von Richterin Gabriele Britz fanden, der sich bei den Grünen engagiert, dass er also entweder den Beschluss vorher kannte oder ihn umgekehrt sogar beeinflusste, schrumpft angesichts der grundstürzend neuen Bürger-Staat-Beziehung, die das Gericht postuliert, zum reinen Aperçu.
Die Bürger der Gegenwart können von Glück sagen, dass dieser Geist nicht schon in den siebziger Jahren am Bundesverfassungsgericht herrschte. Denn bewaffnet mit dieser deterministischen Argumentation hätten sich Juristen in Karlsruhe schon damals auf die Prognosen des Club of Rome beziehen können, der bekanntlich das Ende der letzten Goldader für 1981 voraussagte, das Ende des Quecksilbers für 1985, den letzten Tropfen Öl für 1992 und das Finale der Gasförderung für 1994. Mit der Autorität der Stimme aus dem brennenden Dornbusch prognostizierten seine Mitglieder außerdem Millionen von Hungertoten in einem verelenden Asien, sollte nicht endlich das zentrale Übel bekämpft werden, nämlich das wirtschaftliche Wachstum. Schon dieses Material hätte sich nach der aktuellen Rechtslogik bestens dafür geeignet, die Politik per Richterspruch zu strenger Rohstoffrationierung und Wirtschaftslenkung im Interesse der künftigen Bürger anzuhalten. Schließlich reichen ja “belastbare Hinweise auf Möglichkeiten“ laut Klimabeschluss als Rechtfertigungsgrund. Und die kollektiven Fehlprognosen des dauerlärmenden kapitolinischen Gänseclubs galten damals vielen als unumstößliche Wahrheit, ja schlechthin als die Wissenschaft. So wie vor kurzem auch die jeweils düstersten Vorhersagen zur Virenlage und immer noch etliche Klimaapokalypsen, wobei allerdings schon allerlei ältere Prognosen mit der Behauptung, es blieben nur noch zehn oder fünf Jahre zur Rettung, nach und nach in die tiefsten Archive umgeräumt werden mussten.
Im Licht der Klima-Verfassungsgerichtsentscheidung erscheint die Forderung der “Letzten Generation“ nach einem Gesellschaftsrat, der in ihrem Sinne Beschlüsse fällen sollte, gar nicht mehr ganz so bizarr. Auch nach der Logik des Gerichts und der Experten, auf die es sich beruft, bleibt schon der klassischen Politik kein Entscheidungsspielraum mehr, sondern nur noch die Pflicht, die Vorgaben von beiden sorgfältig abzuarbeiten.
Wie passen nun die Corona-Entscheidungen dazu, die auch Baers Unter- und Handschrift tragen? Sie fügen sich, wie oben schon angedeutet, geradezu kongenial an. Mit der Entscheidung über die Klage gegen die „Bundesnotbremse“, eingereicht im April 2021, ließ sich der 1. Senat erst einmal sehr lange Zeit, um sie dann am 30. November 2021 abzulehnen. Zur Erinnerung: Es ging damals um Ausgangssperren, Kontaktbeschränkungen selbst für Treffen in privaten Räumen und einiges mehr. „Die Beurteilung des Gesetzgebers, es habe bei Verabschiedung des Gesetzes eine Gefahrenlage für Leben und Gesundheit sowie die Gefahr der Überlastung des Gesundheitssystems bestanden, beruhte auf tragfähigen tatsächlichen Erkenntnissen“, hieß es in dem entsprechenden Beschluss. Und: „Mit den Kontaktbeschränkungen verfolgte er Gemeinwohlziele von überragender Bedeutung. Der Gesetzgeber wollte so Leben und Gesundheit schützen, wozu er nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG verpflichtet ist.“ Mit anderen Worten, das Bundesverfassungsgericht meinte, der Staat werde schon wissen, was er da tut. Aus einer konstruierten Schutzpflicht folgt umgehend, um Baers Worte von 2011 noch einmal zu zitieren, eine paternalistische Bevormundung, wie sie so in der Bundesrepublik vorher noch nie stattgefunden hatte.
Mit dem gleichen Tenor winkte der Erste Senat am 19. Mai 2022 auch die einrichtungsbezogene Impfpflicht durch. Auch hier referiert er die Meinung von „sachverständigen Dritten“, den gleichen, auf die sich auch die Bundesregierung stützte. „Zur Prävention“, fasst der Senat deren Expertise in seinem Beschluss zusammen, „stünden gut verträgliche, hochwirksame Impfstoffe zu Verfügung. Impfungen schützten nicht nur die geimpfte Person selbst, sondern reduzierten gleichzeitig die Weiterverbreitung der Krankheit. Geimpfte und genesene Personen würden seltener infiziert und somit auch seltener zu Überträgern des Virus. Die insoweit vom Gesetzgeber ermächtigte Bundesregierung bündelt den für eine sachgerechte Bewältigung dieser Herausforderungen erforderlichen Sach- und Fachverstand. Auch kann sie durch auf gesetzlicher Grundlage installierte sachverständige Beratung besonders schnell beurteilen, welche Anforderungen im Sinne eines ausreichenden Immunschutzes an einen Impf- oder Genesenennachweis zu stellen sind. Denn mit dem Robert Koch-Institut und dem Paul-Ehrlich-Institut sind ihr mit spezifisch wissenschaftlicher Fachkompetenz ausgestattete selbständige Bundesoberbehörden im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit zugeordnet, die insoweit besonders geeignet sind, hoch dynamische Veränderungsprozesse nachzuvollziehen und zu bewerten.“
Auch hier also: Die Regierung weiß schon, was nötig ist. Und Bundesbehörden, die ihr unterstehen, bescheinigen ihr das auch. Causa finita.
Nun befinden wir uns beim Rückblick auf die Corona-Jahre an einem anderen Punkt als in der Klima-Alarmismusdebatte, die fast ausschließlich mit Zukunftsprognosen arbeitet. Dass die Ausgangssperren zur Virenbekämpfung nicht den geringsten Nutzen entfalteten, bestreitet heute noch nicht einmal mehr Karl Lauterbach. Die Belegungszahlen der Intensivbetten zeigt: Nie stand das Gesundheitssystem vor einem flächendeckenden coronabedingten Kollaps. Mittlerweile behauptet auch niemand mehr, Corona-Impfungen würden die Virenübertragung durch die Geimpften verhindern (die Hersteller der Vakzine behaupteten das übrigens nie). Inzwischen leugnen auch Politiker nicht mehr die gravierenden Impfschäden bis hin zu Todesfällen. Um Patienten in Krankenhäusern und Senioren in Heimen zu schützen, hätten Tests des Personals völlig ausgereicht. Nichts sprach gegen den Einsatz von gesunden Ungeimpften im Gesundheitswesen. Kurzum: Alles, worauf der Senat damals seine Beschlüsse baute, erwies sich nur Monate später als argumentativer Treibsand. Immerhin fragt die Zeit hier einmal ganz sachte nach: „Wir erleben die massivsten Grundrechtseinschränkungen der Bundesrepublik, ohne ausführliche parlamentarische Beratung beschlossen, und das Gericht lässt sich sehr viel Zeit.“
Worauf Baer behauptet: „Wir haben beschleunigt gearbeitet.“ Viel wichtiger wirkt aber ihre Rechtfertigung: „An die These von der massivsten Grundrechtseinschränkung würde ich zudem gern ein Fragezeichen setzen. Die damaligen Maßnahmen waren sicherlich flächendeckend wie nie zuvor, und das traf auch Menschen, die üblicherweise von Grundrechtseinschränkungen nicht betroffen sind.“ Wer ist denn in Deutschland „üblicherweise von Grundrechtseinschränkungen betroffen?“, möchte man sofort zwischenfragen. Was der Zeit-Redakteur aber nicht tut. Baer weiter: „Das Verfassungsgericht hat in Grundrechtsfragen immer wieder mit Fällen zu tun, in denen Kinder aus Familien genommen werden, oder Menschen werden in Länder abgeschoben, in denen ihnen die Todesstrafe droht, oder Leute leben am Rand des Existenzminimums. Ist da der Grundrechtseingriff nicht massiver als das Verbot, nachts – nachts, also zwischen 23 und 6 Uhr – das Haus zu verlassen? “ Was für ein wirres Gedankenknäuel.
Baer geht auch in diesem Interview (wie sie und ihre Kollegen schon in den Beschlüssen) überhaupt nicht darauf ein, dass es sich bei Grundrechten um Abwehrrechte handelt und diese Rechte sich folglich immer in der Spannung zwischen Bürger und Staat befinden. Sie wägt stattdessen die Rechte der einen Bürger gegen Rechtsfälle anderer Bürger ab. Dafür, Kinder aus einer Familie zu nehmen, kann es manchmal gute Gründe geben. Wann genau soll das Bundesverfassungsgericht die Abschiebung eines Migranten in die drohende Todesstrafe bestätigt haben? Und am „Rand des Existenzminimums“, also knapp darüber, werden immer Menschen leben, egal, wie hoch das Existenzminimum selbst ausfällt. Was hat ein niedriges Einkommen überhaupt mit einer Grundrechtseinschränkung zu tun? Aber selbst wenn, fällt der Verfassungsrichterin a. D. nichts anderes ein als: Weil es möglicherweise auch andere Grundrechtseinschränkungen gibt, war die Bundesnotbremse schon ganz in Ordnung. Sie müsste außerdem wissen, dass eine Einschränkung geeignet, erforderlich und angemessen sein muss. Die Ausgangssperre beispielsweise war nichts davon.
Der Zeit-Redakteur weist noch darauf hin, es sei ja nicht nur um Ausgangs- und Kontaktverbot gegangen, sondern auch um das Besuchsverbot in Krankenhäusern und Heimen – was bekanntlich dazu führte, dass Tausende dort einsam und ungetröstet von ihren Angehörigen starben. Ja, meint Baer, das sei schon „eine andere Qualität“ gewesen. „Ich habe aber kein Verfahren gesehen, in dem darüber zu entscheiden war.“
Frage der Zeit: „Weil niemand geklagt hat?“
Baer: „Oder weil die Verfassungsbeschwerden nicht zulässig waren.“
Auf eine der schwersten Grundrechtseinschränkungen, die lange Schließung der Schulen, kommen beide gar nicht erst zu sprechen. Immerhin verpflichtet eine UN-Konvention auch die Bundesrepublik, die schulische Bildung von Kindern zu sichern. Beide erwähnen auch nicht die Aushebelung der Versammlungsfreiheit nach Artikel 8 GG durch das Infektionsschutzgesetz, also mit der inzwischen anerkannt sinnlosen Vorgabe, im Freien eine Maske zu tragen.
Es fallen zum einen die Parallelen zwischen Klimabeschluss und Coronabeschlüssen ins Auge. Hier wie dort erfolgt die Abwägung zu Grundrechten zwischen Bürgern. Auf beiden Gebieten stützt sich das Gericht von vornherein nur auf bestimmte „sachkundige Dritte“, und zwar die alarmistischste Fraktion. In beiden Fällen schlagen Schutzpflichten des Staates mit dem Segen des Gerichts in die Rechtfertigung autoritärer Maßnahmen um. Es gibt aber auch einen Unterschied, der wiederum gut passt: Im Klimabeschluss zieht das Gericht dem Staat enge Grenzen für sein Handeln. In den Coronabeschlüssen, in denen der Staat schon gehandelt hatte, zieht es dagegen überhaupt keine rote Line, sondern lässt ihm faktisch freie Hand. Beides läuft in der Konsequenz auf das Gleiche hinaus, nämlich die Suspendierung der Grundrechte zugunsten höherer Zwecke, die Karlsruhe jedes Mal mit einer Schutznotwendigkeit begründet. Damit stößt das Bundesverfassungsgericht das Tor zu einem ganz neuen Staats- und Rechtsverständnis auf. Aus Bürgern mit Abwehrrechten werden Schutzbefohlene des Staates.
Und wie steht es um das Verhältnis zwischen Gericht und Regierung? Dazu enthält das Zeit-Gespräch einen kleinen Sprengsatz, der sich leicht überlesen lässt. Denn der Interviewer fragt Baer nach dem berühmten Abendessen im Kanzleramt am 30. Juni 2021, also zu einer Zeit, als die Klage gegen die Bundesnotbremse in Karlsruhe vorlag. Bei dieser Zusammenkunft an Angela Merkels Tisch hielt die damalige Justizministerin Christine Lambrecht bekanntlich ein glühendes Plädoyer für die Coronamaßnahmenpolitik des Kabinetts. Schon das verletzte die Gleichheit beider Prozessparteien.
„Die Abendessen mit der Bundesregierung sind eine gute Idee“, antwortet Baer. Warum? „Wir – also die Verfassungsorgane – müssen uns verstehen, wir müssen wissen, wie die anderen ticken. Das trägt dazu bei, sich gegenseitig mit Augenmaß zu kontrollieren.“ Moment einmal: Das Bundesverfassungsgericht soll in der Tat Bundesregierung und Parlament kontrollieren. Aber „gegenseitig“? Die Regierung auch das Gericht? Auch an dieser geradezu sensationellen Stelle hakt Wefing nicht nach. Sollte es je einen Journalistenpreis für ungestellte Fragen geben, sollte er ihn als erster bekommen.
Vielleicht meint Baer ja gar nicht kontrollieren im eigentlichen Sinn. Schließlich kontrollierte das Gericht die Regierung in den Corona-Entscheidungen nicht ernsthaft. Möglicherweise meint sie eher die Tuchfühlung zweier Organe, die sich nicht mehr als institutionelle Gegenspieler sehen, sondern als zwei Gremien, die einander die Bälle zuwerfen.
Zum Abspann gibt es noch einen kleinen identitätspolitischen Nachschlag mit der Frage: „Muss das Gericht insgesamt diverser werden?“
Das Gericht besteht übrigens schon hälftig aus Frauen und Männern.
„Unbedingt“, meint Baer, „und da ist Luft nach oben. Diversity on the bench, also Vielfalt auf der Richterbank ist eine extrem wichtige Ressource.“ Was sie dann aufzählt, läuft, wenig überraschend, nicht auf eine Vielfalt an Rechtssichten hinaus, sondern auf das YMCA-Diversity-Verständnis. Also „unterschiedliches Alter, unterschiedliche Herkunft, auch eine, die nicht in einer heterosexuellen Ehe lebt“.
Ein Richter oder eine Richterin egal welcher Herkunft und welchen Hintergrundes, der oder die sich vor allem als Anwalt der Bürger und der Grundrechte versteht, wie es früher Hans-Jürgen Papier und Udo di Fabio taten, täten dem Bundesverfassungsgericht auch ganz gut. Es gibt sie dort nämlich nicht mehr.
Bei der Gelegenheit fordert Baer auch „einen Spitzenjurist oder eine Spitzenjuristin mit Migrationshintergrund“. Dass es den mit dem liberal-konservativen di Fabio, Sohn italienischer Einwanderer, schon einmal gab, muss beiden, Baer wie dem Zeit-Redakteur, entfallen sein.
Spätestens an dieser Stelle verdichtet sich alles zu dem Punkt, dass es bei der Besetzung des Gerichts gar nicht um links oder rechts geht, sondern um das Verhältnis zum Bürger und dessen Grundrechten.
Das Gericht, das beide schlecht behandelt, genießt immerhin eine gute Presse. Sie verkneift sich schon von ganz allein alle wirklich wichtigen Fragen.
Dieser Text erscheint auch auf Tichys Einblick.
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Kommentare anzeigen (24)
Das Gespräch mit Frau Baer und der Zeit hat mich eines gelehrt: Es geht nicht mehr um Bürgerrechte. Es geht um die Rechte der "Schönen und Mächtigen". Es sieht trübe aus mit den Bürgerrechten, wenn man sieht welche hahnebüchenden Entscheidungen das (ehemalig seriöse) "Verfassungsgericht" zu "Corona" und dem "Klima" getroffen hat. Alles ohne echte Sachkenntnis, rein politisch, also wilkürliche Entscheidungen GEGEN die Bürger. So hat das PEI (Paul Ehrlich Institut, also eine Behörde) keine entsprechenden Daten zu Corona gesammelt, wie gesetzlich vorgeschrieben. Macht nix, sagt das "Gericht", denn sie verließen sich dennoch auf dessen (mangelnde) "Expertise". Na da kann ja nichts mehr schiefgehen, wie sich noch zeigen wird. Sogar ein "Spiegel" Artikel berichtet derzeit davon, dass wohl "der Diktator in uns" (Presse, Politik) während Corona zu stark war. So ist es und bei dem "Klima" Vorwand wird es kaum anders sein.
Wenn man Hochstapler, Scharlatane und politisch motivierte Betrüger an die entscheidenden Schalthebel der Macht setzt, darf man sich nachher nicht über den entsprechenden Schaden wundern. Immerhin wird zwischen den Zeilen lesend der Zustand der innerlichen Verfaulung sichtbar. Willkommen im Untergang.
Es wird langsam müßig. Das Grundgesetz war immer ein Surrogat und eindeutig oktroyiert, wenn es auch zuweilen leidlich gut funktionierte. Das es nicht mehr funktioniert und zig Löcher hat wurde schon vor Corona mittels der "Ehe für alle" bewiesen, eigentlich konnte man schon 1999 sehen, daß vieles nur eine Luftnummer war. Eine Verfassung die sich durch Einzelgesetze ausheblen läßt taugt nichts. Der Abrißhammer war dann die Plandemie. Im Grunde ist aber schon die Abhängigkeit der Judikative von der Exekutive mehr als ein Indiz dafür, daß es mit der Gewaltenteilung nicht weit her ist in Deutschland. Nur braucht man sich keine falschen Vortsellungen machen, mit der Bevölkerung, bei den "Eliten" wäre jede Modifikation, jede Neuerung automatisch woke und unbrauchbar. Deutschland ist weder eine echte Demokratie, noch ein Rechtstaat, erst recht nicht souverän, was ausschließt, daß das Volk der Souverän sein könnte. Zudem verfügt weder Deutschland, noch die EU über eine echte freie Marktwirtschaft. Das alles war schon immer mehr Illusion als Realität, nur wird gerade die Theaterbühne abgebaut und noch immer will die Mehrheit nicht sehen, in welch einer Konstruktion wir leben.
Verantwortlich für den Zeitgeist sind jahrzehntelange Umerziehung, der Zustand des Hegemons und der Siegeszug der Technokratie, den ich Kommunismus nenne.
"Der Staat kann sich seiner Verantwortung nicht durch den Hinweis auf die Treibhausgasemissionen in anderen Staaten entziehen" (Zitat BVerfGE).
Bei diesem Satz habe ich mich einen Moment gefragt: Sind die eigentlich reif für die Klapse? Verantwortung für etwas, was vorwiegend (zu 98%) durch andere bestimmt wird?
(Ich formuliere, wenn ich in schlaflosen Nächten an Deutschland denke, immer so flapsig, sorry.)
Stellen wir uns ein Schiff vor, nennen wir es 'Titanic', mit zahlreichen Kabinen unterhalb der Wasserlinie. Ein Eisberg schlitzt nun das Schiff auf seiner ganzen Länge auf. Dutzende von Kabinen sind betroffen, das Wasser strömt in sie alle hinein.
Jeder normale Mensch würde nun erwarten, dass man entweder in einer konzertierten Aktion den ganzen Riss - quer über alle Kabinen - abdichtet. Oder in die Boote geht.
Oder einfach betet.
Wären unsere Verfassungsrichter an Bord gewesen und hätten sie zusammen eine Kabine bewohnt, die Kabine "Deutschland" - sie hätten sich verpflichtet gefühlt, und wohl auch damit begonnen, allein IHRE Kabine abzudichten. Ganz egal, was in den anderen Kabinen passiert.
Was soll man zu so einer Geisteshaltung noch sagen? Zeugt das von höherer Philosophie, etwa der Art "Wenn Du weisst, dass morgen die Welt untergeht, pflanze einen Baum"?
Oder von einem Grad an verbohrter Selbstbezogenheit, der die Grenze zum Wahnsinn bereits deutlich überschritten hat?
Weil ich zufällig gerade die Analyse der polnischen Deutschlandspezialistin Anna Kwiatkowska zur deutschen 'Zeitenwende' lese, ein m.E. passendes Zitat:
"... Germans tend to refer to things and processes in a bombastic manner, in line with the conviction that... the world of ideas is as important as the real world" (Centre for Eastern Studies, 2023-02-28, "The German perfect model...").
Ich zitiere dies keineswegs zustimmend. Denn Kwiatkowski meint, wir würden Ideen so hoch schätzen wie die reale Welt.
Das ist meiner Meinung nach grundfalsch. Für uns zählen fast NUR Ideen. Fakten und die Abwägung zwischen Vorstellung und Realität ist etwas für Plebejer. Die reale Welt nehmen wir erst wahr, wenn sie uns auf den Kopf fällt und beim besten Willen nicht mehr zu ignorieren ist.
Vielen Dank, faszinierende Aussage von außen, dieses Zitat!
Man darf gespannt sein, wann der Verfassungsschutz in seinem Bericht ein Kapitel über "Grundrechtsdelegitimierung durch staatliche Institutionen" aufnimmt.
Auf der Karlsruher "Animal Farm" ist das Grundrecht vom Grunzrecht abgelöst worden. Corona- und Klima-Schutzhaft (bitte nicht schimpfen, ich beziehe mich bei "Schutzhaft" auf die preußische Version) inklusive. Gibt es eigentlich eine geleakte Menükarte vom Abendmahl im Kanzleramt? Am Ende hat man dort gefährliches Essen zu sich genommen, das zu diesen fatalen Entscheidungen führte. Hier kann sicher Diät-Entomologe Winfried aus BW weiterhelfen - wobei: "Diät" sollte man durch einen verwandten Begriff ersetzen, sonst gibt es bloß wieder lange Finger...
Der politisch-mediale Komplex. Die Konsensparteien. Die Herrschaft der Schlechtesten. Ihr einig Bekenntnis: DAS GUTE. (Fragen: schlecht. Zweifel: schlechter. Kritik: ganz schlecht.) Widerspruch aber führt zum Ausschluß. Die Freiheit der Meinungen wäre der Tod des Systems. Der Staat ist die Beute. Nur eins ist das zählt, und das ist die MACHT. Die MACHT ist notwendig gut. Das Gute im ewigen Kampf gegen das Böse. Die Brandmale des Bösen: Querdenken. Recht. Grundrecht. Abwehrrecht. Individualität. Geschlecht. Vernunft. Rückgrat. Anstand. Güte. Vertrauen. Erfahrung. Bewahrung. Verantwortungsethik. Freiheitswillen. Freiheitsliebe. Freiheitskampf.
Den früher mündigen Bürger als "Schutzbefohlenen" des Staates zu bezeichnen, erscheint mir deutlich zu freundlich. Immerhin muss ich dem Schutzbefohlenen gegenüber zumindest freundlich gesinnt sein. Nur haben Staaten grundsätzlich keine Empathie
Selbst der Begiff "Mündel", der natürlich ohne Empathie auskommt, greift zu kurz, da in der Regel doch die Vormundschaft irgendwann beendet werden muss.
Mit scheint der Terminus "Leibeigenschaft" angemessen. Leibeigene haben einen wirtschaftlichen Wert, man könnte sie als Aktivposten bezeichnen. Der Leibherr tut gut daran, die ihm Eigenen nicht zu kurz zu halten und ihnen eine Freiheitsillusion einzuräumen. Gelegentlich muss die Knute gezeigt werden, damit die Leute in der Spur bleiben.
Genau das läuft gerade ab und in den letzten Monaten im Zeitraffer.
Die Staatsquote ist über 50%. Für sog. Leistungsträger gerne auch höher. Wer meint, ihm gehöre etwas, der täuscht sich. Im Grunde ist er nämlich Verwalter von Staatseigentum. Gerade in der Debatte um Heizungserneuerung bzw. EU-Gebäuderichtlinien sehen wir, dass der Staat - auch gerechtfertigt durch das Karlsruher "Klima"urteil - jederzeit bestimmen kann, ob wann welche Maßnahmen von Putativeigentümern zu veranlassen sind. Ansonsten gibts eine Zwangsmaßnahme. Dazu nutzt der Staat jede sich bietende Gelegenheit. Uns disziplinieren: Da kam Corona gerade richtig! Inflation, Energiekrise, EU-Regulierungswahn, das grüne Bullerbü, Genderquark lassen sich prima mit dem Ukraine-Krieg rechtfertigen. Und als Leckerli für den braven Untertan die Cannabis-Freigabe.
Und die "kleinen" Freuden, die sich Michel und Michaela so zur Unterhaltung und Erholung gönnen, wie Grillabende oder Urlaube stehen unter Dauerbeschuß von interessierter Seite. Denn wir sollen unser Essen nicht mehr genießen (Kostkunst!), sondern uns ernähren. Der Staat wird das schon regeln. Denn:
"Es ziemt dem Untertanen, seinem Könige und Landesherrn schuldigen Gehorsam zu leisten und sich bei Befolgung der an ihn ergehenden Befehle mit der Verantwortlichkeit zu beruhigen, welche die von Gott eingesetzte Obrigkeit dafür übernimmt; aber es ziemt ihm nicht, die Handlungen des Staatsoberhauptes an den Maßstab seiner beschränkten Einsicht anzulegen und sich in dünkelhaftem Übermute ein öffentliches Urteil über die Rechtmäßigkeit derselben anzumaßen." (Gustav von Rochow, Brief vom 15.1.1838)
Wer die Prämisse eines Notstandes teilt, stimmt letztlich Notstandsgesetzen zu. Wer traut sich denn offen, diese Notstandsprämisse in Frage zu stellen, also konkret: dass überhaupt ein notwendiger Zusammenhang zwischen menschengemachtem Anteil am co2 und entsprechender zukünftiger Erwärmung in katastrophischem Ausmaß besteht? Wer traut sich das öffentlich oder auch selbst im kritischen Teil von Journalismus und Blogsphäre? Beim Klima ist es dieselbe argumentative Masche wie bei Corona: man gibt prognostische Hochrechnungen auf dünnsten theoretischen Stelzbeinchen als Evidenz aus, nudged solange den Wissenschaftsbetrieb, bis er auf Linie eines breiten Konsenses der Wissenschaft ist, und wer noch als Wissenschaftler aufmuckt, wird wodargisiert. Es hat leider für mich etwas lähmend eselshaftes, dagegen juristisch oder moralisch zu argumentieren. Diese Klima- und Coronajunta hat mit evidenter Gefahr argumentiert. Solange man nicht diese Evidenz in Frage stellt (bei corona blieb die IFR weit unter den Schätzungen bzw Behauptungen), ist es so, als würde man gegen die Gurtpflicht damit argumentieren, diese sei nicht demokratisch legitimiert. Wer traut sich denn, diese spezielle hochgerechnete co2-Kausalität noch in Frage zu stellen? Hier ein Stefan Aust, dort ein Richard Lindzen, man kann sie an den Fingern abzählen. Auch das Argument, Deutschland hätte ja bloß einen 2% Anteil, ist daher ein argumentativer Rohrkrepierer. In dem Zugeständnis von 2% liegt ja das Zugeständnis, dass das co2 einen katastrophischen Einfluss habe. Wenn das ultimative Heil bzw die ultimative Abwendung eines x-caust von Kooperation abhängt, kann man nicht hypothetisch argumentieren, dass man alleine nichts bewirken könne. Der Witz ist natürlich, dass vermutlich außer Greta und Gefolge niemand an den Klimacaust glaubt, sondern es sich um lauter gehemmt-geile Aspiranten auf Totalitarismusteilhabe handelt.
Beispiellose Leichtigkeit, Dichte und Relevanz
oder: Zwischen Grünfaschismus und Grunzrecht
Ich mag keine latenten Verfassungsfeinde oder Verfassungsfeindinnen in der so genannten „voneinander unabhängigen“ (!), dreigliedrigen Gewaltenteilung des Staates. Auch dann nicht, wenn sich ihr Tun als „Fortschritt der Menschheit“ ausgibt. Ich mag derlei Leute weder in der gesetzgebenden Gewalt noch in der ausführenden Gewalt; und schon gar nicht in der richterlichen Gewalt des Staates. Grundsätzlich.
Daß italienisch innerhalb der Bewegung heute nicht mehr als Migrationshintergrund gilt, liegt bei dieser Sorte „Fortschritt“ wohl in der Natur der Sache. Vermutlich gilt dort wohl auch griechisch, polnisch, englisch, russisch oder französisch nicht mehr als Migrationshintergrund - weshalb der Osten der Republik dann folgerichtig zu „weiß“ sei. Der Migrationshintergrund fängt bei diesen Herrschaften wohl erst mit wachsender (mentaler und räumlicher) Entfernung vom so genannten „Westen“ an.
• *Was der Zeit-Redakteur aber nicht tut.*
Nein, das tut er nicht. Logisch.
Weder die Bewegung noch ihre Aktivisten hinterfragen das Tun der Bewegung. Natürlich nicht. Die Bewegung hat schließlich immer Recht, gegen Lügen und Ausbeuterei. Die Journalisten der Bewegung tun das schon gar nicht. Die wollen ihre Brötchen an den Zitzen der Kuh verdienen. Grundsätzlich. Nachgefragt wird nur dann, wenn es politisch in den Kram der Bewegung und ins Portemonnaie von Aktivisten passt.
Übrigens wurde ein gewisser Zeit-Redakteur im Jahre 2020 mit dem Deutschen Reporter:innenpreis in der Kategorie Bestes Interview beehrt. Wobei die Preisverleihungskultur des Journalismus manchmal ihre durchaus lustigen Seiten hat. Beispielsweise wurde 2018 zum vierten Mal ein gewisser Herr Relotius mit dem Preis ausgezeichnet und die Jury begründete die Preisverleihung damit, daß dessen Werke gekennzeichnet seien „von beispielloser Leichtigkeit, Dichte und Relevanz“ und nie offenlasse, auf welchen Quellen er basiert.
Man braucht sich ja nur mal ansehen, wer derlei Preise finanziert.
Naja. Seilschaften eben.
Staat, Politik, Wirtschaft, Medien oder Öffentlichkeit?
Aber nein, eine Bewegung funktioniert fachübergreifend.