Der kleine Text über mein, nun ja, Bankproblem, den Publico kürzlich veröffentlichte, sollte eigentlich nicht erscheinen. Denn ich meinte, es gäbe kein Problem mehr. Am Mittwoch überraschte mich die Mail eines langjährigen Lesers, der Publico per Dauerauftrag eine monatliche Spende schickt. Er schrieb, seine Überweisung sei wieder zurückgekommen, und zwar mit der Bemerkung, das Empfängerkonto – also meins – sei gesperrt.
In dem Moment ahnte ich schon, was sich gerade hinter meinem Rücken abspielte, denn ich saß und lief auf der ARC-Konferenz (Alliance for Responsible Citizenship) im Magazin London auf der Greenwich-Halbinsel und in der Nähe herum, hörte den Vorträgen zu, machte Interviews mit dem Oxforder Philosophieprofessor James Orr, dem Klimaökonom Bjørn Lomborg und anderen und musste an diesem Morgen die Arbeit, wegen der ich hierhergekommen war, notgedrungen unterbrechen, um schnell meinen Onlinebank-Zugang zu öffnen. Dort schaute ich ins Leere, fast jedenfalls. Meine Konten gab es dort nicht mehr, bis auf ein kleines Nebenkonto, das zur Abwicklung eines Immobilienkredits dient. Ansonsten: Kein Hinweis, wieso. Den brauchte ich allerdings nicht. Ich wusste schon Bescheid. Das heißt, in diesem Moment wusste ich es wieder. Es handelte sich um den letzten Akt einer monatelangen Geschichte.Meine Bank hatte mir im August sämtliche Konten zum 30. Oktober gekündigt. Es handelte sich – das nur der Form halber – durchweg um Konten im Plus. Eigenartigerweise betraf die Kündigung erst nur alle Konten in München, dann, etwas später, auch das eine schon erwähnte Nebenkonto zur Kreditabwicklung, das offenbar im ersten Schwung übersehen wurde. Zunächst gab es keine Begründung. Dann folgte eine Andeutung, die sich aber als, sagen wir, in dieser Form objektiv nicht zutreffend erwies. Ich weiß, dass Banken in Deutschland Konten begründungslos kündigen können. Das passiert nur eben nicht jedem. Ich akzeptierte die Kündigung jedenfalls nicht und die Angelegenheit landete an der Spitze des Finanzunternehmens. Die Details will ich hier nicht ausbreiten; jedenfalls folgte eine gründliche Untersuchung, die mit der schriftlichen Rücknahme der Kündigungen endete. Damit schien alles zur allgemeinen Zufriedenheit gelöst. Und ich sah, siehe oben, auch keinen Anlass, aus der Sache eine öffentliche Angelegenheit zu machen.
Aber wie Lenny Kravitz so überaus zutreffend singt: It Ain’t Over Till It’s Over. Wie es in Konzernen zuweilen vorkommt – ich weiß das, weil ich auch einmal in einer Konzernstruktur gearbeitet hatte – gab es irgendwo einen Bruch in der Informationskette. Und irgendjemand oder irgendein Rechner führte die schon zurückgenommene Kontenkündigung zum 30.10. stur aus.
Normalerweise bleiben einem Bankkunden, den eine Kündigung trifft, drei Monate Zeit, um seine finanziellen Angelegenheiten zu regeln. In meinem Fall, da ich davon ausging, sie wäre geregelt, traf sie mich als Keulenschlag im Dunkeln. Mir blieb nichts anderes übrig, als eine kleine Notiz zu veröffentlichen, dass Überweisungen auf das bei Publico angegebene Konto derzeit nicht möglich sind, sondern nur noch per PayPal. Dann trafen Fragen von Lesern ein, ob denn ihre Überweisung angekommen sei. Das konnte ich leider nicht beantworten, weil das Konto zusammen mit anderen in einem Abgrund verschwunden war.
Den Vormittag verbrachte ich statt mit Konferenzbetrieb mit dem Schreiben von Mails und am Telefon. Und der Frage, wie ich in London weiter durchkommen würde. Meine Bank- und Kreditkarte hängen an dem erst einmal verschwundenen Konto. In meiner Brieftasche steckten noch 20 Pfund. Bargeld braucht man in London eigentlich kaum, sofern man über funktionierende Karten verfügt. Es gab noch das erwähnte kleine Nebenkonto mit relativ wenig Geld darauf. Und das existierte auch nur noch deshalb, weil die Kündigungsfrist hier etwas später zu laufen begann. Das heißt, ich musste damit rechnen, dass es ebenfalls vor meinen Augen verschwinden würde.
Kurz nach der Feststellung, über praktisch kein Geld mehr zu verfügen, traf ich mich wie verabredet mit Paul Marshall, einem der interessantesten Personen auf der Insel. Denn Fondsmanager, die kritisch auf die Finanzindustrie und insbesondere Erscheinungen wie Blackrock schauen, gibt es nur sehr, sehr selten. Das Gespräch mit Paul Marshall (im Wesentlichen für mein Buch, das 2024 erscheinen soll) lief hervorragend. Aber es ist ein eigentümliches Gefühl, mit jemandem zu sprechen, der etwa 60 Milliarden Dollar verwaltet, und anschließend darüber zu grübeln, wo ich das Geld für das nächste Sandwich herbekommen könnte. Fast hätte ich ihn gefragt, ob er ein PayPal-Konto besitzt. Denn das war momentan mein einziges funktionierendes Finanzinstrument. Stattdessen fragte ich meinen Kollegen Achim Winter, ebenfalls Gast bei der ARC-Konferenz, überwies ihm eine Summe per PayPal, und er drückte mir ein paar Pfundnoten in die Hand (an der Stelle noch einmal vielen Dank). Und ich stellte fest, dass meine Kreditkarte doch (noch) funktionierte. Sie stammt nicht von der Bank, sondern von einem anderen Anbieter, der noch nicht mitbekommen hatte, dass es das Referenzkonto nicht mehr gab.
Am nächsten Tag kam dann ein Anruf von der Bank mit der Mitteilung, man sei jetzt grade dabei, meine Konten wieder einzurichten. Die Rücknahme der Kündigung gilt also wieder. Es scheint jetzt alles in Ordnung zu kommen. Wie gesagt: Dahinter, dass die Konten doch gelöscht wurden, stand vermute ich keine Absicht. Etwas Schriftliches zum letzten Akt dieser merkwürdigen Geschichte besitze ich nicht, da ich mich gerade auf dem Rückweg von London nach München befinde, um dort als nächstes über die ARC-Konferenz zu schreiben, die sich im Rückblick als das Ereignis des Jahrzehnts herausstellen könnte.
Herzlichen Dank an alle Leser, die Publico mit Spenden via PayPal unterstützten. In dem Moment, als mich der Keulenschlag traf, wusste ich nicht, ob und wann ich wieder hochkommen und in der Lage sein würde, Publico-Autoren zu bezahlen. Aber auch Miete, Krankenversicherung und ähnliche nicht ganz unwichtige Dinge, die sich in Deutschland meist nicht per PayPal begleichen lassen.
Aber wie heißt es bei Mackie Messer: „Ist das nötige Geld vorhanden / wird das Ende meistens gut“. Selbst mein in dem ganzen Drama aufgetretenes Magenproblem hat sich zwei Tage später gelöst.
Natürlich hätte ich die Zeit während der zwei Monate, die zur Klärung des Problems nötig war, gern mit anderen Dingen verbracht. Die Stunden in London auch.
Aber dann gäbe es diese kleine Geschichte auf Publico nicht. Ich weiß, dass andere mit De-Banking sehr viel größere Schwierigkeiten hatten und haben. Dieses Thema wird Publico demnächst auch behandeln.
Aber jetzt geht es erst einmal daran, über ARC zu schreiben. Oder haben Sie in größeren deutschen Medien bisher etwas darüber gelesen?
Noch einmal: danke an alle Helfer.
Liebe Leser von Publico: Dieses Onlinemagazin erfüllt wie eine Reihe von anderen Medien, die in den letzten Jahren entstanden sind, eine zentrale und früher auch allgemein selbstverständliche publizistische Aufgabe: Es konzentriert sich auf Regierungs- und Gesellschaftskritik. Offensichtlich besteht ein großes Interesse an Essays und Recherchen, die diesen Anspruch erfüllen. Das jedenfalls zeigen die steigenden Zugriffszahlen.
Kritik und Streit gehören zur Essenz einer offenen Gesellschaft. Für einen zivilisierten Streit braucht es gut begründete Argumente und Meinungen, Informationen und Dokumentationen von Fakten. Publico versucht das mit seinen sehr bescheidenen Mitteln Woche für Woche aufs Neue zu bieten.
Dafür erhält dieses Magazin selbstverständlich kein Steuergeld aus dem Medienförderungstopf der Kulturstaatsministerin Claudia Roth, kein Geld aus dem Fonds der Bundeszentrale für politische Bildung (obwohl Publico zur politischen Bildung beiträgt) und auch keine Überweisungen von Stiftungen, hinter denen wohlmeinende Milliardäre stehen. Ganz im Vertrauen: Publico möchte dieses Geld auch nicht. Die einzige Verbindung zu diesen staatlichen Fördergeldern besteht darin, dass der Gründer des Magazins genauso wie seine Autoren mit seinen Steuern dazu beiträgt, dass ganz bestimmte Anbieter auf dem Medien- und Meinungsmarkt keine Geldsorgen kennen.
Es gibt nur eine Instanz, von der Publico Unterstützung annimmt, und der dieses Medium überhaupt seine Existenz verdankt: die Leserschaft. Alle Leser von Publico, die uns mit ihren Beiträgen unterstützen, machen es uns möglich, immer wieder ausführliche Recherchen, Dossiers und Widerlegungen von Falschbehauptungen anzubieten, Reportagen und Rezensionen. Außerdem noch den montäglichen Cartoon von Bernd Zeller. Und das alles ohne Bezahlschranke und Abo-Modell. Wer unterstützt, sorgt also auch für die (wachsende) Reichweite dieses Mediums.
Publico kann dadurch seinen Autoren Honorare zahlen, die sich nicht wesentlich von denen großer Konzernmedien unterscheiden (und wir würden gern noch besser zahlen, wenn wir könnten, auch der unersetzlichen Redakteurin, die Titelgrafiken entwirft, Fehler ausmerzt, Leserzuschriften durchsieht und vieles mehr).
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Dafür herzlichen Dank.
Die Redaktion
Kommentare anzeigen (12)
Falls - wie es scheint - in Ihrem Fall keine Sabotage-Absicht der Bank (oder von wem auch immer) hinter dem plötzlichen und unerwarteten Verschwinden des Bankkontos steckt, kann man den Vorgang wohl unter "extrem ärgerlich, darf nicht passieren, ist aber passiert" abhaken.
Aber man sieht auch an diesem Fall, wie extrem abhängig jeder Bürger mittlerweile von einem funktionierenden Online-Banking geworden ist und wie hilflos man ist, wenn so etwas "Ärgerliches" passiert.
Welche existentiell bedrohlichen Folgen es haben kann, wenn ein Bankkonto über kurze oder auch längere Zeit nicht funktioniert oder ganz ausfällt, haben jüngst viele Bankkunden bei der Eingliederung der Postbank-IT in die IT der Deutschen Bank erfahren müssen (sog. IT-Umstellung). Manche dieser Horrorgeschichten der Postbank-Kunden kann man z.B. bei Trustpilot.de nachlesen.
Ein vielleicht noch größerer Horror ist es, wenn einem Kontoinhaber aus "politischen Gründen" sein Bankkonto gekündigt wird, was in der Regel ohne jede Begründung erfolgt, sodass man die "politischen Gründe" nur ahnen kann (sog. De-Banking als Teil der Cancel-Culture).
Das darf alles nicht so weitergehen, dagegen muss unbedingt etwas unternommen werden. Aber können wir ausgerechnet von DIESER Regierung und unserer unterwürfigen Gerichtsbarkeit erwarten, dass sich in absehbarer Zeit etwas an diesen anrüchigen Praktiken der Banken ändert?
Deshalb hoffe ich, dass Sie ihre Ankündigung* demnächst wahr machen und über diese wirklich obermiese Masche der Cancel-Culture berichten. Ich bin wirklich sehr gespannt auf Ihren Artikel und erwarte sehr viel von ihm, da der Name Alexander Wendt stets für höchste Qualität bürgt.
Alles Gute für die Zukunft! Ich hoffe, dass Sie nicht auch irgendwann "gedebankt" werden und dass es publico noch lange geben wird.
* "Ich weiß, dass andere mit De-Banking sehr viel größere Schwierigkeiten hatten und haben. Dieses Thema wird Publico demnächst auch behandeln."
In meinem Fall handelte es sich ja um eine Kündigung ohne Begründung. Ohne Absicht – das ist jedenfalls die Vermutung – war lediglich, dass deren Rücknahme nicht beachtet wurde.
Wenn alle Stricke reissen, gibt es ja noch in Deutschland die gute Einrichtung des "Basis-Kontos". Das darf die Bank nur unter strengen Einschränkungen (wie z.B. bei Straftaten gegen die Bank, u.a.) kündigen. Wenn ich De-banking fürchten müsste, würde ich mir überlegen, so etwas zu beantragen (Antrag darf von einer Bank normalerweise nicht abgelehnt werden - wenn das doch passiert, Verfahren bei der BaFin eröffnen).
Lieber "publico-stammleser", es WAR der "noch größere Horror", von dem Sie sprechen! Und das ist dermaßen aberwitzig, unfaßbar, unverschämt, anti-demokratisch und DUMM, daß es einem die Sprache verschlagen könnte!
Hallo Herr Wendt,
gut, dass Sie um die Zwangsdiät herumgekommen sind.
Ich gehe davon aus, dass Sie schon verschiedene Tips zum Banking bekommen haben, daher nur kurz: Revolut und Wize sind zwei Neo-Banking Anbieter aus UK mit kostenlosen Basiskonten. Zusätzlich kann man dort kostenlos Fremdwährungskonten halten - für das Frühstück in GB. :)
In Anbetracht der Cancel-Culture auch bei den Banken, erscheinen o.g. Anbieter als Backup empfehlenswerter denn je.
Hadmut Danisch hat nach der Kündigung seines Kontos durch die Deutsche Bank auch ein Ersatzkonto bei Wise (=Wize?) eröffnet. Dieses Konto wurde ihm auch gleich wieder gekündigt. Irgendwie scheint Wise auch mit der Deutschen Bank zusammen zu arbeiten. Siehe zu den Erfahrungen mit Wise seinen umfangreichen Blog-Beitrag vom 2. November:
ttps://www.danisch.de/blog/2023/11/02/kontenkuendigungen-ueber-die-wise-com-den-datenschutz-in-der-eu-und-die-korruption-in-bruessel/
Einfach ausdrücklich ein BASISKONTO beantragen. Das zu kündigen, ist nahezu unmöglich. Voraussetzung für die zwangsweise Eröffnung durch die Bank ist allerdings, dass man kein anderes nutzbares Konto bei einer dt. Bank hat. Man müsste das dann also ggf. als einziges Konto betreiben (siehe die Infos auf der BaFin-Webseite). Wem das zu unpraktisch ist: in der Schweiz haben wir von Debanking-Fällen noch nichts gehört. Hier bei uns ist man ziemlich sicher, und die Konto-Eröffnung einfach.
Tu felix Helvetia! Ich besitze nur ein einziges Girokonto, vielleicht kann ich es in ein Basiskonto umwandeln lassen. Danke für den Tipp!
Ich habe - nach meiner relativen kurzen - "Karriere" als Politologe - 20 Jahre lang Derivate gehandelt; ist wesentlich einträglicher als der Job als Politologiedozent, und man muss sich nicht von Studs nerven lassen.
Man wird dabei zwar nicht zum Bankfachmann - aber man hat ja dauernd mit diesen Leuten zu tun. Und glauben Sie mir: Es gibt in kaum einem anderen Beruf (ausser in dem des Politikers) so viele absolut unqualifizierte Leute wie bei Banken. Das meiste, womit die einen behelligen, ist nicht bösem Willen geschuldet, sondern totaler Unfähigkeit. Die meisten von denen würden die Prüfung z.B. zu einem Heizungsbauer niemals schaffen.
Die Zeiten sind lange vorbei, wo Bankmitarbeiter solch Datenbankpflege betreiben. Das wird über outgesourcte Serviceunternehmen (umgangssprachlich Callcenter) abgewickelt. Am Bankschalter hat man dann nur den Kollegen, der wegen der Kundenreklamation in den Monitor starrt und sich im Stillen denkt, "wer hat denn da geschlafen" und überlegt, wie jetzt die Lösung ohne Palaver kommuniziert wird.
Die Basis für das raumgreifende De-Banking wurde ja 2013 durch ein Urteil des BGH gelegt.
Focus: "Die Commerzbank hatte das Konto [eines 'rechtsextremen' Buchvertriebs] ohne Angabe konkreter Gründe gekündigt. Eine entsprechende Klausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen sei wirksam, entschied der BGH. Die Bank sei nicht verpflichtet, jede Ungleichbehandlung verschiedener Kunden zu rechtfertigen (Az. XI ZR 22/12)."
Damals hat man sich vielleicht (klammheimlich) gefreut, dass es "nur " rechtsextreme traf. Heute aber kann man sich seines Kontos nur einigermassen sicher sein, wenn man flächendeckendes Wohlverhalten zeigt. So kommt es, wenn man Fehlentwicklungen nicht rechtzeitig und entschieden entgegenwirkt.
Das kann aber doch nicht so weitergehen! Muss man sich jetzt bei jeder Spende an (zum Beispiel) publico oder Tichys Einblick vorher von der Bank schriftlich zusichern lassen, dass dann keine Kündigung erfolgt? Da ist doch etwas völlig aus dem Ruder gelaufen, wenn man Angst vor einer Kontokündigung haben muss, nur weil vielleicht ein Überweisungs- Empfänger der Bank nicht zusagt.
Deswegen meine Forderung:
1. Alle Konto-Kündigungen müssen dezidiert begründet werden und somit gerichtlich nachprüfbar sein.
2. Kündigungen aus politischen Gründen (Cancel Culture, political Correctness etc.) sind unzulässig.
Der Willkür der Banken und der Instrumentalisierung durch politische Einflussnehmer muss ein Ende gesetzt werden.