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Correctiv, Wannsee und der Moralputsch der Wohlgesinnten

Die Berichte über einen angeblichen Potsdamer Deportations-Geheimplan enthalten zwar kaum Substanz, bewirken aber viel: Ihre politisch-mediale Verwertung zielt auf die Errichtung einer autoritären Postdemokratie. Das Land steht tatsächlich an einem Kipppunkt – aber anders, als viele im politisch-medialen Komplex suggerieren

Der Text, der auf vielfachen Wunsch öffentlich-rechtlicher Anstalten, von Politik und der staatlich finanzierten Zivilgesellschaft einen Wendepunkt darstellen soll, veröffentlicht auf der Plattform Correctiv unter der Überschrift „Geheimplan gegen Deutschland“, hebt so an: „Es ist der Morgen des 25. November, kurz vor neun Uhr, ein trüber Samstag.

Auf den geparkten Autos im Hof sammelt sich Schnee. […] Hier zeigt sich, was passieren kann, wenn sich rechtsextreme Ideengeber, Vertreter der AfD und finanzstarke Unterstützer der rechten Szene mischen. Ihr wichtigstes Ziel: Menschen sollen aufgrund rassistischer Kriterien aus Deutschland vertrieben werden können. […] Womöglich ist es auch Zufall, dass die Organisatoren gerade diese Villa für ihr konspiratives Treffen gewählt haben: Knapp acht Kilometer entfernt von dem Hotel steht das Haus der Wannseekonferenz, auf der die Nazis die systematische Vernichtung der Juden koordinierten.”

Nicht nur womöglich, sondern mit Sicherheit handelt es sich nicht um Zufall, wenn die Autoren mit dem Signalwort „Wannseekonferenz“ ihren Lesern gleich zu Beginn den Wink mit dem größtmöglichen Pfahl geben, auf welcher Bedeutungsebene sie das von ihnen dargestellte Ereignis und damit auch den Text selbst sehen. Die Bedeutungsbrücke führt von der historischen Berliner Villa am Wannsee bis zum Lehnitzsee in Potsdam, nicht umgekehrt: Weil es im Januar 1942 die Wannseekonferenz gab, muss es bei dem Treffen in dem anderen am Wasser gelegenen Haus im November 2023 ebenfalls um einen Zivilisationsbruch gegangen sein. Diesen Abgrund umreißt Correctiv mit der Behauptung, bei dem Geheimtreffen in dem Potsdamer Hotel „Landhaus Adlon“ sei ein Geheimplan zur Deportation von Millionen Menschen mit Migrationshintergrund vorgestellt worden, darunter auch von deutschen Staatsbürgern mit Einwanderungsgeschichte. In vielen Medien gibt es zu wichtigen Ereignissen das Erklärformat: ‘Was wir bisher wissen – und was nicht‘, das sich hier anbietet. Das Wissen über die Correctiv-Veröffentlichung unterteilt sich in mehrere Hauptpunkte.

Erstens fand in Potsdam kein Geheimtreffen statt, sondern eine private Veranstaltung mit ziemlich großem Verteiler. Anderenfalls hätten die Correctiv-Mitarbeiter sich nicht rechtzeitig in das Hotel einbuchen können, um sich dort auf Lauschposten zu begeben. Zweitens stellte der Österreicher Martin Sellner dort keinen Geheimplan vor, sondern im Wesentlichen den Inhalt seines Buchs „Regimewechsel von rechts“, das es inzwischen in vierter Auflage gibt. Zur Informationsbeschaffung bedurfte es also keiner klandestinen Operation; der Gang in einen Buchladen hätte genügt.
Drittens liefert Correctiv wiederum an keiner Stelle einen Beleg, dass Sellner oder jemand anderes in Potsdam tatsächlich die massenhafte oder auch nur gelegentliche Ausbürgerung von Deutschen mit Migrationshintergrund gefordert hätte. Der Begriff „Deportation“ kommt noch nicht einmal in dem Correctiv-Text selbst vor, sondern erst in dem medialen Echo, etwa beim Spiegel, der in dem Treffen, an dem neben Sellner auch einige AfD- und zwei CDU-Mitglieder ohne jedes öffentliche Amt teilnahmen, einen „Deportationsgipfel“ ausmacht.
Und viertens ähnelt der faktische Kern, der noch übrig bleibt – in der Diskussion ging es tatsächlich um die Ausweisung beziehungsweise Abschiebung von Migranten ohne dauerhaftes Bleiberecht unter dem Stichwort ‘Remigration‘ – seinerseits zum Verwechseln den Stichworten von SPD- und Unionspolitikern zum gleichen Thema. Noch vor Kurzem erklärte Bundeskanzler Olaf Scholz auf dem Titel des Spiegel: „Wir müssen im großen Stil abschieben“. Der Ampel-Koalitionsvertrag sieht ausdrücklich eine „Rückführungsoffensive“ unter genau diesem Begriff vor. Dann gab es zwar keine Offensive, aber kleine Änderungen, um ein wenig mehr abgelehnte Asylbewerber als bisher abzuschieben.

Rhetorisch stellte die zuständige Ministerin die Maßnahmen als sehr viel schärfer dar, als sie es in Wirklichkeit waren. Im Umkreis von Innenministerin Nancy Faeser überlegten Beamte 2023 übrigens, eingebürgerten Migranten, die sich antisemitisch betätigen, bis zu 10 Jahre rückwirkend den Pass zu entziehen.

Dass es bisher nicht zu der von Scholz verkündeten Abschiebung im großen Stil kam, liegt jedenfalls nicht an fehlender politischer Macht. Die Überlegungen des Bundesinnenministeriums zum Passentzug bewegten sich ein gutes Stück außerhalb des geltenden Rechts, deshalb verschwanden sie auch in aller Stille in der Ablage. Aber immerhin handelte es sich überhaupt um Pläne. Bei der Zusammenkunft in Potsdam plante niemand irgendetwas; dort fand die Vorstellung eines schon bekannten Buchs statt, über das eine Handvoll Leute ohne die geringste staatliche Entscheidungsbefugnis diskutierten. Übrigens auch ohne jede Öffentlichkeitswirkung. Die stellte erst der Correctiv-Text her.

Was wir nicht wissen: Wieviel Planung in dem Beitrag und dessen Verwertung steckt.
Er brauchte offenbar unbedingt die Wannseekonferenz-Anbindung, um es überhaupt zur beabsichtigten Wahrnehmungshöhe zu schaffen. Denn faktisch gibt der Text so gut wie nichts her. Was er berichtet, ist weitgehend unskandalös; gibt es eine Skandalbehauptung wie die angebliche Forderung nach massenhafter Vertreibung von Migranten mit deutschem Pass, fehlt wieder jeder Beleg. Und nicht nur das: Teilnehmer der Veranstaltung bestreiten ausdrücklich, dass dort Begriffe wie „Deportation“ oder „Vertreibung“ fielen. Es entspricht also einer inneren Logik, wenn es in der Verwertungskette, die sich nach der Correctiv-Veröffentlichung in Gang setzte, überhaupt nicht mehr darum ging und geht, was jemand in dem Potsdamer Hotel tatsächlich sagte, sondern nur noch um all jenes, was sich um das Stichwort „Wannsee 2.0“ gruppieren lässt. Diese Metaebene entsteht nicht einfach so.
An ihr wirken viele mit und das mit großer Hingabe. Vor allem um diese politische Verwertungskette soll es im Folgenden gehen und um ihre wichtigste Voraussetzung: Die völlige Banalisierung des Nationalsozialismus, die ihrerseits nur deshalb kaum noch auf Widerspruch stößt, weil eine Mehrheit von Politikern, Medienmitarbeitern und sonstigen Influencern nicht einmal mehr über rudimentäre Geschichtskenntnisse verfügt.

In den meisten Medienbeiträgen zur Weiterverarbeitung der Correctiv-Vorlage spielt der Inhalt des Ursprungstextes so gut wie keine Rolle mehr, sondern nur noch das darübergelegte NS-Wannsee-Holocaust-Deutungsraster. Zeit Online stellt schon in der Überschrift zu einem Interview mit einem akademischen Stichwortgeber fest, das Hotel in Potsdam liege „nicht weit von der Wannseekonferenz-Villa“ und fragt: „Nur Zufall?“ Um den Artikel noch ein bisschen stärker auf „Wannsee“ zu trimmen, steht sicherheitshalber neben einem Foto von Martin Sellner eine Abbildung, die das Modell der Wannsee-Villa zeigt.

Wie muss man sich eigentlich eine nichtzufällige räumliche Nähe zweier älterer Gebäude vorstellen, zwischen denen keinerlei inhaltliche Verbindung existiert? Die Tagesschau weist in ihrem Beitrag sogar ganz exakt auf eine Luftlinienentfernung von sieben Kilometern zwischen dem Landhaus Adlon und der Villa am Wannsee hin. An dieser Stelle ein grundsätzlicher Rat an alle wohlmeinenden Medienredaktionen des Landes: Der sehr gründliche Amateurhistoriker Harald Sander dokumentiert in den vier Bänden seines Werks „Hitler – das Itinerar“ dessen Aufenthaltsort Tag für Tag von 1889 bis 1945, und dann noch einmal den Weg seiner Asche samt Knochenresten von Berlin bis an die Schweinebrücke bei Biederitz, wo sowjetische Soldaten sie 1970 in das Flüsschen Ehle streuten. Wer Sanders Liste gründlich studiert, merkt schnell, dass jeder beliebige Ort in Deutschland nur wenige Kilometer Luftlinie entfernt von irgendeinem Punkt liegt, der sich mit Hitler verbinden lässt und damit auch jedes denkbare Datum aus seinem Leben mit einem Termin der Gegenwart. Falls also das komplette Itinerar nicht schon längst in der Zeit-Online-Zentrale im Zentrum in Berlins steht, also nur wenige Dutzend Meter Luftlinie entfernt vom ehemaligen Reichspropagandaministerium, dann sollte sich der Verlag schleunigst die Komplettausgabe besorgen. Wer auch noch die Daten zu anderen NS-Funktionsträgern dazu nimmt, erhält zwar kein inhaltliches, aber ein räumlich-zeitlich-symbolisches Bezugsnetz. Und darauf kommt es offensichtlich an.

Der von Zeit Online interviewte Historiker Martin Roth streift zwar kurz den Umstand, dass auf der Wannsee-Konferenz Entscheidungsträger des Dritten Reichs zusammensaßen, in dem Saal des Potsdamer Hotels dagegen ausschließlich Leute, die gar nichts zu melden haben, wischt dieses Detail aber mit der Bemerkung zur Seite, die Runde vom Lehnitzsee stünde trotzdem in einer „fatalen Traditionslinie“. Beziehungsweise, so müsste der Synthesebegriff eigentlich lauten, in einer historischen Luftlinie. Beide Häuser liegen an Gewässern. So viel steht fest. Die Sächsische Zeitung geht noch einen Schritt weiter, indem sie die Überschrift „Deportation für Staatsbürger: Was die ‘Remigration’-Pläne der AfD bedeuten“ mit einem Foto kombiniert, das Juden zeigt, die einen Viehwaggon besteigen müssen.

Die Bildunterschrift dazu lautet: „Deutschland hat schon einmal massenhaft Menschen deportiert. So sahen die Nationalsozialisten zunächst vor, die Juden nach Afrika zu schaffen, was auch die AfD nun für Zuwanderer plant, mit und ohne deutsche Staatsbürgerschaft.“ Das lässt sich nur im Stil der Sender Jerewan-Geschichten entwirren: Im Prinzip richtig, nur, dass es keine AfD-Pläne gibt, massenhaft deutsche Staatsbürger nach Afrika zu bringen, sondern nur einen noch nicht verwirklichten Remigrationsplan der britischen Regierung, der allerdings nicht vorsieht, britische oder sonstige europäische Bürger, sondern abgelehnte Asylbewerber überwiegend aus Afrika zurück nach Afrika zu fliegen, konkret nach Ruanda. Das englische Wort ‚deportation‘ entspricht übrigens der deutschen ‚Abschiebung‘, die das Gesetz nach wie vor für abgelehnte Asylbewerber ohne Bleiberecht vorsieht.
Nicht die „Recherchen zu Potsdam“ selbst können und sollen ein „Wendepunkt“ sein, wie der Korrespondent im ARD-Hauptstadtstudio Gabor Halasz hofft, wohl aber ihre Fortsetzung, konzipiert als serielle Veroperung durch Medien, Polit- und Kulturbetrieb.

Auffallend oft tauchen auch außerhalb der Theateraufführung am Berliner Ensemble Begriffe aus der Film- und Theaterwelt auf. Die Correctiv-Schreibmannschaft stellt fest, die Zusammenkunft in Potsdam wirke „wie ein Kammerspiel – doch es ist Realität“. Bei Zeit Online: „Es könnte eine Netflixserie sein. Es ist aber Realität.“ Das Stück des Berliner Ensembles in Zusammenarbeit mit dem Volkstheater Wien und Correctiv zeigt in einer Art Revue zum einen Verschwörer haarscharf vor der Machtergreifung, gleichzeitig aber auch eine Ansammlung von Schießbudenfiguren im Frack, die mit ihrer unentwegten Selbstkommentierung nicht bedrohlich, sondern lächerlich wirken. Wer fragt, wann das Musical folgt, liegt gar nicht so weit weg von der tatsächlichen Entwicklung. Die SPD-Bundestagsfraktion schickte ein Video in die Social Media-Kanäle, in dem Laienschauspieler AfD-Agitatoren mimen und Rollenprosa in die Kamera sprechen, mit der sie sich selbst als Menschenfeinde überführen, und zwar in einer Weise, gegen die das DDR-Staatskabarett im Rückblick geradezu subtil wirkt.

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Auch in der Selbstdarstellung im Auditorium des Berliner Ensembles und in den Demonstrationen der extrabreiten Bündnisse gegen rechts von Extinction Rebellion bis Junge Union unter Teilnahme von Regierungsvertretern setzt sich der bühnenhafte Stil fort. Was in Köln, Potsdam, Leipzig und anderswo stattfand, wirkt eher wie ein bundesweiter Sophie-Scholl-Ähnlichkeitswettbewerb. „Das Auffälligste an den vielen Anti-AfD-Demos“, heißt es in der Zeit, sei „die besondere Energie, die hier zu spüren war: Freudige Gesichter überall, gerötet nicht nur von der Kälte, sondern auch vom erhebenden Gefühl, endlich zu handeln, statt zu hadern.”

Hätte sich die Potsdamer Veranstaltung auch nur annähernd in dem Bereich echter Verschwörung bewegt, wäre das Unterstellte dort tatsächlich besprochen worden, gäbe es auch nur die leiseste Möglichkeit der Umsetzung, stünde ernsthaft eine Abschaffung der parlamentarischen Demokratie bevor – dann fänden die Demonstrationen vermutlich nicht als erhebendes Event der Moralelite statt, untergehakt mit den Regierungsspitzen und begleitet von einem Medienorchester. Dann würden die Demonstranten sich nicht für X und Instagram wechselseitig als vor Selbsterhebung gerötete Helden der Zwischenzeit fotografieren, für die eine Diktatur acht Jahrzehnte zu spät, für die kommende Machtergreifung der Lehnitzseerunde aber noch ein bisschen zu früh. Wäre es wirklich ernst, würde die drohende Gefahr nicht auf der Bühne nachgespielt und mit albernen Agitpropvideos bekämpft. Großkundgebungen mit Politikern, illuminierte Marschblöcke, Aufrufe zum Zusammenstehen und zur Einebnung aller Parteidifferenzen stellen überhaupt die denkbar schlechtesten Mittel zur Bekämpfung einer angeblich drohenden Diktatur dar, erst recht, wenn das Bild dieser Diktatur auch noch konsequent nach NS-Schablonen gezeichnet wird. Hätte Correctiv wirklich eine echte Gefahr aufgedeckt, dann hätte die Plattform mit der Publikation kaum von November bis Januar gewartet. Aber die spontanen Kundgebungen musste ja schließlich erst jemand organisieren. Auch einen Abend im Spielplan samt Kapazitäten räumt niemand von jetzt auf gleich frei.

Für die Protagonisten selbst passen karnevaleske Aufführung und Faschismusbeschwörung mühelos zusammen. Das ließe sich nicht erklären ohne das hemmungslos banalisierte Gegenwartsbild des Nationalsozialismus. Dass in der Verkoppelung Potsdam-Wannsee der mindestens zwanzig Jahre alte Forschungsstand zur Wannseekonferenz über Bord fliegt und stattdessen die längst widerlegte Behauptung wieder nach oben treibt, in der Wannsee-Villa sei der Holocaust beschlossen worden, stellt noch das kleinste Problem dar. (Der Holocaust begann schon im Jahr vorher, Himmler erteilte den Auftrag zur Errichtung von Auschwitz-Birkenau im März 1941, die ersten Vergasungen fanden einige Monate später statt, die ersten Erschießungen von Juden mit deutscher Staatsbürgerschaft im Ghetto von Riga ebenfalls. Die Wannseekonferenz 1942 diente der effizienteren Verzahnung verschiedener NS-Bürokratieebenen in einem Massenmordprozess, der bereits lief). Das fällt in den Bereich von Historikern, die ohnehin das öffentliche Bild der NS-Zeit kaum noch beeinflussen. Sie stöhnten schon, als weiland Guido Knopp Hitler durch den Serienfleischwolf drehte („Hitlers Helfer“, „Hitlers Frauen“, „Hitlers Kinder“) und jede Möglichkeit irgendwelcher strukturellen Erkenntnisse unter einer dicken Melange aus Personalisierung, hochbedeutender Musik und Kommentaren erstickte. Die Knoppaganda wirkt allerdings noch geradezu seriös im Vergleich mit der Verhäckselung der Geschichte von Sophie und Hans Scholl zur Instagram-Story, die Bayerischer Rundfunk und Südwestrundfunk 2022 speziell einem jungen Publikum servierten. Darin tritt Sophie Scholl ganz ernsthaft als „Widerstandskämpferin/Bloggerin“ auf, die ihren Untergrundkampf gegenüber imaginären Followern auf Social Media kommentiert, „hautnah, emotional und in nachempfundener Echtzeit“, wie die ARD ihre Geschichtsumarbeitung lobt.

 

Das sieht dann folgendermaßen aus: In einem ihrer Instagram-Einträge unter dem Serientitel „Meine Woche“ berichtet die Scholl-Figur, sie habe sich beim Verteilen der Flugblätter schon ein bisschen „mulmig“ gefühlt. In einer Spielszene erzählt der Hans Scholl-Darsteller, blondgescheitelt und idealtypisch für die HJ, in der der echte Hans Scholl ja auch Mitglied war, ihn hätten „Typen auf der Straße verfolgt. Wahrscheinlich, weil denen mein Gesicht nicht gefiel“. Hans führt auch eine neue Mitstreiterin in die geheime Flugblatt-Werkstatt, die erklärt: „Ich finde wichtig, was ihr macht“, die ARD-Sophie erwidert ohne jede Nachfrage: „Wir können jede Hilfe brauchen.“ In diesem Instagram-Nazireich finden am Ende zwar die Hinrichtungen statt, ansonsten zeichnet sich das Regime dort aber dadurch aus, dass finstere Typen blonden deutschen Jugendlichen auf der Straße nachschleichen und Figuren des Widerstands so reden, als säßen sie heute im Büro einer steuergeldfinanzierten NGO. Den religiösen Hintergrund, der für die echte Sophie Scholl eine große Rolle spielte, ließen die Instagram-Verwerter mit sicherem Instinkt weg; er hätte ihr Zielpublikum bloß irritiert.
Nur diese hemmungslose Banalisierung macht es überhaupt möglich, Wiedergänger der Nazis und Hitler in allem und jedem zu beschwören. Nur durch dieses Doppeldenk konnten Wohlgesinnte während der Coronazeit auf Twitter Demonstranten gegen die Corona-Maßnahmen als Nazis begeifern und parallel fordern, sie in Konzentrationslager zu sperren. Nur diese Geisteshaltung macht es möglich, den protestierenden Bauern „völkische“ und rechtsextreme Beweggründe zu unterstellen, kurzum, sie einzubräunen und für sie mit dem allerbesten Gewissen „ein bisschen Sippenhaft“ zu fordern, wie in der Wirtschaftswoche geschehen. Warum nicht auch ein bisschen Schutzhaft und Lager? Ein Redakteur des Tagesspiegel erkannte erschüttert eine Nähe der protestierenden Bauern zum Nürnberger Reichsparteitag und ließ sich auch nicht davon bremsen, dass die Traktoren auf dem Volksfestplatz in Nürnberg parkten (auf seinem mitgetwitterten Foto ist das frühere Reichsparteitagsgelände nicht einmal zu sehen).

Wenn Traktoren in Nürnberg Angehörige dieses Milieus schon an Reichsparteitage gemahnen, wenn der Vizekanzler schon friedliche Bauernproteste zum Umsturzversuch aufbläst, dann, so die umgekehrte Wirkung, handelte es sich beim Nationalsozialismus inklusive Shoa auch nicht mehr um einen zivilisatorischen Abgrund, sondern um eine Requisitenkiste, aus der sich jeder greifen kann, was gerade zu seinen politischen Zwecken passt. Mit dieser Wahrnehmungsspaltung stellen Politiker und sonstige Demonstranten auch ihren Maßnahmenkatalog zusammen, der die drohende Diktatur im letzten Moment noch verhindern soll: Verbot der zweitgrößten und im Osten stärksten Oppositionspartei, Aberkennung der Bürgerrechte für einen ihrer Politiker, Großkundgebungen ausdrücklich „gegen rechts“, also gegen das gesamte politische Spektrum jenseits von Ruprecht Polenz und, wie von Familienministerin Lisa Paus angekündigt, noch mehr Geld für staatsfinanzierte „zivilgesellschaftliche Kräfte“, die nach ihren Worten mit der „Polizei und Sicherheitskräften“ als halboffizielle Ordnungsmacht zusammenwirken sollen.

 

Ob eine Aberkennung des aktiven und passiven Wahlrechts überhaupt möglich ist, das nur nebenbei, darüber streiten Verfassungsrechtler. Der einschlägige Artikel 18 zum Grundrechtsentzug lässt die Möglichkeit offen, erwähnt aber dieses Grundrecht in seiner Aufzählung nicht. Dafür ein anderes: Wer das Asylrecht dazu missbraucht, die freiheitliche Ordnung anzugreifen, dem kann es entzogen werden. Darüber entscheidet aber wie über jeden Grundrechtsentzug nicht eine Petition und die fordernde Menge, sondern das Bundesverfassungsgericht im Einzelfall.

Besser als das von Polenz und vielen anderen verbreitete Motto „in den Farben getrennt, in der Sache vereint“ könnten diejenigen, die aus der Correctiv-Kolportage einen realen Wendepunkt für das ganze Land machen wollen, ihre Gesellschaftsvorstellung gar nicht beschreiben. Alle Parteien außer der einen dürfen sich nur noch in ihren Farben unterscheiden, alle haben einen Block zu bilden, und in dieser Blockbildung darf bei den Themen Migration, aber auch bei allen anderen niemand mehr mit einer Ansicht aus der Reihe tanzen, die der AfD auch nur nahekommt – etwa bei der Abschiebung von Migranten ohne Bleiberecht im großen Stil, wie sie Scholz eben noch ankündigte. Unter diesen Bedingungen wäre selbst ein Rest letzter Rationalität in politischen Debatten nicht mehr möglich. Eigentlich gar keine politische Auseinandersetzung, weil alles und jedes sofort zum Gefühlsbekenntnis erstarrt und die Staatsspitze keine Parteien mehr kennt, sondern nur noch Weiße Rosen auf der einen und künftige Naziherrscher auf der anderen Seite. Vor allem muss die Regierung sich nicht mehr damit beschäftigen, wieweit sie selbst mit ihrer Politik die Bauernproteste und die Umfrageergebnisse der AfD verursacht. Denn jedwede Opposition ist neuerdings nur die Wiederholung von AfD-Narrativen.

Zur Begründung des Ausnahmezustands – und darauf läuft es hinaus – führen Politiker wie Nancy Faeser, Lars Klingbeil und viele ihrer Verstärker in den Medien an, jetzt, mit Wannsee-Potsdam, habe die AfD endgültig „ihre Maske fallen gelassen“. Abgesehen davon, dass es sich in Potsdam gar nicht um eine AfD-Veranstaltung handelte: Welche Maske? Schon der längst aus der Partei ausgetretene Mitgründer und Wirtschaftsprofessor Bernd Lucke, der sich eigentlich nur mit dem Euro beschäftigte, war bekanntlich in der medialen Darstellung ein Rudolf Höß im Karstadtpulli. Das Bild Frauke Petrys, ebenfalls Ex-Führungsfigur und heute Kronzeugin für die Radikalisierung, hob der Spiegel vor dem grafischen Hintergrund des echten Reichsparteitagsfeldes aufs Titelblatt. Aber eben deshalb, weil sich die Dauerentlarvung nach diesem Schema schon längst nicht mehr steigern lässt, beginnt jetzt der Versuch – da die Regierenden die Möglichkeit, ihre Politik zu ändern, offensichtlich von vornherein verwerfen – den Charakter des Landes ganz real zu verändern.

Einen ähnlichen Versuch, mit einem bis heute nicht aufgeklärten Ereignis einen politischen Umschwung zu bewirken, gab es schon einmal, nämlich im Januar 1990. Damals schmierte ein unbekannter Trupp Parolen auf den Sockel des Sowjetischen Ehrenmals in Treptow im Osten Berlins, sehr groß, ausführlich und noch nicht einmal spezifisch rechtsradikal: „Nationalismus für ein Europa freier Völker“ hieß es da und: „Sprengt das letzte Völkergefä(ng)nis, sprengt die UdSSR.“ Wie jeder in der DDR wusste, standen an dem Denkmal immer Polizisten Wache – nur in dieser Nacht nicht, als die Buchstabenmaler kamen. Sämtliche SED-Blätter und die „Aktuelle Kamera“ machten daraus umgehend ein Fanal für eine bevorstehende rechtsradikale Machtergreifung. In dem Land, in dem sonst wenig funktionierte und das an Benzinmangel litt, karrten Busse wenig später eine Viertelmillion Menschen aus allen Republikwinkeln nach Treptow, damit sie einer Ansprache des damaligen SED-PDS-Vorsitzenden Gregor Gysi lauschten. Jetzt müssten umgehend Maßnahmen ergriffen werden, rief er in die Menge, „sonst brauchen wir über demokratische Entwicklung gar nicht zu reden“. Das Neue Deutschland machte mit der Forderung auf: „Unser Land braucht jetzt eine breite Einheitsfront gegen rechts“.

 

Für diesen Versuch der SED, mit ebenjener Aktion noch einmal die Meinungshoheit an sich zu reißen, war es Anfang 1990 zu spät. Die Lawine vom Herbst 1989 ließ sich nicht mehr stoppen. Das, was sich ein Spektrum von Faeser bis zu Antifa und Extinction Rebellion als neue Ordnung erträumen, gleicht allerdings verblüffend dieser DDR-Spätphase nach dem Mauerfall, in der Gysi und andere noch versuchten, einen sanften Autoritarismus zu etablieren, idealerweise später auch mit Westgeld. Es sollte keinen Honecker mehr geben, aber eben Gysi und einen auf DDR-Antifaschismus verpflichteten Parteienblock unter Führung einer etwas umgebauten SED und Diffamierungen all derjenigen, die dabei nicht mitmachen wollten. Keine Stasi mehr, aber ein „Amt für Nationale Sicherheit“, keine strikte Zensur mehr, aber ein informelles Einverständnis darüber, wer Zugang zu den großen Bühnen erhält und wer als Hasser und Hetzer unter Beobachtung steht.

Wer alles zusammenzählt, was derzeit geschieht und noch geschehen soll, der kann die Ähnlichkeiten – und hier sind es echte Ähnlichkeiten – mit dem Plan einer renovierten DDR nicht übersehen. Da beginnt der Tagesthemen-Kommentator mit einem Lob für den Chef des Inlandsgeheimdienstes und endet mit einem Tadel für die Union, weil sie es in dieser Ausnahmelage immer noch wagt, die Regierung zu kritisieren. Da spricht ein WDR-Reporter die engagierte Kundgebungsrede gegen rechts gleich selbst ins Mikro. Eine grüne Rundfunkrätin lobt sich öffentlich dafür, in die Berichterstattung der Tagesschau eingegriffen zu haben, weil die ARD zuvor die Aufmärsche gegen rechts in ihren Nachrichten nicht ausreichend würdigte. Und der Sender pariert.

 

In dem Deutschland, das noch besser zu werden verspricht als das beste Deutschland aller Zeiten, fordert ein in seinem Kerngeschäft hoffnungslos scheiternder Staatskonzern seine Kunden fast schon im Befehlston auf, für die gemeinsame Sache strammzustehen.

Etwas ältere Ostdeutsche erinnern sich noch an die Mach-mit-Aktionen. Geschichte wiederholt sich, anders als die Bahnmanager meinen, eben doch.

Die neue politische Ordnung nach einem abgeschlossenen Moralputsch würde dann von einer übergroßen Koalition von der Berufspolitik bis zum Berufsaktivisten unter Begleitung fast aller Medien beherrscht, die einen permanenten Ausnahmezustand erklären, weil im Wochentakt Berichte über immer neue hochgefährliche Netzwerke erscheinen. Parteiverbote, Aberkennung von Grundrechten und staatlich gelenkte und mitfinanzierte Kundgebungen, gut und gerne auch vor Privathäusern, wären die Instrumente gegen alle, die noch ernsthaft abweichen. Diese Machtanwendung würde sich natürlich nicht auf die AfD beschränken. Wenn sie tatsächlich verschwände, würden einfach die politisch Nächstgelegenen als Hitler-Wiedergängerverein gelten, die mindestens finanziell erdrosselt gehören.

Einige CDU-Mitglieder vermelden schon stolz ihre Teilnahme an den Gegen-Rechts-Märschen, in der nicht unberechtigten Erwartung, das möge wohlwollend registriert werden.
In der spezifisch deutschen Postdemokratie gibt es nur noch zwei politische Richtungen. Auf der einen Seite führt die Kolonne der Wohlgesinnten in die bessere Transformationszukunft, mit der Begründung, das sei der einzige Weg, der NS-Vergangenheit zu entkommen, die immer ganz dicht auf den Fersen folgt. Auf der anderen Seite laufen alle, die dort nicht mitwollen, folglich dem Faschismus in die Arme. Das Dritte Reich beziehungsweise seine zurechtgeknetete Theaterbühnen-Steinmeierreden-Instagram-Version wäre dann endgültig das Maß aller politischen Dinge.
Wir stehen tatsächlich an einem gesellschaftlichen Kipppunkt. Nur eben in eine etwas andere Richtung, als es diejenigen glauben machen, die gerade wirklich den Hebel am alten und schon etwas geschwächten Verfassungsstaat ansetzen.

 

 

 

 

 


Dieser Text erscheint auch auf Tichys Einblick.


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Kommentare anzeigen (26)

  • Möglicherweise leben wir längst in einer Postdemokratie.
    Die von der dilettierenden Bundesregierung und den Medien mehr als wohlwollend begleiteten Demonstrationen "gegen Rechts" sollen erkennbar vom Unmut über das schlechte Regieren ablenken.
    Dazu kommt - typisch deutsch - die vielfältig geforderte Aufforderung zum "Haltung zeigen" - "sag mir, wo du stehst".
    Wenn Geschichte sich stets als Farce wiederholt, dann dieses Mal.
    Klar scheint aber auch, dass die "Transformationsregierung" in ihrem ungebremsten Lauf gegen die Interessen der Bevölkerungsmehrheit und die ökonomische Vernunft regiert.
    Wenn also, wie der Zyniker Brecht feststellte, "erst das Fressen, dann die Moral" kommt, wird die geballte Macht der Kampagne "gegen Rechts" nicht auf Dauer tragen und die Unzufriedenheit mit der "Ampel" wird nicht kleiner werden.
    Ein erster Stimmungstest könnte die Europa-Wahl werden.

  • Wenn schon, dann müßte es heißen "Plan für Deutschland". Gegen Deutschland und das eigene Volk wird seit Jahrzehnten regiert. Und genau das dämmert gerade auch jenen, denen bislang Politik ziemlich gleichgültig war. Menschen die merken, daß sie jahrelang belogen, betrogen und ausgenutzt werden reagieren darauf im Allgemeinen nicht sehr freundlich und genau das macht den Funktionsinhabern Angst. Zurück könnnen sie eh nicht mehr.

    Wenn aber Remigration mit Vertreibung gleichgesetzt wird, dann ist Migration Umvolkung und dann ist Remigration nichts anderes als die Notwehr eines Volkes gegen Umvolkung und Enteignung sowie Ausverkauf der eigenen Nation.

  • Nachdem sich die von Antifa Zeckenbiss, Seibert und Merkel behaupteten Hetzjagden in Chemnitz nicht belegen ließen, wird nun zum Mittel der konzertierten Propaganda gegriffen, um vom politischen Versagen der Hetzjagden-Erfinder und dem gegenwärtigen Zustand der Ampel abzulenken. Nur, die Zielgruppe der neuen Hetzjagd lässt sich davon nicht beeindrucken. Was folgt als nächstes, wenn sich die Demonstranten ohne Erfolg verlaufen haben. Das Geschichtsbuch ist voll von möglichen Massnahmen und die Vergleiche mit dem Dritten Reich und der DDR bieten sich sich förmlich an für Correctiv und Konsorten; sie werden sie aber links liegen lassen, denn sich zu belasten wäre wohl Zuviel verlangt.

  • "Wir stehen tatsächlich an einem gesellschaftlichen Kipppunkt. Nur eben in eine etwas andere Richtung, als es diejenigen glauben machen, die gerade wirklich den Hebel am alten und schon etwas schwachen Verfassungsstaat ansetzen."

    Boris Reitschuster hat aktuell ("Das Ende der Demokratie, wie wir sie kannten… und warum es so viele nicht erkennen")
    ein Buch von einem genialen russischen Mathematiker, Igor R. Schafarewitsch, mit einem erkenntnisreichen Inhalt genannt, wobei der Titel bereits alles sagt: "„Der Todestrieb in der Geschichte: Erscheinungsformen des Sozialismus“. Diesen Eindruck muss ich ob des Durchblicks von "unserem Mann vor Ort", Alexander Wendt, der direkt am wahren Sachverhalt analysiert, gewinnen. Unverzichtbar ist Alexander Wendt, schon deshalb, weil er beide Seiten, Sozialismus ala DDR und Demokratie ala BRD gut kennt und zugleich erkennt. Was, so frage ich, wird uns alle noch erwarten, bis die Mehrheit (endlich) auch begreift, wohin "die Reise geht?" Es heißt ja, dass typischerweise ein Drittel versteht, ein Drittel macht einfach mit-(läufer) und ein Drittel "nix" versteht und sich treiben läßt.

  • Der alten Bundesrepublik wird langsam bewusst, warum die DDR zur Wiedervereinigung drängte, weil der Austausch der Politiker nichts geändert hätte, denn der Kollektivismus herrschte in allen Bereichen.

    Die Selbstüberschätzung der alten Bundesrepublik - in ihr könnte der Kollektivismus keinen Fuß fassen - löst sich vielleicht auch mittlerweile auf. Denn die Grundlagen sind unabhängig von einer ehemaligen FDJ-Funktionärin. Der zurzeit die Schuld zugewiesen wird, weil die Schmach der Selbstüberschätzung noch zu sehr kränkt.

    Wenn in der fernen Zukunft auch die Hürde genommen wird, dass die Epoche Aufklärung die Endlosschleife voraussichtlich nicht lösen kann, weil nicht der Verstand zur Vernunft führt, sondern die Fähigkeit eigene Kränkungen zu bewältigen. Dann gibt es vielleicht Fortschritt.

  • Erinnerungen werden wach. "Auf den geparkten Autos sammelt sich Schnee...". Claas Relotius malte einen seiner "Tatsachenberichte" aus mit "und in der Ferne sieht man den Mississippi" (der war allerdings viele hundert Meilen entfernt und man konnte nichts davon sehen).
    Aber die ganze Geschichte, wie sie von Correctiv inszeniert wurde, erinnert mich noch an etwas anderes. An ein Kapitel aus Paul Watzlawicks Klassiker "Wie wirklich ist die Wirklichkeit".
    Dort ist im Kapitel "Geheimdienstliche Desinformation" die 'Operation Neptun' des Tschechischen Nachrichtendienstes beschrieben (siehe in Wikipedia "Operation Neptun - Spionage"). Man hatte damals in der kommunistischen Tschechoslowakei Kenntnis von alten Nazidokumenten, die an sich wenig Spektakuläres enthielten. Für sich allein genommen, hätten sie kaum getaugt, politischen Einfluss im Westen zu nehmen. Also entschloss sich der tschechische Dienst, die Sache gross theatermässig zu inszenieren, um so in der westlichen Presse eine kleine Sensation, einen "scoop" zu kreieren, um maximale Öffentlichkeitswirkung zu erzielen.
    Man nahm alte Metallkisten, präparierte sie, füllte sie mit den Dokumenten, versenkte sie in einem See und liess sie dann von Tauchern öffentlichkeitswirksam "entdecken".
    (Für eine genauere Darstellung kann man das Buch des Überläufers Ladislav Bittman lesen, "Geheimwaffe D", oder auch seine Aussage - unter dem Pseudonym Lawrence Britt - vor dem Committe on the Judiciary des US-Senats.)
    Diese "Sensation" hüpfte dann, wie geplant, von West-Gazette zu West-Gazette und beeinflusste nicht nur die damals laufende politische Debatte über die Verjährung von NS-Verbrechen, sondern verunsicherte auch westliche Spione im Osten.
    Was hat die "aktive Massnahme" (CIA-Wortgebrauch "covert action") mit der Correctiv-Inszenierung zu tun?
    - Ich finde, die Ähnlichkeiten sind ins Auge springend.
    1. Man erlangt Kenntnis von irgendwelchen Informationen, die, für sich allein genommen, wenig spektakulär und von begrenztem Interesse für die Öffentlichkeit sind.
    Im Falle der Cerne Jezero-Aktion waren das alte Nazi-Unterlagen, bei Correctiv war das Sellners Buch und die Nachricht, dass er auf einer Zusammenkunft sprechen würde, wo auch AfD-Leute anwesend wären.
    2. Nun muss der Stoff so "aufbereitet" werden, dass man ihn als "Sensation" verkaufen kann, um so die Voraussetzung für seine politische Wirkung zu schaffen.
    Im Falle der Tschechen war dies der inszenierte Fund der Nazi-Unterlagen in einem See, bei Correctiv die verdeckte Lauschoperation bei einem "geheimen" Treffen.
    3. Des weiteren sorgt man dann unterstützend dafür, dass die Sensationsgeschichte mit Hilfe von Trittbrettfahrern weitergesponnen wird und so ein Eigenleben gewinnt.
    Die Tschechen nutzten dazu den Kontakt zu österreichischen Historikern und die deutsche Linkspresse, Correctiv füttert damit ein Theaterstück. Von den ÖR-Medien werden dann eigenständig Aspekte wie Hautfarbe und Ethnie zu den Sellner-Aussagen dazugedichtet.
    - Auf den ersten Blick erscheint der Vergleich der beiden Inszenierungen - der der Tschechen und der von Correctiv - vielleicht etwas weit hergeholt. Woher sollte Correctiv die alte Propagandaaktion des tschechischen Nachrichtendienstes kennen?
    Nun, das Buch von Watzlawick war in der psychologischen Literatur durchaus so etwas wie ein Bestseller. Ich kann mir kaum einen Psychologen vorstellen, der das nicht kennt.
    Bei Corretiv gibt es durchaus Leute, denen man diese Kenntnis unterstellen muss. Für Correctiv arbeitet eine Psychologin, und zusätzlich gibt es dort - laut deren Webseite - eine Dame, die sich mit "Emotion in der Desinformation" befasst hat.
    Und die tschechische Aktion war eine "klassische" Desinformationsaktion (wobei man beachten sollte, dass eine typische nachrichtendienstliche Desinformation in der Mehrzahl der Fälle nicht auf auf einem KOMPLETTEN Lügengebäude besteht, sondern sehr oft einen wahren Kern enthält, der dann mit einem Frame, einem Spin, einer Inszenierung, mit Ausschmückungen und ein paar zusätzlichen Vermutungen, bis hin zu Lügen, ausgestattet wird; das macht sie wirksamer.
    Correctiv ist keine journalistische Einheit. Sie haben sich - klar erkennbar - aktivistisch dem "Kampf gegen Rechts" gewidmet.
    Ich halte es nicht für undenkbar, dass sie eine solche Aktion zum Zweck ihrer maximalen öffentlichen Wirksamkeit nach dem Muster der alten, bei Watzlawick beschriebenen Aktion planten.

  • Das ist wie mit den Ibiza-Videos: die breite Masse stört es nicht, dass sie durchschaubar über staatlich finanzierte "NGOs" und Medien beeinflusst wird und die angewandten Methoden denen einer Zersetzungsthaktik der STASI und Propaganda der DDR entsprechen. Die Masse will es nicht mal bemerken und nimmt mit gutem Gefühl an Massenaufmärschen der Regierung teil anstatt sich gegen diese Propagandamethoden zu wenden und die Beendigung der staatlichen Finanzierung solcher "Nichtregierungsorganisationen" wie CORREKTIV zu fordern. Ich hatte Hoffnung, Rechtsstaatlichkeit und bürgerliches Bewusstsein seien weiter entwickelt und nun dieses alte Mitläufertum.
    Es wird hier langsam wirklich gefährlich, über echte politische Probleme zu debattieren.
    Herr Wendt, ich danke Ihnen für diese Analyse und bewundere Ihren Mut.

  • Nach(t)gedanke: Was treibt die vereinigten Marschkolonnen der Wohlgesinnten ("ganz Köln... hasst die AfD...") eigentlich dazu, sich einer Kampagne anzuschliessen, die auf einer Theaterposse beruht?
    Gruppendruck ist für viele sicher ausschlaggebend. Aber für die, die aus innerer Überzeugung da mitmachen? Da sieht die Sache anders aus, und da ist die Formulierung der 'Zeit' geradezu verräterisch:
    "Energie, die hier zu spüren war: Freudige Gesichter überall, gerötet nicht nur von der Kälte, sondern auch vom erhebenden Gefühl, endlich zu handeln, statt zu hadern.”
    Energie, Freude, erhebendes Gefühl.
    WIR sind die Guten, DIE sind die bösen. "Gott, ich danke Dir, dass ich nicht bin wie die anderen..." (Lukas 18,11).
    Dazu dieses befreiende Glücksgefühl. Ich nenne es den 'Pharisäer-Orgasmus'.

    • Nein, ist unmöglich. Es wird absolut, komplett, vollkommen korrekt berichtet. Zwar mag es etwas merkwürdig erscheinen, dass der grösste Teil der Presse die Correctiv-Erzählung völlig unkritisch übernimmt und über die Dementis von Teilnehmern an der "Wannseekonferenz 2" einfach schweigend hinweggeht.
      Aber wir wissen ja: eine "Lügenpresse" kann es nicht geben. Weil das ein Nazi-Wort ist.
      Ebenso ist Vegetarismus als "rechts" abzulehnen. Weil Hitler Vegetarier war.
      Und zwei plus zwei ist auch nicht vier. Weil die Nazis das offenbar glaubten.
      Nazis dachten auch, es gäbe nur zwei Geschlechter. Schon deshalb kann das nicht sein.
      Also glauben Sie gefälligst unserer Wahrheitspresse!! Oder sind Sie etwa rechts?