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Die schöne Mediengeschichte: kleine Räume für kleine Leute

Gesellschaftslenker in und außerhalb von Redaktionen wollen unbedingt die Frage diskutieren, wieviel Quadratmeter dem Einzelnen in Wirhabenplatzland zustehen. Denn hier gibt es sehr wohl Obergrenzen. Demnächst auch in anderen Privatangelegenheiten. Das neue Ideal heißt: Schrumpfbürger

In der neuen Publico-Serie „Die schöne Mediengeschichte“ sollen in lockerer Folge Texte und Dokumentationen über das Einordnungsschaffen in diesem Land erscheinen. Der erste Beitrag beschäftigt sich zum einen mit einem generellen Phänomen, nämlich dem Gleichtakt, mit dem Sender, Magazine und Zeitungen etwas zum gesellschaftlichen Gesprächsthema erklären, über das angeblich ganz Deutschland redet oder jetzt bitteschön reden muss.

Die Endverbraucher erfahren grundsätzlich erst durch diese Veröffentlichung, dass es sich überhaupt um ein Anliegen von höchster Dringlichkeit handelt. Aber gerade deshalb, weil außerhalb von Denkfabriken und Redaktionsräumen wirklich niemand die Notwendigkeit der Entkolonialisierung von Straßennamen, einer Frauenquote in Aufsichtsräten und der Krise der Männlichkeit diskutiert, müssen Medienpersonen ihr Publikum nachdrücklich darauf stoßen. Neben der generellen „Wir müssen reden”-Behauptung geht es zweitens um ein brandaktuelles Thema, über das wir nach Ansicht von Gesellschaftsingenieuren ab sofort und so lange reden müssen, bis sich eine Wirkung einstellt: Die Rationierung von Wohnraum und anderen Dingen des üblichen Bedarfs. Dass es sich bei der Vorstellung, jeder könnte selbst nach Lust und finanziellen Möglichkeiten entscheiden, auf wieviel Quadratmeter er lebt, um die verachtenswerte Suppenkasperfreiheit handelt, wissen Sie bereits aus dem Gesinnungsaufsatz von Professorin Hedwig Richter in der FAZ.

Faktisch verhält sich die Sache sehr einfach. Zum einen machen Vorschriften von der Heizung über das Dämmen bis zur Aushubentsorgung zusammen mit den Zinsen das Errichten neuer Wohnungen zu einer Sache, die professionelle Entwickler und potentielle Eigenheimbauer nur noch in sehr seltenen Fällen riskieren. Selbst in München, der Stadt, wo sonst a bissel was immer ging, verwandeln sich manche ausgehobenen Bestlagenbaugruben in Grünland. Mittlerweile spielt es keine Rolle mehr, ob die Bundesregierung 400 000 neue Wohnungen im Jahr oder irgendeine andere Zahl ankündigt: In diesem Jahr entsteht voraussichtlich noch nicht einmal die Hälfte davon. Andererseits wandern Jahr für Jahr so viele Menschen nach Deutschland ein, dass man für ihre Aufnahme rechnerisch zwei mittlere Großstädte bräuchte, wobei es längst nicht nur politisch Verfolgte und Kriegsflüchtlinge ins Kalifaterwartungsland mit seinen mittlerweile 84 Millionen Einwohnern zieht. Staatliche Stellen bringen die Neuankömmlinge in Containersiedlungen unter, wie jetzt beispielsweise eine im oberbayrischen Warngau für 500 Personen entstehen soll. Das Land Berlin mietet zum gleichen Zweck Hotels an, beispielsweise das Dormero in Ku’damm-Nähe, einen schönen Gründerzeitbau in Charlottenburg.

Aber auch diese Notmaßnahmen kommen absehbar an ihre Grenzen. Da die Bundesregierung einerseits die Bedingungen für das Bauen genauso wenig ändern möchte wie ihre Migrationspolitik und auf der anderen Seite immer noch zu wenige Deutsche auswandern, spricht in Wirhabenplatzland alles für die Alternative, den vorhandenen Wohnraum umzuverteilen. Diese Idee lässt sich wiederum sehr gut mit dem grundsätzlichen Gedanken des Degrowth verbinden, nach dem alle – jedenfalls fast alle – mit weniger auskommen sollen, weil sich die Erde nur dadurch retten lässt, dass westliche Normalverdiener ihren Lebensstandard herunterschrauben. Seit auch die Zuständigen in der Bundesregierung wissen, dass die versprochenen Wohnungen nicht einmal annähernd in der eigentlich benötigten Menge entstehen, nimmt ungefähr umgekehrt proportional die Zahl der Medienbeiträge zu, die uns erklären, wie stark die Bautätigkeit das Klima belastet. Und gleichzeitig die Menge und Länge der Qualitätsbeiträge, in denen es um die moralische Notwendigkeit kleiner genormter Wohnzellen geht. Genau hier beginnt unsere schöne Mediengeschichte. Irgendwann in der jüngeren Vergangenheit müssen Funktionäre des politischen Apparats, zu denen auch der Chef des Bundesumweltamtes (UBA) Dirk Messner gehört, beschlossen haben, das Thema unter die Leute zu bringen. „Wir werden aber auch über die Quadratmeterzahl, auf der Menschen leben, sprechen müssen“, erklärte Messner der Neuen Osnabrücker Zeitung im April 2024. Denn es gehe „ja letztlich um Flächenverbrauch“.

Wenn sich der Präsident des UBA im Frühjahr 2024 dazu interviewen lässt, darf man davon ausgehen, dass die Bastelarbeiten an dem Narrativ mindestens seit einem halben Jahr laufen, und zwar, wie der Qualitätsjournalist schreibt, auf Hochtouren. Bemerkenswert wirkt die leichtfüßige Art, in der Messner von einem nicht näher definierten Wir spricht, das jetzt einmal ernsthaft mit den Menschen sprechen muss.

Er setzt es auch als völlig selbstverständlich voraus, dass dieses opake Wir ein Anrecht darauf besitzt, zu erfahren, auf welcher Fläche jemand lebt. Diesen Punkt betrachtet er offenbar schon als abgehakt. Für ihn geht es offensichtlich nur noch darum, als nächstes diese Quadratmeter-pro-Bürger-Quote festzulegen.

Bevor es hier mit der Auffächerung der Flächenverbrauchsfrage in den Medien weitergeht, noch ein kleiner Einschub: Auf wieviel Quadratmetern jemand lebt und mit wem er diese Fläche teilt, geht das Funktionärs-Wir respektive den Staat genauso viel an wie die Zahl der Unterhosen in privaten Kleiderschränken oder die Frage, ob jemand in seiner Freizeit das Kanzleramt aus Streichhölzern nachbaut, nämlich einen feuchten Holunder. Als Besonderheit kommt in diesem Fall hinzu, dass es sich bei Messner um keinen Inhaber eines Wahlamts handelt, sondern um den Vorsteher einer nachgeordneten Bundesbehörde. In dieser Funktion sollte er sich ganz und gar im Hintergrund und aus dem Privatleben seiner Arbeitgeber, also der Bürger, heraushalten, anderenfalls rüttelt er ganz gewaltig am Watschenbaum, dessen Früchte allerdings zuerst die zuständige Bundesumweltministerin und ihre Parteikollegen zu kosten bekämen. Überhaupt fällt auf, dass sich in letzter Zeit Behördenleiter nach vorn drängen, um sich Seite an Seite mit Professoren wie Richtern als Gouvernanten ohne Auftrag zu betätigen. Figuren wie Geheimdienstchef Haldenwang, der sich um die Bewachung von Mentalitätsgrenzen kümmern will, ein Bundesnetzagentur-Chef Klaus Müller, der ankündigt, zusammen mit ebenfalls nicht gewählten EU-Kollegen demnächst „schädliche Inhalte“ aus dem Netz zu entfernen, ermutigen offenbar den nächsten Kollegen, seine Nase in das zu stecken, was in der bundesdeutschen Frühgeschichte einmal ‚Privatleben‘ hieß.

Aber nun wie versprochen zu den Aufklärungsartikeln über Menschen, die zu viel Platz verbrauchen. Am 23. Februar 2024 erschien in der Süddeutschen ein Beitrag mit dem Titel „Oma soll umziehen“, dessen Wortwahl – soll – zusammen mit der Illustration keinen Zweifel aufkommen ließ, dass der Text nicht freiwillige Lebensentscheidungen verhandelt, für die sowieso niemand eine simulierte gesellschaftliche Debatte bräuchte.

Der Autor unterbreitete in der Folge einen praktischen Vorschlag, nämlich eine Strafsteuer ganz allgemein für Bürger, also keinesfalls nur Senioren, die seiner Ansicht nach zu groß wohnen. Eine konkrete Quadratmeterzahl nannte er dabei nicht. So etwas sorgt in einer laufenden Kampagne für Flexibilität. Außerdem empfiehlt sich ein Vorgehen Schritt für Schritt. Zuerst muss in die Köpfe, dass nichts an der Steuerung von Wohnfläche vorbeiführt. Der süddeutsche Journalist schlägt vor, der Staat könne von dem eingetriebenen Geld Sozialwohnungen errichten. Natürlich verfügt dieser Staat theoretisch schon jetzt genügend Mittel zum Bauen, wenn auch nicht unbedingt über wirtschaftliche Kompetenz, weswegen er ja auch die Radwege in Peru nur bezahlt, aber nicht selbst anlegt. Aber eine sozialistische Rationalisierungsidee verkauft sich nun einmal besser, wenn irgendwo das Etikett sozial pappt.
In der schon erwähnten bundesrepublikanischen Antike gaben damals noch auflagenstarke Medien ihren Lesern Steuerspartipps, und zwar ganz ohne schlechtes Gewissen. Heute übermitteln sie dem Staat sachdienliche Hinweise, wie er den Bürger noch ein bisschen gründlicher schröpfen könnte. So ändern sich Zeitungen und Zeiten.
Nur wenige Tage nach dem SZ-Strafsteuervorschlag zieht der Focus mit einem Beitrag nach, der feststellt, dass Senioren Wohnungen blockieren.

Auch hier umgeht der Autor unelegant die Frage, ob es tatsächlich auf eine brauchbare Politik hinausläuft, zum einen jedes Jahr eine sechsstellige Zahl von Menschen einwandern zu lassen, von denen sich ein großer Teil im Leben als Versorgungsfall einrichtet und gleichzeitig den Wohnungsbau nach Kräften zu erschweren. Stattdessen heißt es bei ihm: „Deutschland hat ein Problem mit der Wohnraumverteilung.“ Und natürlich mit gemeinschädlichen Suppenkaspern, die auch in Zukunft gern selbst über ihren Lebensmodus entscheiden würden.

Wie gesagt, nicht nur trotzköpfige Senioren verschwenden Flächen. Weiter geht es „wie an der Schnur“ (Ochs auf Lerchenau) mit Beiträgen, die anderen ein Leben nahelegen, das Hedwig Richter und Dirk Messner gefallen würde. In der Zeit vom 31. März erklärt die Redakteurin, dass und wie ein eigener Garten vor allem Kinder gefährdet.

Als Illustration dient das Foto von einer Harke. Dort tritt der Nachwuchs hinein – Notaufnahme. Im Zeit-Angebot findet sich außerdem die dringende Warnung vor zu großen Küchen, die nach Ansicht der Meinenden unweigerlich den Verlust des Rechts nach sich zieht, beispielsweise über zu hohe Steuern zu klagen.

Im gleichen Fachblatt für das bescheidene Leben anderer Leute erscheint am 28. April ein Lob des Plattenbaus, inklusive Hinweis, worum es neben der genormten Quadratmeterzahl außerdem geht: „Nichts erzieht wie die Platte“.

Im Modellstaat DDR gab es offen gestanden noch ein paar wirksamere Erziehungsmethoden, von denen es vermutlich erst übermorgen in der Hamburger Redaktion heißt, sie würden unnötig schlecht geredet.

Schon im Dezember 2023 veröffentlichte die Organisation Campact ihr „Hoch auf den Plattenbau“; der Text vermittelt etwas konkreter, worum es bei der gewünschten Raumbewirtschaftung eigentlich geht. Aber zunächst einmal: Was verbirgt sich hinter Campact? Zum finanziellen Grundstock trug vor Jahren die Hans-Böckler-Stiftung des Deutschen Gewerkschaftsbundes bei; zu den regelmäßigen Geldgebern gehört die „European Climate Foundation“ – die gleiche Organisation, die auch die „Agora Energiewende“ mitfinanziert –, außerdem die „Open Society Foundation“ von George Soros.

Im Plattenlob-Text vom Campact heißt es:
„Die alten Bauherr*innen zu DDR-Zeiten haben uns etwas Gutes hinterlassen – die Einheitlichkeit. Festgehalten in sogenannten Wohnungsbauserien. Das sind Typisierungen für unterschiedliche ‚Platten‘. Wenn es also viele Häuser einer bestimmten Wohnungsbauserie gibt, dann ist das für die Wärmewende natürlich ein großer Vorteil. Was gleich aussieht, gleich aufgebaut ist und gleich funktioniert, kann auch mit geringerem Aufwand im großen Stil energetisch und klimafreundlich saniert werden.“

Ganz ähnlich sieht es auch der Tagesspiegel.

Nebenbei dienten die Wohnwaben zu DDR-Zeiten laut Campact auch der schon oben positiv erwähnten Erziehung: „In Gemeinschaftsräumen wurde gefeiert, gemeinsam diskutiert oder Arbeitseinsätze der Hausgemeinschaft geplant.“ So wünschten es sich die damals noch ungegenderten Bauherren, von denen die neuen unbedingt lernen wollen.
Auf dem Gebiet der Bewusstseinstransformation lässt sich neben wirmüssenreden noch eine zweite Methode erkennen, die aus der gleichen Zeit stammt wie die erzieherischen Wohnwelten, nämlich das öffentliche Lob vorbildlicher Bürger. In den nicht wirklich untergegangenen Zeiten gab es in jedem Land mindestens einen dieser Modellbürger; in der DDR Adolf Hennecke, in der Sowjetunion den fiktiven Pawel Kortschagin, in Rotchina den guten Soldaten Lei Feng.

Der vorbildliche Militärangehörige spendete der späteren Überlieferung zufolge seinen Sold an ärmere Bürger, stopfte Kameraden nachts heimlich die Socken, säuberte Parks, half Senioren über die Straße, studierte in seiner restlichen Zeit die Werke Maos und entlastete die Rentenkasse, als er sich am 5. März 1962 im Alter von 22 Jahren von einem umkippenden Telefonmast erschlagen ließ. Mao rief diesen 5. März zum nationalen Gedenktag aus, an dem der Rest des Landes vom Leben des Genossen Lei Feng lernen sollte. Neben seinen anderen Aktivitäten führte der gute Soldat auch noch Tagebuch, das Genossen postum entdeckten und Parteizeitungen zum Abdruck weiterreichten. Bestbürger der Gegenwart unterscheiden sich selbstverständlich in vielen Details von Lei Feng. Bestimmte Züge ihrer Sonderexistenz bleiben trotzdem gleich. Zeit-Online stellt eine entfernte Nachfolgerin des Soldaten vor, nämlich „Maren Kauer, Minimalismus-Coachin“, die zusammen mit ihrem Mann auf 30 Quadratmetern lebt, wo sie in ETFs investiert. Und das Beste: „Beide machen ihre Sojamilch selbst“.

So ungefähr sieht in der neuen Richter-Zeit-Messner-Welt in naher Zukunft der Standard für eine Bevölkerungsmehrheit aus. Wahrscheinlich nur ohne ETFs. Wer jetzt meint, dass demnächst bestimmt auch Medienprodukte über glückliche Senioren erscheinen, die aus Einsicht in die Notwendigkeit die Last der großen Fläche abschütteln, liegt nur beinahe richtig. Sie sind schon da. Auch auf diesem Gebiet gibt es das, was, wie sich ältere Ostdeutsche erinnern, früher Straße der Besten hieß.
Focus Online jedenfalls berichtet über „Alois, 63“, der aus seinem Haus in eine 28-Quadratmeter-Hütte wechselte, eine Unterkunft der Sorte, die schon durch den Namen tiny home modern und hochwertig wirkt.

Selbstverständlich steht es jedem frei, auf sehr wenigen Quadratmetern zu existieren, auf alle nur denkbaren Dinge bei Ernährung, Fortbewegung und Energieverbrauch zu verzichten und sich klimafreundlich an dem Glauben zu wärmen, damit zur Degrowth-Avantgarde zu gehören. Der Punkt liegt in dieser schon längst bestehenden Freiheit, für die niemand redaktionelle und behördliche Minimalismus- und Plattenbauästhetikcoaches braucht. Die Freiheit endet dann, wenn bestimmte Leute darüber nachdenken, durch ein Register der Quadratmeterzahlen, Strafsteuern und medial hergestellten Druck das Privatleben von Bürgern zu lenken.
Wobei sich der Lenkungsfuror auf die Normbürger konzentriert, nicht auf die Lenker selbst, die ihre Tugend schon so sehr durch ihre Appelle zeigen, dass sich Verzicht als Ausweis der Wohlgesinntheit für sie einfach nicht mehr lohnt. Maja Göpel beispielsweise zählt zu den wichtigsten Schrumpfpredigerinnen Deutschlands, die in ihren Büchern und einer Fülle von Interviews liebend gern die Niedrigenergiewelt für tiny people zurechtschneidet.

In einem Gespräch auf der Plattform „Good Impact“ erklärt Göpel unter anderem, dass die Minimalismuscoachin aus der Zeit nicht wirklich minimalistisch, sondern mit ihren zweimal 15 Quadratmetern gerade richtig lebt:
„Natürlich gäbe es auch in so einer Niedrigenergiewelt beheizte Wohnungen, fließendes Wasser, Handys, Kühlschränke, Internet, Krankenhäuser, Schulen. Es ist eher die Art und Weise, wie diese Bedürfnisse befriedigt werden, die diese Welt so sehr von unserer unterscheidet. So stehen in diesem Szenario jeder Person nur fünfzehn Quadratmeter Wohnfläche zur Verfügung. Heute sind es in Deutschland im Schnitt dreimal so viel. Jede:r kann täglich fünfzig Liter Wasser verbrauchen, deutlich weniger als die Hälfte unseres aktuellen Verbrauchs. Der individuelle Fleischkonsum ist auf fünfzehn Kilo pro Jahr beschränkt und damit auf ein Viertel dessen, was wir im Schnitt pro Jahr verzehren.“

Als eine Reporterin des Spiegel Göpel vor einiger Zeit daheim besuchte, rückte als Wohnort ganz kurz ein großzügiges freistehendes Haus mit großem kindergefährdenden Garten ins Bild. Dafür, erklärte die Hausherrin in einem anderen Interview, vermeide sie aber Inlandsflüge.

Professorin Hedwig Richter, die Normbürgern die Suppenkasperei austreiben möchte, beispielsweise ein Auto zu besitzen, Fleisch zu verzehren und überhaupt nennenswert CO2 zu emittieren, hielt kürzlich einen Vortrag auf einem Kreuzfahrtschiff – möglicherweise genau zu diesen Themen, vielleicht aber auch zielgruppengerecht.

Wie sich Limitierungsforderungen für andere und ordentlicher Lebensstandard ohne Verrenkungen unter einen Hut bringen lassen, führt wiederum die Zeit mit Hilfe der niederländischen „Philosophin Ingrid Robeyns“ vor, die fordert, dass „niemand in Westeuropa“ mehr als eine Million Euro besitzen sollte. In Deutschland schützt das Finanzamt schon ziemlich effizient vor dieser Gefahr, auch, was nur die Hälfte davon nach einem Arbeitsleben betrifft. Der Zeit-Beitrag über die Denkerin hebt so an: “Dielenboden, Kücheninsel, Blick in den grünen Garten – die Philosophin Ingrid Robeyns empfängt uns in ihrem Haus in Utrecht.”

Es ist nicht leicht, ein Haus mit dieser Beschreibung in Utrecht und Umgebung zu finden, das nicht schon allein eine Million Euro und mehr kostet. Um genau zu sein, Immobilien mit großem Garten in der unteren Preisklasse gibt es dort noch seltener als Verteidiger des Liberalismus in der Zeit-Redaktion (oh doch, es gibt diese weißen Raben).

Der Staat, der das Bauen verteuert, die Wohnraumnachfrage anheizt und einen Spitzenbeamten öffentlich über Platzrationierung nachsinnen lässt, verhält sich ziemlich genau so wie Göpel, Richter und die Philosophin Robeyns, also Vertreter der meinungsbeherrschenden Klasse, zu der sich auch Berufspolitiker zählen. Neben dem Kanzleramt entsteht gerade ein Anbau, der einmal doppelt so viel Nutzfläche bieten soll wie das Weiße Haus. Hier wirken unübersehbar Maximalismus-Coache. Erst beides zusammen, die Messner-Mahnung‚ wir müssen über Quadratmeter reden‘ einer- und die Errichtung des Scholzoleums im Spreebogen andererseits macht den Bürgern klar, wo sie hingehören. Ganz früher gehörte die Wendung ‚der kleine Mann‘ zum gängigen Politikerwortschatz, dann verschwand sie, weil zu offensichtlich paternalistisch, außerdem patriarchalisch. Jetzt kehrt sie korrekt gebürstet als kleiner Mann, kleine Frau (und kleiner Diverser) zurück, kurz, als Schrumpfbürger, der erst einmal den Grundsatz kapieren soll, dass andere Lebensraumgrenzen speziell für ihn festlegen.
Wo diese Linien dann konkret verlaufen, darüber reden wir später.

 

 

 


Dieser Text erscheint auch auf Tichys Einblick.


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Kommentare anzeigen (22)

  • Die Idee vom Schrumpf-Wohnraum habe ich schon bei J. G. Ballard's "Billennium" gelesen, dort sogar auf die Spitze getrieben mit nur noch 3,5 Quadratmetern. In der Musik gibt es das Thema "Wohnraumrationierung" bei GENESIS' "Get 'Em Out by Friday", und den Vorzügen des Plattenbaus (allerdings in Flachbauweise) wird man auf dem Albumcover der ersten LP von BLUE ÖYSTER CULT ansichtig (etwas ausladender Vergleich, aber reizvoll vor dem geistigen Auge). In Büchern oder auf Tonträgern sind solche Spinnereien gut aufgehoben - außerhalb davon haben sie nichts zu suchen...
    (P. S.: Verhinderte bzw. verschmähte Künstler, da war doch schon mal was?! Streicht man denen von heute deshalb Honig ums Maul, um Schlimmeres zu verhindern? Nur so ein Gedanke, kein Vergleich...eben weil es genauso "gut" funktioniert).

  • Vorwärts in die Vergangenheit, lautet scheinbar das Motto.
    "Degrowth" heißt es modisch auf Englisch, aber gemeint ist doch wohl die bekannte sozialistische Mangelverwaltung für das Gros der Genossen, während Funktionären und anderen verdienten Personen natürlich Privilegien zustehen, wie man anhand der Aktivitäten etlicher Regierungsvertreter anschaulich (viele, bunte Bilder in TV und auf Instagram) sehen kann.
    Mittlerweile bleibt einem aber das Lachen im Halse stecken, denn das Menschenbild von Beiträgen wie "Oma muss umziehen" kann man eigentlich nur als äußerst bedenklich bezeichnen.
    Was kommt als Nächstes? Die Debatte über oder die Forderung nach dem klima- und sozialverträglichen Frühableben?
    Die Lebenserwartung im Westen ist schließlich auch höher als in einigen Ländern des "globalen Südens", und das ruft geradezu nach Aktivismus.
    Es wird Zeit, dass wieder Vernunft einkehrt, bevor der Westen zerstört ist und das Kalifat seine segensreiche Wirkung in unseren Breiten entfalten kann.

  • Alexander Wendts und Michael Klonovskys gallige Kommentare des Geschehens sind Tropfen und Tabletten gegen Depression und Verzweiflung. Ohne die wäre es nicht mehr auszuhalten !

  • Irre ich mich, oder haben dieselben Leute, die Wohnraumrationierung und ähnliche Einschränkungen als Ziel für andere propagieren, immer von "Verschwörungstheorien" gesprochen, wenn andere auf merkwürdig übereinstimmende Nethoden des "real existierenden Sozialismus" hinwiesen?
    Dass VT zur Realität werden, ist inzwischen eine ebenso verlässliche Prognose - dank "Publico" kann sich einer, zumal durch DDR-Erfahrung abgehärtet, auf kommende weitere Segnungen der herrschenden Klasse für die Bevölkerung einrichten. Das "sozialverträgliche Frühableben" à la Lei Fang käme bei mir immerhin mit 50jähriger Verspätung. À la bonne heure!

  • Sicher, die, die Wasser predigen und Wein trinken - die gibt es zuhauf und die sollten genannt werden. Aber das Problem, dass viele alte Leute ( mich eingeschlossen) in Wohnungen leben, die mal für eine vielköpfige Familie angemessen war, dann aber eigentlich zu groß sind - das Problem wird hier völlig unzutreffend behandelt.

    • Ich schlage vor, Herr Wedekind, Sie ziehen einfach in ein Tiny House und lassen 10 Migranten in Ihrer viel zu großen Wohnung unterkommen. Der große Verdienstorden Steini Steinmeiers wäre Ihnen sicher.

      • Ich denke, dass Herr Wedekind vielleicht gerne umziehen würde, aber keine passende (kleinere, bezahlbare) Wohnung auf dem Immobilienmarkt zu finden ist, wofür die Politik in hohem Maße mit verantwortlich ist.
        Es ist sicherlich nicht einfach, Mieter zu finden, mit denen man den Rest seines Lebens in seinem Haus zuammenleben möchte. Mit irgendwelchen fremdkulturellen Migranten zusammenleben zu müssen, wäre für mich (70+) der ultimative Albtraum. Etwas Schöneres, als im Alter viel Platz zu haben, kann ich mir gar nicht vorstellen. Das Alten- und Pflegeheim mit 12-15 qm kommt noch früh genug (aber am besten vermeidet man es ganz).

    • Das finde ich nun nicht. Im Artikel geht es darum, dass das eine Privatsache ist. Es ist Ihre Privatsache ob Sie in einer großen oder kleinen Wohnung leben. Ihre persönliche Freiheit. Diese ganzen woken Schreiberlinge, die Herr Wendt kritisiert, wollen dass die Gesellschaft das anders sehen soll. Am liebsten hätten die wohl dass: erstens festgestellt wird, dass Sie in einer zu großen Wohnung leben und dann zweitens: dass Sie dort ausziehen sollen um anderen Leuten Platz zu machen – und zwar unabhängig von dem was Sie wollen. Darum geht es. Recht auf Eigentum, Recht auf Selbstbestimmung statt staatlicher Bevormundung. Es kann natürlich sein, dass Sie lieber staatlich bevormundet werden, auch das wäre Ihr gutes Recht. Ich will mich nicht bevormunden lassen, wie ich wohne ist allein meine Sache. Es geht den Staat nichts an. Und einen Schreiberling der Süddeutschen schon mal gleich dreimal nichts. Freiheit oder totalitäre Herrschaft ! Das ist die Frage die dahintersteckt. mfg M.M

    • Einen alten Baum verpflanzt man nicht. Den Rest seines Lebens in einem etwas zu großen Haus zu verbringen, als Problem anzusehen, halte ich für das eigentliche mentale Problem. Kein Rentner ist verpflichtet, für verfehlte bis vorsätzlich zerstörerische Politik sich zu opfern.

      • @pantau

        Ganz meine Meinung. Der Normalfall in der "guten alten Zeit" (von der die Rotgrünen stets behaupten, daß es nie gegeben hätte, während sie doch diejenigen waren und sind, die sie nach Kräften unterminiert, erschwert und teilweise schon abgeschafft haben) wäre gewesen, daß eins der erwachsenen Kinder mitsamt den Enkeln, die die bisherige Wohnung zu klein werden lassen, bei den Eltern oder dem überlebenden Elternteil ins große Elternhaus einzieht. Daß somit auch gegen eine eventuelle Alterseinsamkeit vorgesorgt ist und die lieben Kleinen auch mal einfach zu Hause weiterspielen, -lesen, Hausaufgaben oder sonstwas machen können, wenn Mama mal kurz einkaufen oder ein Geschwister in den Klavierunterricht oder zum Kindergeburtstag bringen muß.

        Eine win-win-win-Situation.

        Nur nicht für die Rotgrünen, die mit aller Macht die Vereinzelung des Menschen wollen (die natürlich auch entsteht, wenn man seine Nachbarn aufgrund ihres Migrationshintergrundes nicht mehr versteht) . Und die auch wollen, daß Kinder von ihren Eltern und Großeltern möglichst viel und lange getrennt sind, damit kulturelle Traditionen, ganz besonders christliche, abreißen und das politisch verdächtige Singen und Gedichtelernen endlich aufhört und der Staat die unsicher gebundenen Kleinen besser indoktrinieren - äh.... zu Demokratie und Toleranz erziehen kann.

        Darüberhinaus wollen Rotgrüne auch unbedingt, daß für jede Betreuung, egal ob für Alte oder Junge, bezahlt wird und und somit von den Bezahlten Steuern entrichtet werden müssen. Verständlich - denn wer so viele Spezis in gutbezahlte Beamtenjobs gebracht hat, braucht auch ein großes Steueraufkommen, um deren schönes Leben zu finanzieren.

  • So wahr, ein journalistisches Meisterwerk. So wahr und klar, daß es weh tut ...

  • Vielen Dank für diesen Text! Ich musste herzlich lachen. Ein Thema fehlt mir etwas: Die Leistungsträger sind es doch, die sich mehr Wohnraum leisten und teils auch leisten müssen, weil sie auch zuhause arbeiten (müssen) und das fällt im tiny Haus nunmal schwer. Die große Wohnung, das Eigenheim mit Garten, das ist eine persönliche Belohnung für Leistungsträger. Fällt diese Belohnung oder die Aussicht auf diese Belohnung weg, dann bricht auch die Leistung weg. Ohne Leistung irgendwann auch keine großen Wohnungen mehr, auch keine kleinen, gar keine...Seit Jahren sinkt übrigens die Produktivität in Deutschland. In wieweit das mit diesem ganzen woken Geschwätz und diesen Umverteilungsphantasien zusammenhängt kann man sicher nicht beziffern, aber der Zusammenhang an sich sollte jedem klar sein. Die Leistungsträger werden von den Leitmedien, der rot grünen Politik zunehmend diffamiert und frustriert statt anerkannt. Die DDR mit ihren Plattenbauten ist pleite gegangen....nun haben wir zwar jede Menge Großverdiener, etwa bei den öffentlichen Rundfunkanstalten, die kaum eine, keine, oder gar negative Leistung bringen, indem sie den Leistungsträgern im Wege herumstehen. Aber auch diese schätzen in der Regel große Wohnungen... Man darf gespannt sein, wie die Woken dieses Dilemma unter sich auflösen.

  • "kleine Räume für kleine Leute" - und die Oberen Grüntausend schwelgen weiter im Luxus.

    So wird es wohl (leider) kommen.

  • Als Rentner lebe ich allein in einer 55-Quadratmeter-Wohnung. Dieser Wohnraum dürfte nach Ansicht von Hedwig Richter, Dirk Messner und auch Lisa Paus und Robert Habeck viel zu groß sein.

  • Ich fühlte mich besonders durch das chinesische Heinzelmännchen angesprochen, der seinen Kameraden nachts heimlich die Socken stopft.
    Hat der noch Termine frei?
    Ich wäre interessiert.

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