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Die schöne MediengeschichteMit Elmar Theveßen, Ihr Experte für alle Fälle

Der ZDF-Mann repräsentiert wie kaum ein anderer den Medienschaffenden, der die jeweils aktuelle Erzählung mit O-Tönen unterfüttert. Eine Laudatio

Bei der Bezeichnung Experte handelt es sich um einen ungeschützten Titel. Er zeigt einen Status an, damit das Publikum schon vor der Wortmeldung des Betreffenden Bescheid weiß, hinterher aber erst recht.

Denn nicht immer erschließt sich das Expertentum schon aus der Mitteilung selbst. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk – das natürliche Reservat des Expertentums, kaum eine Sendung kommt ohne Einordner aus – verfolgt üblicherweise die Strategie, zu jedem Thema genau einen Sachverständigen ins Studio zu holen: Für Wirtschaft Marcel „Inflation ist meine geringste Sorge“ Fratzscher vom DIW, für Energie Claudia Kemfert, die vor einiger Zeit auf bedrohte Pinguine am Nordpol hinwies, für Rechtsextremismus Andreas Zick, für Verschwörungstheorien Pia Lamberty, für wirtschaftsneutrales Klima Ulrike Herrmann. Denn ein Durcheinander von Themen und Namen würde die zuschauende Bevölkerung verunsichern. Umgekehrt kann eine Figur aber durchaus multiple Expertentitel auf sich vereinen.

Elmar Theveßen, Jahrgang 1967, von 2007 bis zu seinem Weggang nach Washington stellvertretender Chefredakteur des ZDF, dient seinem Sender seit Jahren sowohl als Kriminalitäts- und Terror- als auch als USA-Experte. Keiner schätzt im deutschen Fernsehen mehr ein als er. Ihn kann man stets befragen. Inwiefern er dabei Wissens Sorge trägt, soll die folgende kleine Chronik zeigen.

Die bevorstehende Präsidentschaftswahl brachte Theveßen in diesem Jahr deutlich häufiger vor die Kamera als sonst. Zur kurzen Erinnerung beziehungsweise Einordnung: Nach seinem Auftritt beim G7-Gipfel zweifelten in den USA und darüber hinaus noch mehr Bürger als sonst an dem mentalen Zustand von Joseph Biden. Beziehungsweise, sie machten sich ihr eigenes Bild, zumal der Präsident auch schon von kurz zurückliegenden Gesprächen mit Helmut Kohl und François Mitterrand berichtet, Mexiko mit Ägypten und Rafa mit Haifa verwechselt hatte. Damals galt die Vermutung, er sei geistig wie physisch womöglich nicht mehr ganz auf der Höhe, als Verschwörungstheorie und rechte Erzählung, der nur ein Experte glasklar entgegentreten konnte. Ende Juni erklärte Theveßen als US-Experte, Biden sei „geistig voll in der Lage, das Amt auszufüllen. Das erleben wir auf Pressekonferenzen“, dort sei er „absolut auf der Höhe“. Und überhaupt gebe es in der Partei der Demokraten niemanden mit einer „Autoritas im altrömischen Sinn“, der sie überhaupt noch zusammenhalten könne.

Dann folgte bekanntlich das Fernsehduell Biden-Trump. Unmittelbar danach, am 30. Juni, analysierte Theveßen auf der Webseite des ZDF die Lage nun folgendermaßen: „Ja, die Präsidentschaftsdebatte zwischen Donald Trump und Joe Biden war eine Horrorshow, deren schnelles Ende man herbeisehnte. Auch für mich stand danach fest: Time to go, Joe – je früher desto besser.“. Weswegen der Inhaber altrömischer Autoritas hurtig beiseitetreten- beziehungsweise springen sollte: „Was für ein Vermächtnis, wenn Joe Biden am 20. Januar 2025 sein Amt an die jüngere Generation übergibt und sich im wohlverdienten Ruhestand darüber freut, dass er Amerika vor Donald Trump gerettet hat. Er muss es nur wollen.“
Er wollte erst einmal nicht. Ein 20-jähriger Schütze verübte am 13. Juli ein Attentat auf Donald Trump, das der Herausforderer knapp überlebte. Von dieser Situation – es gehe jetzt schließlich um Einheit und Versöhnung – würde auch Biden profitieren, meinte der Experte des ZDF fünf Tage später: „Joe Biden, hat man das Gefühl, sitzt jetzt wieder ein Stückchen fester im Sattel.“

Sechsundneunzig Stunden später erklärte der Präsident seinen Rückzug von der Kandidatur. An diesem Tag informierte Theveßen die vom ZDF erreichte Öffentlichkeit, dieser Rückzug komme gar nicht überraschend, die Entscheidung sei schon „von Donnerstag auf Freitag“ gefallen, also zwei bis drei Tage vorher im stillen Kämmerlein, aus dem sie auch der ZDF-Korrespondent nicht entließ.

Die aussichtsreichste Bewerberin sei jetzt Kamala Harris, „ob nun mit Unterstützung oder ohne von Joe Biden“. Dazu übrigens weiter unten mehr, denn jetzt geht es ein paar Jahre zurück in der Theveßen-Chronik. Seinen Posten als ZDF-Vizechefredakteur bekleidete er, wie schon erwähnt, ab 2007. Seinen Namen merkten sich viele Zuschauer aber erst ab 2011, als er in seiner Terrorexperten-Funktion das Attentat von Anders Breivik kommentierte, der damals auf der Insel Utoya 77 Menschen ermordete. Die Tat, meinte Theveßen im ZDF, trage „eindeutig die Handschrift des IS“, also der Terrororganisation „islamischer Staat“. Sein Blitzgutachten gab er zu einem Zeitpunkt ab, als es noch kaum Erkenntnisse über Täter und Hintergründe des Anschlags gab – aber aus diesen Gründen eben auch keine Hinweise auf eine IS-Verbindung. Irren kann sich natürlich jeder. Bei jeder Gelegenheit nennt der Journalist dieses Urteil von 2011 seinen „größten Fehler“. In seinem 2016 veröffentlichten Buch „Terror in Deutschland. Die tödliche Strategie der Islamisten“ befasst sich Theveßen noch einmal mit dem Attentat Breiviks:
Dort nennt er ihn ausdrücklich einen „christlichen Terroristen“. Diese Bezeichnung ließ er bis heute unkorrigiert. Breivik engagierte sich in der Jugendorganisation der rechten Fremskrittspartiet, gehörte einer Freimaurerloge und einem Schützenverein an und sympathisierte mit der einwanderungsfeindlichen European Defence League. Über eine Mitgliedschaft in einer Kirche oder einer christlichen Bewegung findet sich in seiner Biografie nichts Erhellendes. Er benutzte zwar das Pseudonym „Sigurd Jorsalfar“ nach dem gleichnamigen norwegischen König des 12. Jahrhunderts, auch genannt ‚Sigurd der Kreuzfahrer‘; Breivik bezeichnete sich außerdem als „Tempelritter“, einer von ihm selbst zusammenfantasierten Gemeinschaft. In seinem 1500-seitigen Manifest zitierte er allerdings auch Marx und Lenin.

Nach Theveßens Methode könnte man den Attentäter also problemlos auch zum kommunistischen Terroristen stempeln, zum freimaurerischen Massenmörder sowieso. Im Buch des Terrorexperten Theveßen heißt es in Kapitel 5: „Wer sich mit dieser Frage beschäftigt, was diesen christlichen Terroristen (gemeint: Breivik) von denen unterscheidet, die im Namen Allahs morden, wird nur einen einzigen Unterschied finden: Sie wähnen sich auf unterschiedlichen Seiten in ein und demselben Kampf der Kulturen.“ Den eigentlichen Unterschied zwischen Breivik und beispielsweise den Attentätern des 11. September 2001 oder den islamischen Bataclan-Schützen deutet er noch nicht einmal an: Nach den Taten der einen gab es hunderttausende Muslime, die die Taten bejubelten oder zumindest rechtfertigten – während Breivik nicht die geringste positive Resonanz in der westlichen Welt fand und findet. Weit und breit lassen sich auch keine christlichen Vertreter des Westens erkennen, die eine Unterwerfung der Welt unter das Christentum für ein legitimes Ziel halten, während sich die gleiche Vorstellung mit umgekehrtem Vorzeichen für die Mehrheit der Muslime von selbst versteht.

Nach dem radikalen Kurswechsel Angela Merkels in der Migrationspolitik trat auch der Kriminalitätsexperte Elmar Theveßen auf den Plan. Bei einem Vortrag in Kandel im Oktober 2015 beantwortete er die Frage, ob die massenhaft ankommenden Migranten gefährlich für die öffentliche Sicherheit sein könnten, mit: „kaum“. Die Rheinpfalz berichtete über seinen Auftritt: „Theveßen ist stellvertretender Chefredakteur des ZDF und dort ausgewiesener Terrorismusexperte. „Beim 31. Sparkassen-Forum in Kandel zitierte er in seinem Vortrag weitere aktuelle Erkenntnisse des BKA: ‚Syrer und Afghanen machen der Polizei so gut wie keine Arbeit‘.“

Die angeblichen Erkenntnisse des BKA, mit den hunderttausenden jungen Männern vom Westbalkan, aus Syrien, Afghanistan und Nordafrika gäbe es so gut wie kein Problem, zitierten damals viele Journalisten. In Wirklichkeit wusste der deutsche Staat im Oktober noch nicht einmal, wie viele Migranten seit Anfang September tatsächlich gekommen waren und woher sie genau stammten, geschweige denn, dass er nennenswerte Informationen zu ihrer Identität besaß. Der einzige sinnvolle Kommentar zu diesem Zeitpunkt hätte darin bestanden, auf genau diese faktische Kontrollaufgabe an der Grenze hinzuweisen und im Übrigen den Rat zu geben, die Kriminalitätsstatistiken der nächsten Jahre abzuwarten.

Im Jahr 2023 lag der Anteil nichtdeutscher Tatverdächtiger – ausländerrechtliche Verstöße schon ausgenommen – bei 34,4 Prozent bei einem Anteil von Nichtdeutschen an der Gesamtbevölkerung von 15,2 Prozent. Den Anstieg nichtdeutscher Tatverdächtiger um 13,5 Prozent allein von 2022 zu 23 erklärt das Bundeskriminalamt ganz offiziell mit der Asylzuwanderung. Was die von Theveßen auf reiner Vermutungsbasis geäußerte Prognose zu einzelnen Herkunftsländern angeht: Tatverdächtige Migranten aus Afghanistan fallen sogar innerhalb der gesamten Asylmigranten durch eine Überrepräsentation in der Kriminalstatistik auf. Im Jahr 2022 etwa lag ihr Anteil an tatverdächtigen Migranten bei 10,2 Prozent bei einem Anteil an den in Deutschland lebenden Asyleinwanderern von 9,3 Prozent. Theveßens Vortragsort Kandel gelangte im Dezember 2017 zu bundesweiter Bekanntheit, als der damals 15-jährige Afghane Abdul D. vor dem Supermarkt des kleinen Ortes die ebenfalls 15-jährige Mia V. mit mehreren Messerstichen tötete. Gegen Abdul D. lief vorher schon ein Ermittlungsverfahren wegen Bedrohung und Nötigung des Mädchens, das ihre kurze Beziehung zu ihm beendet hatte. D.s Asylantrag lehnte die zuständige Behörde schon im Februar 2017 ab. Wegen der besonders häufigen Gewalttaten afghanischer Männer gegen Frauen, die sie abweisen, oder die sich von ihnen trennen, gibt es heute die Wendung „Scheidung auf afghanisch“.

Als Terror- und Kriminalitätsexperte schaut Theveßen nicht nur in passende Statistiken. Er deutet auch prominente Fälle, etwa den Zehnfachmord durch Tobias Rathjen in Hanau 2020. In einem Interview mit der Westdeutsche Zeitung vom 6. März 2020 meinte der ZDF-Mann zu mehreren Massenmördern, Rathjen inbegriffen: „Ja, das spielt eine Rolle. Es spielt auch eine Rolle, wenn der Täter in Hanau in diese Kategorie Incel (involuntary celibacy, dt: unfreiwilliges Zölibat) fällt. Das sind Personen, die Schwierigkeiten haben, mit dem weiblichen Geschlecht eine Verbindung zu finden. Die sich deshalb auch ein stückweit allein fühlen und möglicherweise auch deshalb psychische Probleme haben. Aber auch das nochmal ganz klar: Ich glaube, dass alle Täter im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte waren.“

Seinen Geisteszustand offenbarte Rathjen selbst in einem langen Text und einer auf Video aufgezeichneten Botschaft: Er erörterte dort ausführlich, dass die CIA ihn schon seit seiner Geburt überwache und seine Gedanken zu beeinflussen versuche, er sprach von unterirdischen Folterzentren in den USA und beklagte sich darüber, dass Fußballtrainer Jürgen Klopp seine, also Rathjens Ideen gestohlen habe. Die Passage zu Klopp stellt übrigens den einzigen Bezug des Pamphlets zu Deutschland dar. Das Bundeskriminalamt bescheinigte Rathjen, der neun Männer mit Migrationshintergrund, seine Mutter und sich selbst erschoss, naheliegenderweise „paranoide Wahnvorstellungen“. Angesichts des Umstands, dass Theveßen ihm trotzdem den Vollbesitz der geistigen Kräfte attestiert, wirkt sein Urteil zur geistigen Strahlkraft Joe Bidens nicht mehr ganz so bizarr. Im gleichen Interview mit der Westdeutschen Zeitung schlägt der Tripelexperte auch einen kühnen Bogen von so unterschiedlichen Tätern wie Breivik und Rathjen zu einer ganzen Hintermänner-Riege in der Politik. Das liest sich dann so:

„Wenn Sie Parteien haben, die eine bestimmte Rolle in einer Gesellschaft finden, wenn sie Politiker haben oder Anführer, wenn sie Präsidenten oder Premierminister haben, wie in der tschechischen Republik, in Ungarn, in den USA, die Fremdenfeindlichkeit und Ablehnung öffentlich vom Podium herunter verbreiten, dann bekommt das Ganze den Anstrich, als wäre das in Ordnung. Als wäre das das Normale und nicht das Abweichende. Und das macht es zusätzlich zur Vernetzung der Ideologie so gefährlich. Man fühlt sich im Grunde genommen in guter Gesellschaft, wenn man zur Tat schreitet. Auch wenn die Pro­tagonisten wie Trump, Orbán, usw. nicht unmittelbar gegen Fremde und Zuwanderer zur Gewalt aufrufen.“

Trump, Orbán, Breivik, Rathjen – diese Herleitung wirkt auch deshalb so bemerkenswert, weil sich Trump noch überhaupt nicht politisch betätigte, als Breivik 2011 sein Massaker beging, und Rathjen, siehe oben, ohnehin in seiner völlig eigenen Gedankenwelt hauste, in der es keinerlei Bezüge zur realen Politik gab, weder zur amerikanischen, ungarischen noch zur bundesdeutschen. Die spiegelbildliche Frage, ob es eigentlich Hinterleute und politisch Verantwortliche für die Massaker islamischer Täter in Paris, Brüssel und anderswo geben könnte, findet sich bei Theveßen nicht – und folglich auch keine Antwort.

Apropos Fragen: Man kann sich durchaus wundern, wie es der Mann vom Zweiten zwischen seinen Interviews mit Lokalblättern, Auftritten in Sparkassenforen und Talkshows noch schafft, sich als Auge und Ohr des Senders Einblicke in die US-amerikanische Innenpolitik zu verschaffen. Am 18. Juni gab Theveßen im Sparkassenforum Neuss eine interessante Prognose ab, wiedergegeben in der Rheinischen Post: „Camilla Harris (Originalschreibweise der RP) gewinne zunehmend an Format. ‚Wenn Biden stürbe, würde sie die Wahl zur Präsidentin allerdings krachend verlieren.‘ Der Leiter des ZDF-Studios in Washington geht davon aus, dass Biden die Wahl gewinnen wird.“ Mit seinem Tipp zu Harris könnte der Kenner sogar richtig liegen. Allerdings wiederholte er ihn nicht, siehe oben, als die Demokraten und das Pressekorps die Vizepräsidentin dann tatsächlich zur Kandidatin ausriefen. Die im ZDF laufenden Harris-Festspiele stören – so weit möchte der Fachmann dann doch nicht gehen.

Wie Elmar Theveßen zu seiner Position und seinem Status kommen konnte, erklärt sich ziemlich leicht. Er repräsentiert perfekt wie kaum jemand sonst den Typus, der die gerade von einem medial-politischen Bündnis für gut befundene Erzählung, das current thing, mit seinen O-Tönen zu unterfüttern weiß. Im Herbst 2015 existierte faktisch die normative Vorgabe in Politik, den meisten Medien und Organisationen, der Massenzustrom junger Männer aus zerrütteten Ländern würde die öffentliche Sicherheit in Deutschland nicht verschlechtern, es gab also den dringenden Wunsch, es so zu sehen und die ebenso dringende Erwartung, die Realität würde Wille und Vorstellung folgen. Theveßen lieferte genau das Erhoffte. Das gleiche Politik-Medien-Konglomerat machte sich 2020 daran, das Massaker von Hanau zum Fanal des rechtsextremen Terrors umzudeuten. Theveßen lieferte. Er lieferte auch, solange sich ein großer Teil der Medien darauf verständigte, dass es sich bei der Erwähnung von Bidens Gebrechlichkeit um eine böswillige rechte Propagandaerzählung handelt. Objektiv falsch lag Theveßen ziemlich oft. Aber seine Deutung des Breivik-Massakers als IS-Anschlag bleibt bis heute sein einziger echter Fehltritt innerhalb einer medialen Logik, wie er sie lupenrein verkörpert.

Ohne diesen Phänotyp ließe sich nicht erklären, wie und warum tausende Journalisten in den USA und Westeuropa unisono die Hinfälligkeit eines Präsidenten erst einfach abstreiten, obwohl jeder einigermaßen normal verdrahtete Zuschauer sie sieht und hört, um dann wie ein Fischschwarm in kürzester Zeit synchron umzuschwenken. Übrigens: Seit Kamala Harris jetzt laut journalistischer Expertise schon fast im Präsidentensessel sitzt, spielt die offenkundige Krankheit des Noch-Amtsinhabers plötzlich wieder keine Rolle mehr. Ein Wisch mit der Zauberhand und das Thema verschwindet in der Zwischenablage, aus der es sich bei Bedarf durchaus noch einmal hervorzotteln lässt. Höchstwahrscheinlich klicken die Medienschaffenden die Angelegenheit aber bald ganz in die große Sammelgrube, wo auch schon ihre Corona-Texte, ihre Kanzlerin-Baerbock-Etüden und Elogen auf Hillary Clinton lagern.

Der Vergleich mit dem Fischschwarm trägt nicht ganz. Das mediale Kollektiv mit seinen Experten an der Spitze schwenkt zwar genauso flott. Allerdings besteht dort jeder im Gegensatz zu den Fischen auf seine Individualität und Eigenwilligkeit. Und nichts beweist diesen Eigensinn besser als der Besitz einer Journalistenauszeichnung. Theveßen erhielt 2023 den Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis; in der Jurybegründung hieß es: „Nach einer bemerkenswerten Karriere, an der Nachrichtenfront wie auf Entscheidungsebenen der ZDF-Zentrale“ beweise er „souveräne Sachkenntnis mit scharfem Blick für die großen Zusammenhänge.“
Da gerade das Stichwort ‚Zusammenhänge‘ fiel: Innerhalb einer Funktionselite, in der es eine Lebenslaufaufpimperin zur Außenministerin schafft und ein ökonomischer Analphabet zum Wirtschaftsminister, in der eine Ferda Ataman als Antidiskriminierungsbeauftragte in Kartoffelland waltet und eine Kulturstaatsministerin den Missstand anprangert, dass man in Bayreuth immer nur Wagner spielt, in dieser Gesamtordnung also gehen sowohl Dreifachrang als auch Friedrichs-Preis für Theveßen völlig in Ordnung. Er soll die beim ZDF sehr gut erträgliche Leichtigkeit des Expertenseins auch für und für genießen, Amerikas Politik weiter via CNN verfolgen und im Vollbesitz seiner Kräfte ausdeuten. Wie auch immer die Wahl in den USA am 5. November ausgeht, beim Sender auf dem Lerchenberg wird es dann heißen: „Elmar Theveßen kennt die Gründe.“

 

 

 

 


Dieser Text erscheint auch auf Tichys Einblick.


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Kommentare anzeigen (17)

  • Menschen entwickeln sich in Phasen - auch Experten.

    Nach der Pubertät folgt die Konformität. In ihr bestimmt das Gefühl Zugehörigkeit den Selbstwert.
    Quelle: Ich-Entwickklung

    Deshalb sind die Experten bei den Taliban, in Nordkorea, bei den Amish People oder jeder x-beliebigen Variante eine Gemeinschaft auch Teil vom Fischschwarm.

    Die Konformität (der Fischschwarm) kann nicht einfach verlassen werden, denn dabei wird die Zugehörigkeit (zum Fischschwarm) riskiert.

    Ob Wissen Überzeugungen (auch eines Experten) ändern würde, wird experimentell überprüft.
    Zitat: "Es gibt keine empirischen Beweise dafür, dass mehr Wissen oder Intelligenz oder Reflexivität ... Werte / -Nutzen-Diskrepanzen auflösen könnte."
    Quelle: Keith E. Stanovich, Myside Bias

    Denn Überzeugungen sind an den Fischschwarm gebunden.
    Zitat: "Bei den Überzeugungen handelt es sich um Meme, die die Person zumeist nicht reflexiv erworben hat, sondern um Ideen im sozialen Milieu, die zum Temperament des Einzelnen passen."
    Quelle: Keith E. Stanovich, Myside Bias

    Die Epoche Aufklärung kann den Experten nicht zum Widerspruch gegenüber seinem Fischschwarm verhelfen, denn der Verstand führt nicht zur Vernunft - Myside Bias.

    • Vielen Dank, Keith E. Stanovitch war mir vormals nicht bekannt.
      Nach Lesen des Interviewes stellen sich mir dennoch einige Fragen:

      Wie kommt es, dass einige Ansichten sich als wahrhaftig und richtig herausstellen?
      Obwohl sich diese als my-side-bias herasustellen?

      Kann es sein, das manche Dinge einfach wahr sind, andere hingegen nicht, unabhängig, wessen Meme man gerade vertritt?

      Das unabhängig des Menschen, der gerade etwas glaubt, oder auch nicht, die Welt sich weiterdreht?

  • Vielleicht sollte man es mal ganz ohne Medien versuchen, ohne Parteien sowieso.

    Für mich ist ein elementares Problem der heutigen Medienwelt vor allem der Zugang zu diesen Jobs, um genau zu sein der Studierzwang. Eine gute Allgemeinbildung ist sicher wichtig, die bekammt man aber nicht exklusiv an einer Uni. Wichtig ist es ständig zu hinterfragen, auch frei nach Hanns Joachim Friedrichs keine Agenda zu verfolgen. Der hat meines Wissen übrigens auch nicht studiert, ein Joseph Pulitzer oder Jack London ebenfalls nicht.

    Seit Jahrzehnten domnieren an den Universitäten die Marxisten, insbesonder in den "weichen" Fächern. Das ist wie Gehirnwäsche. Deswegen redet der Großteil dieser Leute auch gleich, egal ob die nun in der Politik landen, in Verbänden, Verwaltungen oder Medien.

    Wer eine konstruierte Weltsicht studiert hat, kann hinterher die Welt nur konstruiert betrachten und nur eine konstruierte Weltsicht wiedergeben.

  • Ja, das ausufernde "Expertenwesen" in den Medien...
    Immerhin weilt Elmar Theveßen "gesichert" in den USA und informiert sich mutmaßlich über deren Politik in den einschlägigen nationalen Medien (was Claus Kleber im "Heute Journal" beim "Sturm auf das Kapitol" seinerzeit zur wunderbaren Empfehlung an die Zuschauer brachte "schalten Sie CNN an", weil Kollege Theveßen wohl gerade out of Order war).
    In einem Text von Maxim Biller tritt eine Figur auf, die als römischer Korrespondent des Bayerischen Rundfunks stets Texte aus römischen Zeitungen abkupfert, nach München als eigene liefert und nach seiner Enttarnung entlassen wird.
    Das muss heute vermutlich keiner mehr befürchten.
    Mit Plagiaten kann man heutzutage sogar Minister/in werden...
    Annika Brockschmidt als weitere "Expertin" für die USA kann hingegen (laut Wikipedia) nur eine "Studienreise" dorthin vorweisen, was sie aber nicht daran hindert, "Einschätzungen" oder "Vertiefungen" zur dortigen aktuellen politischen Lage zu geben.
    Fürs deutsche Fernsehpublikum reicht das allemal, Karl May war ja überhaupt nie vor Ort...

  • Ein Experte kommt selten allein. Man kann das Wort "umstritten" hinzufügen. Auch beliebt ist der Zusatz "selbsternannt". Dann wird aus dem Experten schnell das genaue Gegenteil.

  • Erst einmal eine entschuldigende Vorbemerkung für das folgende - es gibt ausgezeichnete Journalisten, und wenn ich Herrn Wendt nicht für einen solchen halten würde, würde ich hier keine einzige Zeile Kommentar schreiben. -
    Aber grosso modo muss man konstatieren, dass die Leute, die aus den Sozialwissenschaften (Politologie, Geschichtswissenschaft...) in die Medien gehen, in aller Regel nicht die hellsten Kerzen auf der universitären Torte sind. Warum sollten sie auch? Ein wirklich guter Sozialwissenschaftler - und diese Sorte stellt leider auch innerhalb seiner Kategorie eine kleine Minderheit dar - liebt sein Fach. Anders ist es gar nicht möglich, den schier unübersehbaren Wust an für diese Fächer wichtigen Informationen halbwegs zu managen und sich möglichst zu Gemüte zu führen. Und wenn man das halbwegs geschafft hat, was will man dann in den Medien? Arbeiten an Themen, weil der Redaktionsleiter meint, Artikel darüber liessen sich verkaufen? Arbeiten von wenigen Seiten schreiben, die für ein allgemeines Publikum nicht nur interessant, sondern auch verständlich sein müssen, die aber spätestens nächste Woche vergessen sind? Die nichts enthalten dürfen, was langweilig, in allzu viele Details ausufernd, mühsam zu lesen sind?
    Fast kein wirklich guter Sozialwissenschaftler tut sich das an (Ausnahmen bestätigen immer die Regel - mein verehrter Raymond Aron zum Beispiel betätigte sich zeitlebens als Journalist, hielt aber immer auch kritische Distanz zu diesem Beruf).
    Theveßen hat einen M.A. in Geschichte und Politologie. Aber er ist grossartig darin, alle Kenntnisse, die er im Studium eigentlich gelernt haben sollte, erfolgreich zu verstecken.
    Aber ich gestehe, ich höre mir sein Geschwafel eigentlich schon lange nicht mehr an; es hat mittlerweile selbst jedes Amüsementpotential für mich verloren.
    Aber auch zwei andere bekannte Journalisten, die ich weitaus mehr schätze als Th., der eine mit Philosophie-, der andere mit Politologiestudium, offenbaren gelegentlich "typisch" journalistische Lücken im zu fordernden Basiswissen.
    Der eine berichtete allen Ernstes über ein Urteil des britischen Supreme Court, der angeblich die Pläne der konservativen Regierung, Migration nach Ruanda auszulagern, "gestoppt" habe. Wenn er im Seminar über das britische Regierungssystem aufgepasst hätte, hätte er wissen müssen, dass der britische Supreme Court nicht funktioniert wie sein amerikanisches Pendant. Das Londoner Gericht hat gar nicht die Befugnis, so etwas zu verbieten. Wahrscheinlich hat er sich sehr gewundert, dass die Regierung dann ein entsprechendes Gesetz (inzwischen von Labour kassiert) durchbrachte.
    Der andere machte sich - mit vielen anderen Kollegen - Sorgen darüber, dass Trump, sollte er die Wahlen gewinnen, Amerika aus der NATO führen könnte. Nun gut, als "Philosoph" muss man nicht das Kaine-Rubio-Amendment kennen, wonach es einem US-Präsidenten ohne Zustimmung des Kongresses nicht möglich ist, 'per ordre de Mufti' (hier: executive order) aus der NATO auszusteigen. Aber etwas sachkundiger hätte man sich doch schon machen können.
    Leider sind solche Fälle bei journalistischen "Experten" der Normalfall. Und normal ist es auch, dass Redaktionen auf entsprechende korrigierende Hinweise überhaupt nicht reagieren. Nun gut, vielleicht muss ich an meiner alten Gewohnheit, Medien ernst zu nehmen, noch stärker arbeiten. Aber wenn man früher die New York Times, die Washington Post, Le Monde, Le Figaro, die FAZ, den Corriere della Sera, die London Times, und viele andere jeden Morgen routinemässig durchforstet hat - so, wie sie FRÜHER waren! -, dann "klebt" man mitunter an überholten Hoffnungen. Wenn ich allerdings heute die meisten dieser Zeitungen anschaue, bin ich versucht, in tiefe Trauer zu verfallen.

  • Vielen Dank, verehrter Herr Wendt, wie elegant sie diesen sogenannten ZDF-Experten vorführen - ungemein amüsant zu lesen!

  • Spätestens seit den 2000er Jahren nahm der Fachkräftemangel in der deutschen Politik und der fügsamen, jederzeit willigen journalistischen Gefolgschaft Fahrt auf. Das Tempo wurde in der Ära Merkel exponentiell beschleunigt, ebenso die Vergabe von Orden und Preisen für das Aufstellen bunter Reklame entlang der allein instand gehaltenen und mit menschenfreundlichen Phrasen asphaltierten Einbahnstraße hierzulande. Sie führt zum Sieg des Sozialismus. Experten dafür gibt's wahrhaftig genug.

    • Das Problem ist, dass viele unqualifizierte Akteure entdeckt haben, dass Moral jedwede Kenntnis aussticht. Also setzen sie auf 'moral posing'. Der ganze Kommunismus dreht sich z.B. um moralische Prinzipien - ob er funktionieren kann, interessiert seine Jünger nicht. Der Wokismus desgleichen. Man greift im Grunde zurück auf Verhaltensweisen der mittelalterlichen Kirche - höchster moralischer Anspruch nach aussen, in Verbindung mit Herrschsucht, Heuchelei, Intoleranz (inklusive Inquisition), und Obskurantismus. All das finden wir heute wieder auferstanden. Wir fallen zurück ins Mittelalter.

  • Wir werden lange warten müssen bis "Experte" zum Unwort des Jahres gekürt wird.

  • Auf Theveßens Utoya-Fehleinschätzung folgt Theveßens Verklärung von Merkels Troublemakern. Letzteres, um sich für ein Vorurteil zu entschuldigen? Oder war es am Ende ein Auftrags-Fehler, um auf lange Sicht den Fokus beim Terror von islamistisch auf rechts zu verschieben? Das kann am Ende nur ein Experte wie Elmar Theveßen (Experte für multiple Expertisen) beantworten...