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Publico Bücherherbst spezial:
Der digitale Mensch, ein zeitgemäß verkrümmtes Wesen

Künstliche Intelligenz gilt politischen Managern und vielen Autoren als großer Problemlöser. Was richtet KI in der Gesellschaft an? Wie lebt der Homo digitalis? Jürgen Schmid sieht die neuere Literatur zu diesem Thema kritisch durch

Als der unter dubiosen Umständen zusammengecastete „Bürgerrat“ der Bertelsmann-Stiftung der Bundesinnenministerin kürzlich 15 Vorschläge für mehr Meinungskontrolle präsentierte, fand sich darunter auch ein unter technischen Aspekten avantgardistischer Punkt: Nach den Vorstellungen des Rats soll künftig Künstliche Intelligenz alle Äußerungen auf Internetplattformen nach „Triggerworten“ durchforsten und bei Verdacht auf eine Falschmeinung die Plattformbetreiber alarmieren. Die wiederum sollen dazu verpflichtet werden, alle vollautomatisch inkriminierten Inhalte „zurückzuhalten“. Mit ihren Wünschen zum KI-Einsatz liegen die Bürgerräte gleich doppelt im Trend: einmal mit ihrem Zutrauen gegenüber dieser Technologie als Problemlöser, zum anderen mit der Ansicht, zu viel Meinungsfreiheit stelle ein gesellschaftliches Problem dar. Ohne Zweifel bestimmt Künstliche Intelligenz schon unsere Gegenwart stark, in Zukunft könnte sie sich als die gesellschaftsstrukturierende Kraft herausstellen. Bekanntlich fiel der Physiknobelpreis 2024 an die beiden KI-Pioniere John Hopfield und Geoffrey Hinton, die in den Achtzigern die Grundlagen für selbstständig lernende Maschinen legten. Hopfield, Namensgeber des „Hopfield-Netzes“, das neuronale Strukturen künstlich nachbildet, sagte mit Blick auf heutige Programme wie Chat GPT, ein Teil von ihm bereue heute seine Forschung.
Andere Vertreter der Wissenschaft fallen durch weniger Skepsis auf.

Die Münchner Ludwig-Maximilians-Universität, kurz LMU, eine deutsche Exzellenz-Hochschule, präsentiert sich in ihrem Forschungsmagazin „Einsichten“ (Nr. 2/2023) technikoptimistisch: Im Zeitalter von KI lässt man „Die Grenzen verschwimmen“, weil es „eine grobe Vereinfachung“ sei, „natürlich und künstlich als klare Gegensätze zu begreifen“. Irreführend besetzt wären diese Begriffe, „als Synonyme von echt und falsch“. In den neuen technischen Möglichkeiten sieht man Chancen, hebt hervor, „was wir damit gewinnen können“; Risiken hält man für überschau- und beherrschbar, sofern sie überhaupt in den Blick geraten.

Zweifel weht solche Positivisten kaum an. Der Informatiker lotet begeistert aus, „wie digitale Techniken menschliche Fähigkeiten erweitern können“. Sein Forschungsziel: „Der erweiterte Mensch“. „Entwickeln“, „optimieren“, „Effizienz steigern“ ist das LMU-Gebot der Stunde. Das „Münchner Uni Magazin“ (Nr. 3/2023) – Titel „Im Dickicht der Algorithmen. Wie Künstliche Intelligenz Lehre und Lernen verändert“ – schlägt in dieselbe Kerbe, wenn Kommunikationswissenschaftler (Michael Meyen ist nicht darunter; zu ihm später) erklären, wie KI „im Journalismus entlang der gesamten Nachrichtenwertkette eingesetzt“ wird, „bei der Themenfindung, beim Faktencheck [siehe oben], bei der Erstellung von Texten“. In dieser neuen Medienwelt „geben Journalistinnen die Themen vor, die KI produziert Inhalte“. Wer Fragen anmeldet, dem werden „diffuse Ängste vor neuen Technologien“ unterstellt. (Stigmatisierte Ängste erkennt man übrigens immer an diesem beigestellten Adjektiv.)

 

Probleme? Nur für Ewiggestrige.

Wenn gar ein so profilierter Kritiker wie der Neurologe Manfred Spitzer, der lange eindringlich vor „digitaler Demenz“ warnte, einen Hymnus auf die KI anstimmt – Tenor: ‘Macht alle mit, damit uns die KI übernehmen kann’ –, dann scheint eine hinterfragende Bestandsaufnahme dringend geboten. Wer den promethischen Schöpfungsfuror nicht bedingungslos mitgehen will, wer Stanislaw Lems „Waschmaschinentragödie“ nicht nur für große Science-Fiction-Literatur hält, sondern für eine Warnung vor der Machtübernahme durch Maschinenwesen, braucht Informationen abseits andauernder Werbeberieselung. Dieser kleine Überblick zur aktuellen digitalskeptischen Literatur will versuchen, eine Schneise ins üppige Dickicht dieses Genres zu schlagen.

 

 

Ein überraschend kulturkritischer Essay, gemessen an seinem Erscheinungsort, dem politisch ansonsten überaus wohlmeinenden Transcript-Verlag, der „Empfehlungen zur Rechtsextremismusforschung“ ins Schaufenster stellt; und bei dem sich Ethnologie fast nur noch um Migration aus migrationsbejahender Sicht dreht. Das Publikationsunternehmen begleitet außerdem die Digitalisierung als „grundlegenden gesellschaftlichen Transformationsprozess“, Stoßrichtung: „digital first“. Beim Autor von „Lesen im Zeitalter der Künstlichen Intelligenz“ handelt es sich um einen linksliberalen Journalisten, Mitgründer und langjährigen Chefredakteur der Plattform Telepolis, wo nach seinem Abgang alle alten Texte unter Disclaimer (vulgo: betreutes Lesen)  gestellt wurden.

Leider ist das Buch durchgängig eine Fehlstelle: Nirgendwo tritt der lesende Zeitgenosse von KI-Intelligenzen wie Chat GPT auf, sondern nur historische Leser in vordigitalen Zeitläuften, und – wenn der Autor die Gegenwart bemüht – zwar „lesende“ Texterzeuger wie Chatbots, die danach befragt werden, ob sie „Psychopathen“ seien. Der Leser dieser von Chatbots geschaffenen Texte allerdings bleibt auf 127 Textseiten merkwürdigerweise verborgen. Dafür präsentiert Rötzer den „Homo sedens oder: das Buch und der Stuhl“ und begeht dabei eine doppelte Themaverfehlung: Er erreicht auf zehn Seiten gar nicht den Zeitabschnitt, von dem sein Buch handelt – die anbrechende Epoche der KI. Und er untersucht deshalb auch nicht den digital lesenden Menschen. Dabei – wir werden darauf zurückkommen – ist die Frage nach Ort und Körperhaltung, in der im KI-Zeitalter gelesen wird, sehr erhellend.

Die wichtigste Fehlstelle: Immer mehr Medienhäuser planen ihre Transformation zu volldigitalisierten Unternehmen, was die verstärkte Integration von KI in den Redaktionsalltag umfasst. Rötzer thematisiert diese bevorstehende Revolution in der Textproduktion mit keinem Wort. Was aber, wenn Chat GPT die Redakteure bei der Recherche unterstützt, wie es die erwähnten Münchner Kommunikationswissen­schaftler begrüßen? Tut die KI das vollumfänglich oder nur teilweise, und bei welchen Recherchen? Fließen KI-Antworten gefiltert oder ungefiltert in Texte ein, und wenn ja, in welchem Umfang? Wird dieses Vorgehen transparent gemacht, sprich: Werden die Leser darüber informiert, wenn ein Text in Teilen nicht von dem Menschen verfasst wurde, dessen Name als Autor genannt wird? Bei Rötzer, selbst Journalist, sehen wir betroffen den Vorhang zu und alle Fragen nicht nur offen, sondern gänzlich ungestellt.

Auf den letzten beiden Seiten deutet Rötzer den Abschied vom materiellen Buch an, bleibt aber im Allgemeinen. Natürlich wäre es beim Anspruch, den sein Titel ankündigt, notwendig gewesen, an den Standard anzuknüpfen, den ein Buch­historiker wie Uwe Jochum in Bezug auf die Materialität des Buches in seinem Essay „Lesezeug“ (2021)  setzt, wo Bücher „als Artefakte die Erinnerungszeichen lebendiger Menschen [sind], die im Medium Buch Geist und Materie verfugen und die Verfugung auf Dauer zu stellen trachten“ (S. 34). Und von dieser Bestandsaufnahme ausgehend zu fragen, was genau der Abschied vom Buch in digitalen Zeiten mit dem Leser macht.

Wer kulturgeschichtliche Plaudereien über ein Möbelstück lesen möchte, wer etwas wissen will über die „Bibelverklärung im frühen Christentum“, über Höh­lenmalerei der Altsteinzeit – in dieser Reihenfolge –, über die Entwicklung von Lesebrillen im Mittelalter oder die Bedeutung der scripta continua für das laute Lesen im selben Zeitabschnitt, möge zu Rötzers Essay greifen. Wer etwas darüber erfahren will, was der Buchtitel verspricht, eher nicht.

 

Florian Rötzer, Lesen im Zeitalter der Künstlichen Intelligenz, [transcript], Bielefeld 2023, 128 Seiten, 19 Euro

 


 

 

Neben das Transcript-Buch zur Künstlichen Intelligenz lohnt es sich, den Essay aus der Feder des Cicero-Autors Ralf Hanselle zum Digitalkomplex zu stellen – aus einem verlegerisch konservativen Umfeld, dem Hause zu Klampen, wo etliche Autoren der sogenannten bürgerlichen Mitte ihre publizistische Heimat finden.

„So wie die Menschen mit der beginnenden Schriftkultur vermutlich bald schon nicht mehr gewusst haben werden, wie es war, im magischen Bewusstsein der Bilder zu leben, so kommt uns in unserer gegenwärtigen Online-Kultur mehr und mehr das Gefühl für die Offline-Welt abhanden“, heißt es dort programmatisch auf einer der ersten Seiten. Die Bestandsaufnahme des Autors lautet: „In einer solchen Welt ist alles falsch“, gefüllt mit „Gerede im luftleeren Raum. Geschwätz, das keinen kümmert. Die Realität ist ohnehin längst von einem Computermodell abgelöst worden. Alles ist entortet. Gerade so, wie es die ‚dataistische’ Religion für uns vorgesehen hat.“

Man kann diesen Befund noch ein Stück weiter zuspitzen: Wenn der Mensch nicht mehr erzählt, sondern nur noch Vorgeschriebenes verkonsumiert (und unreflektiert wiederholt), verliert er die Welt, in der er lebt. Am wichtigsten erscheint somit Hanselles Hinweis auf die Problematik, „in die eine digitalkapitalistische Umwelt mit optimierten Werbe-, Bestell- und Liefermechanismen den unbedarften Konsumenten sanft hineinverhaftet“.

Bedauerlicherweise muss auch die Besprechung des Essays von Hanselle eine kleinere Themaverfehlung anzeigen: Denn nicht den „Homo digitalis“ als Endverbraucher des industriellen Produkts Cyberspace nimmt der Autor entgegen seines selbstgewählten Titels in den Blick, nicht den Obdachlosen dieser kalten Cyberwelt, sondern die Produzenten dieser Obdachlosigkeit – Larry Page etwa, den Erfinder von Google Books.

Angekündigt werden in Titel und Klappentext Blicke auf den Menschen, der im Zeitalter fortgeschrittener Digitalisierung sich konfrontiert sieht mit einer zunehmend virtueller und „flacher“ werdenden Welt, mit der er zurechtkommen muss. Geliefert werden im Buch kulturpessimistische Blicke hinter die Kulissen des Digitalen, allerdings verbleiben die Einsichten in den Kapiteln „Tod der Kathedralen“, „Tod der Bibliotheken“ und „Tod der Landschaft“ bei den Erzeugern des Digitalen, das als „Der kommende Gott“ vorgestellt wird. Zu dem versprochenen Blick auf den Rezipienten digitaler Produkte kommt es dann doch nicht. Die titelgebende Figur des „Homo digitalis“ wandelt selbst im ohnehin kurzen Schlusskapitel mit der erwartungsvoll stimmenden Überschrift „Der dissoziierte Mensch“ in einem seltsamen Nebel der Unkonkretheit, vor den Leser hingestellt als unreifer Konsument und Verbraucher im Wortsinn. Aber dieses Los träfe den postmodernen Zeitgenossen auch in seinem analogen Zustand. Wer also ist der Homo digitalis?

 

Zwei Bücher, ein und dasselbe Problem

Betrachtet man beide Werke, muss man sich fragen: Woran scheitern die Autoren? Allzu viele, auch Rötzer und Hanselle, schreiben über den Menschen, ohne ihn zu beschreiben. Alles bleibt abstrakt, papieren, blutleer, diskursiv, nichts wird konkret, lebendig, fassbar, plastisch. Die Entpersönlichung ist das Signum des Internetzeit­alters, eine Falle, der selbst Digital-Skeptiker offenbar kaum entkommen können. Erst käme das Beobachten und Beschreiben, dann erst können weiterführende Analysen angestellt werden. Man sieht aber in vielen Texten selbst dann, wenn deren Titel dezidiert versprechen, den Menschen in den Blick zu nehmen, keine Menschen aus Fleisch und Blut. Eine Anthropologie täte Not, die beherzigen würde, was Leopold Kretzenbacher als Ideal für seine leider komplett zerstörte Disziplin so formuliert hat: „Volkskunde ist die Begegnung mit dem Volk“.

 

Ralf Hanselle, Homo digitalis. Obdachlos im Cyberspace, zu Klampen, Springe 2023, 128 Seiten, 16 Euro

 


 

 

Wo dieser Anspruch sehr viel eher erfüllt wird, (vorerst?) auf zwei kurzen Seiten, die einen Impuls für Weiterführendes setzen: In Martin Lichtmesz’ „Cyborg im Frühstadium“, veröffentlicht im Oktober 2023 zeitgleich mit Hanselles und Rötzers Versuchen über dasselbe Thema. Man kann die 250 Seiten beider Autoren mitsamt ihrem Name-Dropping von Homer bis Adorno getrost ad acta legen, nachdem man Lichtmesz’ gehaltvolle Kurzversion zum Thema gelesen hat.

Bei Lichtmesz tritt uns der „Smartphone-Mensch“ leibhaftig entgegen, eine irritierende Gestalt, die den öffentlichen Raum mit ihrem spezifischen, nicht wirklich sozialen Verhalten dominiert, Zeitgenossen, die selbst „während sie auf der Straße gehen, in die kleinen Bildschirme in ihrer Handfläche vertieft sind, den Arm zwischen 90 und 45 Grad abgewinkelt, den Kopf nach unten gesenkt“, eine „Bereitschaftsstellung, um jederzeit auf neue Benachrichtigungssignale ihrer Social-Media-Apps reagieren zu können“. Eine ferngesteuerte Troll-Armee, „Schlafwandler“. Und alle, alle hat diese Sucht ergriffen: „Alter, Geschlecht, soziale Schicht, ethnische Herkunft spielen dabei keine Rolle. Das Smartphone ist der ultimative demokratische Gleichmacher“ – ob Kopftuchfrau, Lederhosenträger, queerer Hipster, Oma mit Rollator, Schüler, Mutter mit Baby auf dem Bauch – in einem gleichen sie sich wie ein Ei dem anderen: im „merkwürdig pazifizierten, hypnotisch absorbierten Gesichtsausdruck“.

Die Weltwahrnehmung, das in der Welt Sein des Menschen und dessen sich Verorten in dieser Welt, scheint verdreht, wenn „Welt“ nur noch „aus dem Blickwinkel ihrer digitalen Verwertbarkeit“ wahrgenommen wird: „Alles wird sofort per Smartphone audiovisuell aufgesogen, gespeichert, mit Filtern verändert, gepostet, weitergeleitet.“ Leben im Hier und Jetzt – von gestern, für Gestrige.

„Es scheint sich sogar so etwas wie eine anthropologische Umformung oder Einformung abzuzeichnen. Das Gerät wirkt bereits jetzt wie in den Handflächen festgeklebt. Eine physische Implantation wäre im Grunde der nächste logische Schritt. Der Transhumanismusprophet Yuval Noah Harari bemerkte schon vor Jahren, dass ein Smartphonebesitzer bereits eine Art Cyborg im Frühstadium sei.“ Wer beobachten und beschreiben, analysieren und kontextualisieren, reflektieren und einordnen kann, dem genügen wenige Sätze, um eine Welt im Wandel zu umreißen.

 

Martin Lichtmesz, Cyborg im Frühstadium, In: Sezession 116, Oktober 2023, S. 2-3

 


 

 

Viel von diesen Fähigkeiten besitzt auch der Germanist Nils B. Schulz, der als Gymnasiallehrer in Berlin eine lebensnahe Analyse darüber vorlegt, was passiert, wenn sich eine Institution wie die Schule fast willenlos dem Digitalisierungsdiktat unterwirft.

Seine Beobachtung in Kürze: Man diskutiert nicht mehr über das Ob der Implementierung digitaler Techniken in den schulischen Alltag, sondern nur noch über das Wie. Mehr oder noch mehr Digitalisierung scheint der einzige zur Entscheidung offene Punkt. Das Thema Digitalisierung dominiert das Bildungswesen in erschreckender Totalität – alles Pädagogische, Didaktische, Psychologische, Fachspezifische gerät dabei unter die Räder des unerbittlichen Fortschrittsprozesses. Man glaubt, das System zu steuern, welches der Digitalismus erschafft, doch in Wirklichkeit wird man gesteuert. Der (noch) menschliche Lehrer findet sich immer öfter in der Rolle des Passagiers wieder, als dass er als Pilot agieren könnte. Viele Lehrer nehmen sich zugunsten der Digitaltechnik immer mehr zurück, indem sie – statt selbst zu erklären – lieber Erklärvideos ablaufen lassen; der Anfang einer Selbstabschaffung.

Nicht zuletzt liefert Schulz eine umfassende Sprachkritik, die deutlich macht, wie sehr auch das Bildungswesen in den Sog einer technokratischen Kälte mit seinem schier unendlichen Wirbel von Plastikwörtern geraten ist, wie ununterscheidbar die Sprache von Bildungspolitikern, Universitätspädagogen und Digitalkonzernen geworden ist.

Eine Falle, in die Schulz – mit Ankündigung – marschiert: Die Angst vor dem Beifall von der „falschen Seite“. Weil er fürchtet, dass Ausführungen wie die seinen „von rechtskonservativen Parteien zitiert, ja gleichsam gekapert“ werden, klammert er alle politischen Standpunkte gleich ganz aus in seinen Betrachtungen zur Bildungssituation an den Schulen. Und das kann nicht gut gehen, weil dadurch der Eindruck entsteht, Schule als Ort von Bildung und Erziehung würde zwar von digitalen Transformationsgelüsten attackiert, sonst aber von keiner progressiven Agenda wie Klimaschutz-, Antirassismus-, Transgender- oder „Kampf-gegen-rechts“-Indoktrination angegriffen und umgeformt.

Jedenfalls kann man mit Schulz’ Buch besser gerüstet in die Diskussion darum einsteigen, ob es sinnvoll ist, Bayerns Schüler bis 2028 flächendeckend mit Tablets auszustatten, wie es die Bayerische Staatsregierung will, oder ob man die schwedische Rolle rückwärts nachahmt, um „wieder stärker auf gedruckte Bücher und Handschrift [zu] setzen statt auf Tablets und das Netz“, wie es Deutschlandfunk Nova aus Skandinavien berichtet. Klaus Zierer, Lehrstuhlinhaber für Schulpädagogik an der Universität Augsburg, warnt jedenfalls – ähnlich wie Schulz – vor „bildungspolitischem Aktionismus“. Seine Forderung an die Politik: „Kümmert euch endlich um die Kinder, nicht um Tablets“.

 

Nils Björn Schulz, Kritik und Verantwortung. Irrwege der Digitalisierung und Perspektiven einer lebendigen Pädagogik, Claudius, München 2023, 152 Seiten, 20 Euro

 


 

 

Neu im Buchhandel ist Zierers Weckruf gegen eine allzu naive Anwendung von KI in den Schulen, dessen Kern mit Rekurs auf technikkritische Schriften von Martin Heidegger und Günther Anders bereits in der Neuen Zürcher Zeitung dargelegt wurde.  Zierer, der 2015 gemeinsam mit dem Münchner Philosophen Julian Nida-Rümelin vor einer „neue[n] deutsche[n] Bildungskatastrophe“ gewarnt hat, kann sich in seinem Plädoyer für den Vorrang einer menschengemachten Pädagogik auf Nida-Rümelins Essay „Digitaler Humanismus“ (2018) stützen, der argumentiert, dass Künstliche Intelligenz eine contradictio in adjecto sei, also wesensunmöglich, weil ein Maschinenwesen niemals „denken“, sondern Denken nur simulieren könne.

 

Klaus Zierer, Chat GPT als Heilsbringer? Über Möglichkeiten und Grenzen von KI im Bildungsbereich, Waxmann, München 2024, 55 Seiten, 9,90 Euro

 


 

 

Wer sich erkenntnistechnisch etwas Gutes tun will, nehme sich eine Stunde Zeit für den Film „Müdigkeitsgesellschaft“ von und mit dem heideggerianisch geschulten koreanisch-deutschen Philosophen Byung-Chul Han nach seinem gleichnamigen Buch. Im Film gibt es zwei gespenstische Szenen. Man sieht zunächst (ab Minute 21:30) ein einjähriges Kind, dessen Blick nur auf sein Smartphone konzentriert ist, nichts wahrnimmt, was um es herum geschieht, die Hand der Mutter, die ihm das Gerät wegnehmen will, mehrfach unwirsch wegschlägt, ohne aufzuschauen, derweil Han aus dem Off eine U-Bahn-Fahrt kommentiert: „Die Menschen haben ein fast zwanghaftes, obsessives Verhältnis zu ihrem Smartphone. Sie lassen es in keinem Augenblick aus der Hand. Niemand blickt den anderen an. Ich hatte sogar das Gefühl, dass der Blick selbst verloren geht. In dieser Zwanghaftigkeit erscheinen sie mir wie Zombies, die ihre Seele dem Apparat verkauft haben.“ Bei Minute 37:40 ist aus dem Kind ein Erwachsener geworden, der – mit dem Rücken zum Betrachter – vor einer Wandtapete mit lichtdurchflutetem Wald steht, total in seinem Smartphone gefangen, seine Umgebung komplett ignorierend.

Han ist wohl der Denker, der Neoliberalismus (Selbstoptimierung, Selbstausbeutung) und Digitalisierung (Selbstkontrolle, Selbsteinsperrung) kongenial zusammendenkt, beides verstanden als Herrschaftstechniken, die im Gewand von Freiheitsverspre­chen daherkommen. Er entschlüsselt, wohin diese Ideologien führen, vor allem in ihrer komplementären Form: in den Burnout einer „Müdigkeitsgesellschaft“ (2010) und den Freiheitsselbstentzug der „Transparenzgesellschaft“ (2013), wo sich „Freiheit als Kontrolle erweist“. Han arbeitet den Zynismus heraus, wie der zu verformende Mensch davon überzeugt werden soll (und schlimmstenfalls ist), dass seine Verformung aus freiem Willen und nur zu seinem Besten geschehe, dass sie höchst erstrebenswert sei.

Für Han ist die neoliberale Welt eine „Zwangsgesellschaft“, in der sich das „Leistungs­subjekt“ selbst ausbeutet – und sich dabei in der fatalen Illusion von Freiheit wiegt, obwohl (eher: weil) „jeder sein Arbeitslager mit sich führt“, ohne sich dessen bewusst zu sein. Eine Schlüsselszene im Film: Als der Philosoph und ein Seouler Filmemacher das transportable Arbeitslager in und am neoliberalen Menschen konkret mit dem Smartphone identifizieren (ab Minute 42:11), das als eine Art externes Körperorgan, wie eine Handtasche über die Schulter gehängt, die Funktion eines Atemgeräts übernimmt, dessen Pulsschläge über (Nabel)Schnüre ins Ohr gesendet werden. Das Smartphone ist genuin eine (Selbst)Kontrolltechnik. Diese verdrängte Wirklichkeit stellt Han klar ins Licht.

In Zeiten der Pandemie hieß das Lager euphemistisch „Homeoffice“ (Palliativgesell­schaft. Schmerz heute. Matthes & Seitz, Berlin 2020, S. 24), worin sich der Insasse – wie er es als Mitglied der „Transparenzgesellschaft“ (S. 82) schon lange internalisiert hatte – „freiwillig dem panoptischen Blick aus[liefert]“. Wer per Armband seine Daten darüber, was er isst, ob und wie er sich bewegt, an die Krankenkasse überträgt, wer per Navigationsgerät sein Fahrverhalten an die KfZ-Versicherung meldet – alles nur, um im Bestfall ein paar Prozent weniger Gebühr einzahlen zu müssen –, so ein Vorimprägnierter (und nur der) wird kein Problem damit haben, sich per Corona-Warn-App dauerüberwachen zu lassen und sich dabei noch dem Glauben hingeben zu können, die Selbstinternierung in ein Kontrolllager, das er in seinem Smartphone mit sich führt, geschähe freiwillig und nur zu seinem Besten.

 

Byung-Chul Han, Müdigkeitsgesellschaft, Matthes & Seitz, Berlin 2010, 72 Seiten, 10 Euro (und einige folgende Essays)

 


 

 

„Infokratie“ ist für Han – jenen Analytiker, der Digitalisierung mit Neoliberalismus und Autoritarismus am konzisesten zusammendenkt – der Aggregatzustand eines „Informationsregimes als neue Herrschaftsform“, hochaktuell brisant in Zeiten des „Demokratiefördergesetzes“. Die Rezensentin von Deutschlandfunk Kultur dachte mit diesem Essay „über die eigene Unmündigkeit“ im Informationszeitalter nach: Wie algorithmisch gesteuerte Häppcheninformation auf subtile Weise Wissen, Erfahrung und Erkenntnis verdrängt. Zu Beginn arbeitet der Philosoph, glänzend wie immer, autoritäre Mechanismen dessen heraus, was er abschätzig „Infokratie“ nennt. Aber dann gleitet seine Darstellung mehr und mehr ab ins nichtnachvollziehbare Raunen.

Han scheint im Schlusskapitel „Die Krise der Wahrheit“ nicht Herr seiner Sinne zu sein, was für Leser seiner Bücher, inklusive des vorliegenden Einführungskapitels „Informationsregime“, nur schwer verständlich erscheint ob seiner luziden Analysefähigkeit. Er verfällt der Blindheit auf dem linken Auge, die leider so zeittypisch geworden ist für den gesamten „Wertewesten“ und schreibt alles Negative, was er zu beobachten meint, dem Reich des Bösen zu, einem Komplex namens „Rechts“, der im westlichen Wertesystem nun einmal zu diesem Zweck nominiert wurde. Dabei will Han geflissentlich übersehen, dass „Verschwörungstheorien“, deren Zunahme er beklagt, sich nicht nur im rechten Lager verbreiten – Han bedient, für einen Denker seines Kalibers beschämend unterkomplex, das Feindbild „Trump“ –, wie man etwa in der deutschen Berichterstattung über Putin und den Ukraine-Krieg deutlich sehen kann. Zum anderen: Wer hat denn im Corona-Staat eine Infokratie errichtet? Wer hat das totale Hygienediktat mit medial-digitaler Unterstützung praktiziert? Die AfD?

 

Byung-Chul Han, Infokratie. Digitalisierung und die Krise der Demokratie, Matthes & Seitz, Berlin 2021, 88 Seiten, 10 Euro

 


 

 

Wer sich mit dem Phänomen realitätsnäher beschäftigen will, sollte zu Studien des Münchner Kommunikationswissenschaftlers Michael Meyen greifen, etwa zu seinen Überlegungen über „Medienlenkung im Digitalkonzernstaat“. In den Blick genommen werden dabei Mogelpackungen wie das „Netzwerkdurchsetzungs­gesetz“, mit dem der Staat Internetkonzerne ganz offiziell mit der Macht ausstattet, als Zensurmaschinen im Sinne des gesetzgebenden Staates zu agieren. Es wird auch nachgezeichnet, wie „Meinungsfabriken“, allen voran die Trusted News Initiative (TNI), als eine Art Wahrheitsministerium, aber quasi „zivilgesellschaftlich“, den Leitmedien stets einen Leitfaden an die Hand geben, wie neuralgische Themen politisch korrekt an die Öffentlichkeit gebracht werden sollen. „Wie das geht? Die TNI vereint das Who‘s Who der westlichen Medienwelt. Nachrichtenagenturen (AP, AFP, Reuters), Rundfunkanstalten (die European Broadcasting Union, in der auch ARD, ZDF, SRG und ORF sind), große Zeitungen, die Internetgiganten (Microsoft, Google, YouTube, Twitter, Facebook), ein Faktenchecker (First Draft, 2015 gegründet vom Wellcome Trust und den Open Society Foundations)“. Jede Regierung, die diese Meinungsmonopole hinter sich weiß, erscheint kaum angreifbar – auch dem Siegeszug der Digitalisierung sei dank, denn: „Was früher (ganz früher) der Postbote war, der die Zeitung in den Kasten steckte, sind heute die digitalen Plattformen.“

Folgt man Meyens Analyse, dürfte die Frage, ob die allerorts zu beobachtende massive Digitalisierungsstrategie deutscher Medienhäuser in eine erstrebenswerte „digitale Transformation“ oder eher in die Unwirtlichkeit einer „digitale[n] Info-Wüste“ führt, nur noch rhetorischen Charakter haben.

 

Michael Meyen, Wer wirklich regiert. Medienlenkung im Digitalkonzernstaat, Hintergrund – Das Nachrichtenmagazin 1|2, 2024

 


 

 

Auf der Suche nach fundamentaler Kritik der digitalen Welterlösungsreligion, wie sie gerade fröhliche Urständ feiert, muss man weit zurückgehen, um auf einen Solitär zu stoßen: den Konstanzer Bibliothekar und Zeitkritiker Uwe Jochum mit seiner Abhandlung darüber, wie sehr es sich bei dieser vordergründig technischen Errungenschaft um ein „theologisches Versprechen“ der Postmoderne handelt. „Wer mit den neuen Medien umgeht, nimmt teil an einer Erlösung des Menschen von seinem Leib und seiner Welt, die beide ihm auf Schritt und Tritt Grenzen setzen“, so Jochum. Es ist der Traum – für andere ein Alptraum – von einer medialen Überwindung des (tatsächlichen) Leibes und der (begeh- und begreifbaren) Welt durch die allverfügbare Sphäre der Virtualität. Es handelt sich um eine Erlösungsphantasie, „die auf technischem Wege das Ende der Geschichte realisieren will“, nachdem dieses voreilig durch Francis Fukuyama ausgerufene Ende nach 1989/90 noch einmal vertagt worden war.

Wo die neueren Essays, die dieser Literaturüberblick eigentlich vorstellen wollte, selbstverliebt mit halbverdauten Lektürebrocken renommieren, findet sich in der „Kritik der Neuen Medien“ von Uwe Jochum bereits 2003 dieser Goldstandard an vorausblickender Erkenntnis, gewonnen aus der Auswertung der entscheidenden Manifeste für die Epochenwende, die eine Kulturschwelle markiert: Alvin Tofflers „Magna Charta für das Zeitalter des Wissens“ richte sich, so Jochum, „gegen Staatlichkeit und Territorialität überhaupt“. Eine präzise voraussagende Analyse, die sich – ganz im Sinne der „Computer-Krieger“, wie Jochum die Digitalisten nennt – glänzend, im konservativen Sinne schmerzlich bestätigt hat. „No nation no border“-Ideologie und Digitalisierungswahn als Auflösung von konkretem Raum und konkreter Zeit verbünden sich zu einem Festmahl an den Beständen des Menschseins und jeder Humanität, geboren aus dem selbst- und menschenfeind­lichen Ungeist des Anywhere. Viele dürften es nicht gewesen sein, die das so klar erkannt haben wie Jochum, und die früher davor gewarnt haben, als er dies tat.

Dem zentralen Heilsversprechen „der postbiologischen Welt des Cyberspace“, dem vermeintlich„unendliche[n] Glück eines technisch erzeugten paradiesischen Schlaraffenlandes“ wird von Jochum der Zahn gezogen. Der seinerzeitigen Rezension in der Neuen Zürcher Zeitung ist zuzustimmen, dass Phantasmen von Selbst- und Welterlösung im Raum ohne Körper die Tatsache einer „irdischen conditio humana“ entgegengesetzt werden müsse, die nicht hintergehbar ist.

 

Uwe Jochum, Kritik der Neuen Medien. Ein eschatologischer Essay, Wilhelm Fink, München 2003, 158 Seiten, 49,90 Euro

 


 

Was empfohlen werden kann

Wer sich tiefgründig über das Wesen des Digitalismus informieren will, sollte zu Uwe Jochums „Kritik der Neuen Medien“ von 2003 greifen. Sie ist nicht nur nicht überholt, sondern hat sich in ihrem prognostischen Kern (leider) bestätigt und dient, solange der Buchmarkt nichts Solideres ins Angebot bringt, weiterhin als gültiger Leitfaden jeder Analyse des Phänomens. Von den besprochenen Neuerscheinungen ist Nils B. Schulz’ Praxis-Erfahrung als Lehrer zu empfehlen. Bei Byung Chul Han sollte man seine wirklichkeitsbasierten älteren Schriften der politisch irrlichternden „Infokratie“ vorziehen. Zum Thema „Digitalkonzernstaat“ sei auf die Sezierung Michael Meyens verwiesen, die gewinnbringend zu lesen ist. Wer allerdings den realen Menschen, den Homo digitalis aus Fleisch und Blut, sehen will, wird eigene Beobachtungen anstellen müssen. Sein Porträt ist – Ralf Hanselles Versprechen dieses Titels zum Trotz – noch nicht geschrieben.

 


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2 Kommentare
  • Werner Bläser
    11. Oktober, 2024

    Ich verstehe nichts von diesem Thema. Deshalb nur einige Fragen: Könnte es sein, dass eine Gesellschaft, in der natürliche Intelligenz immer mehr unterdrückt, ausgegrenzt, gecancelt, vertrieben, oder beleidigt wird (Margaret Thatcher: “Facts are conservative”), – dann eben durch “künstliche” ersetzt wird? Oder, wenn künstliche Intelligenz wirklich ein Fortschritt ist – worin? Im Prozess der fortschreitenden Dekadenz? Oder in der Perfektionierung totalitärer Bestrebungen?
    Schon seit längerem forsten Geheimdienste die Kommunikationen der Bürger anhand von Trigger-Begriffen durch, um Verdächtiges aufzuspüren (siehe z.B. “Uncle Sam is monitoring you for these 377 words”, ‘Schiff Sovereign’, May 31, 2012); werden aufgrund solcher Funde bald auch Anklageschriften und Ermittlungsprozeduren automatisch erstellt werden? Und sitzt dann, angesichts der Überlastung der Gerichte, bald ein Richter-Automat vor einem, der einem einen Strafbefehl ausstellt? Ein Albtraum? Noch.

  • Moaning Myrtle
    11. Oktober, 2024

    Ich schreibe neuronale Netze seit Mitte der Neunziger. Ich kenne Hinton noch als normalen Wissenschaftler in seinem damals ueberschaubaren Gebiet. Er ist uebrigens der mit dem Bereuen an der eigenen Forschung. Hopfield hat sich ebenfalls kritisch, aber mit anderem Schwerpunkt und in anderer Form dazu geaeussert. Ich weiss wie ein Transformernetzwerk funktioniert (das sind die, die ChatGPT und Konsorten treiben). Und ich nutze diese Dinge zur gleichen Zeit, wie ich sie auch entwickle.

    Ich kenne auf der anderen Seite z.B. Roetzers Kapazitaeten. Er war jahrelang Chefredakteur von Telepolis, bis er verschwand und die heutige gleichgerichtete noch linkere Form der Netzseite erschien. Was er bei allen Unterschieden zu meinen eigenen politischen Ansichten vertrat, war einer der unzensiertesten Kommentarbereiche im deutschen Raum, und dafuer habe ich Respekt. Aber fuer Beurteilung von AI/KI kann er wie auch die anderen Beispiele, welche ich unter den Genannten kenne nur in abgeleiteter Form Auskunft geben. Dazu gehoert Lichtmesz, den ich denke als regelmaessiger Sezessionsleser einschaetzen zu koennen ebenfalls. Geistes-/kunst-/sozialwissenschaftliche Herkunft – und das ist ein Problem auch dieses Artikels. Das beginnt damit, dass die Leute kaum wirklich mit den Technologien arbeiten. Da wird ein paarmal ChatGPT aufgemacht, vielleicht auch einmal einige Zeit 20$ monatlich spendiert. Dann werden der KI Fragen gestellt, natuerlich gerade die, die sie in die Bredouille bringen sollen. Gesehen, gelacht, geschlossen.
    Ich schreibe taeglich Code damit, erweitere, entwickle neu, erschliesse ihn, finde Fehler darin usw.. Ich analysiere Daten und unterstuetze mathematische Schlussfolgerungen. Und das bin nur ich. Ich weiss nicht, ob Sie sich jemals mit jemand unterhalten haben, der mit industrieller Robotik hautnah zu tun hat, im Sinn von “Zusammenarbeiten”. Ob sie einmal Diagnosen gesehen haben, die KI aus Datenmengen zieht, die keinem menschlichen Gehirn kapazitaetsmaessig zugaenglich sind. Rechtsdokumente auf Schwaechen abgeklopft. Hausaufgaben gemacht, tatsaechlich ist die Bildungssache ist eine eigene Betrachtung wert.

    Kam gerade: Ca. 50% der Lehrer sollen schon einmal KI benutzt haben, 28% wollen das in Zukunft tun (also 22% nicht). Niveau der Beschaeftigung aber wohl wie oben skizziert, Grundhaltung: Angst. Denn Problem ist – 100 Prozent (Polemik gewollt) der Schueler koennen das. Auf Grund der spezifischen Eigenschaften macht das grosse Teile der klassischen Hausaufgaben sinnlos. “Lehrer kuemmere dich” genuegt ueberhaupt nicht . Man formuliere einfach einmal selbst Aufgaben, die der KI prinzipiell nicht zugaenglich sind oder mit geringer Nacharbeit eines nicht ganz strohdummen Schuelers geradegerueckt werden kann. Das ist hochgradig nichttrivial. Relativ sicher bleiben nur noch Formen mit beiden Akteuren Auge in Auge, also genau das, was Hausaufgaben fehlt.

    De ganze Punkt ist aber, was man daraus macht. Man muss sich klar darueber sein, dass der Geist aus der Flasche (besser: Tube) ist. Im eigenen Interesse nehme man es an oder gehe unter. Im besten Fall im Sinn der ersten beiden E von Microsofts “Embrace, Extend, Extinguish”. Man will nicht als Ronin enden und schliesslich ganz verschwinden wie die Samurai mit ihren kunstvoll dutzendfach damaszenerartig gefalteten Schwertklingen. Englische Langbogen waren Wunderwerke, aber nachdem sie die Ritterschaft und die Eibenbestaende dezimierten, verschwanden sie konsequenterweise mit den Aufkommen der Feuerwaffen. Schlesischer Weber ist kein erfogversprechender Ansatz. Nostalgie wie sie verschiedenen konservativen Stroemungen eigen ist ebenfalls nicht.

    p.s. Entschuldigung fuer die fehlenden Umlaute. Die Tastatur hat sie nicht und das Muskelgedaechtnis verhindert im Ende ihre Nutzung.

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