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Ist das Kirche – oder kann das weg?

Wenden sich die Menschen vom Glauben ab? Nicht überall: Es gibt auch volle Gottesdienste – und gleichzeitig eine Massenflucht aus Amtskirchen, deren Funktionäre mit Mission kaum noch etwas anfangen können. Christentum ist nötig, meint der Theologe Jan Dochhorn – und skizziert fünf Wege zu seiner Erneuerung

von Jan Dochhorn

»Die evangelische Kirche hat Gott vergessen« läßt ein neugegründetes »Forum für Kirche und Theologie« verlauten. Wenn es so sein sollte: Ist das schlimm? Die sechste Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung der Evangelischen Kirche in Deutschland, erschienen im November 2023, gibt zu erkennen, daß »die Menschen« von der Kirche sowieso eher »zivilgesellschaftliches Engagement« erwarten als »die Erfahrung des Heiligen«. Zugleich vermeldet die Studie eine katastrophale Mitgliederentwicklung bei beiden Großkirchen. Was also tun, wo soll es hingehen mit der Kirche Jesu Christi?

»Gott wird uns nicht retten. Das werden wir tun.« Dieser Satz ist am 28. Februar 2021 ausgesprochen worden – auf einer Kanzel im Berliner Dom von Luisa Neubauer, die danach den ökumenischen Predigtpreis erhalten hat. Dies greifen in der Welt vom 23.Oktober 2024 Henriette Crüwell, Ralf Frisch und Günter Thomas auf und konstatieren: »Die evangelische Kirche hat Gott vergessen«. Daß Christen der Parole der Aktivistin nicht widersprechen, sondern eher beipflichten, muß kaum überraschen: »Christus hat keine anderen Hände als unsere Hände« hört man im Kirchenmilieu schon länger. Ralf Frisch bezeichnet auf den Seiten des Forums diesen Satz als pelagianisch, arianisch, schwärmerisch – worin ihm widersprochen werden muß: Von den altkirchlichen und reformationszeitlichen Häretikern kann man Besseres lesen; sie sind meistens fromm und theologisch aufregend; keiner von ihnen stellt Christus als einen handlungsunfähigen Torso dar.
Theologisch Dünnes und dafür gesellschaftspolitische Allerweltsweisheiten, die dann auch noch fragwürdig scheinen – so ließe sich resümieren, und auf eine solche Formel läuft auch die Kritik an den Kirchen heraus, die Konrad Adam in der Jungen Freiheit vom 29. September 2024 vorgetragen hat. Man könnte meinen, es sei zum Weglaufen, aber laufen die Leute wirklich deshalb weg? Die neue Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung, die erstmals sowohl evangelische wie auch katholische Christen in den Blick nimmt und dazu die Gesamtbevölkerung Deutschlands, scheint in eine andere Richtung zu weisen. Zu den von Konrad Adam nicht so besonders geschätzten Allerweltsweisheiten gehört etwa auch die »Geflüchteten«-Politik der (evangelischen) Kirche, und hier stellt die Studie fest: Eine überwiegende Mehrheit findet sie gut oder eher gut. Anna-Nicole Heinrich, Präses der EKD-Synode, nutzt die Gelegenheit, sich auf die Schulter zu klopfen (in der Presseerklärung der EKD vom 14.11.2023): »Dass der Satz, „Die Kirchen sollen sich konsequent für Geflüchtete und die Aufnahme von Geflüchteten einsetzen“ auf so hohe Zustimmung trifft, bestärkt uns in unserem Engagement«. Auch scheint es nicht so zu sein, daß die Leute gehen, weil sie das Christliche vermißten: Nur wenige ziehen sich aus den Kirchen zurück in eine anders gelebte Christlichkeit; die Kirchen werden fast durchweg verlassen, weil der Glaube schwindet – und überhaupt die Religiosität. Der Studie zufolge gibt es kein religiöses Kontinuum, mit dem an die Stelle kirchlicher Religiosität eine anders- oder nichtkirchliche träte; die Freikirchen wachsen nicht und der Einfluß der Esoterik vermindert sich. Es nimmt einfach nur beständig das Kontingent derjenigen zu, die mit Religion überhaupt nichts anfangen können und sie sogar für schädlich halten; dies ist mit 36 Prozent inzwischen die größte Bevölkerungsgruppe. Ein »anthropologisches Auffangnetz für kirchliches Handeln« gebe es nicht, konstatiert die Studie; Religion sei ein kulturelles Phänomen und könne dementsprechend verschwinden, wie sie auch im Weltmaßstab rückläufig sei. Auch die Kirchenmitglieder sind nicht unbedingt sehr religiös: Es gibt viele atheistisch eingestellte Mitglieder, und generell sind kirchliche Angebote für Menschen in Notlagen eher dasjenige, was unumstritten für gut und wichtig befunden wird, als »Kontakt mit dem Heiligen« oder gar normative Orientierung. Die Pressemitteilung läßt dementsprechend verlauten, es würden »an die Kirchen nicht nur religiöse Erwartungen gerichtet, sondern vor allem auch soziale«. Erneut scheint sich da eine Institution bestätigt zu sehen in ihrer Linie. Es bleiben natürlich die vielen Austritte; eine Halbierung des Mitgliedsbestandes bis 2040 ist wahrscheinlich. Frau Kurschus, damals EKD-Ratsvorsitzende hat dazu, ebenfalls in der Presseerklärung, Ermutigendes mitzuteilen: »Die Kirche erleidet den notwendigen Wandel nicht; sie gestaltet ihn, aktiv und kreativ.« Ist das Glaubensmut oder eine Sprechblase? Das mag man wissen wollen, aber wir sollten uns wohl abgewöhnen, immer gleich nach dem Religiösen zu fragen; es fragt ja auch sonst kaum einer danach.

Genau darin aber liegt das Problem, dem durch eine Strategie der religiösen Niedrigschwelligkeit auf Dauer nicht begegnet werden kann. Dem säkularistischen Trend durch Selbstsäkularisierung entgegenzukommen, mag den Kirchen mittelfristig minimal helfen, wird aber langfristig Religion nur noch unsichtbarer machen. Was man nicht verkündigt, kommt auch nicht an. Den Kirchen bleibt nichts übrig, als beharrlich für eine Umkehrung des Trends zu sorgen. Vorrangig ist dies allerdings notwendig aus einem ganz anderen Grund: Die Kirche als Service-Institution für irgendwas Schönes und allenfalls nebenbei auch religiöse Bedürfnisse wäre in sich eine Lüge. Es wäre die Luft raus; sie würde nur Geld kosten, das anderswo sinnvoller investiert wäre. Was also tun zur Revitalisierung des Kirchlichen in Deutschland? Fünf Arbeitsfelder sind zu skizzieren:

1. Gottesbewußtsein: Der Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung kann man entnehmen, daß der entscheidende Gegner von Religion und Kirche in unserer Gesellschaft eine naturalistische Wirklichkeitserklärung ist, die sich auf zwei Sätze zusammenfassen läßt: »Alles läuft ab nach den „bekannten Naturgesetzen“« und: »Es gibt keinen Gott«. Diese Sicht scheint erfolgreich Ungewißheiten zu minimieren; sie kommt trittsicher daher. Aber zwischen beiden Sätzen besteht eigentlich keine logische Junktur; aus der Gesetzmäßigkeit von Vorgängen wäre viel eher auf eine ordnende Intelligenz zu schließen. Und überhaupt: Wie »bekannt« sind diese Naturgesetze denn? Sie scheinen die im Grunde längst abgelegten Leitlinien eines »Kraft und Stoff«-Materialismus zu sein; wir haben es hier gewissermaßen mit Dorf-Diamat zu tun: ohne Quantenphysik und Synchronizität/Verschränkung, ohne parapsychische und paraphysische Phänomene, ohne Nahtoderfahrungen, ohne die Auflockerung der Hirn-/Bewußtseinskorrelation und so vieles andere, was auf eine tiefgründige Rätselhaftigkeit von Natur und Dasein hinweist und eine neue metaphysische Sinnsuche und dann auch Suche nach Gott dringend erforderlich macht. Das naturalistische Weltbild scheint mehr als gewöhnlich wahrgenommen fragwürdig, unkritisch und sonderbar altbacken, scheint eher gesunkenes Kulturgut zu sein als aktuelle Herausforderung lebendiger Geistigkeit; es ist nicht zuletzt außerstande, Menschenwürde zu begründen. Eben dies in Zusammenarbeit mit metaphysikoffener Philosophie aufzuarbeiten im Sinne einer Aktualisierung der Gottesfrage, ist eine zentrale Aufgabe der Theologie. Apologetik ist dringend erforderlich. Genau diese schließen Theologen oftmals aus, und das muß sich ändern.

2. Mission: Die große Schwester der Apologetik ist die Mission. Kirche ist auf Mission angelegt; der Glaube soll nach dem Willen Jesu Christi als des Herrn der Kirche verkündigt und bekannt werden. Von dieser grundlegenden Tatsache haben die Amtskirchen in Deutschland sich vielfach weit entfernt. Keine Rekrutierungspastoral wolle man betreiben, hört man im Milieu der kirchlichen Amtsträger – warum eigentlich nicht? Parteien werben um Zustimmung und Mitglieder, warum soll das nicht auch für die Kirche in Ordnung sein? Man tut den Menschen nichts Böses, wenn man ihnen etwas nahebringt, das für einen selbst Seelen-Ernährung ist. Es mag der Gedanke aufkommen, Mission habe etwas mit weißem/europäischen Suprematismus und Imperialismus zu tun, aber damit kontrastiert doch seltsam die Tatsache, daß die afrikanischen Kirchen mit Postkolonialismus sehr viel weniger als mit Traditionalismus in Erscheinung treten. Kardinal Sarah beruft sich, wenn er gegen westliche Zeitgeistmoden im europäischen Katholizismus eintritt, explizit auf das Zeugnis der französischen Missionare in seinem Dorf, von denen viele jung gestorben seien. Man gewinnt nicht den Eindruck, daß er den Europäern die Mission verübelte. Und sein Selbstbewußtsein zeigt: Die Sorge um europäischen Suprematismus ist aus der Zeit gefallen: Wir Europäer sind gar nicht mehr so wichtig; nicht nur demographisch, sondern auch kulturell und religiös fehlt es uns an Kraft.
Es ist nicht ausgemacht, daß speziell an der religiösen Kraftlosigkeit nichts zu ändern wäre. Doch wird man nach neuen Wegen wohl eher ohne als mit der Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung fahnden müssen, die einen schon fast depressiv macht. Hoffnung könnte bereiten etwa das Augsburger Gebetshausprojekt, das bewußt auch auf Internetpräsenz setzt und nach Auskunft des Leiters Johannes Hartl zu etwa 20 Prozent kirchenferne Anhänger hat. Moderne Formen können helfen, nur daß sie Traditionelles nicht ersetzen sollten, das ebenfalls verkündigungswirksam ist: Es gibt Klöster, die wachsen, etwa die Zisterzienser in Heiligenkreuz. Und im katholischen Studentengottesdienst der Durhamer St. Cuthbert-Gemeinde findet man oftmals schwer Platz; die wichtigsten Rubriken des Meßformulars (Kyrie, Gloria, Sanctus etc.) werden auf Latein und gregorianisch gesungen, und zwar lautstark und rhythmisch beschwingt. Und noch ein Letztes: Auffällig oft erlebt man ein völlig unbefangenes Bekennen zum christlichen Glauben neuerdings im libertären Milieu, bei Anlageberatern mit Kapitalismusvorliebe oder bei der Hayek-Gesellschaft. Vielfach steht Widerstandserfahrung aus der Corona-Zeit im Hintergrund: Wer sich schon einmal trauen mußte, gegen eine unfreundliche Menge für sich selbst zu stehen, der kann auch zu Gott stehen; ein Gefühl von Kraft und Lebensfreude ist jeweils erkennbar.
Es geht doch, kann man sagen, und dies vor allem, wenn man Christentum in seinem ganzen Reichtum an Ideen und Ritualen einfach praktiziert und es nicht bewußt oder unbewußt für etwas hält, das man jungen Leuten oder Afrikanern oder wem auch immer nicht (mehr) zumuten könne. Und abgewöhnen sollten wir uns – zumindest überwiegend – den Habitus der Auseinandersetzung und Traditionsdekonstruktion, was nicht zuletzt die Universitätstheologie betrifft: Theologie muß kritisch sein, aber mit einem anderen Ziel als dem eines dekonstruktiven »Hinterfragens«: Theologie läuft auf Verstehen hinaus und auf Bekennen – oder sie läuft sich tot.

3. Politik: Bei allem Insistieren auf eine religiöse Rückbesinnung: Nicht weniger politisches Engagement ist von der Kirche zu erwarten, sondern ein besseres. Die sogenannte Seenotrettung mag der EKD gute Schlagzeilen einbringen und Zustimmung bei eher unpolitischen Gemütern, aber entscheidend ist doch die Frage: Tut sie gut – den Deutschen und denen, die man ins Land holt? Ethische Fragen bedürfen der ernsthaften Deliberation, und diese gelingt nur, wenn man auch migrationskritische Stimmen in der Kirche gründlich anhört. Wo anders als in der Kirche, im Geltungsbereich der Nächstenliebe, sollte eigentlich vernünftiges Miteinanderreden über das Gute seinen besten Platz haben? Die Kirche muß sich vor billiger Moral hüten: Gut ist nicht notwendigerweise, was vordergündig gut scheint; wenn es um das Gute geht, muß man mindestens soviel nachdenken, wie man es bei einem Hauskauf tut.

4. Das gute Beispiel: Moralität äußert sich nicht so sehr darin, daß man etwas von Staat und Gesellschaft einfordert, als vielmehr im je eigenen guten Tun. Die Kirchen müssen in ihrer Sozialgestalt ernsthaft Dienstgemeinschaft Jesu Christi sein. Und diese besteht eben nicht im Streikverbot für kirchliche Mitarbeiter, sondern im Gegenteil darin, daß diese in ihren Rechten ganz besonders ernst genommen werden. Dies impliziert natürlich, daß kirchliche Arbeitgeber nicht in Feudalherrenmanier über das Privatleben sowie die politischen Aktivitäten und gar Gesinnungen ihrer Mitarbeiter befinden; ein Diakoniepräsident Rüdiger Schuch, der öffentlich AfD-Anhängern die Entlassung androht (laut Tichys Einblick vom 1.5.2024), tritt Arbeitnehmerrechte und Bürgerfreiheiten mit Füßen und läßt eine autoritäre Sektenmentalität erkennen; der Rechtsstaat müßte die Staat- / Kirche-Kooperation auf den Prüfstein stellen. Nicht hinnehmbar ist auch, wie die Kirchen mit ihren Geistlichen umgehen: Mehr als fünfzig Wochenstunden Durchschnittsarbeitszeit, weithin ganzwöchige Präsenzpflicht und dann eine Personalpolitik, die sich nicht scheute, kompletten Theologenjahrgängen die Aufnahme in den theologischen Dienst zu verweigern, wenn das Arbeitskräfteangebot »überhing«; all das gibt es und hat es gegeben und hat mit Respekt überhaupt nichts zu tun. Die Kirche muß lernen, mit der Ressource Arbeitskraft sparsam und schonend umzugehen.

5. Das liebe Vaterland: Wer sollte eigentlich besser über Schuld und Liebe reden können als Theologen? Wenn es aber um unser Land geht, in dem Schuld vorgefallen ist und das uns als Aufgabe und damit als Gegenstand des Liebens anvertraut ist, scheinen Theologen in Kälte zu erstarren. Zu einem bejahenden Selbstverhältnis, auch die Geschichte betreffend, könnten und dürften wir Deutschen nie zurückkehren; da liege ein Graben, teilte mir eine Theologin einmal mit. Wer so redet, bietet speziell den jungen Menschen in unserem Lande statt Brotes einen Stein, auch und gerade den wie alle anderen beheimatungsbedürftigen Einwander-Nachkommen, die ein Deutschland-Narrativ brauchen, mit dem sie Mut zum Mitwirken entwickeln können. Hier einem verkümmerten kollektiven Gemüt die Fesseln zu lösen, so schuldbewußt wie lebensbejahend, wäre ein Dienst, den Christen am Gemeinwesen leisten können.

Christentum ist dringend erforderlich. Die Christen müssen etwas dafür tun, daß man das wieder bemerkt.

 

 


Der Theologe Jan Dochhorn, geboren 1968 in Hannover, lehrt seit 2014 als Senior Lecturer for New Testament Studies an der University of Durham, England und forscht unter anderem zur Theologie des Paulus sowie zur antik-jüdischen Literatur. Er initiierte 2012 einen von über 50 Akademikern unterstützten offenen Brief an den damaligen Bundespräsidenten, in dem er sich für die Freiheit von Lehre und Forschung aussprach, die er von Konformismus und Niveauabsenkung bedroht sieht. Im Jahr 2022 sprach sich Dochhorn zusammen mit anderen Professoren in einer öffentlichen Stellungnahme gegen eine Impfpflicht aus.

 


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12 Kommentare
  • Werner Bläser
    5. November, 2024

    Religiosität und Kirchen verlören an Bedeutung? Mitnichten! Es gibt nur andere Kirchen und andere religiöse Inhalte. Seit langem. Was wir sehen, sind Endpunkt und Kapitulation der alten christlichen Kirchen. Sie entwickeln sich ganz ungeniert zu Aussenstellen der Grünen. Das ist bekannt.
    Aber die Religion blüht und gedeiht. Schon der Nationalsozialismus hatte für viele seiner Anhänger quasi-religiösen Charakter. Der Kommunismus sowieso, Raymond Aron entzauberte ihn als Opium und Religion der Intellektuellen, Schelsky sprach von deren “Priesterherrschaft”, und Arnold Gehlen hatte von der “Hypermoral” derselben Geistesschickeria gesprochen.
    Wenn man in die fanatisierten Gesichter der Klimasektierer schaut, dann glaubt man, die Inbrunst von Gläubigen auf alten Bildern aus dem Mittelalter zu erkennen. Und ihre Prophetinnen marschieren ihnen auf ihrem Kreuzzug voran.
    Religion wird niemals untergehen. Sie stellt ein Grundbedürfnis der Menschen dar – irgendwie muss eine komplizierte Welt erklärt, eingeordnet, mit Sinn, Trost und Erlösung ausgestattet werden. Egal, auf welche Weise.
    Und – nicht immer, aber sehr oft – stellen Religion und Wissen gegensätzliche Pole dar, das hat Umberto Eco in ‘Der Name der Rose’ wunderschön beschrieben, und Bert Brecht in seinem ‘Galilei’ schon vorher.
    Je grösser der Erklärungsbedarf und je geringer das Wissen, desto höher steigt die Konjunktur für Religionen. Das war in Zeiten der mittelalterlichen Pest so, und in unseren heutigen Zeiten ist es ähnlich.
    Typischerweise sind die Gläubigen rationalen Gründen gegenüber unzugänglich. Man muss abwarten, bis die Hysterie sich totläuft. Bei uns wird es – das ist mein Eindruck – bald so weit sein.
    Der Überbau – hier: die Wirtschaft – bestimmt auf Dauer letztlich das Bewusstsein. Gramsci funktioniert nur bei vollem Portemonnaie. Wenn die Industrie gegen die Wand läuft, die Arbeitslosigkeit steigt, die Infrastruktur noch mehr zerfällt, dann werden sich die Leute Gedanken machen, wie es so weit kommen konnte, und welche Politiker welcher Parteien dafür verantwortlich sind. Dann können wir beginnen, die Wirtschaft zu reparieren und ein altes Lied etwas abgeändert singen: “Auferstanden aus dem Ruin.”

    • Manfred Meyer
      7. November, 2024

      “Und – nicht immer, aber sehr oft – stellen Religion und Wissen gegensätzliche Pole dar, das hat Umberto Eco in ‘Der Name der Rose’ wunderschön beschrieben, und Bert Brecht in seinem ‘Galilei’ schon vorher.”

      Ach ja?

      https://thonyc.wordpress.com/

      Dort zu Galilei:

      https://thonyc.wordpress.com/?s=Galilei

      Der Autor des Blogs “The Renaissance Mathematicus” ist übrigens Atheist.

      Ebenso der Verfasser dieses Blogs:

      https://historyforatheists.com/

      Dort zu Galilei:

      https://historyforatheists.com/?s=Galilei

      “Je grösser der Erklärungsbedarf und je geringer das Wissen, desto höher steigt die Konjunktur für Religionen.”

      “Typischerweise sind die Gläubigen rationalen Gründen gegenüber unzugänglich.”

      Ach ja?

      Je mehr man weiß, umso größer der Erklärungsbedarf.

      • Werner Bläser
        11. November, 2024

        “Je mehr man weiss, umso grösser der Erklärungsbedarf”. Ziehen Sie es deshalb vor, weniger zu wissen? Ach ja?
        Die Blogs, die Sie anführen, belegen gar nichts. Es sind pure Glaubensbekenntnisse anhand punktueller Beispiele. Die Tatsache, dass z.B. Newton (oder andere) sich als gläubige Christen präsentierten, sagt nichts aus. Was wäre denn mit ihnen passiert, wenn sie gesagt hätten, “Christentum ist Mist”? Und natürlich sind Christentum und Wissenschaft keine Gegensätze, wenn man moderne (!) Formen des Christentums zugrunde legt. Finden Sie die Tatsache, dass die Kirche in Spanien vor einigen hundert Jahren das Abkochen von Wasser aus hygienischen Gründen verbot, besonders wissenschaftsfreundlich?
        Oder finden Sie auch, dass Schweine unreine Tiere sind, deren Verzehr verboten sein sollte? Oder dass Methusalem mehrere hundert Jahre alt wurde? Oder dass die Erde vor 4000 Jahren erschaffen wurde. Ach ja?

        • Werner Bläser
          12. November, 2024

          Gerade gefunden:
          “… part of this is… the decline of religion. Nature abhors vacuum,… for most people they need something to fill that void. So they adopt a religion. It’s not called a religion… but the woke mind virus takes the place of a religion.” (Elon Musk im Interview mit Christopher Thompson, “Europe is Done”)

  • Schmitz, T.
    5. November, 2024

    Mein Problem mit Kirche war in erster Linie eine vor-aufklärerische Gottesvorstellung. Also die Idee, dass Gott als allwissende, gütige, und allmächtige Entität tatsächlich existiert. Das führt geradewegs in das Theodizee Problem: wenn Gott gut und allmächtig ist, wieso existiert dann das Böse? Eine Frage, die logisch relativ simpel herzuleiten ist aber in ihrer Sprengkraft nicht unterschätzt werden sollte. Dafür gibt es keine Antwort, solange die Prämisse, die traditionelle Gottesvorstellung, beibehalten wird. Es gibt aber auch andere Gottesvorstellungen, nämlich dass Gott in uns ist, als das Licht des Geistes. Präzise ausformuliert findet sich das bei Spinoza, Meister Eckhart, Johann Gottlieb Fichte, Schopenhauer, teils auch Cicero (Scipios Traum). Die traditionelle Gottesvorstellung ist für eine gebildete Bevölkerung zunehmend schwer nachzuvollziehen. Meiner Ansicht nach wird das von den Kirchen unterschätzt, die immer noch mit dem Gottesbild des Allmächtigen hantiert, dessen logische Widersprüche dem Analphabeten des Mittelalters nicht auffallen, das aber für heutige Bürgern mit Bildung zu widersprüchlich ist, um einen kraftvollen Glauben hervorzurufen. Meister Eckharts Lehre gilt der katholischen Kirche immer noch als Häresie, obwohl genau diese Lehre die Rettung der Kirche sein könnte.

    • Albert Schultheis
      8. November, 2024

      Die Basis, Herr Bläser, – “hier: die Wirtschaft – bestimmt auf Dauer letztlich das Bewusstsein.” D’Accord!

  • Majestyk
    6. November, 2024

    “Wenn die Menschen nicht mehr an Gott glauben, werden sie nicht an ´nichts´ glauben, sondern allem glauben.” – Gilbert Keith Chesterton.

    So erklären sich auch die Begeisterung für Sozialismus, Feminismus, Gender, Klima oder zur Ersatzreligion verklärtem Hedonismus.

    Generell frage ich mich, wie mandas Abendland verteididgen will ohne Christentum, etwas das mich auch an vielen “Neuen Rechten” verwundert. Ist wie im Westen leben wollen, aber dem “Wertewesten” den Untergang wünschen und dann über jene schimpfen, die mit Heimat nichts anfangen können.

    Natürlich braucht es eine Rückbesinnung darauf, was den Okzident ausmacht, auch wenn gerade die heimischen Kirchen geistigen Suizid begehen um nicht sterben zu müssen.

    Deutschland ist aber auch nicht der Nabel der Welt, weltweit werden Christen mehr, nicht weniger und das obwohl kaum eine Religion derart verfolgt wird, selbst in der angestammten Heimat, dem christlichen Abendland.

  • Materonow
    7. November, 2024

    Die Kirchen als Filialen der Grünen. Da ist was dran!
    Siehe Göring-Eckart uva.
    Daneben gibt es die andere “Kirche”, die Klimagläubigen.
    Lieschen Neubauer hat erkannt, daß die Kirchen nützliche Idioten der Klimaterroristen sind.

  • Albert Schultheis
    8. November, 2024

    Religiosität gehört zur Conditio humana und daran ändern weder Atheisten, Philosophen, noch weniger Naturwissenschaftler etwas. Dass unsere Kirchen das nicht verstehen, … na ja, unsere Bischöfe und Kirchenoberen sind auch nur kleine, dumme Beamte, Söldner Schacherer und Pharisäer – mit großem Anspruch, dh großer Klappe.
    Religion speist sich aus Familie, Arbeit, Sorge um Kinder und Enkel, Heimat und Gemeinwesen. Deshalb ist Religiosität immer eng mit Gewissen, Verantwortung für das Ganze und individueller Verantwortlichkeit verknüpft. Und das ist der Grund weshalb Religion in einer kollektiven, sozialistischen Gesellschaft niemals funktionieren kann, dh auch weshalb kollektivistische Gesellschaften nicht funktionieren können! – Es fehlt das entscheidende Moment der individuellen Verantwortlichkeit! Und genau aus diesem Grund scheitern am Ende alle kommunistischen Menschheitsversuche und ihre Regimes sind am Ende immer dazu gezwungen, mit Gewalt, Zensur und Gängelung die Menschen zu kujonieren. Siehe DDR, siehe Kuba, Venezuela, Deutschland und die EU. Von ihnen wird kein Stein auf dem anderen bleiben, denn am Ende ist der Mensch, das Individuum immer wieder nur auf sich selbst zurückgeworfen in seinem Elend, seiner Angst und seiner Verzweiflung.

  • Rainer Möller
    8. November, 2024

    Mit dem “lieben Vaterland” kann ich nun gar nichts anfangen. Entweder ist damit ein Territorium (also eine Karte) gemeint oder ein Staat. Beides liegt außerhalb des christlichen Auftrags. Der gilt nämlich nicht dem “Land”, sondern den “Leuten” (also z.B. und u.a. der deutschen Volksgruppe).

  • A. Iehsenhain
    13. November, 2024

    »Gott wird uns nicht retten. Das werden wir tun.« Wenn Luisa Neubauer das von der Kanzel herab verkünden kann, glaube ich ebenso, dass die Fabelwesen an den romanischen Klosterkirchen oder den gotischen Kathedralen lebensechte Abbildungen darstellen, mit dem Unterschied, dass in diesem Fall klargestellt wurde: “Du kommst hier nicht rein!” Die Türöffnung für falsche Propheten fand freilich schon früher in beiden großen Kirchen statt, aber spätestens zu Corona war die Landnahme perfekt.

  • Tono2000
    15. November, 2024

    Ich hätte an erster Stelle der Empfehlungen den Rat erwartet, die Kirchen von der erstickenden Umarmung des Staates zu befreien. Kirche als Hure des Staates – dieses Bild zeigt sich mit oft bei den Oberen, manchmal auch bei den kleinen Kirchenleuten. Dabei muss Glaube doch aber stören, Salz in der Suppe sein.

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