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Wie man mit leichter Seele im Klebreis versinkt

Der Autor geht in den Urlaub, Publico nicht. Wo erholt man sich am besten von Deutschland? Im Land der lächelnden Lässigkeit

Zu den Lebenslügen eines Autors gehört die Behauptung, er würde sich beim Schreiben regenerieren. Wie alles Falsche stimmt das sogar bis zu einem gewissen Grad, dann aber nicht mehr. Wobei das Schreiben allein noch nicht mehr Energie abzieht, als es auf Umwegen auch wieder zuführt.

Aber das Drumherum tut es, denn zu diesem Habitat gehört ein zu dieser Jahreszeit feuchtkaltes Land, in dem der Wirtschaftsminister und designierte Zusammenführer persönlich einen Strafantrag unterschreibt, wenn ihn jemand Schwatzwutz o. s. ä. heißt.

Für den Schreiber dieses Briefchens aus dem Urlaub gehört ‘die Seele baumeln lassen‘ von jeher zu den Hasswörtern ganz oben auf der Liste, gleich neben ‘das Tanzbein schwingen‘ und ‘Probleme möglichst mit Antworten hinterlegen‘. Die gleich doppelte Erwähnung eines ungenannten Vizekanzlers klingt womöglich obsessiver als es meiner gegenwärtig recht gelösten Stimmung (s. unten) entspricht. In Wirklichkeit wünscht der Verfasser des Textes, dass er, Habeck, bald eine Reise nach Island unternehmen, den Papst besuchen und anschließend einen Möglichkeitsraum in Wuppertal eröffnen möge. Apropos Reise: Auf der befindet sich der Mann von Publico auch, und zwar durch ein ebenfalls feuchtes, aber ganzjährig warmes Land, das in mancherlei Hinsicht den Gegenpol zu Deutschland bildet.

Es heißt, Thailänder könnten höchstens dann etwas ungemütlich reagieren, wenn jemand öffentlich schlecht über den König spricht. König Maha Vajiralongkorn aka Rama X. selbst lässt das unter Paragraf 112 des Strafgesetzbuchs auch verfolgen, sogar ausgesprochen streng. Aber selbst unter Einrechnung des Umstands, dass in Thailand formal ein Parlament und eine Regierung, faktisch aber König und Militär herrschen, hinkt Rama X in der reinen Zahl der Strafverfahren dem deutschen Politiker hinterher, den wir hier wirklich letztmalig erwähnen wollen. Vermutlich fällt den meisten Gästen aus Transformistan die große Lässigkeit des Landes und seiner Bewohner auf. Hier herrscht Big Easy, im Individualverkehr und der Stromverkabelung und auch sonst.

Anschnallen oder nicht liegt in der privaten Entscheidung des Fahrers, genauso die Benutzung der Standspur zum Fahren. Wetter und sogar Klima scheinen keine übermäßig große Rolle zu spielen. Jedenfalls fehlen in den Hotels die Mahntafeln, ob der geschätzte Gast denn überhaupt weiß, wieviel Liter die Wäsche eines Handtuchs kostet. Auf Nachfrage stellt sich außerdem heraus, dass das Königreich über keinerlei Hitzeschutzplan verfügt. Noch nicht einmal für seine Gäste.

Trotz der Lässigkeit funktioniert erstaunlich viel. Das Internet sogar besser als an etlichen Flecken im Land der Vorreiter. Die Flughäfen entsprechen dem in Asien üblichen Standard, also einer Qualität, die in Deutschland der Airport München erreicht, allerdings auch nicht immer. Der wichtigere und angenehmere Unterschied liegt in der allgegenwärtigen Freundlichkeit, und das nicht nur in Verbindung mit Dienstleistungen. Vergisst du nach einem Stopp bei der Radtour, den Ständer am Mountainbike wieder hochzuklappen, dann ruft dir jemand hinterher und macht dich darauf aufmerksam. Selbst die freilaufenden Dorfhunde betragen sich manierlich. Das heißt natürlich nicht, dass es nicht auch eine ausgeprägte Dienstleistungsorientierung gäbe. Da nicht wenige Deutsche aus dem Gebiet der mindestens viermonatigen Kaltfeuchte hierher ziehen, backen ihnen die Einheimischen gern Vollkornbrötchen zum vertrauten Preis von umgerechnet etwa 75 Cent ,und sogar bayerische Sauerteig-Laiberl unter Aufsicht von Rama X, der in seiner Jugend in Bayern lebte, auch heute noch ab und zu entweder im Hotel Sonnenbichl oder in seinem Haus in Tutzing mit seinen 30 Pudeln vorbeischaut und überhaupt sein Bestes tut, um die vakante Stelle des Märchenkönigs wenigstens ein bisschen auszufüllen.

Thailand ist nicht das Reich der gebürsteten Vorgartenrasen. Was auch daran liegt, dass sich die Einkommensverhältnisse hier von denen unterscheiden, wie sie in der zweiten Heimat von Rama X noch herrschen. Um sie dort dem Niveau hier weiter anzunähern, war der, von dem die Rede nicht mehr sein soll, bundesweit einfach zu kurz an der Tête.

Trotzdem gibt es einen großen Sinn für Schönheit.

 

Ja, sogar für Pracht, und das auch in kleinen Dörfern mit ihren Tempeln.

Sie stehen Besuchern übrigens unbeaufsichtigt offen.
Ich will das Land nicht idealisieren; deutsche Expats, von denen wie erwähnt nicht wenige hier leben, können mir vermutlich von einigen Dornen an der Rose erzählen, die dem Kurzzeitreisender nicht auffallen. Diese kurze Nachrichtaus dem entfernten Osten soll nur allgemein erklären, dass die hiesige Gelassenheit auf mich übergreift, was bedeutet, dass die Textproduktion vorübergehend nachlässt, allerdings nur sehr vorübergehend. Zu den Wundern gehört das Essen, in dem sich noch ein Spezialwunder verbirgt, nämlich: Wie sich erstaunlich viele Einwohner ihre schlanke Figur erhalten, obwohl das bekannteste Dessert, Klebreis mit Mango, in der Kalorienmenge pro Gramm sogar noch Tiramisu schlägt. Meine klügere & bessere Hälfte, ostasiatisch mit leichtem kulturell-bayerischem Einschlag – irgendetwas muss diese Kombination an sich haben – erklärt das Schlank-trotz-Klebreis-Mirakel übrigens so: „Thai sind eben fleißiger als Deutsch.“

Obwohl unsereins hier schreibt, schwimmt, Rad fährt (in Bangkok natürlich nicht) und generell nicht zur Körperfülle neigt, erweist sich Thailand nach dem Essen immer wieder als Land des aufgehenden Hosenbundes. Das mit dem Fleiß der Einheimischen stimmt garantiert. Für mein Teil fürchte ich allerdings, dass ich, wenn ich zu lange bliebe, in einen Zustand verfallen würde, der dem langsamen höchst angenehmen Versinken in Klebreis ähnelt. Paradoxerweise stelle ich mir diesen Vorgang so leichtlässig vor, wie das ganze Land wirkt. Bevor diese Falle zuschnappt, kehre ich zurück.

Eine Alternative besteht langfristig vielleicht darin, es Rama gleichzutun, also zwischen Bayern und Wärme zu pendeln. Wie sähe jetzt eigentlich die Bundesrepublik aus, wenn in den vergangenen Jahren nicht mehrere hunderttausend Araber und Afghanen eingewandert wären, sondern ungefähr die gleiche Zahl an Thais, Vietnamesen, Laoten und anderen Ostasiaten? Das Land hätte sich auch geändert, nur eben nicht drastisch, denn Drastik liegt den Menschen hier nicht, ganz gleich welcher Art. In Ostdeutschland und namentlich Ostberlin gibt es eine größere noch von DDR-Werkvertragsarbeitern, im Westen von Boatpeople herstammende vietnamesische Community, deren Kinder durch überdurchschnittlich gute Schulnoten und ansonsten überhaupt nicht auffallen. Sie beteiligen sich nicht an den Berliner Silvesterüblichkeiten, prügeln sich nicht durch Freibäder und unterlassen auch sonst jeden Hinweis auf strukturellen Rassismus. Mit dieser Eigenheit, das Benachteiligtsein einfach zu verweigern, schaden sie der Antidiskriminierungswirtschaft, wo sie nur können. In Reden grüner Politiker kommen sie konsequenterweise nie vor, denn ihr Erfolg – der Deutschvietnamesen, versteht sich, nicht der Ataman-Partei – lässt sich nun mal nur dem Kapitalismus in die Schuhe schieben. Überein ostasiatischeres Deutschland würde sich Katrin Göring-Eckardt aus diesem und anderen Gründen vermutlich weniger freuen.

Der Autor wiederum, gute Überleitung, freut sich nicht direkt auf die Rückkehr, fürchtet sie aber auch nicht. Solange er sich einmal im Jahr von Deutschland erholen kann, bleibt alles den Umständen entsprechend gut.

 

 

 

 


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