Auch genau vier Wochen nach der Wahl in den USA sitzt die Erschütterung der sinnprägenden Klasse über ihren Ausgang tief – so tief, dass sich manche ihrer Vertreter nur wortkarg und rudimentär dazu äußern. In wenigen Wochen findet auch in Deutschland eine Abstimmung statt, die möglicherweise wieder nicht zur Zufriedenheit derjenigen ausgeht, die über eine „nach vorn gerichtete Haltung“ (R. Habeck) verfügen.
Demnächst dürfen auch die Bürger in Kanada über ihr Parlament entscheiden. Aller Wahrscheinlichkeit nach überlebt Justin Trudeau diesen Vorgang politisch nicht. Bei ihm handelt es sich exakt um den Typus Politiker, der herauskäme, wenn Journalisten von CNN, New York Times, Guardian und Spiegel, Davos-Dauergäste und Großdenker von ”Yuval Noah Harari bis Mariana Mazzucato ihre Vorstellungen in ein KI-Programm einspeisen und ihm den Auftrag geben würden: Entwirf uns den idealen Führer der guten Gesellschaft.Es gibt eine strikt auf den Westen beschränkte Globalgemeinschaft von Sinnschöpfern, deren Angehörige nicht nur exklusiv wissen, wie Wahlen ausgehen müssen, damit die von ihnen projektierte bestmögliche Gesellschaft entsteht. Sie verfügten im Fall der US-Wahl wie auch in allen anderen gesellschaftlichen Fragen über die innere Sicherheit, dass nichts und niemand den korrekten Gang der Geschichte verhindern, sondern höchstens kurzfristig verzögern kann. Der authentische Ausdruck dieses Bewusstseins hört sich übrigens so an:
Die Sprecherin gehört gewiss nicht zur intellektuellen Spitze des Fortschrittslagers; die Pointe besteht darin, dass sich ihre Ausführungen zu diesem zentralen Glaubenssatz trotzdem überhaupt nicht von komplizierteren Formulierungen einer NYT-Leitartiklerin oder eines Professors der Geisteswissenschaften in Harvard unterscheiden.
Zu Harris’ Niederlage (und dem bevorstehenden Ende Trudeaus wie der absehbaren Nichtkanzlerschaft Robert Habecks) gilt in diesem länderübergreifenden Milieu ein unhintergehbares Dogma: Es lag nicht an der Kandidatin und ihren Botschaften und es liegt auch bei den künftigen Wählerentscheidungen niemals an der Qualität des Angebots. Da sich Angehörige der Progressivkoalition Geschichte gar nicht anders denken könnenals mit einem Richtungspfeil, der in ihre Zukunftsvorstellung weist, scheidet diese Möglichkeit von vornherein aus.
Jedenfalls galt das bis vor wenigen Wochen. Die Verhältnisse schlagen jetzt derart rücksichtslos zurück, dass manche die einzige Spannungslösung im Urschrei sehen, siehe oben. In den USA gibt es bei jüngeren Frauen auch den Trend, sich die Haare aus Protest gegen den Weltlauf abzuscheren und sich zur freiwilligen Enthaltsamkeit bis mindestens 2028 zu verpflichten (falls J.D. Vance dann übernehmen sollte, auch für länger). Die Verzweiflung findet vor Kameras statt, an ihrer Echtheit sollte man trotzdem nicht zweifeln.
Nicht nur asymmetrische Blauhaarfrisuren verschwinden auf diese Weise, sondern auch die grundsätzliche Zuversicht der Progressiven, dass die Dinge eigentlich nur in ihre Richtung laufen können, weil ihnen alle anderen Wege verstellt scheinen. Um zu verstehen, warum sich ein Milieu von Seattle bis Wien, das ansonsten seine Aufgabe darin sieht, die Welt zu kurieren, jetzt erst einmal an seiner psychischen Genesung arbeitet, müssen wir einen Blick zurück auf die Wochen vor dem 5. November werfen. Damals begründeten sehr viele Meinungspräger, warum Trumps Niederlage gewissermaßen schon wissenschaftlich bewiesen feststand. Deshalb handelte es sich bei dem Wahlkampf eigentlich nur um eine bestenfalls mittelgroße Formalität, an dessen Ende Trump in die wohlverdiente Tiefe fallen würde wie weiland King Kong im Film vom Empire State Building.
Was mit dieser Wahl über Leute kam, deren ganzes Selbstbild darauf ruht, auf der exklusiv richtigen Seite zu stehen, das gehört nicht einfach in die Kategorie Irrtum. In der Wahlnacht erlebten sie eine seelische Zertrümmerung. Am ehesten lässt sich ihre psychische Situation mit der des deutschen Linkslagers unmittelbar nach dem Mauerfall im November 1989 vergleichen. Ausnahmsweise kommentierten die Fortschrittler damals nicht die Geschichte. Die Geschichte kommentierte sie. Den ewigen Visionären, die dieses Ereignis gerade gar nicht vorausgesehen hatten, kam es damals so vor, als hätte sich in dem Boden ihrer Tatsachen plötzlich eine Falltür geöffnet.
Analysen und Fingerzeige gab es in den vergangenen Wochen reichlich. Im Telegraph, deren Redaktion sich von Harris zugebenermaßen nicht so begeistert zeigt wie die Mehrheit ihrer amerikanischen und deutschen Kollegen, nannte Camilla Tominey den Wahlkampf der Demokratin unter rein handwerklichen Gesichtspunkten „die schlechteste Kampagne in der modernen amerikanischen Geschichte“, wofür in der Tat ziemlich viel spricht. In den USA und zeitversetzt 24 Stunden später in Europa erregten sich sehr viele Medienleute über die Tatsache, dass die Washington Post keine Wahlempfehlung für Harris aussprach. Deren Besitzer Jeff Bezos wechselte für sie damit schlagartig vom Lager der hellen zu dem der finsteren Milliardäre. Dass die Brotherhood of Teamsters, die größte Einzelgewerkschaft der USA, zum ersten Mal seit Jahrzehnten keine Empfehlung für die Demokraten gab, bedeutete zwar unendlich viel mehr als die in der Redaktion vielfach begrummelte Entscheidung des Post-Eigners. Aber was Dienstleistungsbeschäftigte und ihre Vertreter denken, liegt so weit jenseits des Ereignishorizonts der politisch-medial-organisatorischen Klasse, dass sie davon einfach keine Notiz nahm, ganz egal ob von New York oder Berlin aus.
Es hätte schon im Lauf der Wahl genügend Gelegenheit für die oben in dem Schaubild zitierten Pressevertreter gegeben, einen Hauch von Wirklichkeit in die Redaktionsbüros zu lassen. Und spätestens nach dem 5. November wäre es an der Zeit gewesen, die eigene Wahrnehmung wenigstens graduell zu korrigieren. Selbst in der Demokratischen Partei soll es gerüchtehalber die eine oder andere selbstkritische Diskussion geben. In die einschlägigen amerikanischen Blätter und Sender dringt nur ein Minimum davon vor. Und in ihre deutschen Schwestermedien gar nichts. Die Zeit überschrieb ihren Kommentar zum Wahlausgang so:
Um ganz authentisch zu wirken, hätte der Text das four letter word einfach nur fünftausendmal wiederholen müssen.
Trumps Kaliber ragt natürlich etwas heraus. Aber auch auf die Wut- und Trauerbekundungen nach der Abwahl des kanadischen Vorbildpremiers und der Nichtkanzlerwerdung Robert Habecks kann sich die Öffentlichkeit schon jetzt einstellen. Natürlich auch auf die Generalanklage, dass eine tumbe Mehrheit den eigentlich längst vorbestimmten Fortschritt immer wieder sabotiert. Aus diesem Psychodrama lässt sich eine Schlussfolgerung ziehen, die das Verständnis großer gesellschaftlicher Prozesse im Westen erleichtert: Die progressive Fraktion glaubt ihre wesentlichen Dogmen ernsthaft. Sie glaubt an den historisch einprogrammierten Fortschritt, an ihre eigene Berufung und die Höllenstrafe für alle, die nicht folgen wollen, wobei sie für dieses Satansreich einen speziellen Begriff bereithält, nämlich Faschismus. Dass sie mit dieser Formel weder den historischen Faschismus Mussolinis noch den Nationalsozialismus meint, versteht sich von selbst. Sie will damit ja etwas über die Gegenwart aussagen, nicht über die Geschichte.
Nicht sämtliche Mitglieder dieses Milieus glauben alles, was an kleineren Welterklärungen in ihrer Sphäre herumschwirrt. Sie glauben vielleicht nicht in toto, dass nicht nur Mathematik, sondern auch Milch rassistisch ist (dietary racism), dass der Begriff „schwarze Löcher“ Rassismus befördert (nach Ansicht von zwei Professoren der Cornell-University) und dass es sich um Kolonialismus handelt, wenn Westler Yoga betreiben. Manche glauben möglicherweise noch nicht einmal an den weiblichen Penis.
Kurzum, sie folgen dem Katechismus vielleicht nicht in jedem Detail. Aber ihre Berufung zur Rechtleitung der Gesellschaft wie auch die absolute Verdammnis beim Sieg ihrer Gegner (also Faschismus), das empfinden sie offenbar so real wie die Menschen des Mittelalters Gottesnähe und Teufelsdrohung. Die wesentlichen Auseinandersetzungen in den USA, Deutschland und anderen Ländern lassen sich deshalb mit politischen Kategorien nur sehr unzureichend erfassen. Wer nicht auch psychologische und parareligiöse Maßstäbe verwendet, bleibt ziemlich orientierungs- und erkenntnislos. Vielleicht eignet sich auch ein quasiliterarischer Begriff zur Klärung, der hier eingeführt werden soll: Fantastischer Irrealismus.
Anders als im fantastischen Realismus, dessen Autoren ja wissen, dass sie den Boden des Tatsächlichen nicht ganz verlassen, aber knapp darüber schweben, glauben die fantastischen Irrealisten buchstäblich an das, was sie nicht ohne Grund Narrativ beziehungsweise Erzählung nennen. Dass die Realität beispielsweise bei Wahlen einen anderen Weg nimmt, akzeptieren sie nicht als Gegenbeweis. Sie unterscheiden säuberlich zwischen Realität (abgeleitet von res, die Sache) und ihrer entworfenen Wirklichkeit (abgeleitet von dem neulateinischen actualitas, was sich wiederum auf actus bezieht, dessen Wurzeln in den griechischen Philosophiebegriffen entelecheia und energeia liegen).
Im Terminus ‚Wirklichkeit‘ liegt nach diesem Verständnis also primär die Wortbedeutungen von Vollzug, Verwirklichung, Energie, Richtung; die Wendung passt hervorragend zu einem Denken, das die Ebene der Gegenwart hinter sich lässt und sich eigentlich schon auf die Höhen einer vorbestimmten Zukunft richtet. Der heiße Glaubenskern der fantastischen Irrealisten aka Progressiven besteht darin, dass ihre Wirklichkeit elfenbeinturmhoch über jeder Realität steht.
Irgendwie müssen sie natürlich die Lücke zwischen beidem argumentativ füllen. Denn, dass die Wahl in den USA nicht nach ihrem Wunsch und Willen ausging, lässt sich selbst für diejenigen nicht bestreiten, die der Realität ihren fuck-Mittelfinger entgegenhalten. Zum einen lag der Sieg des Gottseibeiuns natürlich an dem Schuldigen Nummer eins, Elon Musk, der mit seiner Plattform X nicht zugunsten der Demokraten in den Wahlkampf eingriff wie der frühere Twitter-Chef Jack Dorsey 2020, und der persönlich Trump so unterstützte wie Bill Gates und andere Milliardäre Harris und vorher Biden. Der Verantwortliche Nummer zwei hört auf die Bezeichnung Mann. Männer, namentlich Latinos und Schwarze, analysierte die Autorin Maureen Dowd, hätten sich geweigert, eine Frau ins höchste Amt zu befördern.
Und drittens lag der beleidigende Fehlgang der Geschichte natürlich an der Dummheit der Wähler. Dass die gleichen Leute, die der Mehrheit nach dem 5. November eine unzureichende Intelligenz diagnostizierten, vor jenem Tag felsenfest davon ausgingen, diese Mehrheit würde ihr Kreuz bei Harris setzen – so etwas gehört eben zu den Nebenwidersprüchen, wie sie nur in der Realität vorkommen, zum Glück aber nicht in der genau deshalb bevorzugten höheren Wirklichkeit. Gleich nach dem 5. November reichten amerikanische und auch eine Menge deutscher Nutzer auf X Statistiken herum, die zeigten, dass Amerikaner mit Universitätsabschluss mit höherer Wahrscheinlichkeit zu Harris neigten als Nichtakademiker. Das gleiche Erklärmuster gibt es auch etwas einfacher. Die Schauspielerin Sharon Stone folgte kürzlich diesem basic instinct, als sie die Trump-Wähler kollektiv als ungebildet (uneducated) bezeichnete.
Nun geben Statistiken nur über formelle Bildungsabschlüsse Auskunft und nie und nimmer über Bildung, erst recht nicht über Lebensnähe. Davon, dass es mit der Bildung selbst vieler Harvard-Studenten nicht gut steht, legten sie und andere Ivy-League-Kinder in der letzten Zeit ein sehr beredtes Zeugnis ab. Außerdem verläuft die Normalverteilungskurve bekanntlich exakt symmetrisch. Da Personen mit hohem soziokulturellen Status – und da gibt es tatsächlich eine Korrelation mit dem IQ – eher dazu neigen, sich an Wahlen zu beteiligen, müsste das Fortschrittslager Sieg um Sieg einfahren, wenn die Klugen tatsächlich progressiv und die Unterdurchschnittlichen den Unkandidaten wählen würden. Auch die oben abgebildeten Wahlprognosen sprechen nicht dafür, dass schneidende Intelligenz und ein Kommentatorenjob bei Newsweek oder der Berliner Zeitung zwingend Hand in Hand gehen.
Die Welt der fantastischen Irrealisten muss man sich ähnlich vorstellen wie die Commedia dell‘arte: Es treten dort keine Vertreter der Realität auf, sondern Knallchargen, die jeweils einen Typus verkörpern, einen Charakter, der sich niemals ändert: Die verzweifelten Klugen, Musk, Mann und der Allgemeindumpfe. Auch bei den politischen Protagonisten selbst handelt es sich durchweg um Kunstfiguren. Der Joe Biden der guten Medien – erst sharp as a tack, dann tragischer Greis – hatte so gut wie nichts mit dem realen Joseph Biden zu tun; die von innen leuchtende mediale Kamala Harris nichts mit der realen Kandidatin, so, wie schon 2021 kaum eine Beziehung zwischen der von Süddeutscher bis Spiegel ausstaffierten Figurine Annalena Baerbock und der Baerbock in echt existierte. Diese Metaerzählungen sollen die Wirklichkeit auch gar nicht abbilden, sondern korrigieren.
Aber nirgendwo schlägt diese höhere Wirklichkeit die Realität so deutlich wie bei dem Begriff ‘Faschismus‘, der Neolinken heute flüssiger über die Lippen kommt als ‘Guten Tag‘. Die Formel Trump = Faschist benutzen formal durchaus intelligente Leute, die eigentlich wissen müssen, was Faschismus und Nationalsozialismus bedeuten, etwa der Historiker Timothy Snyder. Jonathan Franzen, Autor der großartigen „Korrekturen“, erklärte in einem Interview mit der Welt den designierten Vizepräsidenten J.D. Vance zu einem „offenen faschistischen Talent“, wobei er allerdings nicht mitteilte, wie man sich ein verborgenes faschistisches Talent vorstellen muss. Der ZDF-Augur Elmar Theveßen will den Faschismus nicht nur für die Zukunft, sondern sogar im Rückblick erkennen. Bei Lanz meinte er, „dass alle Elemente, die wir in den letzten Jahren von Donald Trump erlebt haben, schlicht und ergreifend belegen, dass es faschistische Tendenzen sind.“
Seine ARD-Kollegin Anja Reschke wiederum verwendet die F-Formel in einer laufenden innenpolitischen Debatte: Die Journalisten hätten sich eine wirklich große pädagogische Mühe mit der Bevölkerung gegeben, trotzdem wählten nicht wenige Bürger immer noch AfD. Deshalb sei das Verbot der Partei der Joker, um uns vor dem Faschismus zu beschützen.
Wie beim Rassismus- geht es auch beim Faschismusbegriff der fantastischen Irrealen darum, die Kampfzone ständig auszuweiten. Als faschistisch bestempeln etliche Medien mittlerweile auch Elon Musk und den radikallibertären argentinischen Präsidenten Javier Milei. Faschisten, die den Staat zurückschneiden, Steuer- und Ausgabenkürzungen fordern? Da Faschist für die Progressiven einfach eine Bezeichnung für Gegner jedweder Art darstellt, sehen sie darin überhaupt keinen Widerspruch. Seit einigen Jahren setzt sich eine kleine libertäre Bewegung für das Konzept der Freien Städte ein, in denen Bürger durch Verträge alle wesentlichen Angelegenheiten regeln, während der Minimalstaat sich nur um öffentliche Sicherheit und Justiz kümmert (mehr dazu hier und hier).
Eine kleine Enklave dieser Art in Mittelamerika existiert bereits. Offenbar sehen die Progressiven, die neben sich selbst nichts so sehr verehren wie den Staat, darin eine echte Bedrohung. Jedenfalls lautet das neueste Modewort neben dem guten alten Faschismus jetzt „autoritärer Libertarismus“. Die Zeit veröffentlichte einen Text, entstanden in der Kooperation einer Meldestelle mit einer Journalistennachwuchsklasse, der nicht nur vor der Gefahr selbstorganisierter Bürger warnt, sondern dafür auch das fantastische Wort „Marktfaschismus“ vorschlägt.
Die Progressisten lesen durchaus die Zeichen an der Wand. Elon Musk schaffte tatsächlich die Manipulations- und Shadowbanning-Methoden auf Twitter ab, Milei in Argentinien setzte sein Versprechen um, jedes zweite Ministerium zu schließen und tausende überflüssige Beamte zu entlassen. Möglicherweise stutzt Trump den Staat in den USA ein wenig zurück. Durch die bloße Tatsache seiner Rückkehr demolierte er schon das Ansehen der wohlgesinnten Prognosemedien ziemlich gründlich, ihm darf man also alles Schlimme zutrauen. Und warum sollen reine Bürgerstädte nicht hier und da entstehen und damit die Alternativen für alle erweitern, die in ihrem Land ans Auswandern denken?
In fast jeder wohlmeinenden Politikerrede des Westens heißt es, die Demokratie – auch gern „unsere Demokratie“ genannt – stünde „unter Druck“. Der originären Demokratie geht es überall dort ganz gut, wo Wahlen zu politischen Veränderungen führen, danke der Nachfrage. Unter Druck steht die Deutungshoheit einer Klasse, die große Teile von Medien, Universitäten und Organisationen einschließlich Parteien beherrscht, und deren Angehörige jetzt feststellen, dass selbst diese Machtstellung nicht mehr ausreicht, um der Welt eine bestimmte Richtung zu befehlen. Sie bestimmen zwar weitgehend die Sinnproduktion. Trotzdem unterstellt sich die dumme Realität nicht mehr so ohne weiteres ihrer höheren Wirklichkeit. Unter diesen Umständen bleibt offenbar nichts anderes übrig, als sich die Haare gegen Trump auszuraufen, Urschreie auszustoßen und Bevölkerungsmehrheiten zu beschimpfen, sich also in die Regression zurückzuziehen. Wie das ganz wortwörtlich vor sich geht, zeigten 66 deutsche überwiegend nur auf X bekannte deutsche Matadore, die sich gerade von Musks Plattform verabschiedeten und die Welt davon durch einen offenen Brief in Kenntnis setzten. In ihrem dramatischen Abgangsschreiben heißt es:
„Seit der Übernahme durch Elon Musk ist Twitter kein Ort mehr für freie und faire Meinungsäußerung und einen offenen Austausch. Schlimmer noch, Twitter ist ein Ort der Zensur, des Rassismus, Antisemitismus und des rechten Agendasettings geworden. Die Abschaffung von Moderationsmechanismen und die gezielte Verstärkung extremistischer Inhalte untergraben die Grundprinzipien einer deliberativen Plattform und machen X zu einem Werkzeug der Polarisierung, der Manipulation und der Menschenfeindlichkeit.“
„Abschaffung von Moderationsmechanismen“ gleich Zensur, das bedeutet vermutlich: Freie-Rede-Faschismus. Gegenwärtig benutzen 335 Millionen Menschen weltweit X, davon 106 Millionen in den USA. Einer der 66 Ausgereisten klärte das Publikum darüber auf, dass ihre Aktion die Musk-Plattform jetzt endgültig in die Irrelevanz stößt.
Dieser Text befasst sich vor allem mit der Frage, wie die fantastischen Irrealisten auf alle anderen schauen. Dieses letztgenannte Detail illustriert darüber hinaus anschaulich, wie sie sich selbst sehen. Für sie wächst neuerdings alles zu einem großen finsteren Konglomerat zusammen: Trump, Musk, Milei, X, Männer, dumme Wähler und nichtprogressive Bürger überhaupt. Viel außerhalb bleibt da nicht übrig. Einige der 66 löschten übrigens ihre X-Konten bisher trotz des angeblich vollzogenen Abschieds nicht, sondern hängten nur ein virtuelles Schloss davor. Vermutlich sieht man in ein paar Monaten den einen oder die andere wieder auf der Bühne des Muskfaschisten herumgeistern, weil sie sich und andere drüben auf stuhlkreis social sonst zu Tode langweilen.
Es gibt ja auch gute Gründe, warum nur die bekämpften Libertären ihre eigenen Städte gründen wollen, aber nie die Angehörigen der Fortschrittskaste. Das liegt zum einen daran, dass irgendwoher ihre materiellen Ressourcen kommen müssen, vor allem in Deutschland, wo sich fast niemand aus dieser Gruppierung den Marktkräften aussetzt. Aber zweitens, und das zählt noch sehr viel mehr, brauchen fantastische Realisten jemanden außerhalb ihres Milieus, der ihrem Glaubenssystem zumindest in Teilen folgt, und wenn auch nur aus Opportunismus. Sie brauchen die Bestätigung von außen als Stützvorrichtung, weil ihr fantastischer Irrealismus konstruktionsbedingt keine Stabilität aus sich selbst erzeugt. Sie brauchen also die anderen, die sie verachten. In der Psychologie nennt man diesen Zustand double bind. Sie können nicht mit dem großen Rest der Gesellschaft leben, aber auch nicht ohne ihn auskommen. Alles in allem erinnern sie an eine besondere Sorte Frauen und Männer (das Phänomen kommt hier wie dort vor), die ihren Partner zwar nach Strich und Faden beschimpfen und für alles Unglück verantwortlich machen, sich aber an sein (oder ihr) Hosenbein klammern, sobald er respektive sie tatsächlich den Koffer packt, um auszuziehen.
Aber genau dieser Auszug findet durch die Wahl in den USA und demnächst in Kanada und anderswo statt. Auf den Wahlzetteln stehen nicht nur Kandidaten, sondern ganze Milieus. In ein paar Jahren könnte die Entwicklung dahin gehen, dass die Dummen, Dumpfen, die Markt- und Free-Speech-Faschisten die fantastischen Irrealisten sanft therapieren müssen. Sie selbst werden höchstwahrscheinlich auch das nicht hinbekommen. Aber ein verwegener Traum bleibt es doch, irgendwohin auszuwandern, wohin sie einem mit ihrem Zeter, ihren protestgeschorenen Haaren und ihren todsicheren Zukunftsprognosen nicht folgen können. Ja, der Autor sagt sich sofort: Jetzt bloß nicht selbst den Fehler machen, die Realität einfach wegzuwünschen.
Aber: Du könntest in deinem Inselparadies sitzen, wo du dir alles zu deiner Zufriedenheit aufgebaut hast, bis ein Schiffbrüchiger in seinem lecken Kahn erscheint, den du im letzten Moment aus den Wellen ziehst. Sobald er das Salzwasser ausgespuckt hat, kräht er dich an: „Faschist.“ Als nächstes verteilt er deine Vorräte um. So geht die Fabel leider in der echten Wirklichkeit aus.
Dieser Text erscheint auch auf Tichys Einblick.
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Karsten Dörre
5. Dezember, 2024Grundsätzlich ist Menschheit immer mit richtig und falsch beschäftigt, auch in der Politik. So gesehen, ist das westliche Demokratiesystem schleichend an seine Grenzen gestoßen und löst sich vermutlich auf oder muss blutige Kämpfe aushalten (siehe Beginn der USA bis Bürgerkrieg 1865 oder franz.Revolution bis zur Übernahme durch napoleonische Diktatur). Dass Demokratie nie in Stein gemeisselt und ein Selbstläufer ist, ist allen klar. Von innen und außen sind immer Kräfte und Interessen in Bewegung. Man kann Demokratie propagieren und Autokratie/Diktatur installieren. Es wird immer viele Befürworter geben, um auf der Straße vor der eigenen Haustür Frieden und Ruhe zu haben (siehe Russland, es nicht bei seinen Feldzügen zu stören bzw. zu reizen, Ukraine sei weit weg). Anpassung ist ein weitestgehend leichter und natürlicher Vorgang in der Natur.
Andreas Hofer
11. Dezember, 2024Ja, Demokratie ist nur die Urzelle, man benötigt dazu noch einen Staat mit Gewaltenteilung, damit sich ein König nicht solange zum König wählen lassen kann, bis es passt. Oops? Passiert gerade in Deutschland oder Rumänien? Aber ein Staat nur mit Gewaltenteilung, wo die Stimmen des “Volkes” ignoriert werden, ist auch nichts wert. Nochmal Oops?
Werner Bläser
5. Dezember, 2024“Phantastischer Irrealismus” – Kompliment, eine phantastische Wortschöpfung! Der Tatbestand fiel mir schon vor langer Zeit auf, ich kam nur nicht auf die medizinische Bezeichnung dieser Geisteskrankheit.
Meiner Erinnerung nach bemerkte ich die vollkommene Gleichgültigkeit von vielen “Intellektuellen” gegenüber der fassbaren Realität zum ersten Mal, als ich von George Bernard Shaws Reise in Stalins Sowjetunion las, als Shaw (und andere Mitreisende) in Lobeshymnen über die Zustände dort ausbrachen, die keinerlei faktische Basis hatten. Man hatte ihnen Potemkin’sche Dörfer gezeigt.
Vollends fassungslos war ich, wie ich erlebt, dass der grossartige Linguist Noam Chomsky sich allen Ernstes dazu verstieg, das Pol Pot-Regime in Kambodscha zu verteidigen. Menschen, die auf bestimmten Feldern Grossartiges leisten, können auf anderen Gebieten die Grenze zum Schwachsinnigen überschreiten. Intelligenz ist offenbar ein extrem diverses Analyseinstrument – sie funktioniert bei einigen auf einigen Gebieten, auf anderen versagt sie total.
Dennoch: Den Vogel schiessen wieder einmal wir Deutschen ab. Mit dem Gleichstellungsgesetz haben wir ein absolutes Meisterstück des Phantastischen Antirealismus geliefert, das uns so schnell keiner nachmacht. Man ist das, als was man sich fühlt. Mann, Frau, Geschlecht 55, Wiedergeburt Napoleons, egal…
Das ist die ultimative Emanzipation des Geistes von der schnöden Weltrealität, die uns “umzingelt”, wie es ein grosser deutscher Philosoph und Kinderbuchschreiber in seiner brillanten Art ausgedrückt hat. Es ist damit die ultimative Befreiungsbewegung – gewissermassen Ende und Höhepunkt aller denkbaren Emanzipationen.
Besser als Befreiung vom Kapitalismus, Befreiung von Diktaturen, Befreiung von Armut – Befreiung von allem, was uns nicht in den Kram passt. Eine kanadische Schule befreit sich jetzt sogar von der Vergangenheit. Alle Bücher, die älter als 15 Jahre sind, werden aus der Schulbibliothek entfernt.
Wir “denken” das Störende einfach weg.
Man mag einwenden, das ist die Sichtweise von Kleinkindern auf die Welt, aber steht nicht schon irgendwo im ‘Kapital’ oder einem anderen klugen Buch, “wenn Ihr nicht werdet wie die Kinder…”?
Ist es Zufall, dass einer unserer grössten Geistesriesen, der leider schnöde Beleidiungen wie “Schwachkopf” über sich ergehen lassen muss, Kinderbuchschreiber ist? Daran kann ich nicht glauben. Wahrscheinlich hat Habeck seine Literatur auch nicht als Kinderbücher, sondern als Fachbücher gesehen.
Wir erleben – nach über 2000 Jahren – ein philosophiegeschichtliches Grossereignis: die Auflösung des Platon’schen Höhlengleichnisses. Wir stellen beglückt fest, dass wir nicht die armen Menschen, gefesselt in ihren Höhlen, sind, die nur verfremdete Schatten der Realität sehen. Nein, was wir zu sehen glauben, IST die Realität.
Eigentlich müsste man den Erfindern des Wokismus den Nobelpreis in Philosophie überreichen, wenn es diesen gäbe. Ich ziehe meinen Hut bewundernd vor diesen Leuten. Sie haben den Schwachsinn auf neue, bisher nicht bekannte Höhen getrieben. Sie haben ihn geradezu zu einer Kunstform veredelt.
Das ist auch eine Leistung.
Peter Meyer
5. Dezember, 2024Ein Trugschluss der Epoche Aufklärung: Reflexivität (Selbstkritik) würde zur Vernunft führen – Myside Bias.
Zitat: “Es gibt keine empirischen Beweise dafür, dass mehr Wissen oder Intelligenz oder Reflexivität … Werte / -Nutzen-Diskrepanzen auflösen könnte”
Quelle: Keith E. Stanovich, Myside Bias
Wer vom Gegenteil überzeugt ist – Selbstkritik würde zur Vernunft führen – ignoriert die empirischen Beweise.
Damit gibt es keinen Unterschied zu den fantastischen Irrealisten.
Verhalten wird überwiegend von Gefühlen gesteuert und nicht vom Verstand. Deshalb ist die Annahme, der eigene Verstand würde die eigenen Überzeugungen erarbeiten, ein Trugschluss.
Daher kann der eigene Verstand nicht mittels Selbstkritik das eigene Verhalten ändern. Denn es ist wie bei einer Sucht – Übung ist notwendig, weil dafür Fähigkeiten benötigt werden.
Die Epoche Aufklärung kann einen Trugschluss nicht abbauen oder die notwendigen Fähigkeiten entwickeln, denn der Verstand führt nicht zur Vernunft – Myside Bias.
Albert Dambeck
5. Dezember, 2024Der Artikel trifft genau den Punkt. Die Bemerkung “… dass nichts und niemand den korrekten Gang der Geschichte verhindern kann …”, ist dabei entscheidend. Wer so denkt, dem ist dann natürlich vieles, respektive alles erlaubt.
Werner Bläser
5. Dezember, 2024… was war das noch für eine Religion – oder war es eine Ideologie? – die meinte, den Gang der Geschichte zu kennen, weil sie deren “Gesetzmässigkeit” erkannt hatte? Könnte es sein, dass das Ganze ein Problem der Farbenlehre ist? Wo Grün draufsteht, ist in Wirklichkeit Tiefrot drunter?
Rainer Möller
5. Dezember, 2024Das Ganze ist sehr schön formuliert, man sollte einzelne Aspekte noch genauer anschauen. Ich greife heraus: die Gegenüberstellung von “deliberativer Demokratie” und “autoritärem Libertarismus”.
Die SPD-Kader waren schon immer bereit, mit der CSU und dem rechten Flügel der CDU zusammenzuarbeiten, wo es um die Stärkung der staatlichen Autorität ging (Volksverhetzungs-Paragraph, Berufsverbote, Vorratsdatenspeicherung). Dagegen gab es einen echten “Linksliberalismus” in der “heimatlosen” linken Intelligentsia, die im eigensten Interesse das Recht auf Opposition und zivilen Ungehorsam verteidigte (und sich manchmal auch gegen die SPD-Kader durchsetzte: Notstandsgesetze).
Nun ist diese Intelligentsia aber zum erstenmal in einem Stadium angekommen, wo sie sich mit der Regierung voll identifiziert und ein Recht auf Opposition nicht mehr braucht. Versuchsweise wollte man ja sogar “mehr Diktatur wagen”, aber es war doch praktischer, die Begriffe umzuprägen. “Deliberative Demokratie ” (durch Habermas und die Suhrkamp-Kultur popularisiert) bedeutet jetzt nicht so sehr ein Verfahren, um Konsens herzustellen; sondern: der irgendwie in zentralen Gremien zustande gekommene Konsens muss von den Bürgern widerspruchslos hingenommen und befolgt werden. Was sich an Opposition und “zivilem Ungehorsam” regt, ist per se “undemokratisch” und in diesem Sinn eben “autoritär”. Und weil man den Begriff “liberale Demokratie” nicht fallen lassen möchte, erfindet man jetzt einen Unterschied zwischen “liberal” und “libertär” – ohne Verständnis dafür, dass “libertär” international als Sprachvariante zu “extrem liberal” oder “anarchistisch” gebraucht wird, was die künstliche Zusammenfügung” mit “autoritär” so grotesk macht. Diese Zusammenfügung ist aber durch das Buch von Nachtwey schon in die Suhrkamp-Kultur eingegangen und wir werden das ständig wieder vorgesetzt bekommen.
Herr Peter
5. Dezember, 2024Keith E. Stanovich scheint großen Eindruck auf Sie gemacht zu haben. Die Bedeutung seiner Forschung möchte ich nicht anzweifeln, ich frage mich nur, wie Ihr beharrlicher Myside-Bias-Hinweis für die Lektüre der Texte von Herr Wendt hilfreich sein könnte.
Werner Bläser
5. Dezember, 2024Noch eine Anmerkung, weil ich gerade das Linnemann-Interview mit der ‘Welt’ gesehen habe. Merz hatte ja in diesem Wahlkampf womöglich seinen “Laschet-Moment”, als er nicht ausschloss, Habeck als Wirtschaftsminister unter ihm weiter werkeln zu lassen. Das wird ihm nicht vergessen werden. Wer wird ihm jetzt noch glauben, dass ein wirklicher Politikwechsel unter der CDU kommen wird?
Linnemann, sichtlich angefasst, versuchte sich in Schadensbegrenzung und kam zu einem bemerkenswert realistischen Schluss:
Etwa ab Minute 2.10 sagt L., wenn kein wirklicher Politikwechsel käme, dann erleben wir 2029 eine Situation, “in der die Ränder stark genug sind, alleine zu regieren”.
Das heisst, eine Mehrheit von AfD und BSW, bei einer zerbröckelten Mitte – “isch over” für CDU, SPD, Grüne, wie weiland bei der Democrazia Cristiana.
– Bedeutet für die woke grünlinke Mischpoke in Herrn Wendts Artikel: Endspiel.
Entweder schon nächstes Jahr oder in vier Jahren. Wenn Merz das verbockt, kann es holprig werden, aber das Ergebnis wird dasselbe sein. Frei nach Shakespeare:
“What shall we soon endure again?
Fire, thunder, storm, and rain”.
Aber nach dem Gewitter werden wir die Irren los sein. So oder so. Und die Erinnerung an sie wird vielleicht einmal in uns ein wohliges Schauern wachrufen wie die Hexenszene von ‘Macbeth’.
Andreas Hofer
11. Dezember, 2024Merz steht für Schwarzgrün. Linnemann soll die “Konservativen” abholen. Die Widersprüche zwischen den beiden können in Talkshows weggelabert werden.
Zorn Dieter
6. Dezember, 2024Fantastischer Text! Nur sollte man folgendes bedenken: Die Jugend will den Planeten retten. Um dieses Ziel zu erreichen, ist alles erlaubt. Es gibt ein Lager der Bösen, das einfach nicht einsieht, dass das geschehen muss. Und wir sind die Guten! Nach diesem Muster wurden alle menschlichen Konflkte der letzten zweitausend Jahre ausgetragen. Heute bringt „der Westen“ den Unwissenden die Freiheit und die Menschenrechte, früher den Barbaren den Glauben. Die Kolateralschäden gehen jeweils in die Millionen. Jugendliche und die ewig Jungen im Geiste, die ihren Platz in den Propagandamedien gefunden haben und eisern verteidigen, sind nur die Opfer der dahinter stehenden Mächte, die solche Idealisten gnadenlos für ihre Zwecke ausbeuten. Es geht denen um Macht und Geld und nicht um Ideale. Und manchem Protagonisten in den Medien geht es auch genau darum, trotz gegenteiliger Behauptungen. Täter und Mitläufer unterscheiden sich irgendwann nicht mehr in ihren Motiven, sondern nur noch nach ihrer Machtstellung im System. „Unsere Demokratie“ ist ebenso wie früher „Unser Glauben“ nur die Monstranz, die man vor sich her trägt, um sich gegen Kritik abzuschirmen. Jeder spielt seine Rolle perfekt im Jahrmarkt der Eitelkeiten um Macht und Geld. Die Psychopaten genauso wie die Naiven. Und es handelt sich immer um Glaubenssysteme, denen mit Argumenten nicht beizukommen ist. Nur der völlige Zusammenbruch des Glaubenssystems schafft Remedur. Darauf müssen wir, die Rationalisten, geduldig warten – in der Hoffnung am Ende noch am Leben zu sein. P.S.: Und wer glaubt, dass der Irrtum gesühnt wird, sieht sich getäuscht. Welcher Irrtum? Und wer soll ihn begangen haben? – Die katholische Kirche hat sich fünfhundert Jahre später halbherzig für den Genozid in Südamerika entschuldigt. Die Opfer Stalins warten immer noch auf eine Geste …
Carola Seelig
6. Dezember, 2024Herr Wendt, herzlichen Dank für diese umfangreiche und überzeugende Zusammenstellung dieses sinnfreien demagogischen Irrsinns, welcher nicht mehr nur durch Poren sickert, sondern sich wie zäher Schleim scheinbar unaufhaltsam ausbreitet.
Jürgen Mai
6. Dezember, 2024Ich frage mich, was passiert, wenn Trump den Krieg in der Ukraine beendet. Denn dann fehlt vorerst nach Corona, Klima und Krieg ein Thema, das uns alle in Todesangst versetzen soll und gefügig macht.
Zorn Dieter
7. Dezember, 2024Setzen Sie nicht zu viel Hoffnung auf Trump. Dems oder Reps, das ist die Wahl zwischen Pepsi und Cola, blau oder rot. Klar wird Trump den Krieg irgendwie beenden, einfrieren, den Europäern vor die Füße kippen, damit sie ein wenig aufräumen dürfen. Das heißt, den Wiederaufbau für westliche und amerikanische Firmen zu sichern. Was dort das BSP erhöht. Der wesentliche Irrtum ist es, zu glauben, es ginge dem US-Establishment um einen „Sieg“ in den zahlreichen Konflikten von Korea über Vietnam, Afghanistan, Irak ,,, bis zur Ukraine. Nein, es geht nur darum Chaos und Verderben zu hinterlassen, und zu verhindern, dass die Gegenseite (Russland und China) das jeweilige Land übernimmt, das heißt in seine Machtshpäre integriert. Oder dass Länder wie Libyen, oder der Irak, Öl für andere Währungen als den Dollar verkaufen. Insofern waren alle Kriege für den Westen „Siege“ – mal mehr, mal weniger. Auch die schmählichen Abzüge aus Vietnam und Afghanistan. Oder aus der Ukraine. P.S.: Der Spielraum Deutschlands, sich dem zu entziehen ist gleich Null, egal wer in den USA regiert. Und die EU haben sie fest im Griff.
Pierre Schmitz
7. Dezember, 2024Ich teile Ihren Optimismus nur bedingt. Als beste Methode, diesen Menschen zu begegnen, scheint ja, sie einfach nur zu verspotten und auszulachen, nicht zu beleidigen oder sich gar mit ihren Thesen ernsthaft zu beschäftigen. So einfach ist es aber leider nicht. “Milla” im Video oben demonstriert anschaulich die Methode: Es geht um die Umdefinierung, die Kaperung von Begriffen in einer Masse und Vehemenz, dass selbst der logischst denkende Mensch zu zweifeln beginnt. Gerade auch, weil diese Lesart vom überwiegenden Teil der nach wie vor hohe Reputation genießenden Massenmedien und sogar Teilen der Justiz geteilt und weiterpropagiert wird.
Bis jedem klar ist, dass “Offene Gesellschaft”, “Demokratie”, “Toleranz”, “Meinungsfreiheit”, “Menschenrechte” oder sogar so etwas triviales wie “Frau” das genaue Gegenteil ihrer ursprünglichen Bedeutung beschreiben, wenn sie von Vertretern dieser politischen Richtung ausgesprochen werden, ist es noch ein gutes Stück Arbeit und kann nicht durch ebenso dumpfen Populismus mit umgekehrten Vorzeichen erreicht werden. Dazu braucht es blitzgescheite Menschen, die auf argumentativer Ebene ohne Schaum vor dem Mund und in klaren, für jedermann verständlichen Worten erklären können, warum diese Menschen im Unrecht sind. Mit derselben hohen Reichweite.
Vielleicht ist diese Aufgabe zu schwer, sonst wäre sie womöglich schon erledigt worden oder es wäre gar nicht erst so weit gekommen. Die Deutungshoheit durch logisch und pragmatisch denkende Menschen ist noch lange nicht zurückgewonnen.
Ernst-Karl Bischoff
8. Dezember, 2024Ich gehe ja bei Vielem mit, hier jedoch nicht:
Es ist schon ein gravierender Unterschied ob eine Seite nach einer Wahlniederlage erschuettert oder was auch immer ist oder ob sie einen Aufruhr und einen Sturm auf das Capitol anzettelt.
Wenn Sie auf diesem Auge nicht nur blind waeren sondern zusätzlich auch noch eine Augenklappe angebracht haetten, haetten Sie dies nicht uebersehen.
Im Übrigen gebe ich Ihnen recht, dass Trump kein Faschist ist, entsprechende Tendenzen aber durchaus erkennbar sind.
Zorn Dieter
8. Dezember, 2024Ach Herr Bischoff, Sie sollten nichts von dem glauben was sie sehen, besser, was man ihnen vorführt. Weil es alles nur aus den Medien kommt und kaum jemand beurteilen kann, was „wahr“ und was „falsch“ ist. Medien sind die Knetmasse der Mächtigen, sie kneten mit ihnen die Wirklichkeit zurecht – bis es passt. Der gebildete Mensch der Renaissance zum Beispiel hatte noch zweierlei: Eine profunde Bildung und direkten Kontakt mit der Wirklichkeit. Beides fehlt heute zur Beurteilung von Sachverhalten. Dafür haben alle Menschen eine Meinung, jedoch kaum Kentnisse.
pantau
10. Dezember, 2024Wie Recht Sie haben. Das klassische Argumentieren und Diskutieren basiert ja auf einem Konsens, was die Begriffe und Worte bedeuten. Der Ottonormalverbraucher ist nicht dagegen gewappnet, dass man ihm seine Alltagssprache in eine perverse orwelleske Grütze verwandelt, in der alles schief und verkehrt ist. Wenn Frieden Krieg bedeutet und Krieg Frieden, dann muss nur jemand “Friedensgespräch” sagen, und der auf Wort- und Begriffsebene gebrainwashte Mainstreamkonsument hört nur Kriegstreiberei. Vermutlich müsste man ebenso lange und intensiv gegenpropagieren, wie man vordem propagiert hat.
Andreas Hofer
11. Dezember, 2024Und um die “Deutungshoheit” geht es ja ausschließlich. Macht hat, wer die Diskurse leitet. Ich habe mich während Corona nie in Faktengefechte verstrickt – egal ob Impfskeptiker oder -Befürworter, sondern eher mit der Diskurstheorie von Foucault, man würde sagen “ein linksgrün-versiffter” Theoretiker. Betrachtet man die geniale Art und Weise der Manipulationen fragt man sich doch, ist das, was wir die letzten Jahre erleben, Beweis für seine Theorie oder hat man ihn studiert, um die Manipulation zu verbessern?
pantau
10. Dezember, 2024Verstand und Gefühl trennen nur Narren sauber, denn Verstand ist Regel-Bias, und die unbewussten Regeln, die ein Erbe unserer tierischen Herkunft (Instinktresiduen) sind, nennen wir Gefühle. Diese haben hingegen auch ihre Ratio, nämlich im Gültigkeitsbereich ihrer Entstehungsbedingungen. Daher kann man sich z.B. so entspannt seinen Gefühlen überlassen, wenn man Kinder machen will.
Quelle: pantau aus der Hüfte
A. Iehsenhain
10. Dezember, 2024Allein der Gedanke, dass Tote geil auf die Angst von Emilia Fester sein könnten, zeigt die deutsche Politikmisere, die sich heute teilweise aus schlechten Schriftstellern und noch schlechteren Theaterschauspielern zusammensetzt. Wird wohl die Bücherreinigung nach kanadischer Art irgendwann auf die guten alten Science Fiction-Stories z. B. der “Phantastischen Bibliothek” (mit J. G. Ballard, Philip K. Dick, Stanislaw Lem und Co.) ausgedehnt? Ein kleines Flieglein wie ich liest sowas zum Privatvergnügen, große Neugeister anscheinend als ernste Gebrauchanweisung für ihre Weltrettungshirngespinste. Von dem her wären die Plagiatsprozesse gegen „Politiker“ – je nach aktueller Stimmung – unter Umständen schwerwiegend.