
Muss die Geschichte der Anschläge von Mannheim, Aschaffenburg und München ganz neu geschrieben werden? Diesen Eindruck jedenfalls vermittelte Marietta Slomka kürzlich ihren Zuschauern im „heute journal“.
Und zwar nicht als These, sondern als schon weitgehend erhärtete Tatsache. Mit tiefbesorgtem Gesicht erklärte die Nachrichtenfrau, es gebe eine ganz neue Vermutung zu der „auffälligen Häufung von Anschlägen vor der Bundestagswahl“, die nach Ansicht von nichtgenannten Experten „kein Zufall“ sei. Vielmehr gebe es „Hinweise“, dass ausländische Nachrichtendienste als Lenker aus dem Hintergrund dahintersteckten. Dieser Verdacht habe sich bei „Profilern“ im Zuge einer ZDF-Recherche nun erhärtet.Welches Land und welcher Nachrichtendienst genau, das legte die Redaktion des ZDF-Formats „Terra X History“ am 6. April 2025 dem Publikum sehr deutlich nah: Russlands Spione.
Unter der Überschrift „Russische Suchanfragen im Netz vor Anschlägen“ platzierte der Sender ein Bild des Kremls, darüber den Aufmerksamkeitsverstärker „exklusiv“. Um es gleich vorwegzunehmen: Exklusivität kann die Mainzer Anstalt für ihre Fabrikation durchaus in Anspruch nehmen. Denn was ihre Redakteure unter Beihilfe eines angeblichen „Profilers“ als angebliche Indizien für eine russische Lenkung auftischen, erweist sich als derart abstrus und unsinnig, dass sie bisher damit auf weiter Flur allein stehen.
Schon die Behauptung der „auffälligen Häufung“ von Anschlägen vor Wahlen hält einer Überprüfung nicht stand. Der Anschlag in Mannheim am 31. Mai 2024 auf einer politischen Kundgebung von Michael Stürzenberger, bei der der afghanische Attentäter Sulaiman Ataee den Polizisten Rouven Laur tötete, ereignete sich kurz vor der Europawahl; der Mord an einem Kleinkind und einem Mann in Aschaffenburg durch den abgelehnten afghanischen Asylbewerber Enamullah Omarzai und die Terrorfahrt des ebenfalls ablehnten afghanischen Asylbewerbers Farhad N. in München in zeitlicher Nähe zur Bundestagswahl.
Allerdings überziehen islamische Täter Westeuropa schon seit Jahren mit Mordanschlägen in dichter Folge, entweder geplant wie die Tat in Mannheim oder aus dem Nichts wie in Aschaffenburg. Da auch häufig Wahlen stattfinden – in Deutschland auf Landes-, Bundes- und Europaebene –, beträgt die statistische Wahrscheinlichkeit, dass einige Anschläge in Wahlkampfzeiten fallen, einhundert Prozent.
Für viele Attentate trifft das aber auch nicht zu, etwa den Messermord durch den Somalier Jibril A. am 25. Juni 2021 in der Innenstadt von Würzburg, den Anschlag auf Passagiere eines Regionalzugs in Brokstedt am 25. Januar 2023 mit zwei Toten und drei Schwerverletzten. Den Terroranschlag auf das Stadtfest in Solingen beging der IS-Sympathisant Issa Al Hassan am 23.8.2024, also nach der Europawahl. Als ein Täter mit einem Messer und unter Allahu-Akbar-Rufen am 7. September 2024 bei Hennigsdorf einen deutschen LKW-Fahrer niederstach, fand ebenfalls kein Wahlkampf statt, ebenso wenig wie bei den islamistischen Anschlägen im elsässischen Mulhouse (22. Februar 2025), im österreichischen Villach (15. Februar 2025) und in Rotterdam (20. September 2024).
Wer von vornherein nach Anschlägen im Vorfeld von Wahlen sucht, erhält natürlich Ergebnisse, die in den gewählten Rahmen passen. Der Fachausdruck dafür lautet: Bestätigungsfehler. Beim halbwegs nüchternen Blick auf die Daten erkennt man dagegen eine sehr lange und dichte Folge von Anschlägen, die tatsächlich ein gemeinsames Muster aufweisen: Die Täter stammen aus muslimischen Ländern, etliche von ihnen sympathisierten mit dem IS – und sehr viele hätten sich zum Zeitpunkt der Anschläge gar nicht mehr im Land aufhalten dürfen, da längst als Asylbewerber abgelehnt.
Kurzum: Die Terrortaten zeigen vor allem das systemische Versagen der westeuropäischen Migrationspolitik. Aber genau mit diesem offenkundigen Zusammenhang beschäftigt sich das ZDF gar nicht erst, sondern es sucht nach einem ganz anderen, für den zwar überhaupt nichts spricht, der aber hervorragend in das Erklärungsraster öffentlich-rechtlicher Redakteure passt: Dahinter steckt russischer Einfluss.
In diese Richtung raunte der stellvertretende Leiter des ZDF-Hauptstadtstudios Wulf Schmiese schon im Februar 2025: „Manche im politischen Raum“, so der Redakteur, sähen „schon ein Muster“ in den Anschlägen von Mannheim, Aschaffenburg und München und dozierte: „Man kann davon ausgehen, dass bei den Sicherheitsbehörden geprüft wird, ob es da irgendeine systemische Verbindung gab oder eine Steuerung.“ Irgendwelche Belege präsentierte Schmiese nicht, auch keine Hinweise, um welche Sicherheitsbehörden es sich denn handeln sollte.
Genau diese ersehnten Belege behauptete nun „Terra X History“ beibringen zu können. Genauer gesagt: nicht die Redaktion selbst, sondern ihr Kronzeuge namens Steven Broschart, der den Sender nach eigenen Angaben seit 2022 berät. Hauptberuflich arbeitet er für das Münchner Unternehmen cyberpromote als Fachmann für Suchmaschinenoptimierung, von ihm stammen einige IT-Fachbücher – und das aktuelle Werk „Putins digitale Front und die Wahrheit dahinter“.
Das ZDF führt Broschart als „Internet-Profiler“ ein. Bei Profilern handelt es sich um Spezialisten, meist Kriminologen, die aus verschiedenen Hinweisen ein mögliches Täterprofil zusammensetzen. Was der von „Terra X“ geladene Experte dann im Studio vorführt, hat mit einer Profilertätigkeit nicht das Geringste zu tun. Denn Broschart zeigt das Ergebnis von Suchanfragen mit dem Tool Google Trends, das beweisen soll: Schon vor den Anschlägen von Mannheim, Aschaffenburg und München gab es Suchanfragen bei Google nach den entsprechenden Schlagworten – und zwar aus dem Osten.
Auf der Webseite des Senders heißt es: „Gemeinsam mit dem Internet-Profiler Steven Broschart ist das ZDF auf verdächtige Suchanfragen aus Russland im Vorfeld der Anschläge gestoßen. Demnach war der Mannheimer Messerangriff auf den Islamkritiker Michael Stürzenberger schon vor der Tat gesuchtes Thema. Bereits vier Tage vor dem Anschlag hat es offenbar Suchanfragen aus Russland nach einem ‘Terroranschlag in Mannheim‘ gegeben.“
Für genau diese Art von Fahndung nach angeblich eingegebenen Suchbegriffen eignet sich das Tool Google Trends allerdings überhaupt nicht. Darin besteht auch nicht sein Zweck. Google Trends liefert brauchbare Ergebnisse für den zeitlichen Verlauf von Suchanfragen, die in großer Zahl gestellt werden, etwa nach „Koalitionsvertrag“ oder „US Election“. Bei sehr kleinen Datenmengen oder solitären Suchbegriffen wirft das Werkzeug Google Trends so genannte Artefakte aus, zu Deutsch: Datenschrott. Das liegt an seiner Konstruktion. Algorithmen lesen generell Textpartikel wie „Anschlag Mannheim“ nicht verstehend, so wie Menschen es tun. Sie suchen nach übereinstimmenden Mustern. Bei Anfragen in großer Zahl stellt das kein Problem dar. Gab es bisher nur wenige (oder gar keine) Google-Suchvorgänge zu bestimmten Stichworten, dehnt sich die Suche in Datenstichproben auf Ähnlichkeiten aus. Je seltener ein Suchbegriff, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass das System daraus vorgebliche Suchvorgänge macht, die es entweder niemals gab, zumindest aber nicht zu dem angegebenen Zeitpunkt.
Warum übrigens russische Geheimdienstler, wenn sie ernsthaft im Hintergrund die Strippen ziehen würden, schon vor einem von ihnen gesteuerten Anschlag danach im Netz suchen sollten – diese nicht unspannende Frage beleuchten weder das ZDF noch Broschart. Beide liefern auch kein Indiz, geschweige denn einen Beleg für eine russische Steuerung der Anschäge. Die gesamte „Terra X History“-Sendung stützt sich ausschließlich auf Daten, die Google Trends ausspuckt.
Nach der Ausstrahlung entwickelte es sich auf X unter Nutzern, die sich mit der Funktion von Google Trends auskennen, schnell zur allgemeinen Gaudi, die absurdesten Suchbegriffe einzutippen, und Screenshots der Ergebnisse zu posten. Mehrere Leute gaben lange eben von ihnen frisch kreierte Zahlen-Buchstabencodes ein – und bekamen promt die Antwort, genau danach sei schon in der Vergangenheit von anderen gesucht worden. Ein anderer probierte die Unsinnskombination „Rainer Schiefer Bundeskanzler“. Auch dafür, meldete ihm Google Trends, interessierte sich früher schon jemand.
Ein Scherzbold namens Migo fand mit der gleichen Methode heraus, dass jemand schon seinem eben ausgedachten Begriff „Migos Waschbrettbauch“ nachspürte – und zwar in Afghanistan.
Wer mit dem Tool herumspielt, kann auch demonstrieren, dass sich die von Google Trends gezeigten Tage der angeblichen Suchanfragen aus der Vergangenheit plötzlich veränderten, sobald man einen anderen Suchzeitraum eingibt. Das bedeutet: Google Trends konstruiert nicht nur aus dem unendlichen Material des Netzes Google-Suchvorgänge, die es so nie gab. Es kann genauso gut passieren, dass das Tool echte Suchen falschen Zeitpunkten zuordnet. Auch einzelne Länder lassen sich eingeben.
Zusammengefasst: Bei seltenen oder ganz neuen Suchbegriffen erzeugt Google Trends Artefakte auf Knopfdruck. Mit etwas Geduld lässt sich also jeder Suchbegriff in Kombination mit jedem Land und einem ungefähren Datum aus dem digitalen Hut zaubern. Das spricht übrigens nicht gegen die generelle Funktionstüchtigkeit des Handwerkszeugs Google Trends, das für echte Trends zufriedenstellend funktioniert, und auch nur für diesen Zweck entworfen wurde, so, wie ein Hammer sich auch gut dazu eignet, Nägel im Holz zu versenken – aber eben nicht Schrauben. Das ZDF, um im Bild zu bleiben, schlägt öffentlich Schrauben krumm und bezeichnet diese Übung, die verständlicherweise außer ihm niemand sonst unternimmt, als „exklusiv“.
Sollte Broschart als IT-Fachmann die Funktion von Google Trends wirklich so schlecht kennen? Ein Tweet von ihm deutet auf etwas anderes hin. Im Juni 2023 wies er darauf hin, dass laut Google Trends schon Tage vor der Implosion des U-Boots „Ocean Gate“ angeblich Nutzer nach dem Tod des Passagiers Hamish Harding suchten, in der Kombination „Hamish Harding dead“.
Hätte er ernstlich geglaubt, irgendeine sinistre Macht habe schon von dem U-Boot-Unglück gewusst, bevor es passierte, wäre das erst recht ein Grund, Broschart nicht vor eine Kamera zu holen. Stattdessen liegt es nahe, dass er gerade an diesem Beispiel demonstrieren wollte, wie unzuverlässig Google Trends in bestimmten Fällen funktioniert. Dafür spricht auch die Aussage, mit der er sich in einem vom ZDF am 8. April nachgeschobenen Stück aus der Affäre zieht.
„Internet-Profiler Steven Broschart“, heißt es da, „erklärte zur Aussagekraft der Daten von Google Trends: ‘Wer damit arbeitet, sollte die Funktionsweise des Systems und seine Grenzen kennen – insbesondere bei Suchvorgängen mit geringer Datenbasis‘, sagte er ZDFheute. Erst durch Quervergleiche mehrerer zusammenhängender Suchbegriffe lasse sich abschätzen, ‘ob es sich um ein reales Signal oder bloßes Datenrauschen handelt’“. Broschart hob zugleich hervor: „Google Trends liefert keine Beweise, wohl aber Spuren, die gezielte Recherchen und Ermittlungen anstoßen können“. Nun belegen aber auch „Quervergleiche“ von mehreren Datenartefakten untereinander überhaupt nichts. Und: Außer den Google Trends-Resultaten, bei denen es sich noch nicht einmal um Spuren handelt, legt das ZDF auch nach der „Terra X“-Ausstrahlung nichts vor, was wenigstens den Anfangsverdacht einer russischen Steuerung auch nur minimal rechtfertigen könnte.
Der Attentäter von Mannheim Suleiman Ataee steht gerade vor Gericht; in seinem gründlich ausermittelten Fall stießen die Kriminalbeamten auf keinerlei Verbindung zu Russland, sondern nur zum IS. Und der Aschaffenburger Mordfall lässt die Theorie einer geheimdienstlichen Lenkung nun völlig abstrus erscheinen: Der afghanische Täter Enamullah Omarzai hätte schon vor dem Zeitpunkt der Morde nämlich entweder längst nach Bulgarien zurückgeschoben werden sollen, was wegen Behördenträgheit nicht passierte, oder wenigstens eine bereits ausgesprochene 40-tägige Haftstrafe wegen mehrerer Delikte absitzen müssen, zu der er aber nicht antrat. Geheimnisvolle FSB-Lenker aus Moskau hätten hier das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Bayerns Ausländerbehörde und die Justiz in Schweinfurt schon gleichzeitig einspannen müssen, um dafür zu sorgen, dass der Mann am 22. Januar 2025 im Park überhaupt zustechen konnte.
Nach den Ermittlungen auf dem Lerchenberg, die in groben Zügen an die Methodik von Inspekt0r Clouseau erinnern, gab es zwei Reaktionen. Zum einen die der Nachrichtendienste. Wer beim Bundesamt für Verfassungsschutz in Köln nachfragt – so wie Publico –, erhält als Antwort ein etwas genervtes: „Ach, die Terra-X-Sache?“ Ja, dazu gebe es wegen des vermehrten Interesses schon ein fertiges Statement. Und das lautet:
„Die Nachrichtendienste des Bundes und der Länder nehmen grundsätzlich alle tatsächlichen Anhaltspunkte für eine mögliche Involvierung in bzw. Steuerung von Anschlägen/Attentaten durch staatliche russische Stellen sehr ernst und beziehen diese fortwährend in die eigenen Analysen und Lagebewertungen ein.
In diesem Zusammenhang haben sich verschiedene deutsche Sicherheitsbehörden auch mit den Google Trends-Recherchen des ZDF intensiv auseinandergesetzt. Die vorgelegten Google Trends-Recherchen eignen sich nicht für eine valide Analyse- und Auswertemethode. Die Suchvolumina zu den hier erfolgten Begriffen sind zu klein, um damit belastbare Ergebnisse mit Google Trends produzieren zu können. Aufgrund der Aggregation der Daten durch Google können Suchergebnisse fälschlicherweise den Anschein erwecken, als ob diese Suchanfragen vor einem Ereignis gestellt wurden, obwohl sie tatsächlich in der gleichen Woche oder im gleichen Monat nach dem Ereignis erfolgten.
Die vermeintliche Korrelation in den vorgelegten Abfragen kann zudem nicht nur für Russland, sondern konnte auch für zahlreiche andere Länder reproduziert werden. Die vorgelegten Google Trends-Recherchen des ZDF liefern daher keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine russische Einflussnahme auf Anschläge in Deutschland.“
Im gleichen Tenor äußerte sich auch der BND. Also: Sollte es tatsächliche Anhaltspunkte für einen russischen Einfluss geben, werde man sie ernst nehmen. Aber die angebliche Datenforensik des ZDF: Blödsinn.
In dem nachgeschobenen Stück zitierte die Anstalt vom Lerchenberg zwar weit unten auch dieses Statement, aber untergemischt mit weiteren Manipulationen, die suggerieren sollen, irgendwie habe man doch richtig gelegen, zumindest ein ganz kleines bisschen. Die „heute“-Redaktion strickt dort beispielsweise folgende Passage zusammen:
„Das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart, wo der Prozess um die Tat von Mannheim stattfindet, reagierte am Dienstag ebenfalls auf die Recherchen und zeigte Interesse an den Erkenntnissen: ‚Der Vorsitzende hat im heutigen Fortsetzungstermin angekündigt, das Landeskriminalamt aufzufordern, etwaige Erkenntnisse in Zusammenhang mit der aktuellen Medienberichterstattung zu Internetsuchanfragen im Vorfeld des Tatgeschehens dem Senat zur Kenntnis zu bringen‘, heißt es in einer Stellungnahme des Gerichts.“
Aus „etwaige Erkenntnisse“, von denen das Gericht spricht, werden so durch einen kleinen manipulativen Handgriff flugs „Erkenntnisse“ des ZDF – die in Wirklichkeit nicht existieren.
Publico fragte beim ZDF, ob die Redaktion von „Terra X“ neben der von Broschart noch eine zweite Meinung eines IT-Sachverständigen eingeholt habe – idealerweise von einem Experten, der nicht gleichzeitig sein Buch über Putins digitalen Krieg bewirbt. Auf diese Frage antwortet der Sender nicht, sondern schickte nur ein allgemeines Statement:
„Die Recherche geht Suchanfragen im Internet aus Russland nach, die darauf hinweisen könnten, dass andere Personen bereits vorher von dem Anschlagsplan wussten – zum Beispiel Mitwisser oder eventuell auch Beteiligte. Die von der ZDF-Redaktion gefundenen Auffälligkeiten sind, wie in der Berichterstattung dargestellt, keine Beweise, sondern Hinweise, die laut verschiedener Experten Anlass dazu geben, weitere Prüfungen bzw. Ermittlungen dazu anzustellen. Die Methodenkritik wurde in der Berichterstattung thematisiert.“
Irgendwelche Experten, die meinen, zu den Google Trends-Ergebnissen Broscharts müssten jetzt weitere Ermittlungen folgen, gibt es nicht. Der ZDF-Sprecher nennt folglich auch keine. Im Gegenteil: Experten der beiden Geheimdienste erklären das „Terra X“-Geraune ausdrücklich für Kappes. Entweder versteht der Sender mit seinen 3400 festen und 4500 freien Mitarbeitern bis heute nicht, wie Google Trends funktioniert. Oder die öffentlich-rechtliche Einrichtung will ihre Blamage einfach nicht zugeben.
Da das Stichwort gerade fiel: Die zweite Art der Reaktion auf „Terra X“ sieht so aus:
Das Russland-Terror-Garn gehört in eine lange Reihe von bizarren öffentlich-rechtlichen Ausstrahlungen: So behauptete die ZDF-Sendereihe „MrWissen2Go“ 2018, deutsche Kolonialtruppen hätten während der Schlacht am Waterberg 1904 in Namibia Giftgas eingesetzt. Frei erfunden: Über Giftgase verfügte die kaiserliche Armee damals noch gar nicht.
Im Jahr 2023 meinten ARD-Faktenfinder den US-Journalisten Seymour Hersh zu demontieren, indem sie ihm unterstellten, er hätte im Zusammenhang mit der Sprengung von Nord Stream 2 von „pflanzenförmigem Sprengstoff“ geschrieben. Das hatte er aber gar nicht; ein Faktenprüfer des Senders war einfach daran gescheitert, „plant shaped C4 charges“ (C4-Schneidladungen anbringen) korrekt ins Deutsche zu übersetzen.
Den bisher unübertroffenen Höhepunkt setzte die ARD-Tagesschau 2022 mit ihrer Geschichte von dem verkannten afrikanischen Erfinder des stromerzeugenden Fernsehgerätes.
All diese Fehlleistungen muten zum einen irrwitzig an, passen aber jedes Mal in einen Haltungsrahmen: Die deutschen Kolonialverbrechen waren noch viel schlimmer als gedacht, bei Seymour Hersh handelt es sich um eine unzurechnungsfähige Gestalt, die Energiewende lässt sich durch Wunder retten – und hinter islamischen Anschlägen in Europa steckt nicht etwa der politische Islam und die naive Reaktion Westeuropas darauf, sondern Putin.
Das ergibt durchaus ein Muster. Aber eins, das ARD- und ZDF-Redakteure wahrscheinlich sofort „Verschwörungstheorie“ nennen würden.
Dieser Text erscheint auch auf Tichys Einblick.
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G. Gottschlich
11. April, 2025Wieder ein vergeblicher Artikel, denn beim Opa, der schon immer SPD oder CDU gewählt hat oder auch bei der pensionierten Oberstudienrätin, die alle ihre Schnipsel der politischen Bildung lediglich aus dem Fernsehen beziehen, bleibt nur der dort geschaffene Nexus des bösen Russlands hängen.
Bernd Zeller
11. April, 2025Nach TerraX hatte schon der nordkoreanische Geheimdienst gegoogelt.
Dr. Wolfgang Hintze
11. April, 2025Herzlichen Dank für diese ermeute Entlarvung des Staatsfunks.
Systemlinge, die sich von den Leitmedien nach eigenem Bekenntnis korrekt und ausreichend informiert fühlen, fragen “aber woher weißt Du denn, dass Publico recht hat?”
Die Antwort “Aus langjähriger Erfahrung!”.
Übrigens: was sagen denn correctiv und der für die Kontrolle des ZDF zuständige Rundfunkrat dazu?
oldman
11. April, 2025Zitat von William Shakespeare: “Ist dies schon Wahnsinn, so hat es doch Methode.”
Und zur Eränzung : Blödsinn, genügend oft wiederholt, wird von vielen geglaubt. Methode ÖR Propaganda.
Heisst dann Mainstream-Information.
Michael Glück
11. April, 2025Es geht heute vielfach nicht mehr um ordentliche Recherche, wie ich sie vor Jahren gelernt habe, sondern um eine im Sinne des Staates ordentliche Haltung, was ich nicht gelernt habe. Daher schone ich meine Nerven, indem ich weder ARD noch ZDF sehe.
Karsten Dörre
11. April, 2025Erinnert sei an die russische Bauschaumbande, die Auspuffe bei deutschen Privatautos verstopften. Seit dieser landesweiten Sabotageaktion gut ausgebildeter, russischer Geheimagenten ist die deutsche Wirtschaft am Rande des Zusammenbruchs. Als geborener DDR-Deutscher kenne ich die Mechanismen autokratisch-diktatorischer Systeme viel zu gut, immer und überall Feinde zu sehen, wenn das System an sich selbst scheitert.
Die Freundschaftsratsvorsitzende
12. April, 2025Eigentlich ist es Zeit für die Mentholzigarette. Gibt jemand den Schlafwagenschaffner?