Die nicht wohlwollende Aufzählung bestimmter Personen kann in Deutschland unter bestimmten Umständen die Justiz auf den Plan rufen.
Der neu geschaffene Paragraf 126 a des Strafgesetzbuchs verbietet die Veröffentlichung so genannter Feindeslisten. Wie schnell die Staatsanwaltschaft zugreifen kann, merkte ein Mann aus Nordrhein-Westfalen, der zusammentrug, was Politiker und andere Prominente während der Corona-Zeit über Ungeimpfte und generell renitente Bürger meinten. Seine Kollektion von ausnahmslos öffentlich zugänglichem Material veröffentlichte er im Netz, wenig später bekam er Post von der Staatsanwaltschaft. Immerhin sprach ihn das Amtsgericht Köln im Juni 2024 frei.Neben dieser Art von Listen ohne große Außenwirkung existiert auch eine völlig risikolose Methode zur Zusammenstellung von Feinden. Sie richtet sich von oben nach unten, was sie für die Urheber schon einmal ungefährlich macht. Außerdem stehen dort keine Einzelpersonen, sondern ganze gesellschaftliche Gruppen. Im Plural sind Bürger bekanntlich namen- und gesichtslos. Diese spezielle Liste gilt zeitlich unbegrenzt und sie wächst seit Jahren. Sie belebt einen Begriff, den ältere Ostdeutsche noch kennen: den des Problembürgers. Auf dieser Liste finden sich alle Bürgergruppen, deren schiere Existenz einem ebenfalls beständig wachsenden Blob aus Politik, Medien und Staatsgeldorganisationen als schlecht, schädlich und gefährlich erscheint, weswegen er meint, dass den dort aufgeführten problematischen Kollektiven weder Definitionsmacht noch Anerkennung zusteht. Wer findet sich auf dieser Feindesliste der benevolenten Gesellschaftslenker? Sie zum Beispiel, die Sie gerade diesen Text lesen. Eigentlich liegt die Frage näher, wen sie verschont. Dazu weiter unten. Jetzt geht es erst einmal um die Personenansammlungen, die es in einer Gesellschaft nach dem Bild des Blobs nicht mehr geben dürfte. Jedenfalls nicht so.
Beginnen wir mit dem Problem- und Schadkollektiv Nummer eins: Männer. Dass der alte weiße Mann in der Achtungshierarchie ganz weit unten steht und über diesen Platz keinen Beschwerdemucks äußern darf, gehört zu den ältesten Festlegungen der wohlmeinenden Kreise überhaupt.
„Und wenn diese Generation nun zurückblickt und sich fragt, was damals eigentlich los war, dann sind Konfrontationen nicht nur legitim, sondern schlicht notwendig, um Aufarbeitung zu leisten.“
Das schrieb eine Stern-Autorin vor wenigen Wochen nicht etwa über den deutschösterreichischen Untoten, an den Sie jetzt voreilig denken, sondern: über Thomas Gottschalk. Der blonde Spuk gehört selbstredend aufgearbeitet, und zwar schon deshalb, weil er, der damals vor Millionen seine Hand auf Madonnas Knie legte, natürlich pars pro toto für alle alten unbelehrbaren Herrschaften dieses Landes steht.
In Erfurt gab es kürzlich sogar eine Protestdemonstration gegen Gottschalks Buchlesung; eine öffentliche Verbrennung fand aus Rücksicht auf die Feinstaubwerte dann doch nicht statt. Soweit also zum alten Weißmann, der außer Steuerzahlen nichts gesellschaftlich Nützliches zustande bringt. Die progressive Hoffnung lag bisher darin, dass junge und nichtweiße Vertreter des Geschlechts dem Beispiel dieser Unberührbaren nicht folgen. Allerdings steht es damit mittlerweile sehr, sehr schlecht.
Vor einiger Zeit veröffentlichte die Financial Times eine Untersuchung, der zufolge sich die politischen Ansichten und Wahlneigungen in fast allen westlichen Ländern zwischen Männern und Frauen deutlich unterscheiden, und zwar gerade in den jüngeren Generationen. Frauen tendieren eher zu linken oder vielmehr neolinken Glaubensinhalten. Etwa, dass sich das Geschlecht eines Menschen durch Willensakt ändern lässt, dass der Westen die Schuld an nahezu allen Übeln der Welt trägt, dass Migration ausschließlich den Interessen der Migranten folgen darf, dass es sich bei allen Projekten unter der Überschrift ‘Klimarettung‘ um gute Werke handelt und ohne weitere Beweisführung bei Cis-Männern um toxische Gestalten. Längst nicht alle Frauen glauben das. Aber es gibt eine Tendenz, die sich auch in Wahlen zeigt. Viele glauben es vielleicht auch nicht im Innersten, meinen aber, dass sie diesen Merksätzen beipflichten müssen und vergessen dann irgendwann den Unterschied. Männer neigen gegenüber diesem Katechismus tendenziell eher zur Skepsis. Was auch daran liegen könnte, dass sie auf die im Kreissägenton von einer ganz bestimmten Frauensorte vorgetragenen Belehrungen über toxische Männlichkeit durchaus reagieren, allerdings nicht so, wie die Botschafterinnen sich das dachten.
Die Veröffentlichung in der Financial Times erzeugte eine Flut von generischen Medienbeiträgen in den USA, Deutschland und anderswo, alle mit mehr oder weniger identischen Überschriften und Textblöcken. Nachdem die US-Wahl den Grundbefund bestätigte, schwoll sie noch einmal tsunamihaft an. Der Tenor lautet jedes Mal, dass Männer (und gerade die jungen) abdriften und in einem Land nach dem anderen die falschen Parteien an die Macht bringen.
So erklärt es beispielsweise die Plattform Politico, nachdem sie vor dem 5. November in mehreren Texten quasiwissenschaftlich nachgewiesen hatte, dass und warum Kamala Harris siegt. Die ARD-Sendung „Panorama“ meldet im Gleichklang, junge Männer seien „anfällig für rechtes Gedankengut“. Dazwischen und daneben gibt es ganze Festmeter an Artikeln, die ein und denselben Text variieren. Nie warnen die Verfasser vor einer Abdrift junger Frauen, welche übrigens absolut die Mehrheit unter den Studenten amerikanischer Eliteuniversitäten stellten, die auf dem Campus zum Islam konvertierten und für die Hamas hungerstreikten. Von dieser speziellen Ausformung einmal ganz abgesehen – auf die Formulierung „anfällig für linkes Gedankengut“ wird man noch länger warten müssen, speziell als Kunde der ARD. Auch bei der Ursachensuche stochern die Journalisten ratlos herum. Junge Männer, heißt es dann, würden sich mehr für wirtschaftliche Themen interessieren, etwa Lohn, Steuern, Spritkosten. Von genau diesen materialistischen Themen und Vorstellungen der alten Zeit bewegen sich linke Parteien westweit bekanntlich weg, während die jungen Herren eben zurückbleiben. Mehrere Kilotonnen aus journalistischer Produktion über fossiles Patriarchat und Krise der Männlichkeit konnten auch die jüngeren Generationen offenbar nicht aus ihrer verhärteten Position lösen. Manche amerikanischen Männer wählten Trump in einem Anfall von Reaktanz vermutlich auch, um den dauerumerziehenden Gouvernanten jederlei Geschlechts mitzuteilen: Ihr habt die Megafone, wir haben die Stimmzettel.
Im neuesten Schrei aus dem progressiven Überbau, der Tiktok-Propaganda- beziehungsweise Boheibewegung “Woman in male fields“, lassen die Urheberinnen ihrer Resignation freien Lauf: Männer lassen sich offenbar in ihrer übergroßen Mehrheit einfach nicht auf eine andere Bewusstseinsebene transformieren. Und die neuen Sehnsuchtsmodelle, die „Brigitte“ vorstellt, sehen nun mal so aus.
Zur Verblüffung der Transformatoren begeistern sich selbst die meisten Frauen nicht so recht für diese Gattungsexemplare. Zum Versagen der Frauenmehrheit kommen wir gleich. Es müssen noch kurz zwei Teilmengen der Männer abgehandelt werden, auf denen bisher die ganze Hoffnung der Progressiven ruhte: Männer von Farbe und Schwule.
Im Jahr 2002 beschrieben Ruy Teixeira und John B. Judis in ihrem Buch “The Emerging Democratic Majority” die politische Zukunft der Vereinigten Staaten. Das, was sie dort vorhersagten, prägte zwar nicht die USA selbst, zumindest nicht nach den Vorstellungen des Duos, dafür aber die Demokratische Partei mitsamt dem linken politisch-medialen Geflecht in ihrer Umgebung. Und das in einer Tiefe, die den meisten erst jetzt aufgeht. Spätestens im Jahr 2050, argumentierten die Autoren, würden sich die weißen Amerikaner demographisch in der Minderheit befinden. Aber nur dieser Gruppe, so ihre Überzeugung, verdankten die Republikaner überhaupt ihre Chance auf Mehrheiten. Teixera/Judis‘ Schlussfolgerung lautete: Die Einwanderung vor allem aus Lateinamerika macht die USA ganz automatisch zu einem linken Land. Weder könnten die Rechten das verhindern, noch bräuchten die Linken dafür sonderlich viel zu tun, von einer großzügigen Immigrationspolitik einmal abgesehen. Im New York Magazin fasste Jonathan Chait diese Aussichten so zusammen: „Die modern GOP – die Partei von Nixon, Reagan und den beiden Bushs – versucht ihre eigene demografische Auslöschung einfach niederzustarren.“
Das werde aber nicht funktionieren. Der gute alte historische Determinismus schlug also zur Jahrtausendwende in einen demographischen um. Dabei ruhte die Hoffnung weniger auf den Schwarzen – deren Anteil würde bis 2050 nämlich prozentual schrumpfen –, sondern hauptsächlich auf den Latinos – denen, die sich schon im Land befanden und den neuen, die noch kommen sollten. Niemand beschwor diese Zukunft so feurig-farbig wie der Regisseur Oliver Stone in seinem Film „South Of The Border“ von 2010.
In dem als Dokumentation ausgewiesenen Streifen zeigte er, wie unter Führerinnen und Führern wie Cristina Fernández de Kirchner, Evo Morales und Hugo Chávez gerade der Sozialismus des 21. Jahrhundert entstand, bei dem es sich um den langerwarteten richtigen Sozialismus handelte. Für Stone gab es daran keinen vernünftigen Zweifel, Chávez, Morales und die anderen seiner Interviewpartner erzählten es ihm damals schließlich selbst. Das Konzept der aufblühenden neuen Gesellschaft, daran glaubte er wie das ganze progressive Amerika, würde durch die alten und neuen Immigranten von südlich der Grenze her unaufhaltsam auf die USA übertragen.
In der Idee gab es wie in allen einschlägigen Heilsplänen von Anfang an einen inneren Widerspruch, denn so, wie Stone die Lage zeichnete, hätten eigentlich die diskriminierten Latinos aus Kalifornien und Texas nach Venezuela, Bolivien und Nicaragua strömen müssen statt umgekehrt. Tatsächlich wanderten in den Jahren ab 2010 Millionen aus dem Süden nordwärts, die meisten von ihnen brachten allerdings sowohl Erfahrungen als auch eine tiefe Abneigung gegen sozialistische Gesellschaftsversuche mit. Außerdem in aller Regel ein ziemlich traditionelles Familienbild. Als Neu-US-Amerikaner (und auch schon vorher) interessierten sie sich mehrheitlich nicht für Kritische Rassentheorie, Neopronomen und die Zerschlagung des fossilen Patriarchats, sondern für wirtschaftliche Verhältnisse, die ihnen den gesellschaftlichen Aufstieg möglich machten. Und wer sich von ihnen erst einmal halbwegs in Gringoland etablierte, fand zumindest die illegale Migration aus dem Süden auch nicht mehr so gut.
Im Jahr 2016 wählten 28 Prozent der Latinos in den USA Trump, 2020 32 und 2024 42 Prozent. Auch der Anteil der Schwarzen, die den Orange Man ankreuzten, stieg übrigens beständig. Nach diesem Ergebnis brach ein regelrechtes Strafgericht der Wohlmeinenden über die falschwählenden Farbigen herein. Es liege an ihrem Machismo, sie könnten eine Frau an der Spitze des Landes eben nicht ertragen, hieß es NYT auf, CNN ab speziell über die Latinos. Die Deutung passt nicht so recht zu der Tatsache, dass es in Lateinamerika gleich mehrere Präsidentinnen gab und gibt. Selbst in Venezuela gäbe es eine, wenn der autoritäre sozialistische Herrscher Maduro die konservative Oppositionsführerin nicht mithilfe der gleichgeschalteten Justiz an der Kandidatur gehindert hätte. Jedenfalls steht ab jetzt auch ein großer Teil der farbigen Männer auf der langen schwarzen Liste der Gutgesinnten.
Das Konzept, auf die Demographie als Hebel des Fortschritts zu setzen, erklärt Verhalten und Schicksal der westlichen Neolinken besser als alle anderen Deutungsversuche. In Westeuropa existiert diese Hoffnung noch ziemlich ungebrochen, dokumentiert beispielsweise in den Worten des französischen Islamolinken Jean-Luc Mélenchon während einer Demonstration im September 2024, die er nur an Gefolgsleute um ihn herum richtete, wobei er allerdings ein eingeschaltetes Mikro in der Nähe übersah: Er forderte dort, „die Jugend in den Quartieren zu mobilisieren“ – meist Nachkommen der Einwanderer aus dem Maghreb und Afrika. „Alle anderen, vergiss es, wir verschwenden unsere Zeit“ („Tout le reste, laissez tomber, on perd notre temps.“). Auch in Deutschland hängen an dieser Jugend noch große Erwartungen. Ob sich Einwanderer aus muslimischen Ländern besser zum Abräumen der alten weißbürgerlichen Gesellschaft eignen als die überwiegend katholischen Immigranten aus Südamerika, muss sich noch zeigen. Und was sie dann zum Aufbau der neuen Ordnung nach Vorstellungen eines postkolonialen Seminars an der Humboldt-Uni beitragen, wäre noch einmal eine ganz andere Frage. Jedenfalls gilt auch hier: Wer sich mit den demographisch-strategischen Annahmen dieser Kreise befasst, dem beantworten sich schlagartig gleich mehrere Fragen nach Zustand und Kurs der aktuellen Linken.
Und nun zum bisher eigentlich unantastbaren Hoffnungsrest in der überwiegend heillosen Großgruppe Mann: die Schwulen. Wenigstens die galten noch als halbwegs zuverlässig. Jetzt nimmermehr. Die Süddeutsche erklärte den G und LGBTQ* kürzlich zum alten weißen Mann innerhalb der Queerbewegung, also zu dem, der neuerdings nicht mehr mitzieht oder sogar sabotiert.
Der reaktionäre Schwule hält nämlich mehrheitlich nichts von der Vergabe von Pubertätsblockern an Minderjährige, glaubt nicht an den weiblichen Penis, und überhaupt fragt er sich, was ihn eigentlich mit dem T in der langen Abkürzung verbinden soll. Außerdem begeistert er sich nicht so für muslimische Masseneinwanderung, wie er es nach Ansicht seiner Aufsichtspersonen tun sollte. Angeblich wählt auch nicht jeder von ihnen grün oder anderweitig links. Der eine oder andere Ältere kennt noch den Satz Rosa von Praunheims: „Schwulsein ist nicht abendfüllend“, womit er sagen wollte, dass die sexuelle Ausrichtung nur einen Teil der Persönlichkeit definiert, beispielsweise aber nicht die politischen Vorlieben und vieles andere mehr. Diesen Satz kennen heutige Regenbogenstalinisten wie Sven Lehmann nicht, und wenn sie ihn hören, halten sie ihn wahrscheinlich für rechts, gefährlich und eben altweißmännerig.
Egal also ob Problemmann an sich oder seine unzuverlässige schwarze, braune oder pinke Variante: Selbst bisher geschätzte Minderheiten verspielen ihre Stellung, indem sie sich nicht so verhalten, wie die Erwachtenkongregation es für jede Gruppe zu deren Bestem festlegt. Sie ziehen damit ähnliche Flüche der Progressiven auf sich wie das ganz alte revolutionäre Subjekt, das Proletariat, schon seit Jahrzehnten. Der Prolet heißt heute Diesel-Dieter, in den USA white trash, irgendeine halbwegs DIE-taugliche Umschreibung für enttäuschende Schwarze und Latinos befindet sich vermutlich schon in Arbeit. Gnade finden nur noch Männer, ob als Mehrheits- oder Minderheitsgruppe, die sich so benehmen, wie die Gesellschaftsumbauer es von ihnen erwarten. Sie behaupten zwar unentwegt, sich für andere einzusetzen, insbesondere für Minderheiten. In Wirklichkeit richtet sich der Platz jedes Kollektivs in ihrer Hierarchie ausschließlich danach, wie sich ihre Mitglieder für die Ziele der Progressisten einsetzen beziehungsweise einspannen lassen. Von Männern aller Spielarten bleibt also (außer vorläufig den Jugendlichen in den Quartieren) so gut wie nichts übrig. Jedenfalls nicht für die Positivliste. Der Rest gehört zu den Feinden.
Wie sieht es bei den Frauen aus? Nicht wirklich besser. Die alles andere als wohlwollend gemeinte Bezeichnung ‘Karen‘ bezeichnet aus progressiver Sicht (weiße) mittelschichtige Vorstadtfrauen, die sich ähnlich wie viele Männer eher Gedanken über die Wirtschaftslage als um ihre Pronomen machen. Der Terminus ‘Karen‘ sickert allmählich auch in die Sprache des deutschen Fortschrittsmilieus ein. In den USA stehen Karens schon seit mehreren Jahren weit oben auf der Ausschlussliste der Erwacht-Erleuchteten. Kleine Fußnote: 2020 wählte die Mehrheit der Frauen, die soziologisch in die Rubrik ‘Karen‘ fallen, noch mehrheitlich Biden. Vier Jahre später desertierten sie massenhaft. Beschimpfung wirkt offenbar. Sogar bei den verbliebenen Karens, die nicht für Trump stimmten.
Nach den Karens folgen auf der Feindliste die TERFS, ausgeschrieben Trans Exclusionary Radical Feminists, also alle (ursprünglich meist linken) Feministinnen, die sich heute zu glauben weigern, dass sich biologische Männer durch Sprechakt in Frauen verwandeln. Kaum eine Gruppe zieht einen größeren Hass der Progressisten auf sich. Joanne K. Rowling, die glaubt, es gäbe biologische Grundlagen für die Kategorien ‚Mann‘ und ‚Frau‘, sieht sich deswegen ernsthaften Todesdrohungen ausgesetzt. Gegen sie besteht informell die erste rein innerwestliche Fatwa. Der ZDF-Humoreckenbetreuer Jan Böhmermann ordnete TERFS vor einiger Zeit gebührenpflichtig als TURDS ein, zu deutsch: Scheißhaufen.
Die dritte weibliche Problemgruppe bilden die Tradwives – Frauen, die sich schminken, gern Kekse backen und überhaupt die Küche nicht als Strafabteilung jeder Wohnung betrachten. Wie alle Feindtrends stammen auch die traditionellen Frauen aus den USA. Aber die politmediale Erkenntnis, dass es sich bei ihnen um gefährliche Gestalten handelt, durchdringt auch in Deutschland längst die Redaktionsstuben. Tradwives treiben nämlich längst auch hierzulande ihr zu weibliches Wesen, und zwar so sehr, dass es die Tagesschau vor Entsetzen schüttelt.
Also: Karens, TERFS, Kuchen- und sogar Brotbäckerinnen können sich auf der immer längeren Exklusionsliste einen Platz mit alten und jungen weißen Männern, verräterischen Schwarzen und Braunen und den falschen Schwulen teilen. Nur wegen der oben erwähnten Gerechten, den linkswählenden Frauen, bleibt das weibliche Geschlecht wenigstens noch ein bisschen in der Gunst der Priesterkaste, die Anerkennung nach strengen Maßstäben vergibt oder entzieht.
Natürlich gibt es außerdem noch männlich-weiblich-weiß-nichtweiß gemischte Subgruppen, die in der Rangordnung viel weiter unten beziehungsweise unter den Feinden weiter oben stehen. In Deutschland gilt das auf jeden Fall für AfD-Wähler. Jemand aus dem „Team Habeck“ machte sich ganz aktuell die Mühe, für X per KI den „AfD-Troll“ zu entwerfen: irgendwie Mann, aber nicht ganz Mensch, tierische Gesichtszüge, Spitzohren, drumherum Fachwerk, Kleinstadt, also Provinz.
Kurzum: eine subhumane Spezies.
Vor achtzig Jahren gab es dafür noch einen deutschen Begriff. Auch in der Ideologie muss es nicht immer die Neuerfindung sein. Vieles lässt sich eben doch erstaunlich leicht wiederverwenden.
Im Feindkataster der Ewigmorgigen befinden sich also mittlerweile: fast alle Sorten von Männern, dazu größere Teile der Weiblichkeit. Außerdem noch völlig hoffnungslose Fälle. Sie alle verdienen weder Anerkennung noch Repräsentation. Wer bleibt übrig? Eigentlich nur die Listenführer selbst und diejenigen, die ihre Position vorbehaltlos stützen. Die Betonung liegt auf ‘vorbehaltlos‘; schon der eine oder andere Einwand führt leicht zur nächsten Verbannung.
Die Verachtung für die wachsende Zahl der zu Feinden erklärten Gruppen entspricht ziemlich genau der ausgeprägten Selbstwertschätzung, die der progressive Kern für sich selbst empfindet. Man sehe einmal in die Gesichter und achte auf ihre Selbstdarstellung, zu der sie schließlich niemand zwingt. Hier entstehen wirklich authentische Bilder, die sich vor allem durch eins auszeichnen: Eine völlige Abwesenheit des Gefühls für die eigene Lächerlichkeit.
Im Gegenteil: So sehen Personen aus, die im Bewusstsein leben, die kommende Elite zu bilden. Für das Problem, dass ihrem Fortschritt immer weniger nachschreiten wollen, finden sie schon irgendeine Lösung.
In Deutschland nimmt die Selbstverzückung der Richtigen und Wichtigen interessante Formen an. Die Länge der Feindesliste korrespondiert auch hier positiv mit der eigenen Bedeutung. Auf X erscheinen inzwischen Habeck-Lobpreis-Postings, die im ersten Moment wie Satire wirken. Jedenfalls unterscheiden sie sich deutlich von allem, was man bisher aus eher biederen bundesdeutschen Wahlkämpfen kannte. Hier beispielsweise handelt es sich nicht um einen Spott, der womöglich zum Polizeibesuch am Morgen führt, sondern um einen gesichert habeckfreundlichen Post:
Und hierbei auch.
Überhaupt lässt sich auf X – angeblich ja ein rechtes Musk-Höllenloch – eine Sturzflut von Postings beobachten, die deutlich ins Progressistisch-Klerikale lappen:
Nebenbei auch ins Bizarre. Formulierungen wie „das Ruder einreißen“ und „das zollt mir höchsten Respekt“ lassen Zweifel aufkommen, dass es sich bei den Urhebern um Menschen aus dem deutschen Sprachraum beziehungsweise überhaupt um Menschen und nicht um Bots handelt.
Auch hier handelt es sich nicht um etwas spezifisch Deutsches. Schon die Kampagne von Harris, vorgetragen nicht nur von ihrer Partei, sondern einer breiten Medienfront, porträtierte die Kandidatin eigentlich nicht als Politikerin, sondern als Erlöserin des Landes. Die Bürger, so der Subtext, konnten froh sein, dass sie sich überhaupt zur Verfügung stellte.
Je kleiner und reiner der Kreis, desto länger die Liste der Feinde, Verstoßenen und Vergraulten, desto erhabener die gebenedeiten und gesalbten Botschafter der besseren Welt. Und desto gerührter von sich selbst. In Deutschland und Westeuropa könnte es noch eine Weile dauern – aber in den USA lässt sich der Kulissenwechsel schon erkennen: Es geht nicht mehr darum, das gelobte Land zu erreichen, sondern um das Zusammenbasteln einer Erzählung des eigenen Scheiterns, selbstredend verklärt zu einem welterschütternden Opfergang.
Es geht um Märtyrertum. Und diesen Status genießt man am besten so einsam wie möglich.
Dieser Text erscheint auch auf Tichys Einblick.
Liebe Leser, Publico erfreut sich einer wachsenden Leserschaft, denn es bietet viel: aufwendige Recherchen – etwa zu den Hintergründen der Potsdam-Wannsee-Geschichte von “Correctiv” – fundierte Medienkritik, wozu auch die kritische Überprüfung von medialen Darstellungen zählt –, Essays zu gesellschaftlichen Themen, außerdem Buchrezensionen und nicht zuletzt den wöchentlichen Cartoon von Bernd Zeller exklusiv für dieses Online-Magazin.
Nicht nur die freiheitliche Ausrichtung unterscheidet Publico von vielen anderen Angeboten. Sondern auch der Umstand, dass dieses kleine, aber wachsende Medium anders als beispielsweise “Correctiv” kein Staatsgeld zugesteckt bekommt. Und auch keine Mittel aus einer Milliardärsstiftung, die beispielsweise das Sturmgeschütz der Postdemokratie in Hamburg erhält.
Hinter Publico steht weder ein Konzern noch ein großer Gönner. Da dieses Online-Magazin bewusst auf eine Bezahlschranke verzichtet, um möglichst viele Menschen zu erreichen, hängt es ganz von der Bereitschaft seiner Leser ab, die Autoren und die kleine Redaktion mit ihren freiwilligen Spenden zu unterstützen. Auch kleine Beträge helfen.
Publico ist am Ende, was seine Leser daraus machen. Deshalb herzlichen Dank an alle, die einen nach ihren Möglichkeiten gewählten Obolus per PayPal oder auf das Konto überweisen. Sie ermöglichen, was heute dringend nötig ist: einen aufgeklärten und aufklärenden unabhängigen Journalismus.
Der Betrag Ihrer Wahl findet seinen Weg via PayPal – oder per Überweisung auf das Konto
A. Wendt/Publico
DE88 7004 0045 0890 5366 00
BIC: COBADEFFXXX
Die Redaktion
Unterstützen Sie Publico
Publico ist werbe- und kostenfrei. Es kostet allerdings Geld und Arbeit, unabhängigen Journalismus anzubieten. Mit Ihrem Beitrag können Sie helfen, die Existenz von Publico zu sichern und seine Reichweite stetig auszubauen. Danke!
Sie können auch gern einen Betrag Ihrer Wahl auf ein Konto überweisen. Weitere Informationen über Publico und eine Bankverbindung finden Sie unter dem Punkt Über.
Majestyk
16. Dezember, 2024An kaum jemanden zeigt sich besser was bei den amerikanischen Linken schief gelaufen ist als an Oliver Stone. Man könnte es wie bei manchem deutschen Politiker aufs Kriegstrauma schieben, man könnte aber auch einsehen, daß die unamerikanischen Umtriebe sehr wohl existiert haben und zumindest bis hierher sehr erfolgreich waren. Man sollte nicht vergessen, kaum etwas beeinflußt Menschen derart wie die konsumierte Kunst und Unterhaltung.
Dass der Feminismus die zerstörerischste Ideologie von allen ist sage ich seit Jahren und werde nicht nur deswegen geflissentlich nicht nur im wahrfen Leben ausgegrenzt, sondern auch im alternativen medialen Umfeld bestenfalls belächelt. Ich sehe auch keine politische Kraft die ernsthaft den Feminismus attackiert oder diesen revidieren möchte. Dabei ist der Feminsimus der verlogene Opferkult par excellence.
A. Iehsenhain
16. Dezember, 2024Reichlich bizarr, wenn an US-Eliteuniversitäten Studentinnen quasi lebensmüden Hühnern nacheifern, die dem Fuchs die Stalltür öffnen und mitteilen, dass es heute Blaukraut und Kartoffelbrei als Beilagen gibt. Oder ist das alles nur eine große satirische Simulation? LGBTQ ist vielleicht als Lehrfach auch einfach zu kompliziert – ich empfehle “Was Sie schon immer über Sex wissen wollten…” von Woody Allen (oder “Flesh Gordon – Schande der Galaxis”)…
Rudi
17. Dezember, 2024Oder diese Leute haben die Satire “Mein Kamm” von Epharim Kishon falsch verstanden.
Rudi
17. Dezember, 2024Ja das Feindbild der “alten weißen Männer”. Wenn man von der Hautfarbe absieht, dann gibt es ein Merkmal, daß bei älteren Männern häufig vorhanden ist. Der Haarausfall bis zum Endstadium der Glatze. Über dieses Feindbild hat Epharim Kishon die Satire “Mein Kamm” geschrieben. In dieser wurden die Menschen mit Glatze als verschworene Gemeinschaft, die für alles Schlimme auf der Welt verantwortlich ist, genannt. Die “Befreiungsbewegung” hatte Symbole, die der der NSDAP ähneln. Erstaunlich ist, daß dies eine Ansicht von “Progressiven” ist. Die Argumentation (Lehrling mit vollem Haar und Börsenhändler mit Glatze) kommt dan auch bekannt vor.
Karsten Dörre
17. Dezember, 2024Ich kann den Traum vieler Frauen (und auch Männer) verstehen, eine durch und durch friedliche Welt haben zu wollen. Doch schon der Zickenstreit und andere ausufernde Frauenkonflikte zeigen, dass die weibliche Auseinandersetzung keineswegs gewaltfrei abläuft. Das Tier kommt durch, wenn es um die Frage geht, ob verbale Gewalt keine Gewalt sei (siehe z.B. Kindererziehung, auf Straßen festkleben, Veranstaltungen stören oder abbrechen, jemanden beiläufig beiseite stoßen). Natürlich bleibt das nur ein philosophisches Thema. Aber sämtliche Utopien, die auf Gewaltfreiheit aufbauen, sind rein philosophisches Brainstorming, welches immer an der Natur des Lebens scheitert (Sozialismus, Kommunismus, Diktaturen). Sicherlich kann man Natur romantisch beschreiben, dass es ein friedvolles Miteinander der Bäume, Pflanzen und Tiere im Wald gäbe. Doch der Kampf um Ressourcen (Licht, Wasser, Boden) findet unter Pflanzen trotzdem statt und die unterlegenen Pflanzen weder demonstrieren um ihre Rechte, geschweige wohlwollende Journalisten haben, die die “Ungerechtigkeit” in der Natur öffentlich anprangern. Jegliche wohlwollende, humanoide Revolutionen (auch die schleichenden) scheitern an der Realität und an sich selbst.