Der Fleisch-Unternehmer und Schalke-Aufsichtsrats-Chef Clemens Tönnies betrat kürzlich beim Tag des Handwerks in Paderborn ein vermintes Diskursgelände: Afrika und Demografie.
Ob in der Migrationsfrage, in der Debatte um die Rückständigkeit vieler afrikanischer Länder oder in der Klimadiskussion – das Thema wird in aller Regel sorgfältig ausgespart. Tönnies formulierte seinen Satz ziemlich flapsig: Man solle lieber zwanzig Kraftwerke in Afrika finanzieren, statt in Deutschland höhere Steuern auf CO2 zu planen. „Dann würden die Afrikaner aufhören, Bäume zu fällen, und sie hören auf, wenn es dunkel ist, Kinder zu produzieren.“Wahrscheinlich hätte der Wurstfabrikant sich intellektuell anspruchsvoller ausdrücken können. Aber auch das hätte ihn nicht vor der medialen Verurteilung geschützt. „Wer mit solchen Stammtisch-Parolen öffentlich auftritt, hat ein Glaubwürdigkeitsproblem“, wetterte die Neue Westfälische: Ein „platter Vorschlag […], der in üblem Rassismus gipfelt.“ Die WELT meinte: „Tönnies’ Satz gleicht einer moralischen Bankrotterklärung“.
Tönnies leistete per Twitter um Abbitte: „Ich möchte meine Aussage zum Thema Auswirkungen beim Klimawandel richtigstellen. Ich stehe als Unternehmer für eine offene und vielfältige Gesellschaft ein. Meine Aussagen zum Kinderreichtum in afrikanischen Ländern tun mir leid. Das war im Inhalt und Form unangebracht.“ Als Buße lässt er sein Amt Schalke vorerst ruhen.
Dabei steht seine Grundaussage weder der offenen Gesellschaft entgegen, noch ist sie gegen Afrika gerichtet. Denn sie lautet: Es gibt einen engen Zusammenhang von Demografie und Wohlstand. Dort, wo die wirtschaftliche Entwicklung stabil läuft, sinkt die Geburtenrate – und stabilisiert ein Land weiter. Das ist in jeder Hinsicht gut, humanitär, ökonomisch wie ökologisch. In Afrika liefert Botswana genau diesen Beweis, der in Europa von vielen Wohlmeinenden ignoriert wird.
Das Land zwischen Namibia und Simbabwe stieg seit seiner Unabhängigkeit 1969 von einem der ärmsten afrikanischen Staaten zu einem der wohlhabendsten in der Subsahara auf. In dem südafrikanischen Land herrscht Demokratie, die Gewaltenteilung funktioniert, auf dem Korruptionsindex von Transparency International rangiert es auf einem besseren Platz als Italien. Das Bruttoinlandsprodukt stieg von 1,175 Milliarden Dollar 1989 auf 18,61 Milliarden 2018. Es existiert – für Afrika höchst selten – ein bescheidenes staatliches Rentensystem (Altersgrenze: 65 Jahre). Das Land entwickelt sich nicht nur trotz aller Probleme wie HIV ökonomisch erfolgreich, es zählt auch zu den liberalsten des Kontinents. Es gibt Meinungsfreiheit und Medienvielfalt; 2019 schaffte Botswana die Strafvorschriften gegen Homosexualität ab.
In den langen Jahren der Prosperität sank die Zahl der Kinder pro Frau kontinuierlich. Heute liegt sie bei 2,25, und damit nur knapp über der Bestandserhaltung (2,1).
Alles zusammen, Wachstum und Liberalität, führt dazu, dass praktisch kaum ein Einwohner Botswanas versucht, nach Nordafrika und von dort über das Mittelmeer nach Europa zu gelangen. Im Gegenteil: In das Land flohen in den vergangenen Jahren Zehntausende aus dem ruinierten Nachbarland Simbabwe. Botswanas Migrationsrate liegt aktuell bei plus 4,4 pro tausend Einwohner.
Das kleine südafrikanische Land zeigt exemplarisch, dass überall dort die Geburtenrate auf ein vernünftiges Maß sinkt, wo Stabilität und wirtschaftlicher Aufschwung vorherrschen. Seine elektrische Energie produziert das Land ganz überwiegend durch Kohleverstromung (29 Prozent), 71 Prozent seines Stroms importiert es aus Südafrika. Allerdings gibt es auch größere Solarstrom-Projekte. Bis 2030 will Botswana 30 Prozent seines Strombedarfs aus dieser Quelle decken. Da sowohl Sonnenscheindauer als auch Strahlungsintensität um einiges höher liegen als in Europa, ist die Produktion von Solarenergie auch deutlich günstiger. Aber ein Land muss sich diese Investitionen auch erst einmal leisten können. Solarkraftwerke werden nicht in bettelarmen, zerrütteten Ländern entstehen. Übrigens kommt in Botswana aber niemand auf die Idee, grundlastfähige Kraftwerke durch Solaranlagen ersetzen zu wollen. Niemand plant dort einen Kohleausstieg.
Tönnies hat auch in dem anderen von ihm angesprochenen Punkt Recht: Raubbau an der Natur ist in Afrika eine unmittelbare Folge von Armut und wirtschaftlicher Stagnation. In vielen Staaten verwenden die Einwohner Feuerholz als billige Energiequelle, was vor allem in Ländern mit starkem Bevölkerungswachstum zu Entwaldung und Bodenerosion führt.
Der Verfall traditioneller Bewässerungssysteme und der nachhaltigen Landwirtschaft in etlichen Staaten sind Folgen von Krieg und Zerrüttung und nicht von Klimawandel. Und am Beispiel Nigerias, dessen Bevölkerung von fast 200 Millionen Menschen bei einer Geburtenrate von 3,65 trotz einer Nettoauswanderung (minus 0,22 per Tausend) die der USA noch in diesem Jahrhundert überholen wird – freilich auf einem deutlich kleineren Territorium – kann jeder studieren, wie die demografische Explosion jede Chance auf Wirtschaftswachstum und Stabilität zunichte macht, Gewalt fördert und zur hoffnungslosen Übernutzung natürlicher Ressourcen führt.
Das katastrophale Bevölkerungswachstum in afrikanischen Ländern ist praktisch kein Thema für diejenigen in der ersten Welt, die Predigten zum „Erdüberlastungstag“ halten und von Klimakatastrophe sprechen. Gegen diesen Konsens hat Clemens Tönnies offenbar verstoßen.
Dabei trifft er den entscheidenden Punkt: Ja, statt in Deutschland über eine CO2-Steuer zu debattieren, wäre es ökonomisch vernünftig und ökologisch verantwortlich, mit Krediten und Bürgschaften moderne Kraftwerke in den afrikanischen Staaten zu fördern, die schon halbwegs stabile Bedingungen bieten. Denn die könnten dann mit etwas Glück dem Beispiel Botswanas und nicht dem Nigerias folgen.
Praktisch das gleiche Muster wie bei der medialen Erregung über Tönnies zeigte sich schon in der orchestrierten Empörung über den Afrika-Beauftragten der Bundesregierung Günter Nooke: Der hatte gegen das linke Narrativ verstoßen, die Kolonialzeit und den Westen für alle Probleme Afrikas verantwortlich zu machen.
Eine Debatte über Sachverhalte kostet Anstrengung. Die leitartikelnde moralische Aburteilung für eine Wortwahl überfordert dagegen keinen Qualitätsmedien-Mitarbeiter. Das beste daran: Um in einem Kommentar Rassist! zu rufen, muss niemand etwas über Afrika wissen.
Dieser Text erschien zuerst auf Tichys Einblick.
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Archi W. Bechlenberg
7. August, 2019Die Wortwahl, nun ja. “Tönnies” klingt ein wenig wie “Tünnes”, aber deshalb muss seine Aussage ja inhaltlich nicht daneben liegen. Er ist nur insofern zu berichtigen, als dass an der Überbevölkerung Afrikas nicht nur im Dunkeln gearbeitet wird. “Der Schwarze schnackselt halt gerne” hat vor Jahren eine adlige Dame aus dem Süddeutschen zu dem Thema formuliert, und wenn man es ergänzt mit “aber er verhütet auch nicht gerne” ist das Wesentliche gesagt. Weißer Mann muss sich zu dem Thema tunlichst bedeckt halten? Aber er darf zahlen und Menschen aufnehmen und alimentieren? Dann darf er sich auch zu dem Thema äußern.
Glorius von Drehen und Wenden
11. August, 2019Richtige Stichworte, falscher Schluss:
1. Interessant, wer alles „Schwarze“ hört, wenn Tönnies „Afrikaner“ sagt. Was ist mit den Europa-stämmigen Afrikaner und mit den arabischen Afrikanern der Mittelmeeranrainerstaaten?
2. „Weißer Mann“ darf sich schon zur demographischen Entwicklung in Afrika äußern. Es kommt auf das Wie an. Gloria von Thurn und Taxis ist ein gutes Beispiel, wie man es besser nicht macht.
3. Herrn Tönnies’ Entschuldigungen sind Nicht-Entschuldigungen. Entweder hat er nicht kapiert, was er gesagt hat, oder es ist ihm egal. Gegen Unwissenheit hilft Beratung. Er hat genug Geld, um sich gut beraten zu lassen. Warum tut er es nicht?
Egbert von Tut und Tatnix
12. August, 2019“Richtige Stichworte, falscher Schluss:”
“Es kommt auf das Wie an. Gloria von Thurn und Taxis ist ein gutes Beispiel, wie man es besser nicht macht.”
Nun, wer ist die Instanz in Sachen “richtig/falsch” und “so macht man es besser nicht”? Euer Hochwohlgewendet? Gibt es da einen Verhaltenskodex, vom “Wörterbuch des Gutmenschen” abgesehen?
Natürlich hat Tönnies nicht alle Afrikaner gemeint, sondern Schwarzafrikaner. Er hat nicht von den weißen Farmern gesprochen, die reihenweise abgeschlachtet werden und auch nicht von den in Südafrika von der schwarzen Mehrheit rassistisch unterdrückten “Asiaten”, die überwiegend aus Indien stammen. Wahrscheinlich hat er nicht einmal von Nashörnern und Giraffen gesprochen. Wer Nordafrikaner meint, drückt das in der Regel differenzierter aus und spricht von Arabern oder Ägyptern. Sie werden gewiss auch nicht, wenn es das Thema ist, jedesmal jegliche in Afrika lebenden Ethnien aufzählen. Also bitte keinen Nebenkriegsschauplatz eröffnen, was die Wortwahl angeht. Jedem, der sich mit den Verhältnissen in Afrika befasst, weiß, was er gemeint hat. Und entschuldigen? Für was?
Albert Schultheis
8. August, 2019Sehr gut, Herr Wendt! Ich bin sogar mittlerweile dafür die sogenannte Entwicklungshilfe gänzlich einzustellen, die immer nur Korruption der Herrschercliquen und Stillhaltezahlungen waren, die das koloniale Grundprinzip ungebrochen fortführt: Ihr seid die Unterentwickelten und wir entwickeln euch!
Nein, die Politik muss klar in die andere Richtung gehen: Ihr sitzt im Fahrersitz, ihr seid verantwortlich für eure eigene Misere! Jagd eure korrupten Eliten zum Teufel. Ihr seid unabhängig seit über 80 Jahren. In der Zeit wurde die Bundesrepublik aus Trümmern wieder aufgenaut. Ihr habt alles, was es braucht: Raum, Land, Ressourcen, Menschen – macht was draus, oder zerfetzt euch oder versinkt in Armut und Elend. Es ist eure Entscheidung. Aber macht bitte niemanden anderes für euer Elend verantwortlich.
Da lag Herr Tönnies genau richtig. Leider musste er einknicken – aber das ist eine deutsche Seuche die nicht nur Herrn Tönnies betrifft.
Dr. W. Manuel Schröter
8. August, 2019Dem Artikel ist nichts hinzuzufügen; vielen Dank, Herr Wendt. Vielleicht nur ein Hinweis für diejenigen, die sich ein korrektes Bild (kein “politisch-korrektes” der Bundesrepublik Deutschland!) verschaffen wollen, man lese: “African Politics – A very short Introduction”, Oxford, University Press, 2018; Verfasser des (englischen) Büchleins ist Ian Taylor, mWn Professor an St. Andrews. Wäre auch für Journalisten ungemein bildend…
Dr. Gottfried Köppl
8. August, 2019Die Bevölkerungsexplosion in Afrika ist in erster Linie verursacht durch die heute so beschimpften weißen Kolonialisten, dank deren medizinischen und hygienischen Maßnahmen die Mütter- und die Säuglingssterblichkeit wesentlich gesenkt werden konnten. Die unumgängliche Anpassung der Fertilität wird behindert von den korrupten Eliten, die persönliche Bereicherung dem Aufbau funktionierender Sozialsysteme vorziehen, vor allem aber durch den Emanzipationsrückstand afrikanischer Frauen. Hier spielt die Religion, in erster Linie der Islam, aber auch die katholische Kirche mit ihrer Ablehnung von Geburtenkontrolle und Schwangerschaftsabbruch eine unheilvolle Rolle.
erwaspan
8. August, 2019Klasse Beitrag, trifft den Nagel auf den Kopf!!!!!!!!!
Es müßte mehr Tönnies geben—solche vor seinem Umfaller!!!!
Gerard Frederick
8. August, 2019Die Kommentare zu den Ausserungen von Herrn Tönnies stellen lediglich unter Beweis, dass der heutige Deutsche an Dunmmheit und vorrauseilendem Gehorsam gegenüber dem unheiligen Zeitgeist nicht zu überbieten ist. Wie man in Amerika sagen würde: Germany is toast.
Gerhard Sauer
8. August, 2019Eine löbliche Anstrengung, Herr Wendt, um den Sinn hinter der Tönnies Äußerung herauszuarbeiten. Ich glaube zwar nicht, daß er den Zusammenhang zwischen Wirtschaftswachstum und Demographie derart klar ansprechen wollte, aber es war immerhin ein – grobschlächtiger – Versuch. Natürlich war es auch purer Leichtsinn oder Übermut, eine Verringerung der Geburtenrate in Afrika als wünschenswert zu bezeichnen. Daraus folgt doch nach dem Verständnis der öffentlichen Schreihälse glasklar, daß er den Afrikanern die Vermehrung madig machen will und letztlich ihr Aussterben durch Kinderlosigkeit als erstrebenswert ansieht. Die Kurzschlußschaltungen in den Köpfen der Lautplärrer lassen keine andere Deutung zu. Da ist nichts zu machen, Ihr Artikel ist gewissermaßen Diamanten aus Botswana vor die Stieraugen der deutschen Journalisten werfen.
Aron
9. August, 2019Nicht nur die ehemaligen Kolonialherren, die korrupten Eliten Afrikas sondern auch die Industriekonzerne und ihre Speichellecker sind mit schuldig an der Misere der zu geringen Weiterentwicklung. Im Gegenteil unsere Konzerne plündern Afrika weiter aus und zerstören die Lebensgrundlagen.
Und jetzt kommt das Dumme dabei wer der verarmten Bevölkerung soll den Strombezug bezahlen ? Da wären zum Anfang Sonnenkollektoren und kleinere Windkrafträder für die Dörfer ect. besser. Solche Einsätze gibt es ja schon seit einiger Zeit.
wolfgang fubel
9. August, 2019Ja eine deutsche Dummheit, die schon an Selbstvernichtung grenzt.
Eine heimische Bevölkerung, die sich bereitwillig von “Gutmenschen” und weichgespühlten Weltverbesserern einlullen lässt. Obrigkeitshörig und medienhörig alles glaubt, was die ihnen auftischen!!
Hartmut Pilch
9. August, 2019Afrika macht jedenfalls allen Sinn jeglicher hiesiger CO2-Politik zunichte. Das Anthropozän (Menschenzeitalter) verändert das Klima und die ökologischen Gleichgewichte, wobei unentwegter technischer Fortschritt bei einer hinreichend intelligenten, gebildeten und technisch versierten Bevölkerung dazu führen kann, dass ein halbwegs nachhaltiges Gleichgewicht entsteht, wobei sich dann auch die Bevölkerungszahl stabilisiert. Afrika ist davon weit entfernt, es wird fast überall nur schlimmer und angesichts der vielen falschen Märchen, die seit Jahrzehnten aus Zweckoptimismus vebreitet werden, möchte man das von Botswana auch erst mal skeptisch aufnehmen.
Das perfide an der CO2-Ideologie ist gerade nicht, dass ein falscher Zusammenhang zwischen Menschen und Klima behauptet würde, sondern dass spekulative Modelle als Prognosen ausgegeben werden und dass die empfohlenen Mittel zu keinem Erfolg führen. Dies, weil das Problem auf viel zu kleine Kausalzusammenhänge reduziert wird. Es geht nicht um CO2 sondern um das irdische Gleichgewicht, dessen primäre Grundlage die Zahl der Menschen ist. Ökologie und jene naive Menschenrechtsidee, die die Vermehrung zu einem heiligen Recht erklärt, wie es die UNO seit 50 Jahren tut, sind miteinander unvereinbar. Das irdische Gleichgewicht (so auch ein Buchtitel von Herbert Gruhl) ist eine eher kalte Angelegenheit, die sich nicht mit grüner Menschenrechtsschaumschlägerei verträgt. Grüne können keine Ökologen sein.
Werner Bläser
11. August, 2019Nun ja, man muss das differenziert betrachten. Die Umweltschützerin Verena Braunschweiger konstatierte kürzlich (s. ‘Focus’ vom 7.3.), dass Kinder zu viel CO2 produzieren und damit Umweltschädlinge sind.
Ihre Aussage muss jetzt – nach Tönnies – ergänzt werden:
Selbstverständlich sind damit nur weisse Kinder gemeint. Afrikaner dürfen so viel Kinder machen, wie sie wollen – das kann unmöglich irgendwie negativ sein. Alles andere zu denken wäre Rassismus.